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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 20.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189610203
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18961020
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18961020
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-10
- Tag 1896-10-20
-
Monat
1896-10
-
Jahr
1896
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 20.10.1896
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245 Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite S. — 20. Oktober Mb. Kavallerie." Neber arge Ausschreitungen, die sich ein el sässischer Rekrutc n t ran spart aus der Fahrt nach Nord- deutschlnnd hat im Badischen zu schulden kommen lassen, bringt das „Rastatter Wochenblatt" folgende Mitteilungen: „Ein Sonder zug mit Rekruten aus dem Reichslande traf am 13. ds. Mts. abends um 8 Uhr auf der Durchfahrt im Bahnhofe Rastatt ein, wo den Rekruten ein Aufenthalt zu einer Erfrischung gewährt wurde. Als jedoch die Zeit zur Abfahrt herannahte und die Rekruten den Zng wieder besteigen sollten, verweigerten sie sowohl der militärischen Beglcitungsmannschaft, wie dem Bahnpersonal den Gehorsam und gaben ihrem Unmuth durch Zertrümmerung von 118 Trinkgläsern in ungehörigster Weise Ausdruck. Der Bahnsteig war von den Scherben wie besäet. Schließlich ließen sie sich zur Weiterfahrt bewegen. Aber in Karlsruhe und Heidel berg wiederholten die Rekruten die groben Ausschreitungen. Der Zug wurde von ihnen zwischen Karlsruhe und Heidelberg durch das Nothsignal gestellt. In dem ganzen Zuge zertrümmerten sie die Glasscheiben, rissen die Schilder herunter und schnitten die Riemen ab. Von Karlsruhe aus wurde telegraphisch auf die vielfach der Wunfch geäußert wird, es möchte die oberste Militär behörde eine Aeußerung veröffentlichen, welche mit amtlich be stätigter Darstellung und Verurtheilung deS Vorfalles zugleich die strenge Sühne der verwerflichen That verheißt, so schließen wir uns diesem Wunsche aus der vollen Ueberzeugung an, daß so vielleicht ein Weg gefunden würde, das in großen Kreisen der Civilbcvölkerung stark erschütterte Vertrauen auf den Schutz des Publikums vor allen militärischen Ausschreitungen wieder aufzu richten. Und es sind gerade die besseren Kreise unserer Be völkerung, die ost genug ihre Anhänglichkeit und Treue an das Heer betonten, welche eine solche amtliche Erklärung zur Be ruhigung der Gemüther herbeiwünschen möchten. — Auch die konservative „Bad. Landpost" hat von zuständiger Seite Auf klärung über den Fall v. Brüsewitz verlangt. Sie hat infolge dessen folgende Zuschrift erhalten: „Karlsruhe, 15. Oktober 1896. Geehrter Herr Chefredakteur! Das Hauptblatt der gestrigen „Badischen Landpost" richtet mit warmen Worten die Aufforderung an das Generalkommando, zur Beruhigung des Publikums eine Klarlegung des Sachverhaltes hinsichtlich des bedauerlichen Vor falles zu veröffentlichen, der die Gemüther bewegt. Zu einer solchen ist nach den gesetzlichen Bestimmungen weder der komman- dircndc General, noch das mit der Führung der Untersuchung befaßte Militärgericht befugt. Da die gerichtliche Untersuchung übrigens noch nicht abgeschlossen ist und Mittheilungen aus der selben nicht an die Ocssentlichkeit gelangen, so können die in der Presse enthaltenen Angaben nur auf unvollständigen und un- ontrolirbaren Privatermittlungen beruhen. Hochachtungsvoll Ew. Hochwohlgeboren sehr ergebener Bülow, General der Station Heidelberg militärische Hilfe verlangt : jedoch mußte die zu spät cingetroffene Meldung nach Darmstadt weitergegeben werden. Hier war eine Batterie Artillerie bereitgcstellt, die jedoch keinen Anlaß mehr zum Einschreiten hatte, da inzwischen die Leute sich ausgetobt