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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 18.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189607187
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18960718
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18960718
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-18
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 18.07.1896
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165 NreW-r-er rl«zet-e* Tageblatt. «ett- 2 1866 Die Unfälle, die in den letzten Wochen unsere Marine be troffen haben, find durch einen weiteren vermehrt worden. Wie aus Kiel gedrahtet wird, stieß ein Ruderboot der kaiserlichen Torpedoabtheilung vorgestern im Hafen unweit der Seegarten- brück 3 mit dem Fährvampfer „Bismarck" zusammen. Bei dem Zusammenstoß wurde der Matrose Block aus Stralsund aus dem Boote geschleudert. Alle Versuche ihn zu retten, waren vergeblich; er fand in den Wellen seinen Tod. Es steht nunmehr fest, daß vom 25. Juli ab die deutschen Waaren in Epanie«, Tuba und Puerto Rico nach der zweiten Kolumne der dortigen Tarife — also ohne die in einigen Vvc- trägen Spaniens bewilligten weiteren Ermäßigungen — zur Verzollung gelangen werden und daß vom glichen Tage ab auf die Erzeugnisse Spaniens und seiner überseeischen Besitzungen bei der Einfuhr in Deutschland der deutsche allgemeine Tarif unter Wegfall der derzeitigen Zuschläge aber ebenfalls ohne die den Vertragsstaaten deutscherseits gewährten Ermäßigungen angewendet werden wird. Bei einer Explosion in einem Feuerwerks-Depot in Barcelona nachzittert, Spott getrieben wurde. Auch kommt in Betracht, daß der verbrecherische Nachahmungstrieb Unternehmungen herbei führen kann, bei welchen die Kugel dem Laufe nicht vorenthalten ist. Einen gewißen Antheil der Verantwortlichkeit für rohe Aus schreitungen in Frankreich trägt die Justiz, einen anderen die nach Popularität heischende Gnaden-Jnstanz. Unbegreifliche Frei sprechungen sind dort allzu häufig, wenn die Vertheidigung schau spielerisch das Mitleid der Geschworenen wachzurufen versteht, oder wenn sie die bekannten Theorien von verminderter Zurech nungsfähigkeit, krankhafter Veranlagung, erblicher Belastung zu Hilfe nimmt oder für gemeine Verbrechen die sozialen Zustände verantwortlich macht, oder endlich den Chauvinismus anruft und den Mörder eines Italieners oder Deutschen als allzu glühen den Patrioten hinstellt, dem Entschuldigung und Sympathie gebühre. Der Landschaftsmaler Forcade, einer von den 55 geretteten Passagieren des französischen Dampfers „General Chanzy", ist in Paris angekommen und erzählt, wie liebenswürdig er schon im ersten Hotel der Stadt Stalheim, wo die Pasiagiere Station machten, empfangen wurde. Kaiser Wilhelm, der daselbst als Hotelgast weilte, verschob, um die Gesellschaft nicht zu stören, sein Frühstück. Tie Franzosen fanden Gelegenheit, eine photo graphische Momentaufnahme des Kaisers, welcher eine Art Cy- clistenkostüm trug, anzusertigen. Forcade schreibt das Auffahren des „General Chanzy" der Uneinigkeit des Kapitäns und der norwegischen Piloten zu. Die erste Hilfe erhielten die halbnackten Pasiagiere, welche den „General Chanzy" in zwei Schaluppen verließen, von einer in einer Felsenhütte wohnenden alten Fischer frau. Von dem Felsen aus pfiffen sie einem englischen Dampfer, welcher nach langen Unterhandlungen gegen Fahrgeld von hundert Francs per Person die Gesellschaft beförderte. Aus dem „General Chanzy" sollte von der zurückgebliebenen Mannschaft der Kohlen- Vorrath ausgeladen werden, um die Flottmachung zu erleichtern, als der „Gefion" Rettung brachte. Ein Theil der Waffenfabrik in CHLtellerault (Vienne) ist niedergebrannt. Zwei Gebäude mit