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Uretberge* Anzeiger und Tageblatt. Seite S. — 27. Oktober. 251. 18SS I, so werden doch jene Kreise unseres Vaterlands, zu gewähren, als dies sonst der Fall ist. Der Sonderausschuß lche selbst interessirt sind, sicher jene Mahnungen hat nun einen von der Vorlage des Kirchenregiments nach Form beachten und daraus die Couseauenzen ziehen, zu und Inhalt wesentlich abweichenden anderweiten Entwurf einge- auch ihrerseits beachten sei, wenn der Kirchenbesucher, das Reichsgericht aus, daß es < "" haben, 2) alle Stadträthe und die Polizeiämter zu Leipzig und Chemnitz, sowie 3) alle Sparkassenverwaltungen die Anweisung, an: 30. laufenden Monats bei dem Kassenschlusse festzustellen, welche Beträge nach Markwährung I. an Reichsgoldmünzen und zwar: 1) an Doppclkronen, 2) an Kronen und halben Kronen, II. an Einthalerstücken und zwar: 1) deutschen Gepräges, 2) öster reichischen Gepräges, III. an Reichssilbermünzen und zwar im Einzelnen: 1) an Fünfmarkstücken, 2) an Zweimarkstücken, 3) an Einmarkstücken, 4) an Fünfzigpfennigstücken, 5) an Zwanzig pfennigstücken, IV. an Nickelmünzen, V. an Kupfermünzen, VI. an Reichskassenscheinen und VII. an Noten und zwar: 1) der Reichs bank, 2) der Privatnotenbanken in den unter ihrer Verwaltung stehenden Kassen vorhanden sind und das Ergebniß nach den be zeichneten Sorten getrennt bis zum 5. November dieses Jahres an das Ministerium des Innern anzuzeigen. — Evangelisch-lutherische Landcsshuove. Auf der Tagesordnung der 15. öffentlichen Sitzung steht zunächst der Antrag des Sonderausschusses für den Erlaß Nr. 7, den Entwurf zu einem Kirchengesetze, eine Einschränkung des Besctzungsverfahrens bei geistlichen Stellen betreffend. Berichterstatter Synodale v. Wach-Leipzig. Der Gesetzentwurf beabsichtigt, davon aus gehend, wie unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung des bestehenden Besetzungsverfahrens die damit verbundenen nachtheiligcn Wirkungen auf andere Weise ausgeglichen und wenigstens für eine Anzahl dringendster Fälle aufgehoben werden können, für einen gewissen Theil der jährlichen Erledigungssälle durch Be schränkung des Wahlrechts der Kirchenvorstände dem Kirchenregiment eine größere Einflußnahme auf die Wiederbesetzung der Stellen derzeitigen Nationalvertretung seinen Ausdruck findet. Heute bestehen andere Verhältnisse. Der nationale Wille, aus der unentschiedenen Lage herauszukommen, hat Dank der Weisheit des Fürsten und der Aktion der Kammer Erfüllung gefunden. Heute ist der Fürst anerkannt und die Stellung des Landes legalisirt. Nunmehr entstehen Strömungen im Volke, welche mit dem verfassnngsmäßigen Leben im Zusammenhänge stehen. Nachdem die Aufgabe erfüllt ist, zu welcher die Regierung ei» Mandat hatte, kommen jetzt andere Aufgaben politischer und wirthschastlicher Natur an die Reihe. Aus diesen Gründen glaubt die Regierung, trotzdem sie während ihrer Amtsführung das nationale Ideal erfüllte und das volle Vertrauen der National versammlung genoß, wie es durch die in den letzten Tagungen . der Sobranje erzielten großen Mehrheiten bewiesen wird, den ' Augenblick gekommen, an bas Volk zu appelliren, damit es sich über die Richtung äußere, welche es den Staatsgeschäften zu geben wünscht. Von solchen Erwägungen geleitet, schlägt der Ministerrath dem Fürsten vor, die Kammer ohne vorangehende Einberufung aufzulösen und Neuwahlen für den 17./29. November ' auszuschreiben- . Oertliches und Sächsisches. Freiberg, den 26. Oktober. — Wie aus Mylau berichtet wird, bestätigt sich die Meldung, daß Le. Majestät der König beabsichtige, dem „Kaiserschloß« dortselbst einen Besuch