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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 07.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189610070
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18961007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18961007
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-10
- Tag 1896-10-07
-
Monat
1896-10
-
Jahr
1896
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 07.10.1896
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284 Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite 2. In welcher diktatorischen Weise die „Genossen" vorgehen, wenn es sich um Hcrvorrusnng von Streiks handelt, beweist folgendes Schreiben, das, der „StaatSb. Ztg." zufolge, dieser Tage an sämmtliche Bilderrahmenmacher Berlins versendet wurde, in deren Kreisen zur Zeit ei» großer Ausstand geplant ist. Das famose Schriftstück lautet: „Kollegen! Sie wenden hiermit zu der am Sonntag, den 4. d. M., Bormittags 10 Uhr, in den Arminhallen, Kommandantcnstraße 20, stattsindenden öffentlichen Versammlung eingeladen. Sie werden unbedingt zu erscheinen haben. Ferner haben Sie bis Sonnabend Abend Ihren Arbeitgebern folgende Forderungen laut Beschluß der Versammlung vom 29. September zu stellen: 1., 52 Stunden läßt die Wiederholung dieses Verlangens nothwendig erscheinen. Die nationalliberale Partei tritt für eine durchgreifende Reform der Arbeiterversicherungsgesetze, namentlich im Sinne der Ver einfachung derselben, sowie für eine maßvolle, den praktischen Verhältnissen des Wirthschaftslebens und der ausländischen Kon kurrenz genügend Rechnung tragende Wetterführung der sozialen Gesetzgebung, insbesondere auch auf dem Gebiete der Hausindustrie ein. Die nationalliberale Partei strebt nach wie vor ein Reichs vereinsgesetz auf liberaler Grundlage an. Sie ist damit einver standen, daß zunächst durch partikulare Gesetzgebung wenigstens das Verbot beseitigt wird, welches die politischen Vereine an der Verbindung mit einander hindert. Jedem Versuch einer.reak tionären Gestaltung der Vereinsgesetzgebung wie einer Ein schränkung des Koalitionsrechts wird sie entgegentreten. Generallieutenant z. D. v. Renthe, gen. Fink, bis vor Kurzem Vorsitzender des deutschen Kriegerbundcs, ist vorgestern in Berlin gestorben. Das Kaiser Wilhelm-Kanalamt theilt mit: Der Dampfer „Johann Siem" ist gehoben nnd geht bis spätestens morgen von der Unfallstelle weg. Die Passage ist für Schisse bis 5 Meter Tiefgang schon jetzt frei und ist von morgen ab für alle Schisse frei wie vor dem Unfall. Im Prozeß Herzberg (wegen Aberkennung des Kvmmerzien- rathstitels) wurde die Berufung gegen das Urtheil des Schöffen gerichts verworfen und Herzberg zu 60 Mk. Geldstrafe event. 10 Tagen Haft verurtheilt. Zarenpaares in Berlin dürfte, der „Post" zufolge, schwerlich in Aussicht genommen sein. Nachdem die Behauptung der „Germania" in Betreff der Schuld Bismarcks an dem Kulturkampf schon von den „Hamb. Nachr." energisch zurück gewiesen worden und zwar unter Hinweis darauf, daß der Staatsminister Falk dies ohne Frage in gleichem Sinne bestätigen müsse, erklärt dieser nun im „Wests. Anz.", daß ihm und nicht dem Fürsten Bismarck die Initiative für die Maigesetze gebühre. Was bleibt nun von dem fulminanten Angriff des klerikalen Blattes gegen den Alt reichskanzler übrig? Nicht mehr als was von allen früheren Verdächtigungen der „Germania" übrig blieb. Ein parteiamtlicher Bericht über die Verhandlungen des nationalliberalen Parteitages ist bisher nicht er schienen. Wir beschränken uns daher auf die Wiedergabe der Nnchtigsten Anträge und Beschlüsse. Der Antrag Osann lautete: „Indem der Delegirtentag an oem in der Berliner Erklärung von 1891 ausgesprochenen