Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188804019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880401
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-04
- Tag 1888-04-01
-
Monat
1888-04
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.04.1888
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 76. — 8. Jahrgang. - - - - ' »MMM^MMMWMWWWUWW Beilage MM Sächsischen Landes-AMiger. Sonntag, 1. April 1888. Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. — Expedition: Alexander Wiede, Buchdruckerei, Chemnitz. O st ern. Dem „S2Wchen Landes-Anzeiger" eingesendct von F. Th. K. Wir denken uns Ostern, das Auferstehungsfest, gern in jene Zeit fallend, in welcher auch die Natur ihre Auferstehung feiert. Die Ostcrfreude wird größer und erhebender, wenn der Mensch der «ngen Haft des Winters entfliehen und sich an der neubelrbten Natur, an dem jungen Grün des Waldes, an den ersten Blumen der Wiese erfreuen kann. Leider hält des Winters Strenge die Erde sehr oft un> jene Zeit noch in ihren Fesseln, von „grünen Ostern" äst in gar vielen Jahren recht wenig zu sehen; der „Oster hase" findet kein grünes Versteck im Garten und muß seine Eier im Zimmer, hinter Schränke und in Körbe lege». Aber, läßt die Auf erstehungsfeier der Natur auch auf sich warten, „eS muß doch Früh ling werden!" Bekanntlich ist unser Osterfest eine eigenartige Verschmelzung der altdeutschen Ostarafeier mit dem jüdischen Passahfeste und der christlichen Auferstehungsfeier. Alle drei Feste aber, sie bringen den Oedanken zum Ausdruck: Aus der Verwesung entsteht neues Leben, und alles Leben, welches mit der ewigen Weltordnung im Zusammen hänge steht, cs geht nie unter. Und gerade die großartige Durch brechung der Naturgesetze, wie sie die Auferstehung des Wcltheilandes zeigt, die Gewißheit: «Christ ist erstanden", das Grab behielt ihn Nicht, sondern er lebt und wirkt unter den Seinen, diese Gewißheit beseelte die Anhänger der christlichen Lehre mit jenem Hcldennmthe, Ivie wir ihn bei den Jüngern Jesu, bei den Tausenden von Märtyrern bewundern müssen, sie verhalf dem Christenthume zu seinem Sieges zuge durch die ganze Welt. — Freilich, schwer erkauft war dieser Sicgeszug; unschuldig vergossenes Blut war der Preis für denselben. Aber eben dieser Opfertod Jesu führte Heiden und Juden der neuen Lehre zu. «Ohne Kampf kein Sieg." Würden wir ein machtvolles, geeintes Deutschland haben, wenn nicht Tausende von Gräbern auf fränkischer Erde uns predigten: „Heldenblut ist dir geflossen; dir sank Ler Jugend schönste Zier!" Es ist eine erschütternde und doch zu gleich erhebende Wahrheit in dem unabänderlichen Naturprozcsse, nach welchem das eine sterben muß, damit das andere lebe. Die Müthe muß welken, wenn die Frucht reifen soll, das Samenkorn berwesen, damit der Halm wachse» kann, der Baum sein Lanb ver lieren, wenn neues Grü» ihn schmücken soll. Aus dem Schoße des "Todes wird das neue Leben geboren. So zeigt uns das Osterfest die Tlnvergänglichkeit des aus Gott geborenen und in Gott ruhenden Lebens. Frohes Fest. Nach der Klage die Freude, nach dein stillen Freitag, an dem Wir den Tod des Erlösers betrauern, das Osterfest, welches die frohe Botschaft der Auferstehung bringt. Wochenlang wirft es seinen Schatten voraus