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Freiberg, den 10. Oktober 1896. Politische Umschau. Dcckreisig-Bcswllungen <9. Jahrgang. Dienstag, den 13. Oktober anderen L-g. «ret, vierteljährlich S Mk. Lb Pfg. zweimonatlich 1 Mk. 50 Pfg. u. einmonatlich?b Pfg. Versteigerung alter Eisenbahnschwellen und »./. am Sonnabend, ven^Ättober^d.^BormM 10/, M» je eine Menge atte Msenbahnst^ve^n ^Md^onstige täte BrennhöN«» in «tszüne» kleinen Posten. Freiberg, am 7. Oktober 1896. * Königliche «isettbahn-Bauinspektton I. Inserat« werd«« bi« Borminag U Uh ^00^4 angenommen. Preis di« Epalytll« AfS-ff iTZV V» Außerhalb de« LandaerichtSbezirU 1» Pf» Freiberg, den 12. Oktober. Deutschland. Aus Darmstadt wird von Sonnabend berichtet: Zum Empfang des Kaisers und der Kaiserin von Rußland sind die Straßen und Plätze der Stadt prachtvoll geschmückt. An dem eheinaligen Rheinthore ist eine Ehrenpforte errichtet, deren Kuppel eine große Lrone trägt unterhalb deren sich das russische Wappen mit dem russischen Adler bestndet. Von der Ehrenpforte bis zum Residenz- Mosse ist eme imposante Via triumphalis mittels venetianischer Masten und mit Guirlanden verbundener Fichtenbäume errichtet. Besonders reichen Schmuck trägt das großherzogliche Palais, auch da» Stadthaus, sowie der Bahnhof sind sehr geschmackvoll dekorirt. Die Privathäuser tragen reichen Flaggen- und Blumenschmuck. In den Straßen wogt eine überaus zahlreiche Menschenmenge. Das Wetter ist prachtvoll. Um 9 Uhr trafen der Kaiser und die Kaiserin mittels Sonderzuges auf dem Main-Neckarbahnhofe ein. Nach überaus herzlicher Begrüßung durch die grobherzog lichen Herrschaften fand großer militärischer Empfang statt. Hierauf wurde die Fahrt nach dem PalaiS anaetreten. Im ersten vierspännigen Wagen saß der Kaiser und der Großherzog, im »weiten die Kaiserin und die Großherzogin, es folgten der Groß fürst und die Großfürstin Sergius, die Prinzessin Battenberg sowie Prinzessin Olga und die Prinzen Heinrich und Wilhelm von Hessen. Den ersten Wagen ritt eine Eskadron des Garde- Dragoner-Regiments Nr. 23 voraus, während hinter denselben eine Eskadron des Leib-Dragoner-Regiments Nr. 24 folgte. Bei I der Ehrenpforte am Rheinthore wurde das Kaiserpaar von dem i Oberbürgermeister Morneweg mit einer Ansprache begrüßt, in l welcher er dem Kaiser im Namen der Haupt- und Residenzstadt > den Willkommengruß darbrachte, für die wiederholten Beweise i des Wohlwollens des Kaisers gegenüber der Stadt den Dank l derselben und den Wunsch aussprach, es möge dem Kaiser am ' Ende seiner langen Auslandsfahrt beschicken sein, in Darmstadt reine l Freude und Erholung zu finden. Dann begrüßte der Oberbürger- 1 meister die Kaiserin, die jetzt zum ersten Male nach zweijähriger Ab- , Wesenheit an der Seite eines durch vortreffliche Eigenschaften ausge- i »ichneten Gemahls in die alte Heimathstadt zurückkehre, als erhabene ' Kaiserin und glückstrahlende Mutter. Die Ansprachen schlossen l mit einem begeistert aufgenommeneil Hoch. Auf der ganzen Fahrt ! begrüßte eine dichtgedrängte Menschenmenge die hohen Herr schaften mit begeisterten Jubelrufen. — Das russische Kaiserpaar mit den großherzoglichen Herrschaften unternahm im Laufe des Nachmittags eine Spazierfahrt nach dem Schlöffe Kranichstein, wo der Thee eingenommen wurde. Abends fand eine Serenade der vereinigten Darmstädter Gesang-Vereine auf dem großen, taghell erleuchteten Luisenplatz statt. Das russische Kaiserpaar, die großherzoglichen Herrschaften und die anderen fürstlichen Gäste waren aus dein Balkon des Palais erschienen. An der Serenade betheiligten sich etwa 3000 Sänger; nach derselben brachte der Beigeordnete Kohler ein Hoch auf die russischen Majestäten aus. Eine unabsehbare Menschenmenge hatte sich zur Serenade einge sunden. — Der Großherzog ernannte den Kaiser von Rußland mm ersten Inhaber deS broßherzoglich-hessischen