Maschinen zur Herstellung von Gewehrläufen sind völlig zerstört. Wie berichtet wird, hat das Auswärtige Amt aus die Mit arbeit desAssessorsWehlan verzichtet und ihn der preußischen Justizverwaltung zur Verfügung gestellt, der er auch während seiner Beurlaubung zum Auswärtigen Amte stets angehört hat. Der Reichstagsabgeordnete Jöst wurde von dem sozia listischen Parteivorstand in Mainz aufgesordert, binnen drei Tagen seine Mandate niederzulegen, widrigenfalls man sich öffentlich von ihm lossagen werde. Die gleiche Aufforderung richtete die sozialistische Reichstagsfraktion an Jöst. Die englische Regierung hat Li-Hung-Tschang dieser Tage förmlich eingeladen, als Gast Englands das vereinigte Königreich zu besuchen. Er hat angenommen, vom 3. August an vier Wochen m England zu verweilen. Das Auswärtige Amt wird für ihn und sein Gefolge ein großes Gebäude einrichten und einen auf Urlaub befindlichen englischen Vizekonsul in China zur Verfügung des Bicekönigs stellen. Frankreich. Der Attentäter Francois in Paris, welcher kein Geld bei sich hatte und die Aufmerksamkeit der Welt auf sich und seine Mittellosigkeit ziehen wollte, hat, wie schon hervor gehoben wurde, ein ähnliches Experiment unlängst in der Depu- tirtenkammer gemacht. Zwischen dem Ausweisen von Denkschriften von der Galerie des Parlaments und dem Abschießeu eines kein Projektil enthaltenden Revolvers beim Borüberfahrieu des Staats oberhauptes ist grundsätzlich kein Unterschied; beide Handlungen find albern. Tie Schöne fordern strengere Ahndung, weil die Ratton beleidigt worden ist in ihrem obersten Vertreter, uud weil der Unfug auf der Straße Störungen der Ordnung und Ge fahren für einzelne Personen herbeiführen konnte. Menschen von klarem und ruhigem Geiste werden zu solchen Abgeschmackt heiten auch nicht durch einen Nothstand, eine verzweifelt? Lage bestimmt werden, doch find die Handlungen nicht derart, daß sie auf eine Geistesgestörtheit schließen lassen. Legt man bei der strafrechtlichen Bcurtheiluug der blinden Schüsse des Francois das deutsche Strafgesetzbuch zu Grunde, so würde die That von deutschen Gerichten kaum als bloßer Unfug, sondern als Be leidigung des Landesherrn bestraft werden. Eine „Thätlichkeit" liegt nicht vor, sie würde allenfalls anzunehmen sein, wenn die Schußwaffe in solcher Nähe abgefeuert worden wäre, daß schon die leere Patronenhülse oder der Pulverbrand eine Verletzung hätte bewirken können. Dagegen liegt eine Beleidigung vor. Will man sie nicht schon in der Beiseitesetzung der Achtung vor dem Staatsoberhaupte finden, welche in dem, wenn auch gefahr losen Zielen liegt, so ist sie offenbar in der Erwartung des Schützen kundgegcben, daß die Schüsse bei dem scheinbar Be drohten Schrecken erregen würden, und daß sein erschüttertes Ge- müth geneigt sein könnte, zur Verbesserung der Lage des Demonstranten etwas zu thun, was sonst verweigert werden würde. Dieser Unfug hat einen Beigeschmack der Nöthigung, wenn sie auch nicht ausgesprochen ist. Tie große Brutalität, welche sich in der Handlung ausdrückt, ist verstärkt durch den Umstand, daß das marlirte Attentat dem am 24. Juni 1894 ausgeführten so bald folgte, und daß gewissermaßen mit dem Entsetzen, welches durch die Ermordung Carnots erregt worden ist und in vielen Seelen wurden 2 Personen verletzt. Björnstjerne Björnson ist nicht der einzige dichtende Politiker in Norwegen; auch der berühmte Novellist Alexander Aiellaud besitzt politische Neigungen. Seit einigen Jahren ist er rechts kundiger Bürgermeister seiner Vaterstadt Stavanger geworden, die er so ost zum Gegenstände belletristischer Schilderung gemacht hat. Jetzt aber wird dort der Besuch König Oskars II. erwartet und sofort erhob sich die Frage nach der Art des