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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 09.08.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189608097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18960809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18960809
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-08
- Tag 1896-08-09
-
Monat
1896-08
-
Jahr
1896
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 09.08.1896
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Fr-tb-rg-r Anzeiger und Tageblatt. Sette 3. — S. August. 184 L8VV. Oertttches und Sächsisches. Freiberg, des 8. August. — Ee. Majestät der König unternahm gestern früh In Begleitung des Oberhofmarschalls Grafen Vitzthum von Eckstädt und deS Generaladjutanten Generallieutenants von Treitschke, owie des Kammerherrn Sahrer von Sahr-Dahlen von Pillnitz aus einen Jagdausflug ins Reinhardtsdorfer Revier. Se- Majestät benutzte hierzu von Pirna aus den Vormittags 6 Uhr 36 Min. abgehenden fahrplanmäßigen Zug bis Krippen. Rach Beendigung der Jagd nahm der Monarch mit den Herr« de» Gefolges in Sendigs Hotel „Villa Quifisana" in Schandau daS der später entwischen konnte, selbst erzählt. Er berichtete auch, daß die Fahavalos dem Gefolterten semen Rosenkranz, um den er bat, willig reichten. Sie glaubten, eS wäre ei» Fetisch «nd wollten diesen nicht erzürnen. i )iner ein und trat Abends die Rückreise nach Pillnitz an. — )er König hat zur Unterstützung der Abgebrannten in Jöhstadt 600 Mark gespendet. — In BudweiS i. B. wurde am Mittwoch ein Luftballon b» obachtet, aus dessen Gondel eine grün-weiße Fahne im Winde flatterte. Die Luftschiffer ließen einen mit einem Zettel um wickelten Stein fallen. Diesem Zettel war zu entnehmen, daß sich in dem Luftballon sächsische Offiziere au- Dresden be- anden, die vom Winde nach dem südlichen Böhmen verschlagen worden waren. Der Ballon schwebte in beträchtlicher Höhe uud nahm den Weg weiter nach Süden. — Statistik über die von der hiesigen Tchntzmannschast im Mouat Juli 1896 zur Aufbewahrung gebrachten bez. ange zeigten Personen und sonst eingereichten Anzeigen. ES wurden zur Aufbewahrung gebracht 9 Personen wegen Bettelns, 4 weg«» Mittel- und Obdachlosigkeit, 3 wegen totaler Trunkenheit, je 1 wegen Beleidigung, fortgesetzten Straßenskandals, fortgesetzter Hausskandals, je 1 wegen Diebstahls, Betrugs, Nothzucht steckbrieflicher Verfolgung, Widerstands gegen die Staatsgewalt Sachbeschädigung, verbotswidriger Rückkehr, Umhertreibens, Kam pirens und wegen Einschleichens. Zusammen 82 Personen, 5 mehr als im vorhergegangenen Monat. Ferner wurden 22 Personen zur Anzeige gebracht wegen Diebstahls, 14 wegen Nacht- bez Straßenskandals, 11 wegen Verübung groben Unfugs, 7 wegei Umherlaufenlassens von Hunden in den Promenaden, 6 wegep Vergehens wider das Gesetz: Die Sonn-, Fest- und BußtagSfeie betr., je 3 wegen Schlägerei, unvorschriftsmäßigen Führens vor : Hundegeschirren, Nebeneinanderfahrens mit Kinderwagen in del Promenaden, je 2 wegen Thierquälerei, Lebens in wilder Ehe Bettelns, unterlassener polizeilicher Anmeldung, Schlafen» ab Geschirrführer beim Leiten von Geschirren, je 1 wegen Wider stands gegen die Staatsgewalt, Sachbeschädigung, Duldens von Hazardspiels, Gesuchtwerdens im Gendarmerieblatt, Betreiben» gewerbsmäßiger Unzucht, unbefugten Schießens in der Nähe be wohnter Gebäude, unbefugten Hausirens, unbefugten AbbrenneuS von Feuerwerkskörpern, AbladenS von Schutt und Asche an ver botenen Orten, Straßenverunreinigung, unterlassen«« Unormgens eines Schutzes bei Vornahme von Dacharbeiten,. Begehen» o« Trottoire und Fußwege mit sperrigen G^^ndew »»vo»- sckriktsmäkioen AnbrinaenS von Gewerbezeichen, HauSfranoalst Wr ns auf verbotenen Straßen und Fußwege^ Stehenlassen? von GMiÄn °h''- Aussicht und wegen Zähren» ohne Belruch .