und viele Ereignisse schließen sich eng an das hohe Freudenfest: Um die Osterzeit ist cs, da die meisten jungen Christen durch die Einsegnung in die Gemeinde anfgciivmmen werden, in die Osterzcit fällt der Schluß des Schuljahres, auf den Ostertermin legt man wichtige Handlungen im geschäftlichen und gesell'chastliche» Leben. Doch was alle gemeinsam berührt, was Alt und Jung, Hoch und Niedrig mit derselben Wonne erfüllt, das ist der herrliche Wechsel, der um die Osterzeit sich in der uns umgebenden Natur vollzieht. Mögen Augen und Ohren uns vorher auch belehrt haben, daß da draußen neues Leben gewaltig emporspricßt, daß der Winter im Ringen mit dem jungen Frühling unterlegen ist, dKs Osterfest bringt uns doch erst eine offizielle Siegesbotschaft. Viel Noth-uüir Elend ist in der Welt, sichtbar und unsichtbar, offen zur Schau ge tragen und in verschlossener Kammer ausgeweint, aber der Strahl der Ostersonnc dringt auch in das einsame kleine Gemach, dringt -auch in die Brust des Schmerzerfüllte» und läßt hier ein wärmeres Empfinden aufkeime», wie er dort das armseligste Stückchen Menschen- Habe erhellt und verklärt. „Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder." — Die Worte, mit denen Goethe die mächtige Wirkung des Klanges der Osterglocken und Osterlicder auf den verzweifelnden "Zaust schildert, sie gelten für Tausende von Sterblichen, wen» diese .auch nicht im Ringen nach größerer Weisheit und klarer Erkenntniß, fondern im zähen Kampf mit der Sorge um's tägliche Bcod Ver trauen und Hoffnung fast verloren haben. Gleich dem Eis der 'Ströme schmilzt die Eiskruste um die Herzen dahin, und so möge bie Osterionne überall zufriedene Menschen bescheincn, welche ihre Olückshoffnung an den keimenden, sprießenden Frühling auknüpfen. I» -diesem Sinne wünschen wir allen unseren Freunden ein frohes Osterfest. Kurze Rundschau der letzten Tage. Unserem Kaiser geht es wohl! Das ist mit der beste Ton, welcher ans dem Klange der Osterglocken heraus in unseren Herzen widerhallt. Auch die verflossene Woche hat uns das Günstigste über Las Befinden des Herrschers gebracht, dessen Ncscript an den Kron eprinzen die größte Befriedigung hervorgernfen hat. In, Allgemeinen .scheint die Politik beim Erwachen des Frühlings in einen Winter schlaf verfallen zu sei», und wenn nicht die Franzosen wieder einmal ein wenig Leben gemacht hätten, so wäre die Stille des Charfreitags die Signatur der ganzen Woche geblieben. So haben aber die Herren durch die Wahl des Erzrevolutionärs Pyat und des frvndircndcn Herrn Boulangcr bewiesen, daß sie noch immer für Uebcrraschungcn und Abwechslung zu sorgen wissen. Nun ist doch der „tapfere Degen" am Ziele seiner Wünsche angclangt. Ihm, der so gern das große Wort führt, ist jetzt in der Dcputirtenkammcr dazu hinlänglich Ge legenheit geboten. Wie aber kein Glück vollständig ist, so auch das -seinige nicht. Von dem großsprechenden General ist nur noch ein großer Sprecher übrig geblieben, da das Kriegsgericht seines Amtes bereits gewaltet. Ob er dessen Ausspruch mit großem Zagen ent gegengeblickt hat? Sicherlich nicht! Denn war die Freisprechung Lei Wilson recht, so erschien dieselbe Boulanger gegenüber billig. Aber zu seiner eigenen, wahrscheinlich nicht geringen Ucbcrraschung äst er