Grundsatz: „daß wirthschaftlichc Fragen nicht zur Grundlage politischer Parteien dienen sollen", fcsthält, erkennt er gegenüber der schwierigen Lage der schwer nieder gedrückten Landwirthschaft und des ebenso leidenden mittleren und kleineren Gewerbes als seine vorzüglichste Aufgabe, auf die Ueberwindung der Nothlage dieser für das Staatswohl so wich tigen Berufsstände, in dem vollen Bewußtsein der Verantwort lichkeit der Partei mit allen Kräften hinzuwirken." — Der ferner unter brausendem Beifall einstimmig angenommene Antrag des Parteivorstandes hat folgenden Wortlaut: „Der nationalliberale Delegirtentag hält es unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen für besonders nothwendig, die alten Grund sätze zu betonen: das Vaterland über die Partei; das allge meine Wohl über alle Sonderinteressen; Unabhängigkeit nach rechts und links wie gegenüber der Regierung; volle Wahrung der konstitutionellen Rechte; Bekämpfung jeden Rückschritts und beharrliches Streben nach stetiger Fortentwickelung aller Ein richtungen des öffentlichen Lebens; entschlossene Vertretung alles dessen, was die Macht und Sicherheit des Reiches und der Schutz des Deutschthums gegen Uebergriffe nnd Anmaßungen, sei es von welcher Seite immer, fordern; kräftiges Eintreten für alle berechtigten Wünsche und Beschwerden des Volkes. Die national liberale Partei bewahrt auf wirthschaftlichem Gebiete ihren Charakter als Mittelpartei und muß daher Forderungen zurückweisen, welche kn einseitiger Berücksichtigung der Interessen eines Berufsstandes andere für den Staat gleich wichtige Berufsstände empfindlich zu schädigen oder die Grundlagen unserer Volkswirthschaft umzu stoßen geeignet sind. Derartigen Bestrebungen entgegenzutreten, erachtet die nationalliberale Partei für ihre Pflicht, aber ebenso für die Pflicht jeder das Staatswohl allein zur Norm nehmen den Regierung." — Die Ablehnung eines Antrages Stenglein, der Zentralvorstand solle Meinungsverschiedenheiten in und unter der nationalliberalen Fraktion des Reichstages und der Land tage auszugleichen bemüht sein, wurde mit allen Stimmen gegon 20 beschlossen, der Antrag Lehmann - Marburg sür die Auf rechterhaltung des Reichswahlrechts mit allen gegen etwa 150 abgelehnt. Der Beschluß über die Handwerkerfrage lautet in der endgiltigen Fassung: „Die nationalliberale Partei ist nach Maßgabe der Beschlüsse des Frankfurter Delegirtcntages von 1894 energisch sür die Gesetzgebung im Interesse des ge werblichen Mittelstandes eigetreten, namentlich soweit es geboten war, den unlauteren Wettbewerb wie die Auswüchse des Hausir- handels zu bekämpfen und den Gcwerbetrieb der Konsumvereine einzuschränken. Ihre bisher noch nicht erfüllten Forderungen dieser Art wird die Partei dauernd weiter verfolgen. Sie steht auf dem Boden der Gewerbefreiheit nnd bekänipft die allge meine Einführung des Befähigungsnachweises, weil er den Hand werker auf ein eng begrenztes Erwerbsfeld beschränkt und dadurch feine Widerstandskraft gegen die Großindustrie lähmt. Sie er strebt eine geordnete, vom Geiste der Selbstverwaltung getragene Organisation des Handwerks in Handwerkerkammern, verwirft aber die Zwangsinnungen des preußischen Gesetzentwurfs, ins besondere weil dieselben den Keim des Befähigungsnachweises in sich tragen und des Rechtes der freien Innungen zu gemeinsamen geschäftlichen Einrichtungen entbehren sollen." — lieber die Finartzwirthschaft nnd die Sozialgesetzgebung hat der Parteitag erklärt: Die natiounalliberalc Partei hält an der in Frankfurt zum Ausdruck gebrachten Üeberzeugung fest, daß sowohl im Interesse des Reichs als der Einzelstaaten eine feste gesetzliche Grenze für das finanzielle Verhältniß zwischen denselben gefunden werden muß. Auch die auf die Dauer