hatten und die Ruhe wiederhcrgcstellt war. In Heidelberg wurde wegen der gefährlichen Haltung der Rekruten, die mit Gläsern und Flaschen umherwarsen und an einem durch fahrenden Schnellzuge die Fenster einwarfen, das Zugpersonal mit Revolvern ausgerüstet. Wie es heißt, soll auch der Ruf „Vive la Uranos" wiederholt ausgestoßen worden sein." —Die „Straßburger Post" knüpft an diese Meldung folgende Be merkungen : „Man wird nicht fehl gehen, wenn man in diesem Vorgehen der beklagenswerthen, weil irregesührten jungen Mann schaften einen Reflex der jüngsten Vorgänge in Frankreich und der damit in Verbindung stehenden chauvinistischen Treibereien, ' i Frankreich lebenden Elsässern ausgchen, gehen, auch wenn sie dieselben nicht als oonäitio sine qua non hinstellen würden. Unsere Kolonialpolitik muß, wenn unsere Schutzgebiete gedeihen sollen, weniger auf die bureaukratischel Schablone, als auf die thatsächlichen Verhältnisse, auf die Förderung I der wirthschaftlichen Thätigkeit, auf die Erweiterung des Ver kehrswesens, kurz auf diejenigen Bahnen zugeschnitten werden, innerhalb deren das deutsche Kapital eine Verzinsung von An lagen als sicher erwarten' kann. Die Lösung dieser Aufgabe er- geharnischten Artikel zu Felde, dem »vir die folgenden Sätze ent nehmen : „Wir können dem Artikel der „Times" die Anerkennung < nicht versagen, daß er auf dem Gebiete der politischen Heuchelei ! das Höchste leistet, was uns in der englischen Presse vorgekommeu ist. Wenn jemals die Verstimmung eines Volkes gegen ein anderes erklärlich und berechtigt war, so ist es die Deutschlands gegen England. Als Untergrund derselben betrachten wir die hochmüthige und anmaßende Haltung, die England aus früherer Zeit bis in die Gegenwart hinein uns gegenüber beobachtet hat und die ihren Ausdruck in der bekannten englischen Auffassung findet, daß Preußen resp. Deutschland als eine Art von Vasall Eng lands zur Vertretung der britischen Politik auf dem Kontinente verpflichtet fei. Die erfolgreiche moralische Unterstützung, die Deutschland den Boeren gewährt hat, und das Verhalten Deutsch lands in Sachen des Sultans von Zanzibar, das dem englischen Prestige in Afrika zu Gunsten des deutschen zu schaden geeignet war, scheint in Verbindung mit den übrigen englischen Miß erfolgen den britischen Ingrimm derart gesteigert zu haben, daß die Ausbrüche des Unmuthes, wie die in der „Times", nicht überraschen und nur komisch wirken können. . . . Wenn England aber Deutschland mit Lockerung des Dreibundes droht, so fassen wir dies als eine Bestätigung der Vermuthung auf, daß England vielleicht versuchen wird, aus seiner Verlegenheit dadurch heraus- Wkommen, daß cs auf Italien in der Richtung des Abfalls vom Dreibunde drückt, um auf diese Weise eine den englischen Inter essen günstigere Stellung der Drcibundsmächte herbeizuführen. Ob dieser Plan, wenn er besteht, Aussicht haben würde, etwa im Sinne der römischen „Tribuna" oder des „Osscrvatore Romano" verwirklicht zu werden, lassen wir für heute unerörtert. Ein Bc- schon darum nichts, weil wir nichts über ihn wissen. In solcher Un- kenntniß über seinen Beruf zur Leitung der kolonialpolitischen Angelegenheiten dürfte man sich allgemein befinden; ebenso allgemein aber ist in den Kreisen, in denen man eine ziel bewußte Förderung der kolonialen Unternehmungen wünscht, die Ansicht, daß dazu eine bureaukratische Besetzung des wichtigen Postens nicht genügt. Zutreffend wurde in dieser Beziehung in einer Berliner Zuschrift der „Hamb. Nachr." bemerkt: Sieht man bei der Entscheidung dieser Frage vorläufig von den einzelnen Personen ab, so muß doch von vornherein als zu be achtender Gesichtspunkt betont werden, daß die Leitung der kolonialen Angelegenheiten nicht einem am grünen Tisch ausge