abzustatten. Zwar ist der Termin noch nicht festgesetzt, doch dürfte der Besuch schon im nächsten Jahre zu erwarten sein. — Um ein Urtheil über den Geldumlauf zu gewinnen, er geht vom Ministerium des Innern auf Antrag des Reichs schatzamtes an 1) alle dem Ministerium des Innern unterstehenden Königlichen Behörden und Verwaltungsstellen, welche Kassen das Königreich Sachsen eine Landesversammlung ab, auf welcher Vertreter der Nationalliberalen aus allen Theile« Sachsens anwesend waren. Nach 11 Uhr eröffnete der Vor sitzende des Landesvereins, Handelskammersekretär vr. Gensel aus Leipzig, die Versammlung. Den ersten Punkt der Tages ordnung bildete die „Berichterstattung vom nationalliberalen Delegirtentag in Berlin", Referent, Herr vr. Bogel aus Dresden, uhrte aus, daß unter 419 Delegirten sich 90 Parlamentarier befunden hätten, wovon 4 auf das sächsische Abgeordnetenhaus entfielen. Mancher Delegirte sei mit schwerem Herzen zu dieser Versammlung gegangen, wozu die schlimmste Ursache die Sorge gewesen sei, daß selbst in der eigenen Partei scharfe Widersprüche )ervorgetreten seien und zwar sogar in der eigenen Parteipresse, odaß es ausgesehen habe, als ob die letzten Tage der Einigkeit unter den Nationalliberalen gekommen wären. Deshalb war die wichtigste Aufgabe dieses DelegirtentageS, Einigkeit in allen — auch wirthschaftlichen — Fragen herbeizuführen, selbst wenn sie im Zusammenhänge mit politischen Fragen stehen. Und man dürfe sagen, daß infolge der ausgedehnten Redefreiheit und. deS gegenseitigen Entgegenkommens ein überraschend erfreuliches Re- ultat erzielt worden sei. Sodann gab der Redner noch ein klares Bild der dreitägigen Verhandlungen des DelegirtentageS. Der Vorsitzende dankte "Herrn vr. Vogel für seinen Bericht uni» ertheilte, da Niemand das Wort zur Diskussion wünschte, Herrn Generalsekretär vr. Breithaupt das Wort zu dem Thema „Orga- nisationsfragen". Redner führte aus: Die Sozialdemokratie stehe in Betreff ihrer Organisation und Agitation vorbildlich da, während die bürgerlichen Parteien einen Schlaf schliefen, der ihnen nicht gedeihlich sei, denn das Erwachen zur Zeit der Wahlen reiche nicht aus, um das politische Gewissen der Masse zu schärfen und zu stärken. Auf die Hochfluth der glänzenden politischen Thätigkeit in den 70er und 80er Jahren sei eine Ebbe erfolgt. Der Reichstag böte heute ein Bild so trostloser Zusammensetzung, das uns kein Land um ihn beneide. Hinter dem Reichstage, müsse das Volk stehen und hinter der Fraktion die Wähler. Um diese Wechselwirkung herbeizuführen, bedürfe es einer festen Or ganisation, welche heute bei allen bürgerlichen Parteien fehle. Dem Ausbau einer Organisation stehe nun zwar die Gesetzgebung gegenüber, aber da die Sozialdemokratie eine Organisation trotzt dem zu Stande gebracht habe, könne man dies auch zu thun Ver suchen. Auch hinsichtlich der Bildung des Nachwuchses stünde« die bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie ebenso be deutend zurück, wie auf dem Gebiete der politischen Arbeit. Dieser Nachwuchs müsse planmäßig erzogen werden. Nur von unten herauf sei es möglich solche Abgeordnete zu erziehen, wie sie ge braucht werden. Wenn erst einmal das Interesse erweckt sei, so wachse bald der Muth, erwache bald die Liebe zur Sache und falls zur Unterstützung einer solchen Sache die Vereinsleitung angerufen werde, sei sie zur Hilfe bereit. Doch mit der geistige« müsse auch eine äußere Organisation Hand in Hand gehen. Man könne nicht früh genug die einzelnen Reichstagswablkreise mit Vertrauensmänner besetzen. Durch sie werde Klarheit in jeder Beziehung möglich. Außer der organisatorischen Thätigke» müsse