Flagaenschmuckes. Ter in seiner Mehrheit konservative Stadtrach wollte schwedisch flaggen, der radikale Bürgermeister nndersprach; schließlich einigte man sich über eine Anfrage in Pest bezüglich der dort üblichen Aufnahme des Kaisers von Oesterreich. Die Norweger lieben ihr Verhältniß zu Schweden mit dem Ungarns zu Oesterreich zu vergleichen, während sie über die einmal von Gladstone für sie gezogene Parallele mit Irland höchst entrüstet waren. Die Ant wort aus Pest lautete, daß man dort für den „König" Franz Joseph nur ungarisch flagge; entsprechend beschloß man, für den Besuch des Landesherrn die Anwendung der norwegischen Flagge, aber mit dem schwedischen llnionskreuz darin. Man darf letzt einigermaßen darauf gespannt sein, wie sich der dichtende Bürger meister zu dieser Anglegenheit stellen wird ; Alexander Kirkland ist ein so ausgeprägter Schwedenhasier, daß er seine Ausflüge nach Kopenhagen oder nach Deutschland lieber auf dem weiteren Seewege über Jütland unternimmt, als daß er auf dem Land wege Schweden berührte. Zum Mindesten rühmt er dies selber von sich. Der sich selbst als Organ der französisch-russischen Politik und Interessen bezeichnende „Nord" veröffentlicht unmittelbar nach dem Leitartikel eine Note, in der daran angeknüpft wird, daß Wiener Blätter bei der wiederholten Ankündigung deS Be suches, den der Zar dem Kaiser Franz Josef abzustatten beschlossen habe, diesem Höflichkeitsbesuche unter Souveränen eine große politische Bedeutung beizumesien sich den Anschein geben. Der „Nord" fügt hinzu, daß einige dieser Blätter noch weiter gehen, indem sie bereits zu wissen glauben, „daß der Zar in beinahe alle großen Hauptstädte sich begeben würde, daß sein erster Besuch jedoch Wien gelten würde". Das „Organs äs la poUtigue et äs» interets kraaoo-rnssss" glaubt nun erklären zu können, „daß hinsichtlich der Reise des Kaisers von Rußlaud in das Ausland nc<h nichts endgilttg entschieden ist." Der „Nord" schließt dann: „Es wäre sogar möglich, daß die Reise in diesem Jahre nicht stattfände. In allen Fäll« dürste man die Gründe dieser Reise, die lediglich auf Courtoisie beruht, nicht aus politischem Gebiete suchen. Da Kaiser Franz Josef der Doyen der Souverän- des Kontinents ist, so ist nichts natürlicher, als daß die Reise des Kaisers von Rußland mit Wien ihren Anfang nehme." Richtig i ist jedenfalls, daß insbesondere auch für die deutsche Presse gar : kein Grund vorliegt, die Reisepläne des Zaren vor der Zeit zu > erörtern. l Türkei. Tahir-Pascha unternahm mit 24 Bataillonen und - 4 Batterien den Vormarsch von Scheik-Merkine «gegen Hauran , und besetzte Taleh. Bei Tebel-Dschedid, zwischen Taleh und i Suweidah, wo 7000 Drusen verschanzt waren, fand ein entschei- I dendes Gefecht statt. Im Verlauf des Gefechts fielen zwei Ba- - taillone, welche in Suweidah eingeschloffen gewesen waren, den , Drusen in den Rücken und vervollständigten dadurch die Nieder lage derselben. Die Drusen wurden völlig zersprengt. Man hält die militärische Operation der Hauptsache nach für beendet, Der „Monitorul official" veröffentlicht ein königliches Dekret welches den rumänischen Gesandten in Brüssel, Bengesco, mit bayerische Bauernbündler 4 (4); elsässische Protestler 8 (8); endlich noch die fraktionslosen Röficke, Johannsen (Däne) und, der an Stelle von Hornsteins in Donaueschingen (2. Baden) ge wählte Fürst Fürstenberg. Bei der Reichstagsstichwahl im Wahlkreise Löwenberg i. Schl, erhielten nach amtlicher Feststellung Rektor Julins Kopsch-Berlin (freis. Bp.) 5966 und Graf Nostitz-Zobten (kauf.) 4797 Stimmen. Ersterer ist somit gewählt. Nachdem in der letzten Zeit hin und wieder eine Nachricht über Einzelheiten der geplanten Zwangsorgauisation deSHaudwerks durchgefickert war, welche