wachsenen Bureaukraten, sondern einem unserer „Afrikaner" oder wenigstens einem Beamten übertragen wird, der die Kolonien nicht blos vom Hörensagen oder in Folge einer Vergnügnngs- tour kennt. Als die Abtheilung für koloniale Angelegenheiten im Auswärtigen Amte geschaffen wurde, war der Kreis der Personen, die für die Leitung derselben in Frage kommen konnten, beschränkt, jedenfalls aber nicht so weit wie hente, wo eine ganze Anzahl von Offizieren und Beamten inzwischen praktische Er fahrungen im schwarzen Erdtheile selbst zu macheu Gelegenheit hatte. Wollen die jetzt zur Verfügung stehenden Persönlichkeiten an dem bureaukratischen Organismus der Kolonialabtheilung Aenderungen vorgenommen haben, so sollte man darauf cin- mühen in dieser Richtung entspräche jedenfalls ganz dem Wesen -er englischen Politik, und man wird auf alle Fälle gut thun, sich aus dergleichen Eventualitäten vorzubereiten." Der Reichskanzler hat mit Ermächtigung des Kaisers dem Bundesrathe den Entwurf einer Militär-Strafgerichts ordnung für das deutsche Reich nebst umfangreicher Be gründung, wie die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet, zur Beschluß- nahme vorgelegt. Damit ist in dieser Angelegenheit ein Schritt , . . , . x. , ' vorwärts der seit Jahrzehnten vergeblich erwartet worden, ge- die besonders von in Frankreich lebenden Elsäffern ansgchen, than die wichtige Resvrmfraqe tritt aus dem Stadium der all- erblickt, einen Reflex, den auch sonst aufmerksame Beobachter gemeinen öffentlichen Erörterungen und der Vorbereitung von 1 hier im Rcichslande wahrgenommen haben wollen. Es kann nicht genug davor gewarnt werden, dieser Stimmung nachzugeben oder sie gar noch zu unterstützen." Ein vollständiges Fiasko erlitten die sozialdemokrati schen Frauen mit ihrer Protestversammlung gegen das neu« bürgerliche Gesetzbuch, welche Donnerstag in der Norddeutschen Brauerei in Berlin stattfinden sollte. Es waren kaum 60 Per sonen erschienen. Die Referentin Frau Ihrer erklärte, unter solchen Umständen auf ihre Rede verzichten zu wollen, während Frau Lily Braun-Gizycki trübselig meinte, sie hielte es für ge- rathener, die Protestresolution gegen die Benachtheiligung der Frau im bürgerlichen Gesetzbuch, welche sie ausgearbeitet habe, ein anderes Mal vorzulegen, um nicht die gute Sache dem Ge spött der Gegner preiszugeben. Schließlich wurde die Versamm lung, ohne daß man in die eigentliche Verhandlung eingetreteu war, auf nächsten Donnerstag vertagt. Wie die Köln. Zeit, aus Wien erfährt, hat der österreichisch« Kontre-Admiral Erzherzog Karl Stefan wegen Meinungsver schiedenheit mit dem Admiral Freiherrn von Sterneck einen ein jährigen Urlaub genommen, doch hofft die Reichswehr, daß er nach Ablauf dieses Urlaubs die Unannehmlichkeiten seiner gegen wärtigen dienstlichen Stellung im Interesse der Kriegsmarine noch einige Zeit weiter ertragen werde. Die schmachvolle Deutschenhetze in London, die sich Dank dem Hetztreiben einzelner englischer Blätter in den Tagen nach Krügersdorf und dem Drahtgruß Kaiser Wilhelms an den Präsidenten Krüger wochenlang abspielte, scheint sich jetzt, ange regt durch die gehässige Sprache von „Times", .Daily Telegraph" und Genossen erneuern zu wollen. Zwar hat der neue Hofpoet der Königin Viktoria noch kein zanzibaritisches Seitenstück zu seinem Gedicht über „Jamesons Heldenritt" angefertigt und man vernimmt noch nichts von neuen Schmähversen Londoner Tingel tangelgrößen gegen den deutschen Kaiser, aber manche andere An zeichen deuten auf die Wiederkehr des Schandtreibens vom letzten Winter hin. Sollte es wirklich dazu kommen, dann werden sich die Engländer nicht wundern dürfen, wenn endlich auch die deutsche Geduld reißt und Vergeltung geübt wird. Man möchte unsere galligen Stammesvettern