von dem billig denkende» Kriegsgericht verurtheilt und durch den Präsidenten in den wohlverdienten Ruhestand versetzt worden. Uns Deutsche beschäftigt jedoch zunächst eine andere Gencralfrage, und diese ist, Hilfe und Rettung den vom Hochwasser bedrängten Mit bürgern zu bringen. Bei uns erweisen sich viele Flüsse plötzlich auch als Erzrevolutionäre. Aus dem alten Bett sind sie getreten »nd haben das Unterste zu oberst gekehrt. Da heißt es denn nicht ab- warten, bis in den Parlamenten die großen Sprecher kommen, son dern selbst tapfer zugreifen. Es gilt, die durch Wassers noth schwer bedrängten deutschen Brüder und Schwestern vor gänzlichem Unter gang zu bewahre», sie über Wasser zu halten, und daß auch diesen Unglücklichen eine Auferstehung aus ihrer Trübsal winke, daran nach Kraft und Vermögen mitzuwirkcn, sei unser Aller Gelöbniß am Osterfest. Aus der Reichshauptstadt. Plauderei von H. B. Berlin, 26. März 1688. Es ist Frühling geworden. Zunächst macht er sich aber nur in Hen Seen bemerkbar, welche das etwas höher gedrückte Thermometer Ms den Schncemassen auf dem Straßcndamm bildet. Auch au La winen fehlt es nicht und eine hat gestern im jähen Sturze vom Dache auf das Pflaster einen Postboten so schwer verletzt, daß er für todt vonc Platze getragen wurde. Also auch bei uns giebt es elementare Ereignisse aller Art, mit welchen der Lenz seinen siegreichen Einzug in die Stadt der Intelligenz verkündet. Nur sind diese Ereignisse etwas zahmerer Natur als leider anderswo. Wir sind eben bereits zu sehr von der Cultnr beleckt. Das hat aber nicht verhindert, daß Berlin in den jüngsten Tagen der Schauplatz von Thaten war, wie sie ärger und häßlicher das Gemüth eines Botokuden nicht ersinnen könnte. Nachdem erst vor Kurzem ein Vater in unbegreiflicher „Zärt lichkeit" seinen Sohn mit einem Messer niedergestochen, hat sich gestern ein Sohn revanchirt und 'auf seinen Vater ein Pistol abgedrückt. Als die Mordwaffe ihr Ziel verfehlte, richtete der Patron dieselbe gegen sich selbst und damit hatte der Bube mehr Glück, wenn auch kein vollkommenes, denn er verwundete sich nur schwer und an seinem Bette wacht jetzt in banger Sorge — der Vater. Das Bild des un glücklichen Vaters am Belte eines solchen verworfenen Kindes, ist es nicht ebenso dramatisch als tragisch? Tragisch ist auch das Geschick jener großen dramatischen Schauspielerin, welche vorgestern der uner bittliche Tod nach kurzem Schmerzenslager zur ewigen Heimath hin wegführte. Es ist die Gemahlin des Direktors Anno vom königlichen Schauspielbause, deren Tod die allgemeinste Thcilnahme hier erregt hat. Diese Thcilnahme gilt sowohl der Künstlerin — sie hat sich als Charlotte Frohen einen in der gesummten Kunstwelt hochgeachteten Namen erworben — als auch der außergewöhnlichen Ursache ihres Todes. Eine kleine, ganz unbedeutende Wunde an dem Mittelfinger der rechten Hand hatte sich innerhalb weniger Tage so verschlimmert, daß alle ärztliche Kunst die blühende, etwa 40jährige Frau nicht zu retten vermochte. Unter namenlosen Schmerzen erlag die Künstlerin vorgestern den Folgen einer Blutvergiftung. Von diesen einzelnen betrübenden Vorfällen abgesehen, zeigt das Berliner Leben beinahe wieder sein altes fröhliches Gesicht. Nur das Feiern der königlichen