unhaltbare Beschränkung in der För derung der Kulturaufgaben, besonders in einzelnen Bundesstaaten, ein gleichlautendes Exemplar zugegangen. Ihre Ehrenpflicht (I) erfordert es, diesem Beschlusse Folge zu leisten. Entweder für oder gegen uns! Also nochmals Alle zur Stelle, nur dann können wir etwas erzielen, und das bis jetzt Errungene fest halten. Mit Gruß die Streikkommission der Bilderrahmen macher." Frankreich. Die himmelhoch jauchzende Freude unseres heißblütigen westlichen Nachbars fordert bei uns zwar zuweilen den Spott heraus, aber dieser Spott ist gutmüthiger Art und nicht bitterer, als die Franzosen selbst zuweilen sich in Witzblättern über die Siedehitze ihrer Begeisterung lustig machen. Deutsch land sieht Frankreich zu, wie eben zur Weihnachtszeit ein gemüth- licher Nachbar durch die Gardinen des Nebenhauses späht, wo ein Bub-, der ihm zwar zuweilen die Scheiben einzuwerfen ge droht hat, nun in zitternder Freude des nahenden Christkindleins harrt. Die Grundlage des französisch-russischen Einverständnisses ist ja zweifellos das Bestreben, Deutschland Abbruch zu thun, aber der Zar hat seinem getreuen Volke so deutlich seine Ab neigung gegen Revanchegelüste gezeigt, daß der Chauvinismus jetzt bei Weitem nicht die Rolle spielt, wie man früher hätte denken sollen. Die Begeisterung, die früher dem Haß gegen Deutschland diente, ist jetzt bei der großen Masse des Volkes Selbstzweck geworden. DaS französische Volk verlangt eben nach glänzenden Aeußerlichkeiten, die Präsidenten in Frack und Gamaschen konnten seine romantische Prachtliebe nicht be friedigen, und dem brav' xenöral, dem Reklamehelden Boulanger, flogen, wenn er stolz auf seinem feurigen Rappen über das Pariser Pflaster ritt, einst alle Herzen zu. Der Zar, der von dem mystischen Glanze autokratischer Herrscher umwoben ist, der über ein kolossales Reich unumschränkt gebietet, das ist ein Gegenstand, der der lebhaften Phantasie der Franzosen entspricht. Sein Besuch, den die Chauvinisten voll kriegerischer Hoffnung erwarteten, scheint wirklich, wie die Staatsmänner in althergebrachten Wendungen versicherten, eher ein Friedens werk zu werden, und in Verbindung mit den Besuchen in Wien und Breslau den Franzosen, die etwa noch daran zweifeln sollten, klar zu machen, daß wir nicht von kriegerischen Gelüsten befangen sind. Ob die ziemlich ungetrübte Heiterkeit des politischen Himmels in Frankreich freilich bei Wiedereröffnung der Kammern anhaltcn wird, ist eine große Frage. Im Matin schleift schon der sozialistische Abgeordnete Jaures sein Schwert gegen das Ministerium Msline, das dem Präsidenten des Senats und der Kammer die ihnen gebührenden Ehren bei den Zaren festen versagen wollte. Eigentlich geschähe diesen Recht, warum hätten sie einem der Minderheit entsprossenen Ministerium ver traut? Aber die äußeren Ehren seien Nebensache, Faure sei zu diesem Tand und Flitterkram wie geschaffen, und es sei schade, wenn seine „glanzvolle Vereinsamung" durch das Kreuzfeuer Brissons und Loubets verdunkelt werde. Die allgemeine Leitung der äußern Politik aber müsse wieder in die Hände des Par laments zurückgegeben werden; möge das Parlament nach der Ansicht der Minister auch zu plump, täppisch und zänkisch sein, um den hohen Gast zartfühlend und ohne Vorweisung der lange» Rechnung zu empfangen, so müsse es trotzdem einen Einblick in die äußere Politik haben, und dieser sei ihr durch die Geheimniß krämerei der Minister verschränkt worden. Hätte der Zar sich durch die parlamentarische Erörterung der Empfangsgeschichte be leidigt gefühlt, so habe er eben kein Verständniß für die französischen Freiheiten und politischen Einheiten. Wir denken, um an der rauhborstigen Art, wie diese Erörterungen wahrscheinlich von ge wisser