aber auch die Verbindung mit dem Parteivorstand eme rege sein z. B. durch gewissenhafteste Berichterstattung der Ver trauensmänner an denselben, wodurch ihn ein klarer Ueberbuck möglich werde. Auch zwischen Partei und Partcipreffe fehle die Verbindung. Das sei bei der Sozialdemokratie anders. Bei ihr seien die Zeitungen zugleich das Agitationsmittel. DaS Büraer- thum müsse für große und kleine vaterländische Dinge interessirt werden, dann werde auch das Interesse von oben Wied« «- velchen geschäftliche Voraussicht und wirtschaftliche Nothwendig- eit auffordern. Der Pariser „Figaro" beschäftigt sich mit der Meldung des „Standard" aus Berlin, wonach bei oer Zusammenkunft des deutschen Kaisers mit dem Kaiser von Rußland in Wiesbaden eine Uebereinstimmung zwischen beiden Kaiser reichen und Frankreich in den orientalischen Fragen, gegebenen Falls mit Einschluß der ägyptischen, erzielt worden sei. „Figaro" äußert sich in sehr anerkennenswerter Weise über den Gedanken eines Zusammengehens mit anderen Mächten: „Nichts steht unserer Ansicht gemäß dem entgegen, daß das Einvernehmen zwischen den drei Mächten — Deutschland, Rußland und Frank reich — das wegen Chinas bestanden hat, wegen der türkischen Frage erneuert werde. Wenn der Herstellung eineS moäus vivenäi oder gar eines direkten Einvernehmens über gewisse Punkte zwischen Deutschland und Frankreich der unüberlegte Drang eines über spannten Chauvinismus nicht entgegenstände, so würden wir offen l agen, daß in dem Augenblick, wo Frankreich seinen Rang und seinen Einfluß in Europa wiedergewonnen hat, es sich anderen Verfahrens bedienen darf als zu der Zeit, wo es als eine ge- demüthigte und besiegte Nation dastand." ! Der Gouverneur von Albuquerque war jüngst mit 1 300 portugiesischen Soldaten und 180 Eingeborenen nach Mamcaland auf Monzambique aufgebrochen und hatte bei Magenga ein Bivouak bezogen. Hier wurde er von 2000 Nama- rallos angegriffen. Die Portugiesen vertheidigten sich 22 Stunden < lang auf das Tapferste, mußten sich aber dann wegen des ' Wassermangels zurückziehen. Die Portugiesen verloren 2 Tobte und 35 Verwundete. Unter letzteren befindet sich der Gouver neur; der Verlust des Feindes ist sehr schwer. ! Türket. Die offiziöse „Politische Korrespondenz" meldet: < Nach einer uns aus Konstantinopel zugegangenen Meldung ver- ' autet dort, daß das Projekt, durch eine Kopfabgabe ohne Glaubens- ! unterschied in der Höhe von 5 bis 250 Piastern etwa 2*/, Mill, j türkische Pfund aufzubringen, sich verwirklichen dürfte. Die auf gebrachte Summe sei bestimmt: 1) zur Bildung eines Kriegs chatzes, 2) zur Beschaffung eines Fonds, der die in letzter Zeit etwas unregelmäßige Truppenverpflegnng zu sichern hätte, 3) zum < Ankauf von Waffen für die gesammte muhamedanische Be- i völkerung, die im Falle höchster Gefahr eine Art Volkswehr! bilden solle. Die letzte der projektirten Maßregeln erregt die Aufmerksamkeit der diplomatischen Kreise, jedoch ist die Meinung verbreitet, daß der eigentliche Zweck der Abgabe Geldbeschaffung ei, nm der herrschenden großen Geldnoth abzuhelfen und daß ! durch Vorführung der Möglichkeit eines allgemeinen Aufgebotes der Muhamedaner bei eventuellen inneren oder äußeren Ver- < Wickelungen auf die Europäer Eindruck gemacht werden soll. Die „Agence balcanique" schreibt: Der vom bulgarischen Ministerrathe an den Fürsten Ferdinand erstattete Bericht zur Motivirung des Antrages auf Auflösung der Sobranje erinnert zunächst an den Kampf, den alle Patrioten gegen das frühere Regime führten. Die anormale Lage des Landes habe sämmt- liche Parteien dahin geführt, alles Trennende zu vergessen nnd gemeinsam