die Annahme be rechtigt erscheinen ließ, man werde es mit einem in sich ge schloßenen und abgerundeten Plan zu thun bekommen, der sich den Gesetzen bezw. Gesetzentwürfen betr. die Landwirthschafts- kammern in Preußen, die Handwerkskammern im Reiche an die Seite stellen werde, muß die vou der „Nordd. Allgem. Ztg." ge brachte Meldung, die ganze Angelegenheit werde in Form eines von Preußen an den Bundesrath gebrachten Antrags betreffend Abänderung der Gewerbe-Ordnung in die Wege geleitet werden, einigermaßen überraschen. Augenscheinlich soll der Versuch ge macht werden, die Innungs-Paragraphen der Gewerbeordnung auszubauen, indem man die Zwangsinnung an die Stelle der fakultativen Innung treten läßt. Wie di- Frage des weiteren Aufbaues der Organisation gelöst ist, wird sich erst feststellen lassen, wenn der vielbesprochene Entwurf vorliegt. Der Weg, den man eiuschlägt, scheint übrigens darauf hiuzudeuten, daß der ganze Gedanke der Organisation einer gewissen Beschränkung im Begleich zu den sogenannten Berlepschschen Vorschlägen aus dem August 1893 unterzogen worden ist. In B^ug auf die Betheiligung Deutschlands an der PariserWeltausstellung theilen die „Hamburger Nachrichten" die Auffassung, daß die Frage der Beschickung nicht so behandelt werden darf, daß sich die Industrie schließlich unter dem Gesichtspunkt der engagirteu nationalen Ehre zur Theilnahme gezwungen sehen könnte. Für diese Auffassung giebt es gute, der Erfahrung entnommene Gründe. Es wäre von Uebel, sich in dieser Angelegenheit enthusiasmiren zu kaffen. Ob eine der Bedeutung der deutschen Industrie entsprechende Beschickung der Pariser Weltausstellung im Hinblick auf die Betheiligung der anderen großen Kulturftaaten geboten ist, werden sich die deul scheu Industriellen zu überlegen haben; jedenfalls kann das politische Moment um so weniger als entscheidend in Betracht gezogen werden, als keineswegs ausgeschlossen ist, daß sich bis zum Jahr 1900 Manches in Frankreich und seinen jetzttgen Beziehungen zum Auslände ändert. (11. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) damit es bald vor ¬ kleine Hand in der Barenburgs Gesicht wechselt die Farbe. Er ist im Augenblick unfähig, ein Wort hervorzubringen, daun läßt er die Hand, die kalt und schwer in der seinen ruht, fallen, als sei es glühendes Eisen und verbeugt sich steif: „Meinen ergebensten Glückwunsch, gnädiges Fräulein." Er hält noch immer ihre Hand. „Gewiß, Sie haben sehr korrekt und richtig gehandelt," sagt sie mit harter trockener Stimme. „Entschuldigen Sie sich nur nicht weiter wegen einer solchen Kleinigkeit. Wünschen Sie mir lieber zu meiner Verlobung Glück." »Zu Ihrer Verlobung? Sie scherzen!" ^Keineswegs. Sie haben meinen Bräutigam, den Baron Moderne Menschen. Roman von A. von Klinkowströ einen Boten nehmen? Alles war zur Feldarbeit draußen, und als am Feierabend die Leute endlich heimkehrten, war es nach meiner Ansicht schon zu spät dazu; außerdem rechnete ich auch darauf, heute meinen Frieden mit Ihnen in Person machen zu können. Und nun geben Sie mir die Hand zum Zeichen, daß Sie mir vergeben haben." Sie willfahrt mechanisch seinem Verlangen und hebt dann die klagenden großen Augen zu ihm. „Und so haben Sie mich also um einer Landstreicherin willen meinem Schicksal überlassen." „Wie können Sie nur so sprechen! Um Ihr Schicksal handelt es sich ja Gottlob nicht. Glauben Sie mir doch nur, daß es mir gestern recht schwer geworden ist, etwas aufzugeben, worauf ich mich schon sehr gefreut hatte, aber sagen Sie selbst, würden Sie es recht gefunden haben, wenn ich um meines Vergnügens willen das arme Geschöpf hätte am Grabenrande sterben und verderben lassen?" Iv. Es ist alles vorüber! Der kurze, von hastiger Unruhe er füllte