Seite gepflogen worden wären, Gefallen zu finden, dazu hätte es schon einer sehr harten Haut bedurft, die man bei dem Herrscher eines absolutistisch regierten Reiches sicher nicht voraus setzen kann. Jedenfalls wäre die Feier sehr getrübt worden. Der „Voss. Ztg." wird aus Paris gemeldet: Die Abreise des Präsidenten Faure nach Cherbourg erfolgte am 4. mit ungewohntem Pomp. Er benutzte zum ersten Male einen neuen Eisenbahnzug, der an Pracht mit dem des Zaren vetteifert; alle Zugbediensteten trugen die neue Livröe des Elysöe: blauen Frack, weiße Weste, rothe Kniehosen, Seiden ¬ strümpfe, Schnallenschuhe. Es fiel auf, daß der Oberceremonien- neister Crozier in vollendetem Hofstil Faure meldete, der Zug ei zum Abgang bereit, und ihn unter Bücklingen mit wohl gerundeten Armbewegnngcn einlud, einzusteigcn. Das war bisher nie geschehen, nnd die Neuerung machte auf die Zeugen leinen besonders günstigen Eindruck. Mit Faure reisten der Botschafter v. Mohrenheim und die Herren vom russischen Ge folge, die vor dem Zaren hier eintrafen, alle in großer Uniform, die die Begeisterung der Menge erregte. Die Hochrufe auf Rußland waren betäubend. Faure hochleben zu lassen, daran dachten die Wenigsten. Man meldet, daß König Georg von Griechenland hierher kommcn und den Zarenfesten inkognito beiwohnen werde. — Polizeipräsekt Lepme verfügte, daß beim Einzug nach russischem Gebrauch die Schutzleute mit dem Gesicht zum Volke, dem Rücken zum Zuge aufgestellt werden. Die Börse bleibt am Tage des Einzuges ge ¬ schlossen. Bei der Gala im „DbLätre krnngain" erscheint der Zar im Frack. Bei der Grundsteinlegung zu der Brücke Alexanders III. werden vierzig junge Mädchen der Kaiserin einen prachtvollen Blumenstrauß in einem schweren Silbergefäß über reichen, das von Fromont Meurice ciselirt ist und ans einer Art Sammtbahre getragen wird. Die von Monnet zu sprechenden Verse De Heredias beziehen sich ans diese Blumenspende. — lieber den Menschenzufluß berichten die Blätter mit geradezu wahnsinnigen Nebcrtreibungen. Eine Million Fremder ist die mäßigste Schätzung. Viele Zeitungen sprechen von zwei Millionen. „Figaro" nennt sogar die Ziffer drittebalb Millionen und meint, sie würde sich zu drei Millionen abrunden. Nach den amtlichen Ausweisen sind in allen hiesigen Bahnhöfen seit dem ersten bis gestern Abend 328 000 Personen angekommen; zu Fuße werden : wohl nicht viel Reisende eingetroffen sein. Diese Zahl ist also als die der augenblicklich hier weilenden Fremden anzusehen, - wobei noch zu bemerken ist, daß in diesen Tagen auch sehr viele - Pariser vom Landaufenthalt heimgekehrt sind. — Viele Schlächter nehmen die Aufschneidereien der Presse zum Vorwande, die Fleischpreise zu erhöhen. Vorgestern regnete es zur schweren Be trübniß der Behörden und des Bölkes in Strömen. Heute zeigt sich die Sonne, aber das Wetter ist noch immer sehr unsicher. Endlich ist der heiß erwartete große Augenblick eingetreten: Das russische Kaiserpaar hat den Boden der französischen Republik betreten! Ueber die Fahrt des Zarcupaares und die Ankunft in Cherbourg liegen nachstehende Meldungen vor: Cherbourg, 11 Uhr Vormittags. Das Wetter ist sehr schlecht, es herrscht heftiger Nordwcstwind, die See geht sehr hoch. Auf dem Semaphor wurde das Sturmsignal gehißt. Trotz des heftigen Windes hat sich eine große Menge auf den Quais angesammelt, Uni 7 Uhr Vormittags lichtete "das Nord- ic-lcn. i., StundenIGeschwader die Anker, ging durch die Westdurchsahrt in See Arbeitszeit pro Woche: 2., 25 M. 50 Pfg. MinimallohuZuud sormirte sich darauf unter dem Befehle der Admirale 3., 10 Prozent Aufschlag auf Aecvrdarbcit, 4-, IlcberftundeulPremesuil und Courthille in doppelter Kiellinie, um dem Kaiser find mit 10 Pfg. pro Stunde extra