„»n Aukerdem wurden 2 Anzeigen über in Verkehr ge Äte lkommene falsche Einmarkstücke, sowie ie 1 über eine ausgrsundene und die Aufmerksamkeit von dieser selbst abzulenke«, sich jene Angriffe auf die deutsche Verwaltung geleistet habe. Natürlich wirb man den Kongostaat und seine Regierung nicht für die Aeußerungen deS Vertheidiger» verantwortlich machen können, so sehr sich dieser auch zugleich als Anwalt der Interessen d«S KongostaateS aufwarf. Aber das darf al» sicher angenommen werden, daß den Interessen deS Kongostaate» und dem freund nachbarlichen Berhältniß desselben zu unseren ostafrikanischen Besitzungen durch nichts weniger gebient wird, als durch solche al» reine Verdächtigungen zu charakterisirenden Anschuldigungen unserer Kolonialverwaltung. Wie man in den Busch ruft, hallt eS unwillkürlich au» demselben zurück. DaS hätte Herr Graux sich gefälligst selbst sagen können, selbst wenn ihn seine frühere Stellung als Minister nicht über die Bedeutung her Wahl der richtigen Worte belehrt haben sollte. Der Eindruck der Frei sprechung Lothaires wird rechtlich durch die gegen Deutschland gerichteten Angriffe nicht gebessert. — Auch eine Berliner Zu schrift der „Köln. Ztg." kritifirt in abfälligster Weise das im Prozeß Lothaire ergangene freisprechende Urtheil. Man erfährt daraus, daß in politischen Kreisen die Verhandlung gegen Major Lothaire ganz allgemein al» eine vom Kongostaate in» Werk gesetzte Justizkomödie betrachtet wird, durch die dieser nur vom Wohlwollen der Mächte lebende Staat auss Neue beweise, daß seine Auffassung über staatliche Pflichten sich nicht über den Standpunkt der Flibustier erhebt, den man unter civilisirten Nationen für endgiltig abgeschafftbetrachtet hatte. Da»Dreisteste an der Sache sei eigentlich, daß man sich kaum die Mühe gegeben hat, bei dem Verfahren vor dem Brüsseler Gericht auch nur den äußeren Anschein der Gerechtigkeit zu wahren, und daß sich, selbst die Staatsanwaltschaft auf den Standpunkt jenes Offiziers stellte, der Stokes gegen Recht und Gesetz tödten und seine» Besitzes berauben ließ. DaS moralische Ansehen des Kongostaates war bis jetzt schon außerordentlich gering. In Zukunft werde eS kaum möglich sein, überhaupt noch von einem solchen zu reden. England. Trotz aller Vergünstigungen scheinen die imGefäng- niß von Holloway ihre „Strafe" abbüßendenJamesonschen Einbrecher in den Transvaal zu glauben, daß man noch nicht Rücksicht genug auf sie genommen hat. Sie beklagen sich darüber, daß sie nach dem Gefängniß von Wormwood Scrubbs im Gefängnißwagen haben fahren und sich einigen Gefängnißregeln unterwerfen müssen. Weder die Anklage, noch die Richter hätten doch einen Schatten deS Verdachts auf ihre Ehre geworfen. Sir John Willoughby hat an einen seiner Freunde das folgende Telegramm au» dem Gefängniß gerichtet: „Man erlaubt uns keine Besuche, Briefe, Rauchen oder Spirituosen. Bitte insormiren Sie Vie die Aufständische« daher auf die Weise zur U»terw«rf«»t zwingen, daß man Fort» ringS um die feindlichen Stellungen erbaute und von diesen au» die Matabele a» der Bebauung ihrer Felder uud der Pflege der Viehzucht behinderte. Mangel» jeglicher Zufuhr von Nahrungsmitteln von außen her hoffte «um die Matabele allmählich auShungern und überwältigen zu könne«. Am Mittwoch nun ist es gegen die Absicht der Engländer zu einem ernsten Kampfe gekommen. Die Matabele kvaren die An greifer. Sie sind zwar geschlagen worden, daß sie sich jedoch, wie man im britischen Heerlager zu hoffen scheint, jetzt unter werfen werden, ist bei ver großen Truppenmacht, über die sie verfügen, vor der Hand wenig wahrscheinlich. In Ergänzung der bereits