Theater und die halbmastgehißten Flaggen auf den öffentliche» Ge bäude» erinnern noch an das letzte welterschüttcrnde Eceigniß. Auch wer seine Schritte an dem Palais vorüberlenkt und die dicht ver hangenen Fenster im Parterregeschoß betrachtet, der wird an das Ge schehene schmerzlich gemahnt. Die Wache. zieht wohl wieder mit Musik auf, doch die Abertausende fehlen, welche jeden Mittag am Denkmal des „alten Fritz" ihr Herannahcn erwarteten. Sie nimmt jetzt ihren Weg auch seltener dort vorüber. Früher mußten die Mannschaften selbst einen großen Umweg machen, um an dem Palais vorbei zu defiliren und jenes Schauspiel zn ermöglichen, das so all täglich und doch stets so ergreifend war. Dies unvergeßliche Bild entrollt sich dort nie wieder und die zugezogene» weißen Gardinen an den Fenstern sagen es uns iy ihrer stummen, wehniuthsvollen Sprache deutlich genug, warum nicht mehr. Eifrig wird bereits in allen Kreisen die Frage erörtert, an welcher Stelle das Denkmal des verstorbenen Kaisers sich erheben soll. Noch ist man über das „Was", die Form, nicht im Geringsten einig, und schon platze» die Geister über das „Wo" heftig aneinander. Daß das Denkmal an der würdigsten Stelle unserer Stadt erstehen soll, ist ganz selbstverständlich. Nun gilt es jedoch, hcrauszufindcn, welcher Punkt der Hauptstadt dem Denk mal wohl den würdigsten Stand gewährt. Bis zur Entscheidung dieser Frage wird es erst noch zu vielen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Behörden von Stadt und Staat, zwischen Bürgerschaft und Künstlern kommen, und noch ehe das Monument geschaffen, wird allein die Beseitigung dieser Kämpfe — eine Kunst sein. Sächsisches. — Dresden, 30. März. Die Generalversammlung des Landcs- vereinS zur Pflege verwundeter und erkrankter Krieger im Königreiche Sachsen ist für Donnerstag, den 5. April d. I., 3 Uhr Nachmittags im Saale der Dresdner Börse anberaumt worden. Bei der Wichtig keit der auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände, und da es sich gegenwärtig um eine Ncubelcbung und Reconstruirung des Vereins handelt, erscheint eine möglichst zahlreiche Betheiligung der Vereins- Mitglieder an der Generalversammlung dringend geboten. — Ein schauerliches Abenteuer bestanden in vergangener Nacht auf der Marien brücke der dort stationirte Bahnwärter Domschke und ei» zu jener Zeit zu Fuße die Brücke passirendcr Privatkutscher. Dieselben sahen eine männliche Gestalt auf den Bahngleisen, von welchen bekanntlich der Privatverkehr durch ein Geländer getrennt ist, nahe der Strvm- seitc dahinwandeln, ganz bis auf's Hemd entkleidet und in sehr erregter Stimmung, die sich durch unheimliche Laute kundgab. Der Bahn Wärter, nichts Gutes ahnend, trat der grausigen Erscheinung entgegen und der Kutscher, welcher später dazu kam, überstieg das Geländer, um sich gleichfalls über die Absichten jener Gestalt zu vergewissern Mit dumpfem Murmeln warf dieselbe — ein vor Frost und Erreg ung zitternder junger Mann — Beinkleider, Stiefeln und andere Kleidungsstücke in den Strom, dabei immer zum Sprunge ins Wasser ausholend. Durch energisches Festhalten und Zureden gelang cs denn auch, die Absicht des offenbar geistig Gestörten zu vereiteln, ebenso das beabsichtigte Hinwerfcn auf die Eisenbahnschienen während