an der Themse denn doch ein dringlichst warnen, nicht allzu sehr auf die deutsche Friedsamkeit und Langmuth loszusündigen. Sollte man in London gar keine Empfindung für die Würdelosigkeit des Schauspiels haben, das eine neuerliche gesellschaftliche und' wirthschaftliche Hetze gegen die dort friedlich ihren Geschäften nachgehenden, am politischen Tagesstreit durchaus unbetheiligten Deutschen der Welt böte? Und ist man sich in London der Zweischneidigkeit einer derartigen Methode nicht bewußt? Soll England wirklich für uns Deutsche ein „wildes Land" werden, wie die Hetzer in gewißen Londoner Redaktionen und Singspielhallen es wünschen, dann werden wir, so sehr dies dem deutschen Volkscharakter auch widerstrebt, eben auf einen Schelmen anderthalb zusetzen müssen. Zu diesen Be merkungen hat das nachstehende Londoner Stimmungsbild der „Voss. Zeit." genöthigt: London, 17. Oktober. Die gestrigen in langen Auszügen hierher gedrahteten kräftigen Entgegnungen der deutschen Presse auf die deutschfeindlichen Artikel hiesiger, zu meist unionistischer chauvinistischer Blätter werden von den heutigen Morgenblättern mit Stillschweigen übergangen. Ob sich der Kampf ausgetobt hat, bleibt abzuwarten. Nicht allein in der Presse, sondern auch im englischen Publikum bekundet sich eine starke, antideutsche Stimmung; es sind bereits Anzeichen der Wiederkehr der Deutschenhetze vorhanden, die Anfang- dieses Jahres herrschte. Einen wahren Sturm der Entrüstung ver ursachte die Zeitungsmeldung, daß ein deutscher Musiker Sommer, > der schon lange in England ansässig ist, zum Kapellmeister der britischen Grenadiergarde ernannt worden sei. Die Ernennung wird heute in Abrede gestellt, allein es scheint, daß sie in Folge der feindseligen Kritik rückgängig gemacht wurde. Unter den gegenwärtigen gespannten Beziehnngen zwischen Deutschland und England leidet natürlich die hiesige deutsche Kolonie in erster Reihe. Das Denkmal zeigt den Kaiser zu Pferde, geleitet von den Genien des Krieges und des Friedens. Der Schöpfer des Kunstwerkes, Prof. Karl Janssen, erhielt den Rothen Adlerorden IV. Klaffe. Nachmittags fand ein Festessen in der Tonhalle, Abends ein Volksfest ebendaselbst, sowie eine Festvorstellung im Theater statt. — In Hanau fand während derselben Zeit in Anwesenheit des Unterstaatssekretärs v. Weyrauch als Vertreter des Kultusministers und des Regierungspräsidenten Grafen Clairon d'Haussonville, verschiedener Abgeordneter deutscher Universitäten und einer großen Anzahl anderer auswärtiger Gäste vor dem Rathhaus die Ent hüllung des Nationaldenkmals der Brüder Grimm in einer gleich würdigen Weise statt. Die Ernennung des Geheimen Legationsrathes z. D. Frhrn. V. Richthosen zum Direktor der Kolonialab theilung steht bevor. Der neue Kolonialdirektor ist bisher Mitglied der ägyptischen Schulden-Kommission gewesen und hat eine Zeit lang im auswärtigen Amte gearbeitet. Ein Berliner Blatt rühmt ihn als einen tüchtigen und befähigten Diplomaten. Im Uebrigen aber erregt diese Wahl einiges Erstaunen, dem einzelne Blätter auch unverhohlen Ausdruck geben: denn kolonial- politische Erfahrungen zu sammeln hat der neue Kolonialdirektor keine Gelegenheit gehabt. Deshalb sind grade Organe, die sich für die Kolouialpolitik interessiren, von dem neuen Leiter der selben sehr wenig erbaut. Die „Nordd. Allg. Ztg." weiß über ihn Folgendes mitzutheilen: „Geh. Legationsrath vr. jur. Frei herr Oswald v. Richthofen entstammt der Heinersdorfer Linie (Prätorius v. Richthofen). Er ist am 13. Oktober 1847 zu Jassy geboren als Sohn des vormaligen kaiserlichen außerordent lichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers zu Stockholm Freiherrn Emil v. Richthofen. Es wird noch in Erinnerung sein, daß die Gattin des Freiherrn