wiedergegebenen Drahtmeldnngen liegen heute folgende Nachrichten vor: Nach Buluwayoer Drahtungen griff die Matoppo- Kolonne unter Oberst Plumer am Mittwoch dir vereinigten Streitkräfte der Aufständischen an. Rittmeister Beresford, der mit 180 Mann Infanterie, zwei Berggeschützen, einer HvSkiß- und einer Maximkanone Höhen oberhalb eine» schwierigen Platzes besetzen sollte, wurde unterwegs von drei feindlichen Abteilungen angegriffen und nach verzweifeltem Kampfe völlig umzingelt. ES gelang ihm jedoch nach weiterem zweistündigen Kampfe de« Feind zurückznwerfen. Die Hauptmacht, die alsdann zu BereSfordS Beistand erschien, stürmte die Anhöhe« nnd griff de« Feind in der Flanke an. Die Kapschützen, zwei Schwadronen zu Fuß und PlumerS Corps nahmen zwei Berggipfel, worauf der Feind Nach mittags halb vier Uhr die Flucht in die Berge ergriff. Der Zeuch war 5000 bis 7000 Mann stark, sei» Verlust wird auf 300 Mann geschätzt. Der Verlust der Engländer betrug fünf Todte, darunter Major Kershaw, und fünfzehn Verwundete, darunter sechs Offiziere. Sekombo wurde zur Uebergabe aufgefordert. Die FeiadeSmacht scheine durch diesen Kampf gebrochen zu sei«. Die Mitteilungen französischer Blätter au» Madaga-k*» lauten noch immer ungünstig. In diesem Zusammenhang« schreibt daS „Evenement": Die Fahavalos sei« nicht eigentliche Banditen, sondern ganz einfach als solche verkleidete Truppe« dev Königin, die unter den Befehlen englischer Offiziere, dem Obe» befehle des Major Graham stehen «nd systematisch de« Kriegs plan durchführen, daS auf der Hochebene gelegene Ernyrna-Geditt zu umzingeln und Tananarivo von dem Reste der Insel aky»- ichneiden. Dasselbe französische Organ kann nach eruem Privat briefe Näheres über den Martertod de» Missionspater» Bertie« in Madagaskar mittheilen. Er war unterwegs überfalle« Word«, al» er mit seiner kleinen Gemeinde, die er schon seit MavPg Jahren verwaltete, nach Tananarivo zieh« wollte, «m sie dort gegen die Verfolgungen in Sicherheit zu bringe«. Die Fahavalos entführten ihn, der in Folge eines Sturzes vom Pferde «och hinkte, nordwärts und befestigten ihn, a« ihrem vorläufig« Mele, etwa fünf Tagemärsche von Tananarivo, angelangt, a« ei««« Baum, ohne dem Erschöpften irgend welche Nahrung zu reichen. Nach vierundzwanzig Stunden riß maa ihm die Kleider vo« Leibe; auch wurde er in entsetzlicher Weise verstümmelt imd geblendet. In diesem Zustande banden die Barbaren d« Pater an einen Pfahl, und dann defilirten sie au ihrem Opfer vorbei, indem sie ihm mit ihren Sagayrn Wunden beibracht«, die ad- sichtlich nicht tödtlich, aber schmerzlich sei« sollte«. DerGnad«- stoß wurde dem Märtyrer von seinem eigenen Diener, einem Einheimischen, versetzt, den die FahavaloS gezwungen hatten, mit einer Lanze nach dem Pater zu stechen. Bon Mitleid ergriff«, stach er «hm die Waffe so ties i« die Seite und dann noch in den Nacken, daß der Tod rafch eintrat. So hat dieser Man«, Zeitungen." ' Frankreich. Das Boot „Fox" mit 2 Amerikanern besetzt, i welches von New-Kork abgegangen war, und das bereits signalistrt > worden und wiederholt auf dem Meere angetroffen war, »st Frei- ! tag'früh in gutem Zustande in dem Hafen von Havre einge troffen. Die beiden Reisenden sind wohlauf. Zu den Schreckensszenen auf Kreta giebt ein Augenzeuge, der sich in der Hafenstadt Kanea aufbielt, in der Kopenhagener Zeitung „Danebrog" einen Beitrag, der geradezu trostlose Zu stände auf Kreta verräth. Dieser Berichterstatter spazierte eines Morgens mit einigen Bekannten auf der Straße, als plötzlich hinter ihnen einige Schüsse fielen, und beim Umdrehen bot sich ihnen ein schrecklicher Anblick. Frauen und Kinder, Männer jeden Alter» stürmten daher, so schnell sie nur laufen konnten, um daS Leben zu retten. Hinter