vorzugehen. „In Erkenntniß unserer patriotischen Gründe trug der Fürst denselben Rechnung, und daS Volk über trug auf Männer, welche ohne Rücksicht auf ihre Parteiangehörig keit ans Ruder gekommen waren, sein Vertrauen, welches in der bracht. Die Gründe, die den SondersauSschuß zu dieser Ab weichung bestimmten, legte Prof. v. Wach-Leipzig der Synode klar. Nach Beendigung oer mit großem Beifall aufgenommene« Begründung des Ausschußgutachtens theilt der Präsident mit, daß außer dem Anträge des Ausschusses noch vier Anträge einge gangen sind, und zwar von den Synodalen Oberamtsrichter Bret- chneider-Freibera, v. Dibelius-Dresden, v. Pank-Leipzig und Schulrath Israel-Zschopau. Der Antrag des Geh. KirchenratheS 0. Pank-Leipzig giebt dem Gesetze in § 1» folgenden Wortlaut: DaS Kirchengesetz findet keine Anwendung a. auf die Besetzung der erste» zehn in jedem Kalenderjahre durch Tod, freiwillige Emeritirung oder Amtswechsel ihres Inhabers zur Erledigung kommenden geistliche« Pfarrstellen, neben welchen noch eine oder mehrere kirchliche Stellen bestehen, d. 8 5. Würde a. nach den vorstehenden Be stimmungen dieselbe geistliche Stelle in zwei oder mehreren Fälle» innerhalb 30 Jahren nach Maßgabe des gegenwärtigen Kirchen gesetzes zu besetzen sein, so kommen dessen Vorschriften im zweiten und jedem weiteren Besetzungsfalle nicht zur Anwendung. Nach ehr ausgiebiger Debatte zogen die Synodalen Israel, DibeliuS md Bretschneider ihre Anträge zurück, während der Ausschuß die Anträge des Synodalen Pank zu den seinen machte. DaS Gesetz wurde sodann in spezieller und genereller Abstimmung nach der Fassung des Ausschußantrages in Verbindung mit dem Anträge Zank gegen 15 Stimmen angenommen. — Wie amtlich bekannt gegeben wird, wurde von seiner Stellung als Kommandeur des Landwehr - Bezirks Freiberg Herr Kannengießer, charakterisirter Oberst-Lieutenant z. D., unter Fortgewährung der gesetzlichen Pension und mit ser Erlaubniß zum Tragen der Uniform deS 4. Infanterie- Regiments Nr. 103 mit den vorgeschriebenen Abzeichen enthoben. Gleichzeitig wurde Herrn Oberstlieutenant Kannengießer von Sr. Majestät dem König das Ritterkreuz 1. Klasse des Verdienst- Ordens verliehen. — Zum Kommandeur deS Landwehr-BezirkS Freiberg wurde Herr v. Sandersleben, charakteris. Oberst- Lieutenant z. D. und Bezirksoffizier beim Landwehr-Bezirk 2resden-Altst. ernannt. — Packelsendungen, welche leicht entzündliche oder sonst Gefahr bringende Gegenstände enthalten, sind von der Beförde rung nach Großbritannien und Irland ausgeschlossen; hierzu ge hören auch Sendungen mit Patronen jeder Art. — Der von der Postverwaltung geleistete Schadenersatz ür abhanden gekommene Packete hat in Deutschland i» >en letzten fünf Jahren durchschnittlich 114 262 Mark jährlich betragen, was bei dem durchschnittlichen Jahresbetrage der ver mittelten Werthe von 20200 Millionen Mk. für oaS Tausend ausmacht. Das Verhältniß der abhanden gekommenen Packete ohne angegebenen Werth hat nach dem jährlichen Durchschnitt von 1891 bis 1895 nur eins von 32100 der beförderten Packete Chartum unternommen wurde. In Italien mögen ja neuer dings manche Politiker nach der Vermählung des Kronprinzen mit der montenegrinischen Prinzessin und nach Abschluß deS Tunis-VertrageS zu einem Anschluß nach französisch-russischer Seite neigen. Ob hierbei aber für England ein Gewinn abfällt, ist denn doch eine große Frage. Vorderhand besteht der Drei bund noch, und keiner der daran betheiligten Staaten denkt daran, England zu Liebe daS Verhältniß aufzulösen. Die Verlegenheits- kannegießerei der „Times" wird in dieser Hinsicht keine Aende- rung bewirken. Der Streitfall zwischen