Dragoner- Regiments (Leib-Dragonerreglment) Nr. 24. Die „Post" schreibt bezüglich der Vorlage über die Organi sation des Handwerks: Es hat den Anschein, als ob Preußen im Bundesrath auf die Unterstützung Bayerns werde rechnen können, dagegen gilt es als absolut sicher, daß Württem berg unter allen Umständen bei seiner ablehnenden Stellung ver harren werde, daß aber Preußen, wenn es nicht noch auf erheb lichen weiteren Succurs zählen kann, selbst im Verein mit Bayern, die Verantwortung für eine das gesammte Wirthschaftswesen des Handwerkerstandes in so tief einschneidender Weise berührende Maßregel zu unternehmen bereit ist, gilt als noch zweifelhaft, vielmehr hält man es nicht für ausgeschlossen, daß die Stellung nahme einer größeren Anzahl norddeutscher Regierungen gegen die Vorlage, die man preußischerseits bisher wohl als Freunde des Entwurfs betrachtet habe, nicht ohne Einfluß bleiben wird. Es gilt als sicher, daß im Bundesrath von den Gegnern der neuen Vorlage der Vorschlag gemacht werden wird, diese zurnck- Ulegen und dem Reichstag nochmals den ersten sogen. Bötticher- Entwurs zu unterbreiten, um an der Hand dieser Maßregel später in den Handwerkskammern festzustellen, wie weit die Hand werker selbst für die Zwangsorganisation eintreten. ZurNothlage der Landwirthschast. Der soeben erschienene „Jahresbericht über den Zustand der Landeskultur in der Provinz Westfalen" aiebt u. A. folgenden Gesammtüberblick: „Die drückende Lage, in der sich auch die Landwirthschast unserer Provinz befindet, hat sich nicht gebessert; wir möchten behaupten, daß noch ein erschwerendes Moment hinzugekommen ist: die Weiteres daS Motto hätte voransehen känne«. ^«m Kampf und Streit ist euch vorausaesagt." Der lebhafteste Theildt^«- Erörterungen dürfte der Palastrevolution ,m fachen und ihren Wirkungen gewidmet stcn. Der Antmg R^ giM hierzu die Gelegenheit er verlangt, daß M-'Nungsversch.^ Hellen der Genossen unter einander, die in der Presse -mn Au^ trag kommen, nicht in einem Tone geführt werden der lich verletzend wirkt. Der Antrag läßt rücksichtsvollerwtise für die nicht in der Presse zum Austrag kommenden Meinungsver schiedenheiten den persönlich verletzende« Ton frei, aut oe« Parteitage dürste, nach der Stimmung der Genossen zu von dieser Freiheit Gebrauch gemacht werden. BoraEchtuch werden die verschiedenartigen Streitigkeiten Nicht viel Zeit für sonstige Fragen übrig lassen. DaS ist freilich für Niemanden ein Verlust. Unter den 79 in die Tagesordnung ausgenommen«, Anträgen, zu denen jetzt nachträglich al» achtzigster der recht v«« nünstige Antrag getreten ist, den Parteitags nur alle zwei Jah« abzuhalten, ist nicht ein ^iger «eM Z^^ Man hat von den alten weichenden Preise für Schweine. Gerade die ärmeren Gebirgs- bezirke haben biSber durch angemessene Preise für daS Borsten vieh ihre .'bescheidenen Ansprüche befriedigt. In diesem Jahr, so weit die zweite Hälfte desselben in Betracht kommt, war das kaum möglich." Von den einzelnen Landeskultur-Gesellschaften, deren Berichte im Wortlaut folgen, bemerkt Arnsberg: „Hoffent lich gelingt es den Landwirthen, bald wieder Einnahme und Aus gabe in ein richtiges Verhältniß zu bringen; lange darf daS jetzige nicht mehr dauern, sonst ist für Viele daS Ende nahe." Der Kreisverem Altena bemerkt Folgendes: „Mit Besorgniß blicken die hiesigen Landwirthe in die Zukunft, wo bei andauernder Unrentabilität des Getreidebaues der Wettbewerb der übrigen, den Getreidebau immer mehr einschränkenden Gegenden erdrückend wirken wird auf die jetzt noch einträglichen Gebiete der Viehzucht und Viehhaltung." — In vielen anderen Theilen Deutschlands ist aber auch die Viehzucht nicht mehr rentabel. So wird in dem neuesten Jahresberichte deS bayerischen LandwirthschastsrathS u. A. auS der Gegend von Regensburg Folgendes gemeldet: „Der Viehbandel bewegte