ihnen sah man Türken, die mit gespanntem Gewehr die Menge verfolgten. So geht die wilde Jagd durch die Stadt, überall werden die Läden eingeschlagen, die Kaufleute und ihre Gehülfen stürzen heraus und schließen sich den Flüchtenden an. In wenigen Minuten ist jede» Geschäft in der Stadt geschlossen, und die Menschen sind wie lveggeweyt, nur eine ständig wachsende, gejagte, fast niedersinkende Menschenmaffe kürzt vorwärts zuin Hafen. Alle» ist in Aufruhr. Äon den Zenstern des englischen Konsuls wird zu den englischen Schiffen ignalisirt, die auf der Rhede liegen, und in wenigen Minuten ind Barkassen mit Hunderten von englischen Soldaten auf dem Lege zum Hasen. Die französischen und österreichischen KriegS- chiffe sind gleichfalls im Begriff, Boote zu bemannen. Die un- flücklichen Kreter suchen wie gejagte Thiere Schutz im Konsulat. Die Zimmer, der Hof, die Straße draußen ist von Menschen ge füllt, die mit verzweifelten Blicken um Hilfe flehen. Von allen Straßen stürmen türkische Soldaten mit gespannten Gewehren heran, doch wagen sie angesichts der bemannten Boote der Groß mächte nicht zu schießen. Inzwischen ist es Mittag, und die Sonne steht brennend cheiß über der Stadt. RingS um den Hafen stehen die türkischen Soldaten, die noch von der Hetzjagd von Schweiß triefen. Die Straßen sind leer, in jedem Geschäft sind die Fenster zerschlagen, an den Ecken stehen bis an die Zähne be waffnete Soldaten. Die Einwohner schleichen ängstlich hinter Mauern dahin, in beständiger Furcht, von einer türkischen Kugel getroffen zu werden. Nur beim Hafen sammelt sich das Volk in größerer Menge, hier im Schutze der Panzerschiffe der Groß mächte sühlt man sich sicherer. Am Nachmittage wurde es wieder etwas ruhiger in Kanea, hin und wieder bringt ein Boot Menschen zu den Kriegsschiffen; es sind die am meisten verfolgten Christen, die auf den Schiffen Schutz suchen. WaS das Auge gegenwärtig auf Kreta sieht, ist herzzerbrechend. AlleS, was von Ruhe auf Kreta berichtet wird, ist erdichtet. Der Zustand ist fürchterlich, viel schlimmer, als man ahnt. Der Aufruhr hat sich nun über die ganze Insel verbreitet. Jeder Tag bringt Mittheilung von neuen Schreckensszenen. AuS Kreta liegen wieder sehr ernste Meldungen vor: In Heraklion ist endlich die Krisis ausgebrochen. Nach dem miß lungenen Anschlag der Muselmanen, wobei Hassan Pascha miß handelt wurde, machten zehntausend Mohammedaner einen Sturm auf die Stadt, brachen in diese ein und nahmen Besitz von allen Christenhäusern, deren Bewohner hinauswerfend. Es ereigneten sich furchtbare Szenen, viele Personen sind umgekommen, selbst in daS russische Konsulat wurde eingedrungen, der Bizekonsul Sarros, ein Grieche von Geburt, schwer verletzt. Vorgestern ist e» auch zu einem Christengemetzel gekommen. Die Zahl der Opfer (st noch nicht bekannt, doch wird gemeldet, daß Hassan Pascha heute wieder von dem türkischen Pöbel angegriffen und verwundet wurde. Der Bischof von Heraklion veröffentlicht einen Aufruf an das Christenthum, gegen den fanatischen Islam energisch einzuschreiten. DaS britische Kriegsschiff „Hood", mit dem britischen Generalkonsul au» Kanea an Bord, ist nach Hera klion abgegangen, desgleichen der französische Panzer „LinoiS". Der britische Kreuzer „Blanche" lag schon früher im Hafen. — Gestern sind 1100 kretensische Flüchtlinge im PiräuS angekommen, di« Hassan Pascha sehr loben. Südafrika. Die Hoffnung, der Matabele mit den ihm zu Verfügung stehenden Truppen ohne Unterstützung durch stark Hilfstruppen des Reichsheeres Herr zu werden, hatte General Carington, der OberbesehShaber m Matabeleland, bereits aufge geben. Bor Wochenfrist hieß es, die Stellungen der Matabele in de« Matovpobergeu seien geradezu uneinnehmbar. Man wollt: Am 