der englischen Regierung und der chinesischen Gesandtschaft in London, über den bereits vorgestern die ersten Meldungen Vorlagen und der heute in der Hauptsache bereits erledigt ist, verdient eine ganz besondere Beachtung. Er zeigt, daß Großbritannien entschlossen ist, sein Politisches Asyl recht zu schützen. Ein chinesischer Arzt, Sung-Ya-Tson, der sich wegen Theilnahme an einer Verschwörung gegen die Mandscku- Dynastie nach London geflüchtet hatte, war gewaltsam nach oer chinesischen Gesandtschaft gebracht, dort festgehalten worden und sollte nach China heimlich verschickt werden. Londoner Bekannte brachten den Fall zur Anzeige und Lord Salisbury griff sofort kräftig ein, so daß die Freilassung erfolgen mußte. Sung-Aa- Tsen berichtet über feine Gefangennahme folgendermaßen: Während er in der Nähe der chinesischen Gesandtschaft einher ging, redeten ihn mehrere Landsleute freundlich an. AIS er sich aber dem Eingänge der Gesandtschaft gegenüber befand, sei er gewaltsam hineingestoßen und dann eingeschlossen worden. Während seiner Gefangenschaft habe ihm einer der Gesandtschafts beamten gesagt, er würde gebunden und geknebelt während der Nackt an Bord eines nach China abgehenden Dampfers gebracht werden, und falls dieser Plan mißlänge, würde er in der Ge sandtschaft, als auf chinesischem Boden, getödtet werden. Sung- Da-Tsen gab während seines Aufenthalts in der Gesandtschaft zu, daß er identisch sei mit Sun-Wen, der angeklagt war, das Haupt einer auf den Sturz der Mandschu-Dynastie gerichteten Ver schwörung zu sein. — Die Verschwörung, um die es sich hier handelt, war in erster Linie gegen den Vizekönig von Kanton ge richtet. Im November v. I. soll die chinesische Regierung vie erste Mittheilung erhalten haben, daß die Absicht bestehe, die Mandschu-Dynastie umzustoßen. Nach der Meinung der Ver schwörer verdanke China seinen Niedergang dieser Dynastie, und es sei eine Besserung der Verhältnisse nicht zu erwarten, so lange sie au der Herrschaft bleibe. Die Ergreifung des Vizekönigs von Kanton sollte der erste Schritt in dem revolutionären Unter nehmen sein. Das Geheimniß wurde dadurch ruchbar, daß 400 KuliS von Hongkong, wo Sung-Aa-Tsen als Arzt lebte, nach Kanton gebracht wurden, um bei der Ausführung des Planes behilflich zu sein. Ihre verfrühte Ankunft soll die Behörden auf die Spur gebracht haben, worauf fünfzehn der Leiter der Ver schwörung ihr Vorhaben mit Enthauptung büßten. Sung-Aa- Tsen entkam mit einer Anzahl anderer Verschworener nach Amerika und von da nach London, wo er sich geraume Zeit auf gehalten hatte, bis er am 10. d. M. in seiner Wohnung nicht mehr erschien. Ermittelungen ergaben die heimliche Festnahme durch die chinesische Gesandtschaft. In London erregt die An gelegenheit das größte Aufsehen. Man meldet weiter: London, 24. Oktober. Alle Morgenblätter besprechen das Ereigniß mit dem Chinesen Sung in Leitartikeln, worin daS entschlossene Auf treten Salisburys gerühmt und England zu dem befriedigenden Ausgang der Angelegenheit beglückwünscht wird. „Daily Chronicle" verlangt eine Abbitte der chinesischen Regierung und Schadloshaltung Sungs, widrigenfalls dem Gesandten die Pässe zugesandt werden sollten. Erwähnung verdient, daß der erste Sekretär der chinesischen Gesandtschaft ein Engländer Namens Macartney ist. Die Anerkennung der wirthschaftSpolitischenUeber- flügelung Englands durchDeutschland ist bisher selten mit gleicher Unbefangenheit und Rückhaltlosigkeit erfolgt, als durch Lord Rosebery in seiner jüngst zu Colchester gehaltenen Rede. Sich sicher fühlend im Besitze einer traditionellen Welt machtstelluna, haben Englands Gewerbe- und