von Richthofen eines der ersten Opfer war, welche in diesem Jahr die Cholera in Aegypten vrderte." — Hierzu bemerkt die „Nat. Zeit.": Wir glauben .aum, daß diese Angaben den befremdenden Eindruck aufheben können, welchen die Ankündigung des offiziösen Blattes überall Hervorrufen dürfte, wo man Interesse an der deutschen Kolonial politik nimmt. Wir haben gegen Herrn von Richthoscn persönlich fordert allerdings einen ganzen Mann und einen gründlichen Kenner der afrikanischen Verhältnisse. Jedoch solche ließen sich heutzutage wohl finden. Vor Allem aber sollte man von jedem Bureaukraten absehen. Nach dem Ausscheiden des vr. Kayser ist für die Entwickelung unserer Kolomalpolitik nichts von größerer Wichtigkeit als die Wahl des Leiters der Kolonialab theilung. Fällt sie nicht richtig aus, so wird inan sich auch fernerhin nicht wundern dürfen, wenn das deutsche Kapital sich an kolonialen Unternehmungen verhältnißmäßig wenig betheiligt. Gegen die deutschfeindlichen Auslassungen der „Times" zieht das Hamburger Organ des Fürsten Bismarck, die „Hamb. Nachr.", in einem „Deutschland und Engla n d" überschriebenen, Entwürfen innerhalb der Behörden in das der Verhandlung der gesetzgebenden Körperschaften. Nach dem seit längerer Zeit be treffs derartiger wichtiger Vorlagen bestehenden Gebrauch darf wohl angenommen werden, daß der Entwurf alsbald veröffent licht wird. Die Landtagswahlen im Großherzogthum Hessen haben ein überraschendes Ergebniß gehabt. Die Nationalliberalen, denen von 50 Landtagssitzen 30 gehörten, haben ihre bisherige Mehrheit verloren und diese wird, nach der bisherigen Entwickelung der Parteiverhältnisse, von den National liberalen in absehbarer Zeit nicht wieder erreicht werden. Im hessischen Landtage stehen in Zukunft einer Zahl von 25 National liberalen 7 Antisemiten, 6 Freisinnige, 6 Centrumsleute und 6 Sozialdemokraten, zusammen also ebenfalls 25, gegenüber. Der Gewinn der Wahl, deren Kosten die Nationalliberalen tragen, vertheilt sich auf die Antisemiten, die Sozialdemokraten und das Centrum. Das Gesammtbild der Wahl ist also die Verdrängung der Mittelpartei durch die extremen Parteien. Die Schießversuche, welche im Beisein des Kaisers auf dem Artillerie-Schießplatze zu Kunnersdorf stattgefunden haben, dürften, wie man dem „B. Lok.-Anz." von besonderer Seite mittheilt, der Anlaß für die Regierung sein, dem Reichstage eine neue Militärvorlage zu machen, welche die Mittel für die Ver besserung der Artillerie verlangen soll. (?) Zu der Affaire des Lieutenants von Brüsewitz in Karlsruhe, der, wie bekannt, in dem dortigen Cafe „Tann häuser" den Mechaniker Siebmann in Folge eines Streites er- tochen hat, wird mitgetheilt, daß den Offizieren der Besuch des „Tannhäuser", sowie auch der Besuch anderer Wirtschaften für die nächsten 14 Tage untersagt worden ist. Wie es scheint, handelt es sich nur um die Offiziere des Leib-Grenadier-Regiments. Als Grund hierfür wird angegeben, daß man bei der großen Aufregung, die im Publikum über den Vorfall herrscht, Zu sammenstöße zwischen Offizieren und Civilisten nicht als aus geschloffen betrachtet. — Ueber die Blutthat des Lieutenants von Brüsewitz in Karlsruhe schreibt die „Straßb. Post": Wenn der militärische Ehrbegriff solche Handlungen zeitigen kann oder gar darf, dann ist der Civilist gegenüber dem Militärstande in ge wissem Sinne vogelfrei. Dann muß man freilich auch zu dem Mittel greifen, zu welchem nach den Blättermeldungen die hiesige Militärbehörde gegriffen hat, indem sie den Offizieren vorläufig den Besuch des „Tannhäuser" überhaupt verbot. Das hieße eigentlich dieGefahr des Zusammenseins von Civilisten undOffizieren offiziell anerkennen. Die „Bad. Presse" theilt mit: Die Zeugen vernehmung hat nicht nur keine Milderungsgründe