bezahlt. Ihren Meistern iftlvou Rußland entgegcnzusahrcn. Auch cimgc Vcrgnügungs- Pachten sind trotz des schlechten Wetters in See gegangen, andere sind auf der Rhede geblieben. Weiter wird berichtet: Nachdem in der Mitte des Äermelkanals das englische Ge schwader sich zur Rückfahrt gewendet und das französische Ge schwader die Eskorte der russischen Kaiseryachten übernommen hatte, nahmen die letzteren in der Mitte zwischen den Linien der französischen Schiffe Stellung. Das Geschwader löste eineu Salut von 101 Schüssen; die Mannschaften erwiesen die üblichen Ehrenbezeugungen. Als der „Polarstern" an den einzelnen Schiffen vorüberfuhr, spielte jedesmal die Schiffskapelle die russische Hymne, und die Besatzung begrüßte den Kaiser mit Hurrahrufen; der Kaiser stand auf der Kommandobrücke und dankte mit militärischem Gruße. Die Schiffsmanöver wurden mit großer Präzision ausgeführt. Als der „Polarstern" um 1 Uhr 45 Minuten Mittags im Cherbourger Hafen eintraf, setzte sich die Pacht an die Spitze der sämmtlichen Schiffe. /Die Straudbatterien feuerten Salutschüsse ab, welche von den Schissen erwidert wurden. Im Arsenal erwartete Präsident Faure in mitten aller offiziellen Persönlichkeiten die Landung des Kaiser paares. Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland gingen nm 3 Uhr Nachmittags an Land. Der Kaiserin wurden Blumen körbe überreicht. Unter der überaus zahlreich am Arsenal ver sammelten Menge herrscht große Begeisterung. Der Himmel hat sich aufgeklärt, es ist Heller Sonnenschein eingetreten. Die Kaiserin von Rußland ging zuerst an Land. Der Kaiser in der Uniform eines Kapitäns zur See hatte das Großkreuz der Ehrenlegion angelegt. Präsident Faure schritt entblößten Hauptes auf die Kaiserin zu, verneigte sich tief vor ihr und küßte ihr die Hand. Der Kaiser grüßte den Präsidenten militärisch, daraus reichten der Kaiser und der Präsident sich die Hand, wobei letzterer den Kaiser willkommen hieß. Der Kaiser dankte mit einigen Worten. Sodann stellte Herr Faure die Präsidenten der beiden Kammern und die Minister vor. Hierauf schritten der Kaiser, die Kaiserin und Präsident Faure, welcher der Kaiserin den Arm gereicht hatte, an allen Anwesenden vorüber und schifften sich zur Flottenrevue auf dem „Elan" ein. Der offiziöse „Temps" bespricht den Besuch des Kaiser? und der Kaiserin von Rußland in wärmster Weise als ein Ereigniß, welches von historischer Bedeutung bleiben werde. Nachdem da? Blatt auf den Empfang des Kaiserpaares in Cherbourg, den Aufenthalt in Paris und die Truppenschau in CHLlonS hinge wiesen, betont es zum Schluß, dieses Schauspiel werde überall den Eindruck der Sicherheit und einer Kundgebung eines starken und dauerhaften Friedens macken, welcher Jedem gestatte, unbe sorgt sich für das große Stelldichein des Gewerbfleißes und der Gesittung vorzubereiten, mit dem Frankreich daS kommende Jahr hundert einweihe. Ueber eine türkische > Palastintrigue schreibt man auS Konstantinopel, 30. September: Eine nach echt orientalischer Weise inszenirte Jntrigue gab vor Kurzem zu einem Gerüchte Anlaß, daß es im kaiserlichen Palaste zwischen zwei Regimentern zu einer Revolte kam, bei der man gegenseitig von den Waffen Gebrauch machte und eine große Zahl von Todten und Ver wundeten zu verzeichnen hatte. Die Kurden der Hamidie- Kavallerie sollen mit dem albancsischen Regiment handgemein geworden sein, weil man letzteres durch die Asiaten ablösen wollte, angeblich weil man Grund habe, in die Verläßlichkeit der mit der ausschließlichen Bewachung des Palastes betrauten Alba nesen Zweifel zu setzen. Bei den enormen Schwierigkeiten, über Vorgänge innerhalb der kaiserlichen Residenz bestimmte Nach richten zu erhalten, dauerte es geraunie Zeit, bis man hieriA Näheres