Handelstreibenden beharrlich ihre Blicke vor den Zeichen der Zeit verschlossen, bis die Thatsachen eine so eindringliche Sprache zu führen begannen, daß sie gehört werden mußte. Aber auch dann wollte der eng lische Dünkel sich noch immer nicht zu dem Eingeständniß herbei lassen, daß Deutschland aus eigener Kraft den Vorsprung ge wonnen habe, sondern man gefiel sich in Anschuldigungen, die an den Haaren herbeigezogen waren. Niedrigere Löhne, unver- hältnißmäßig lange Arbeitszeit, „billige und schlechte" Arbeits leistung, unlauterer Wettbewerb und was dergleichen mehr war, sollten zusammengewirkt haben, um den englischen Fabrikanten und Kaufmann in die heimtückisch von Deutschland gegrabene Grube zu stürzen. Erst ganz neuerdings, und auch nur ver einzelt und schüchtern, sind Stimmen jenseits des Kanals laut geworden, welche der Wahrheit die Ehre geben und anerkennen, daß alle jene gegen Deutschland erhobenen Anklagen nur zum geringsten Theile zutreffen, während der eigentliche Grund der deutschen Ueberlegenheit in der besseren sittlichen und technischen Erziehung, in der größeren Gründlichkeit und Sorgfalt des Ar beiters, in der strengen Disziplinirung und Charakterbildung, sowie in dem höheren Niveau der allgemeinen Bildung der er- werbsthätigen deutschen Volkskreise enthalten sind. Diesem Ge dankengang begegnen wir, so schreiben die „Berliner Politischen Nachrichten", denn auch in der oben erwähnten Rede Lord Nose- bery'S. Der englische liberale Parteiführer macht kein Hehl daraus, daß er den deutschen Wettbewerb in Zukunft fürchtet, und daß England jetzt an Terrain verliert. Lord Rosebery be gründete seinen Standpunkt in einer Weise, die für unsere nationale Arbeit eben so schmeichelhaft ist, als sie dem englischen Selbst- bewußtsem schmerzlich sein wird. Es ist bezeichnend für die Sprödigkeit des Materials, auf welches Lord Rosebery, in Ueber einstimmung mit anderen Fachkennern, einzuwirken sich bemüht, daß er seinem Publikum so derbe Wahrheiten in einer so schroffen Form zu Gemüthe führen muß. Denn wie schon erwähnt, find viele Kreise der englischen Geschäftswelt noch recht weit von der Erkenntniß entfernt, daß sie, statt auf Deutschland zu schimpfen und nach neuen Erschwerungen deS deutschen Verkehrs mit Eng land und den Kolonien zu schreien, an ihre eigene Brust schlagen und an ihrer eigenen Regenerirung arbeiten sollten. Die Zeiten sind vorüber, wo England das Monopol auf commercielle und industrielle Beherrschung des Weltmarktes besaß. Es kann sich heute nur noch darum handeln, diejenige Stellung festzuhalten, auf welche eS für seinen Antheil gegründeten Anspruch hat. Aber auch das dürfte fraglich werden, wenn die englische Ge schäftswelt dabei beharrt, sich nur in den alten ausgcfahrenen Gleisen zu bewegen. Lord Rosebery und einige andere einsichts volle Politiker sehen das klar ein. Wenn nun auch ihre Mahnungen und Warnungen ausschließlich an die Adresse ihrer eigenen Lands leute sich richten, so werden doch jene Kreise unseres Vaterlands, die an der Sm" betragen. — Eine für den Kirchenbesuch wichtige Entscheidung hat wicht gefällt. Der oberste Gerichtshof sprach sich dahin als eine Störung deS Gottesdienstes zu betrachte» rechtmäßige Miether emes Kirchenstuhles einen der seit Beginn des Gottesdienstes bereits diese« selben Stuhl inne hat, später, wenn er selbst die Kirche betritt, von dem Kirchenstuhl wegweisen will. ES sei die Pflicht deS MietherS, vor Beginn des Gottesdienstes zur Stelle zu sei», wolle er nicht seinen Sitz anderweitig vergeben sehen. — Gestern Sonntag hielt im OsfizierSkasino des Hotel zur Sonne in Döbeln der nattonalliberale Landesverein für