des Vorbeipassirens eines Zuges zn verhindern, eine Droschke herbeizu rufen und den Unglücklichen nach langen Bemühungen dem städtischen Krankenhause zuznführen. — Zu den bestehenden kleinen Sparkassen, deren Wohlthätigkeit und Nützlichkeit jeder weniger Bemittelte am Besten empfindet, gesellt sich mit dem 1. April eine neue, ebenso praktische als leicht zugängliche. Das Holz- und Kohlengeschäft von F. M. v. Rohrscheidt, hier, eröffnet mit dem 1. April eine Hvlz- und Kohlen-Sparkasse, mit deren Bethciligung sich ein Jeder die Heizungssorge für den Winter außerordentlich bequem und leicht mache» kann. Die genannte Firma giebt Sparmarken zu 50 und 100 Pfennigen aus, gegen deren Rückgabe der Betreffende mit Holz und Kohlen versorgt wird. Während des Sommers, der uns von der Belenchtungs- und Heizungssorge so gut wie gänzlich befreit, kann sich Mancher durch Kauf solcher Marken ein beträchtliches Kohlen- und Holzlager für den Winter anschaffcn, ohne daß er es an seiner Kaffe besonders merkt, und naht dann der Winter, nament lich ein so harter und langer, wie der vergangene, so kann er ihm ruhig und getrost entgegenblicken. Den Besitzern solcher Sparmarken werden dazu Kohlen und Holz kostenfrei ins Haus gebracht und 2>/z Prozent Rabatt gewährt. (Eine derartige Einrichtung wäre auch für andere Städte zu empfehlen.) — Der große Hänscrkvmplex auf der Stephanienstraße, welcher vor Jahren von einem bekannten Spccnlantcn und Agenten gebaut wurde und bei dem so viele Banhandwcrker, als die Häuser von jenem Agenten nicht mehr zu halten waren und znm Ver kauf kamen, hinten hinunterficlen, sind nicht sehr lange im Besitze ihres Erstehers geblieben. Herr Tapetenfabrik»»« Böhme hat dieselben gestern an einen Zwickauer Bankier, Herrn Thost gnn., verkauft und zwar, wie cs heißt, zum Preise von etwa 900,000 Mark. Der Complex umfaßt 10 stattliche Häuser. >— Der Extrazng, welcher den Circus Herzog von Dresden nach Köln brachte, kostete letzterem über 7000 Mark. — Bei einer vorgestern hier stattgcfnndcnen Amts gerichts - Verhandlung gegen einen Schmicdegesellcn Namens Großer ereignete sich folgender aufregender Fall. Großer zog, als er seine Vcrnrthcilnng zn 4 Monaten 3 Wochen Gefängniß ver nahm, unter Ausstoßung von Verwünschungen eine Flasche ans der Tasche und lhat ans derselben einige Schlucke Die Urthcilsvcrkün- digung wurde auf einige Minuten unterbrochen, und der funktionirende Amtsanwalt beantragte die Verhängung einer weiteren dreitägigen ^ Haftstrafe für Großer wegen ungebührlichen Benehmens vor Gericht. In diesem Sinne wurde seitens des Gerichtshöfe» auch erkannt. Großer aber war weit davon entfernt, sich nunmehr ruhig zu ver halten, er schlug vielmehr um sich und stieß Schimpfworte au», ati- dererseitS machte er aber auch Bewegungen, als ob er sich erbrechest, wollte. Endlich war die Geduld des Vorsitzenden erschöpft und Großer wurde von zwei Gerichtsdicnern unter Anstrengungen a»S dem Saal gebracht. Hierbei stieß er jedoch plötzlich den Ruf auS: „Mir ist Alles egal, ich habe Gift genommen." Selbstverständlich war eS Pflicht der Gerichtsorgane, sich von der Glaubwürdigkeit dieser Aeußerung zu überzeugen, um den Vcrurtheilten eventuell zu retten. Man schickte also nach einem Arzt, aber bis zu dessen