30. Juli sind an Bord des Dampfers „Egitto" in Massauah 47 italienische Soldaten, die in Abyssinien gefangen gewesen find, wohlbehalten eingetroffen. Alle sahen gut auS, nur fünf tragen noch die Spuren erlittener Verwundungen. Notb- gedrungen haben sie, nachdem die Uniformstücke ihnen vom Leibe gefallen sind, abyssinische Kleidung angelegt, in der die Schaar sich natürlich phantastisch genug ausnahm, als sie durch den General Lamberti inspizirt und mit Erfrischungen bewirthet wurde. Die Leute find am 15. Juli von Argi ausgebrochen. Drei weitere Soldaten trafen nicht rechtzeitig am Sammelplätze rin oder waren durch die Häuptlinge, die sie in Gewahrsam batten, zurückgehalten worden; einen batte Makonnen bei sich be yalten, weil er gut zu kochen verstand. Während des sehr an strengenden Marsches, für den man sie mit den landesüblichen Hemden und Beinkleidern ausrüstete, ohne ihnen aber Schuhe zu geben, waren sie in den ersten Tagen einem durch Makonnen gewählten Häuptlinge, dann dem Russen Leontiefs anvertraut, der sie gut behandelte. Am 27. Juli Nachmittag» kamen sie in Dschibuti an, zum Theil mit den Kleidern und Schuhen ange- than, die Major Nerazzini ihnen einige Tagemärsche weit ent gegengeschickt hatte. Sie marschirten geordnet zu vier und vier, an der Spitze die abyssinische Eskorte, die mit Flinten bewaffnet war und eine Salve abgav, während Nerazzini den Befehl über nahm. Am Abend wurden die Befreiten, die rasch ihre Leiden zu vergessen schienen, im französischen Gasthause mit einer Mahl zeit bewirthet, an der Leontiefs, Choiseul und zwei PatreS der Wersowitzschen Mission theilnahmen, die hierauf der Einschiffung beiwohnten. Am 28. früh verließ der „Egitto" den Hafen von Dschibuti. — In dem jüngst durch daS Kriegsministerium ver öffentlichten Verzeichnisse der Gefangenen, die noch in Schoa sind, fehlen die Namen der Offiziere. Man schließt daraus, daß die Letzteren durch den Negus von den Soldaten getrennt gehalten, wahrscheinlich in bessere Quartiere gelegt worden sind und daß er hauptsächlich auf sie zählt, um seme Forderungen an Italien durchzusetzen. Belgien. Man mag über den Fall Lothaire-Stokes und über die Freisprechung deS ersteren denken wie man will, so wird man doch mit der größten Entschiedenheit die Unterstellungen znrückweisen müssen, welche dessen Vertheidiger sich Deutschland gegenüber zu Schulden kommen ließ. Man mag der Vertheidigung noch so wetten Spielraum einräumen und auch in dem vorliegenden Falle, wo der Ausgang von vornherein festgestanden zu haben scheint und die Gerichtsverhandlung mehr die Bedeutung einer äußeren Form hatte, diese Regel gelten lassen. Aber lediglich pro eoloraucka causa eine jeder thatsächlichen Unterlage entbehrende Verdächtigung gegen die deutsche Kolonialverwaltung erheben, al» ob sie mit den Feinden des Kongostaates unter einer Decke gesteckt habe, überschreitet auch die werteste der der Vertherdiaung ge zogenen Grenzen, Behauptungen, wie die, daß der Verkauf von Pulver und Bler die einzige Einnahmequelle der deutschen Kolonie sei, und die Andeutung, al» ob einer der von Lothaire bekämpften Araberhäuptlinge den Schutz und die Unterstützung der deutschen Verwaltung genoss« habe, richten sich von selbst. Der unbefangene Beurtheiler gewinnt daraus den Einoruck, al» ob dem Vertheidiger die Sache feines Klienten in Wirklichkeit keineswegs zweifelsfrei erschien« sei, uud als ob er, um der« Schwäche zu verdeck« viel gröbere Bedeutung al» der internationale Sozialistenkongreß gehabt, ver auch nach vem Urtheil vieler Sozialisten die reinste Komödie war. Internationale Gewerkschaftskongresse haben u. A. in London abgehalten: die Tabaksarbeiter, die Brauer, die See leute und Hasenarbeiter, die Hutmacher. In all