für den schuldigen Offizier ergeben, sondern nur noch dazu beigetragen, den Abscheu vor der That selbst zu erhöhen. Da darf es nicht Wunder nehmen, wenn die Aufregung in der Bürgerschaft, statt sich mit den Tagen zu legen, nur noch weiter und weiter wächst. Denn die Civilbevölkerung steht hier vor der That eines Offiziers, die als eine unglaublich rohe Niederstechung eines nicht nur völlig wehrlosen Bürgerlichen bezeichnet werden muß, sondern sogar noch als die Hinmordung eines Mannes, der, obwohl seinerseits an dem Entstehen des ganzen Zwistes unschuldig, um des lieben Friedens willen seinen Angreifer um Verzeihung bat. Und wenn Nach einer Mittheilung des „Temps" haben die Zarenseste der französischen Staatskasse ungefähr 7 Millionen gekostet. Davon entfällt die Hälfte auf das Kriegsministerium für die Truppenschau, die Eskorte, den Ordnungsdienst und endlich für die Mobilmachung der Truppen, welche die von dem kaiserlichen Zuge befahrenen Bahnlinien zu bewachen hatten. Den Vogel aller Sensati o ns-Na chrichten über den Zarenbesuch hat sicher die „Petite rLpublique" abgeschossen. Sie will nichts Geringeres in Erfahrung gebracht haben, als daß man auf der Polzeipräfektur sich weniger ungläubig als auf gewißen Redaktionen gegen das Gerücht verhalte, Kaiser Wilhelm habe sich während der Zarenfeste in Paris aufgehalten und sei am 8. Oktober in der Spiegelgalerie zu Versailles erkannt worden!! Ein österreichischer Edelmann will den deutschen Kaiser in Ver sailles gesehen und einen französischen Würdenträger auf die An wesenheit eines so unerwarteten Gastes aufmerksam gemacht haben. Uebrigens soll, wie man dem Sozialistenblatte entnimmt, der deutsche Kaiser von Zeit zu Zeit nach Paris kommen, wo eigene Polizeiagenten dann über seine Sicherheit wachen. Kann man den Unsinn weiter treiben? Der Viceadmiral Gervais, welcher seit dem Besuche des Nord geschwaders in Kronstadt als einer der Begründer der französisch- russischen Allianz oft genannt worden ist, trat am 15. d.M. aus dein aktiven Dienste zurück, weil er die Altersgrenze erreicht hat. Sein Nachfolger als Befehlshaber des Mittelmeergeschwaders ist der Viceadmiral de Cuverville. Der Führer der in Gibraltar eingetroffenen nach Oran be stimmten englischen Felucke „Joven Enrique" berichtet, er sei zum Einlaufen in Gibraltar gezwungen, nachdem sein Schiff am 12. d. beim Cap Negro von Riffpiraten angefallen worden sei, welche die aus altem Metall bestehende Ladung und 1000 Dollars Baargeld raubten. Die Mannschaft sei, da sie keinen Widerstand leistete, nicht mißhandelt worden. Die letzten Meldungen aus Manila erzeugen eine unsagbare Aufregung. Die spanische Regierung hat stets die Lage auf den Philippinen so optimistisch ausgemalt, daß die Niederwerfung des Aufstandes allgemein für ein Kinderspiel galt. Man be hauptete, die Insurgenten seien schlecht bewaffnete Halbwilde und würden beim ersten Zusammenstoß mit unsern Truppen Reißaus nehmen. Generalgouverneur Blanco meldet jedoch, die spanischen Kolonnen, die in die Provinzen Batangas und Cavite eindringen wollten, seien mit nicht unbedeutenden Verlusten zurückgeschlaaen worden. Blanco leitete in Person die Operationen und kehrte schleunig nach Manila zurück, wo die Lage gefährdet scheint. Die Aufständischen haben die Stadt Talisay, die strategisch wichtig ist, eingenommen. Blanco verfügt blos über 8000 Urspanier. Ver stärkungen sind dringend nöthig. Fast die gesammte Preße er achtet die Lage für ebenso kritisch wie auf Cuba und verlangt ungestüm Abberufung Blancos, der bis zum letzten Augenblick nichts von der sich vorbereitenden furchtbaren Erhebung wahrge- nommcn und bei der ersten militärischen Operation eine Schlappe erlitt" habe.
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