Ankunft verging einig« Zeit. In der neben dem Gcrichtsgebäude befindlichen Storch-Apotheke wurde indessen festgestellt, daß die Flüssigkeit in der Flasche, au» welcher Großer getrunken hatte, Phosphor (von Streichhölzern her rührend) enthielt. Der schließlich eingetroffene Arzt verordnete ein kräftiges Brech- und Laxirmittel und diese- ergab nach allen Richt ungen hin eine so intensive Wirkung, daß der Vcrurtheilte am Nach mittag sich bereits wohl befand und auch beruhigt hatte. — Leipzig, 29. März. Gestern ist Plötzlich wieder eiiier unserer hervorragendsten Buchhändler, vr. Rudolf Engelmann, Chef der weitbekannten hiesigen Verlagsbuchhandlung Wilhelm Engelmann, erst ein hoher Vierziger, gestorben. Die Vcrlagshandlung besteht seit 1811. vr. Wilhelm Engelmann starb am 7. Februar 1879, seit welcher Zeit die Wittwe Christiane Therese und der Sohn Rudolf Engelmann das Geschäft weiter geführt haben. Vater und Sohn waren hochgebildete Männer. Das Vcrlagsgeschäft umfaßte so ziemlich alle Zweige der Wissenschaft. Auch eine Reihe Zeit schriften sind in deren Verlag erschienen. Früher hatte die Firma auch ein großes Com Missionsgeschäft, das später an C. F. A. Köhler hier, übergegangen ist.. — Es ist in diesem Jahre nach einem langen Zeiträume wohl das erste Mal der Fall eingetreten, daß Leipzig keine neuen Lehrer anzustellen brauchte, sondern im Gegen» theil einer Anzahl Hilfslehrern, die bereits hier Anstellung gefunden hatte, kündigen mußte. Die Ursache dieser Maßnahme ist darin zu suchen, daß die Zahl der Volksschüler von 1886 zu 1887 gar m'cht gestiegen war. Die Hilfslehrer, denen der Rath gekündigt hat, haben im Bezirke Leipzig-Land, wo in diesem Jahre über 20 neue Lehr kräfte gebraucht werden, Stellen erhalten. — Osch atz. In Börln bei Dahlen wurde seit vergangenem Sonnabend der Lehrling des Bäckermeisters Arras vermißt. Am Dienstag Nachmittag fand man den Vermißten todt in der Scheune. Er hatte sich in das Stroh eingewickelt und mit einigen Strohbündeln zugcdeckt, doch war er nicht erstickt, sondern hatte sich mit Carbol- siiure vergiftet. Die Arme über die Brust gekreuzt, hatte er noch das mit Resten von Carbol angefüllte Fläschchen auf der Brust liegen gehabt. Das Motiv zur That ist unbekannt. — Wurzen. Ueber unsere Stadt entlud sich am Donnerstag Nachmittags gegen 5 Uhr ein heftiges Gewitter; auch etwas Schloßenfall wurde beobachtet. Die Temperatur sank von 26 Grad Reaumur (?) (Mittags in der Sonne) auf 7 Grad nach dem Gewitter. — Oederan, 30. März. Gestern Nachmittag kurz nach 5 Uhr hatten wir hier das erste Gewitter. Dasselbe, obwohl nur von kurzer Dauer, trat ziemlich schwer auf und war von heftigen Blitzen und Donnerschlägen begleitet. Wie wir erfahren, hat es dabei in die Restauration zum Marienbad eingeschlagsn; glücklicherweise sind diesem sogenannten kalten Schlage nur einige Fensterscheiben zum Opfer ge fallen, sonst hatte das Ereigniß keinen weiteren Schaden angerichtet. — Burgstädt, 29. März. Der Stadtgemeinderath hat in letzter Sitzung beschlossen, nunmehr die Vorarbeiten für die Wasser leitung in Angriff zu nehme». Als Qnellgcbiet sind die östlich von der Stadt bei Herrenhaide gelegenen Grundstücke in Aussicht ge nommen. Der hierüber gehörte Sachverständige, Herr Ingenieur Thiem-Leipzig, berechnet die Untersuchungskosten auf 5000—6000 M. und ist der Stadrath ermächtigt worden, mit ihm ins Einvernehmen zu treten. — Crimmitschau. Am 28. d. wurde in einem Teiche unseres Sahnparkes endlich der Leichnam des seit Weihnachten v. I.