erfuhr, zumal die gegenwärtigen Verhältnisse schier im- übersteigliche Hindernisse aufthürmen. Nun gelang es aber doch, in die mysteriöse Sache Licht zu bringen, und da stellte e? sich denn heraus, daß zwar an der militärischen Putschgeschichte kein wahres Wort sei, dagegen aber im Palaste eine ganz entsetzliche Aufregung entstanden war, weil es Plötzlich hieß, man babedott bin Bomben eingeschmuggelt und man sei einer planmäßig ange legten Verschwörung, die sich gegen den Herrscher richte, auf die Spur gekommen. Die Bomben waren nun allerdings vorhanden, es waren deren sogar sieben Stück, aber es war weder eunbeab sichtigtes Attentat, noch sonst eine feindselige Absicht der That- sache zu Grunde gelegen. Ein junger Kapitän hatte in seinem Uebereifer die plötzliche Panik im Palaste hervorgerufen. Die Sache kam nämlich so: der Kapitän war nach den Massacres be auftragt, in den armenischen Stadtvierteln nach versteckten Waffen und Anderem zn recherchiren; seine Mission war von Erfolg begleitet, denn er machte den ersten Bombenfund in einer armenischen Schule in Psamatir. Man war maßgebenden OttH davon so befriedigt, daß der Offizier auf der Stelle zum Major avancirte. Der junge, erst 23 Jahre zählende Offizier, dadurch angeeifert, glaubte nun sich in der Gunst des Sultans noch be sonders festzusctzen, wenn er das 6orxus äsliett ins Palais bringe, damit inan sich auch von der Thatsache überzeugen könne. Dieser an und für sich unheilvolle Gedanke verfehlte aber seine gehoffte Wirkung vollkommen. Es fanden sich im Gegentheile sofort niedrige Seelen, die der Sache eine andere Deutung gaben und nm die Glaubwürdigkeit noch zu erhöhen, mußte der Haus arzt des Majors eine schriftliche Denunziation verfassen, daß der Offizier einen Theil seiner Mordwerkzeuge nach dem Hildiz Kiosk schaffte, jedoch zu Hause noch einen Vorrath besitze, der zu weiteren anarchistischen Anschlägen verwendet werden solle und daß es dem Major um nichts Geringeres zu thun sei, als den Palast und mehrere Häuser der hervorragendsten Persönlichkeiten in die Luft zu sprengen. Zunächst schritt man also zur Verhas- tung des vermeintlichen Missethäters, den man einstweilen in irgend einem sicheren Verließ des Palastes festhielt, bis der Befehl kam, in seinem unweit des Palais in der Vorstadt Beschiktasch gelegenen Hause eine minutiöse Durchsuchung vorzunehmen, der der Aermste unter starker Bedeckung beiwohnen mußte. Dott wurde nun jeder Winkel durchstöbert, und als man noch immer keine Bomben oder sonstige Sprengmaterialien fand, da begann man, die Fußböden aufzureißen, die Möbel zu zertrümmern — kürz, die Verwüstung war allgemein. Der Major verwies wieder holt auf seine Schuldlosigkeit. Dies half aber nicht, sondern spornte die pflichteifrigen Schergen nun noch mehr an. Es gab dann von beiden Seiten gereizte Bemerkungen, bis endlich der Major, der Verdächtigungen überdrüssig, einem Polizisten bei Revolver entriß und damit in die Anwesenden hineinschoß. Dies« flüchteten auf die Straße, der Major ihnen nach, es entstand ein förmliches Gefecht, wobei mehrere Gendarmen verwundet wurden, bis endlich eine Patrouille als Verstärkung anrückte, um den Stabsoffizier unschädlich zn machen. Man brachte ihn nun aber mals ins Palais, aber seine ob des raschen Avancements-zahl reichen Gegner hatten bereits gesiegt und sein Schicksal besiegelt Vor einigen Tagen wanderte er, znm'gemeinen Soldaten dcgradirt, in die Verbannung nach Pemen, von wo es erfahrungsgemäß : keine Wiederkehr giebt. : Es herrscht ei» förmlicher Wetteifer unter den belgische" : Blätter», die Hinterhältigkeit der Kongo-Rcgiernng auszuveaem - Je mehr diese den Nilfeldzug ablcuchtet, umso offener werdend»
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