diesen Kon gress« hat vie Frage, wie man sich bei großen Streiken am besten Unterstützung gewähr« könne, die Hauptrolle gespielt; die bi» jetzt noch stellenweise sehr losen Bestimmungen wurden schärfer präziftrt, in Paragraphen gefaßt und vor Allem Mittel und Wege angegeben, um «ine internationale Streikkasse deS be treffenden Gewerk» zu schaffen. Wo internationale Verbände noch nicht bestanden, wurden solche geschaffen, so bei den Hut machern, die den französischen Verband mit der Leitung der Gesammtanaelegenbeiten betrauten. Bei den Tabaksarbeitern wurde die Organisation insofern auSgebaut, al» die englischen TabakSarbeiter, die bisher von dem internationalen Verbände nichts wissen wollten, diesem beitraten. Der Sitz des inter national« Sekretariat- wurde in Belgien belassen. Den Brauer- GewerkfchaftSkongreß leitete der bekannte deutsche Hauptagitator Wiele-Hannover, daS internationale Bureau soll in Pest errichtet werden und Genosse Racazollo wurde zum Direktor ernannt. Die Brauer machten im Allgemeinen ein recht vergnügliche» Gesicht; seit 1890 sollen die Löhne überall in die Höhe gegangen sein; im Herbst dieses JahreS will man auf der ganz« Linie mit einer Agitation für die Verkürzung der Arbeitszeit vorgehen. Die Seeleute beschlossen, ebenfalls gemeinsam vorzugehen; ein gemeinsames Vorgehen sei gerade bei den Seeleut« ganz leicht zu erzielen. Die Schuhmacher ließen durch den Relchstagsab- geordnet« Bock Beziehungen mit ihren englischen Kollegen an- rnüpfen und die Genossen im Unterrock setzten ein internationale» Korrespondenz-ComitS ein, um die Agitation unter den Frauen auf einer breiten Grundlage entfalten zu können. Aus den Gewerkschaftskongressen ist zweifellos positive Arbeit geleistet worden und die Folgen werden sich bei den kommenden Lohn- kämpfen sicherlich zeigen. Man hat eS eben hier mit einem planmäßigen, zielbewußten internationalen Vorgehen der Gewerk schaft zu thun, daS man nicht auS dem Auge lassen darf. Zu Herrn Stöcker» neuesten Projekten schreibt jetzt der „Reichsbote", der zuerst Feuer und Flamme für daS kirchlich soziale Unternehmen war, schon der Name „kirchlich-sozial", der oe» einem akademischen Manifest hingehen mochte, gefalle ihm nicht, und knüpft daran folgende Absage: Die Kirche als solche darf nicht als sozial-politische Partei auftreten — und das geschähe durch einen kirchlich-sozialen Kongreß mit christlich-sozialer Per sonalunion. Christlich-sozial oder evangelisch-sozial trägt mehr einen subjektiven Charakter und war deshalb minder bedenklich — aber kirchlich-sozial,jdas greift objektiv in die Kirche ein und ist jetzt bei dem festen und klugen Auftreten Roms doppelt gefährlich. Alle Fehler, die ein solcher Kongreß auf sozialem Gebiete macht, würden dann aufs Konto der evangelischen Kirche gesetzt, da» kann die Kirche nicht tragen. Auf dem vorige Woche in London tagenden Sozialistenkongresse wurde bekanntlich in Bezug auf die Kolonialfrage der Be schluß gefaßt, daß man darin eine Erweiterung des Gebiets der kapitalistischen Ausbeutung erblicken müßte, und daß sie aus schließlich die Kapitalistenklasse angehe. Die „Tägl. Rdsch." schreibt: ES dürste nun von Interesse sein, von dem Gerücht Kenntniß zu nehmen, daß der älteste Sohn Liebknechts, welcher Jura studirt hat, in den Staatsdienst zu treten gedenkt, um sich dem Kolonial dienste zu widmen. Später beabstchttgt er nach den Kolonien zu gehen. Sollte Liebknecht, der Vater, mit dem Räuber in BulwerS „Eugen Aram" denken: Wenn ich auch ein Räuber bin, so soll doch mein Sohn keiner werden! und die „kapitalistische" Denkweise seines Sohnes gutheißen? Liebknecht ist sonst so sehr gesprächig, warum niemals in diesem Punkte?
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