-ver schwundenen Handelsmannes Rascher gefunden. Der 72jährige Mann hatte den Tod gesucht und gefunden. X Thum. Das hiesige Bürgerschulgebäude erfährt in diesem Jahre eine bedeutende Vergrößerung; es sollen 6 Schulzimmer angebaut und diese, sowie der Schulsaal, mit einer Heißwasserheiz ungs-Anlage versehen werden. Mit der Ausführung des Baues wurde Herr Baumeister Uhlig von hier beauftragt. Um den nöthigen Bauplatz zu gewinnen, mußte das ehemalige Beckert'sche Wohnhaus abgetragen werden. — Am Montag, den 26. März u. o., fand Hier selbst das Examen der Wirkschülcr statt, »nd legte dasselbe beredtes Zcngniß davon ab, daß in unserer Wirkschule tüchtig gearbeitet worden ist. Am Abende desselben Tages versammelten sich die Mit glieder des Wirkschnlvereins im Schützcnhause zu einer Hauptver sammlung. Aus der Rechnungsablage geht hervor, daß im ver flossenen Schuljahre 1766 M. 12 Pf. vereinnahmt und 1498 M. 89 Pf. verausgabt worden sind, so daß noch ein baarer Kassenbestand von 267 M. 23 Pf. verbleibt. Die Zahl der Mitglieder des ge nannten Vereins ist im letzten Jahre von 46 auf 1t4 gestiegen. In den Vorstand wurden die Herren Robert Hofmann, Robert Sachsenröder, Bürgermeister Schneider, Schnldircctor Kunze, Oskar Opp, Albin Böttger — sämmtlich aus Thum — und Herr Oskar Hofmann aus Jahnsbach wiedcrgewählt. — In Lichten stein versicherte man sich dieser Tage eines Mannes, welcher den Versuch gemacht hatte, seiner Ehefrau die Puls ader der linken Hand zu durchschneidcn. Man soll es mit einem Geistesgestörten zu thun haben. — Annaber g. Der Gerbergehilfe Karl Friedrich Walther aus Frohnau, der über 30 Jahre bei dem Gerbermeister Rechenbcrger in Annaberg in Arbeit gestanden, erhielt die große silberne Medaille für Treue in der Arbeit. — In der Karlsbader Gasse zu Buch Holz brach in der Nacht znm 29. März Feuer aus. Es brannte das dem verstorbenen Tischler meister Pfau gehörig gewesene Haus nieder. Die Insassen, welche nur theilweise nicht versichert hatten, konnten aus dem oberen Stock werke nur wenig rette». Die Entstchungsursache ist noch unbekannt. — Marienbcrg, 30. März. Wie wir vernehmen, feiert am 4. April d. I. Herr Bürgermeister Ger mann hier sein fttnf- undzwanzigjährigcs Amlsjubilünm. — Znm Nachfolger des am 26. Januar d. I. Plötzlich verschiedenen, auch in weiteren Kreise» im bleibenden Andenken stehenden Herrn Amtshanptmanns Starke ist Herr Regicrungsrath von Wilncki bei der Königl. Krcishanptmann- schaft Zwickau ernannt worden. Derselbe wird am 1. Mai seine neue Stellung als Amtshauptmann von Marienberg anlrctcn. HI Einsiedel. In einer hiesigen Strumpffabrik hatten sich am Montag früh sämmtliche Arbeiter (gegen 100) in einem Arbeits saale versammelt, um durch einen Streik den angcknndiglen Lvhn- abbruch zu verhindern. Der hcrbcigernfcne ArbeitShcrr war bald bereit, die früheren Löhne vor der Hand fortzuzahlcn, entfernte aber sofort die Anstifter dieses Streikes. — Am Dienstag früh wurde an
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)