sich fn sehr eiigen Grenzen, eineStheilS sand man m den gezahlten Preisen für Mastvieh keine Rechnung und stellte deshalb nur die Ochsen auf Mast, die zum Zuge sich nicht mehr eigneten, anderntheils ist der bis vor Kurzem in hiesiger Gegend so schwunghaft betriebene Handel mit Kälbern, Kühen für den Landwirth durch die geforderten hohen Preise so unrentabel geworden und die Einbuße des Verkaufs gegenüber dem Einkaufspreis so groß, daß die meisten Landwirthe über haupt diesen Handel aufgegeben haben und den Milchverkauf nur noch so stark betreiben, als die Milch von eigen gezogenen Kühen dies zuläßt. Geradezu eine Deroute ist in dem Verkauf von > Schweinen eingetreten; wer nicht so glücklich ist, einen festen Ab- ! nehmer von früher zu besitzen, muß lange warten und oft noch gute Worte geben, ehe er seine Schweine zu den jetzigen billigen Preisen anbringen kann. So ist also auch dieser Zweig, der noch bis vor einem Jahr für den Landwirth gewinnbringend war, unrentabel geworden; die Opfer, die zur Hebung der Schweine zucht gebracht wurden, sind verloren, der deutsche Schweinemarkt wird beherrscht durch das ausländische Schwein, das mit billigeren Futtermitteln gefüttert werden kann, als solche dem deutschen Landwirth zur Verfügung stehen. Sinkenden Viebpreisen folgte der Fleischpreis, wie gewöhnlich, nicht." Daß, während der Pro duzent schlechtere Preise erhält, der Konsument das Produkt ' theurer bezahlen muß, ist nur durch den Zwischenhandel zu er klären, der hier den Löwenantheil in die Tasche steckt. Betreffs der Verzollung des auS Oesterreich auf Fuhrwerken nach Preußen, Sachsen und Bayern eingeführten Futterge- treides berichtet die „Post", daß die Verhandlungen dahin geführt haben, daß Futtergetreide weder in Deutschland noch in Oesterreich der Verzollung unterliegt. Die entsprechenden Ver ordnungen dürften in der nächsten Zeit ergehen. v r. Chrysander, der Sekretär des Fürsten BiSmarck, der vor Kurzem in Jena die ärztliche Staatsprüfung abgelegt hat, hat sich, nach den amtlichen Mittheilungen des Medizinal- nunisteriums, in Friedrichsruh als Arzt niedergelassen. DerParteitagderdeutschen Sozialdemokratie trat gestern in Gotha zusammen. Der Ort der Zusammenkunft ist nicht ungünstig gewählt; gestattet er doch den Festrednern, daran zu erinnern, daß dort vor 21 Jahren die Einigung der beiden sozialistischen Gruppen, der Lassaleaner und der Eisen acher, stattgefunden hat, die Stadt Gotha mithin in gewissem Sinne als der Geburtsort der heutigen Sozialdemokratie angesehen werden kann. An Gelegenheit, jene Einigung vom Jahre 1875 ins Gedächtniß zu rufen, wird es den Rednern des Parteitages nicht fehlen, denn die Uneinigkeit unter den Genossen ist größer - und offenkundiger, als sie es seit langer Zeit war. Der Kampf , zwischen der offiziellen Sozialdemokratie und der immer offener - nach Geltendmachung ihres Einflusses strebenden gewerkschaft- i lichen Bewegung ist trotz aller Bemühungen der Führer nicht : beizulegen. Minder in die Augen springend, aber nicht weniger einschneidend ist die wachsende Eifersucht der Männer, deren Symbol die schwielige Faust ist, auf den zunehmenden Einfluß des Gelehrtcnproletariats, das die Führung m der Partei immer mehr an sich zu reißen sucht und den Bruder Arbeiter mehr als brauchbares Rekrutenmatenal ansieht. Zu diesen tiefgehenden Zwistigkeiten tritt ein vollgerütteltes Maß persönlicher Zänkereien und Gegensätze, wie sie in einer Partei von der eigenartigen Zu sammensetzung der Sozialdemokratie selbstverständlich sind. Die angestrengtesten Bemühungen des diplomatisch veranlagten Führers der Sozialdemokratie werden nicht verhindern können, daß alle diese Gegensätze, Streitpunkte und persönlichen Zwistigkeiten auf UN) Tageblatt Amtsblatt für die königlichen vnd Wüschen Behörden zu Freiberg vnd Brand. Verantwortliche LtUim-r Georg »««kl»ardt. Der «tadtrath. Die Einkommensteuer lür r. Termin 1«ss ist am SV. September v. I. fällig «nd binnen « Wochen an die Stadtsteuereinnahme hier zu entrichten. Freiberg, am 28. September 1896. De« «tadtraty. Bgm. "1>er "Ächtftiindenarbeit gefasert, ^tn Antrag, den der „Norm." in einer schwachen Stunde att,,VtÄ- leicht nicht ganz glücklich" bezeichnete, wofür erdaS entspreche»« Tadelsvotum erhielt. Im Anschluß an den Achtstundentag wird natürlich die endliche Durchsetzung der Maifeier gefordert, die ja im Wesentlichen der Verherrlichung jener Forderung gut. Welch prächtige Gelegenheiten bieten sich hier zu den herrlichsten Reso lutionen, die wohl geeignet sind, die unangenehmen Mißtöne, die auf dem Parteitag erschallen werden, in einen schönen Accord auS- kliugen zu lassen. Das ist um so nothwendiger, als der eine oder andere unbotmäßige Genosse es sich am Ende beikommen kaffe« könnte, sich nach dem Befinden des Ngrarprogramm» bescheidentlich n erkundigen. Verwunderlich wäre eine solche Anfrage nicht, >enn bemcrkenswerther als durch daS, waS die Tagesordnung -ringt, ist sie durch daS, was sie mcht bringt, durch das Fehle« -er Agrarfrage. Die Frage, die auf dem Parteitage vo« 1894 fast zu einer Spaltung zwischen Norddeutsch und Süddeutsch ührte, ist auf dem Parteitage von 1895 äußerlich durch ein Kvm- -romiß beigelegt worden, das sich als ein recht absonderliches Zwitterding zwischen dem süddeutschen Programm darstellte, daS der Vertreter von Nürnberg als sozialistische Kanitzerei bezeichne« hatte, und dem Agrarprogramm der Norddeutschen, da« dahi« ging, kein Agrarprogramm haben zu wollen. Seitdem schlummert die Agrarfrage, und die Ungeduldigen hat der „Vorwärts" kürz lich damit vertröstet, daß die Veröffentlichung der Untersuchungen der berühmten Agrarkommission „in die Wege geleitet" sei. Auf dem Parteitage wird man von dieser tiefgehendsten Streitfrage der Sozialdemokratie voraussichtlich wenig hören: sie gehört an die erste Stelle jener heiklen Fragen, die den Leitern deS Partei tages in Gotha die flehende Bitte in den Mund legen werden: ' O rühret, rühret nicht daran! Italien. Papst Leo XIII. hat End« September einige höhere Stellen in der vatikanischen Hierarchie neu besetz.t Ueber die Bedeutung dieser Ernennungen liege» nunmehr die Urtheile liberaler italienischer Zeitungen vor, welch« der nackten Thatsache eine besondere Färbung verleihen. Im Allgemeinen glaubt me italienische Presse mit Befriedigung feststellen zu dürfen, daß der Papst bei diesen Ernennungen ganz nach eigenster Eingebung verfahren ist und den Hoffnungen der Jntransigentengruppe im Vatikan eme Enttäuschung bereitet hat. Insbesondere hatten diese gehofft, als Nachfolger des verstorbenen Kardinal-Monaco ' La Valletta auf dem wichtigen Posten des GroßpönitentiarS einen - der Jhngeu zu sehen; Leo XIII. ernannte jedoch den gemäßigteren Kardinal Isidoro Verga und brachte so diesen bereit» 64jährigen, durch theologische Gelehrsamkeit ausgezeichneten Purpurträaerauf einmal in d»e erste Linie unter seinen Kollegen. Dir Präfektur der Oonxrsxamvns üei Veseovi e Rsgolari, die Berga bi» jetzt verwaltet hat, ubertrug der Papst einem anderen Kardinal von gemäßigten Anschauungen, dem beim Papste selbst sehr gut an- geschriebencn und von der liberalen italienischen Bevölkerung hochgeschätzten Serafino Vannutelli. Derselbe wird seit geraumer Zeit zu den xapabill gerechnet und ist jedenfalls berufen, bei einer künftigen Papstwahl einen wesentlichen Einfluß auSzuuben. Die Jntransigentengruppe hat sich damit begingen müssen, die minder bedeutsame Sinecnre der Leitung der Jndcrkongregatlon einem der Ihrigen zufallen zu sehen, dem Kardinal Andrea» Steinhuber. Am meisten überrascht war man durch die Er nennung des Monsignore Luigi Tripepi zum Stellvertreter de» Staatssekretärs, als Nachfolger deS zum Nuntius in Brüssel er«