Brautstand, während dessen das Lippowoer Haus nichts weiter als eine große Schneiderwerkstatt schien und sich Besuch auf Besuch in unablässiger Folge drängte, und die Hochzeit, die in engem Kreise zu früher Stunde stattfand. Trotz der geringen Zahl der ergangenen Einladungen war die Pfarrkirche cm Städtchen, in die der Trauung stattfand, ge drängt voll von Neugierigen gewesen, und hinter einem Pfeiler stehend, halb verborgen vor aller Blicken, hat auch Bärenburg der Ceremonie beigewohnt. Der kleine Hochzeitszug ist dicht ar ihm vorüber zum Altar gezogen, fast hätte die lange schwerseidene Schleppe der Braut seine Füße berührt, aber er hat nichts weiter gesehen, als ein nervös zuckendes weißes Gesichtchen unter dem Schleier und niedergeschlagene Augen, deren Lider leicht geröthet sind, dann ist er hinausgeschlichen, noch ehe das junge Paar, um ringt von glückwünschcnden Verwandten, die Kirche verlassen konnte, ja noch ehe der Segen gesprochen wurde. (Fortlttzung folgt.) Bräutigancs Gebrauch machen und ihr den ersten Kuß geben will, und sie das fremde scharf geschnittene Gesicht mit all seinen listigen Fältchen und den stechenden dunklen Augen in unmittel barer Nähe der ihren sieht, durchfährt sie eine namenlose Angst und unüberwindliches Entsetzen, und sich rasch mit dem Anschein des Scherzes von ihm losmachend, ruft sie in muthwilligem Ton, wenn auch mit bebenden Lippen: „Das wird erst bei längerer Be kanntschaft gestattet!" und schlüpft hinaus, um die Ihren zu be schwören doch ja wieder herein zu kommen. Just in diesem Augenblick kommt ein Reiter auf den Hof ge trabt und springt vor der Hausthür aus dem Sattel. Dea steht im Flur und klammert sich an den Thürpfosten. Es wird ihr plötzlich schwarz vor den Augen, und sie hört nur wie aus weiter Ferne Bärenburgs Stimme sagen: „Da bin ich, Fräulein Dea, um mich wegen meiner gestrigen anscheinenden Ungezogenheit zu entschuldigen. Ich bin überzeugt, Sie werden mir nach Anhörung der Thatsachen Absolution ertheilen." „Sie kommen ja gerade im richtigen Augenblick," sagt sie bitter und der aufsteigende Aerger giebt ihr die volle Besinnung wieder. Herz und an Ihre Einsicht. Stellen Sie sich vor, daß ich gestern, als ich im Begriff war, zu Ihnen zu reiten, auf halbem Wege'Wellkamp, ja wohl letzthin bei uns kennen gelernt, einem armen Weib begegnete, das am Grabenrande saß und ein! ' " * " dem Sterben nahes Kind im Arm hielt. Ich glaubte, sie wolle betteln und warf ihr ein kleines Geldstück zn, als mich die dumpfe Verzweiflung in ihrem Gesicht veranlaßte, anzuhalten und mit ihr zu sprechen. Von der Rohheit der Menschen kann man sich wirklich keinen Begriff machen; denken Sie sich, daß man das arme Weibsbild mit dem schwerkranken Kinde nirgend aus genommen, sondern es von Ort zu Ort, von Gemeinde zu Gemeinde gejagt, ja oft mit Gewalt über die Grenze gebracht hat, aus Angst, die Kurkosten, oder vielleicht die Vegräbnißkosten des Kleinen könnten dem Ortsvorstand zur Last fallen, denn da sie in der That Landstreicher waren, so gab es für sie keinen Unterstützungs- Wohnsitz, an den man sich hätte halten können. Es war mir unmöglich, kaltherzig meinen Weg fortsetzen. Ich ritt so schnell ich konnte nach der Stadt, sorgte dafür, daß der kleine Kraule in da? Johannitcrhans ausgenommen wurde, ermittelte auch ein Unterkommen für die Mntter, ließ Beide mit einem Wagen vom Grabcnrande, wo sie erschöpft liegen geblieben waren, nbhvlcn, und als ich das Alles hinter mir hatte, sah ich mit einmal zn „Oh ich sehe, Sie sind mir noch böse," meint er mit leicht herzigem, freundlichem Lachen, und übergiebt sein Pferd dem herbeieilenden Stallburschen. „Aber ich appellire an Ihr gutes Herr von Degenhardt umarmt sie mit großer Wärme und drückt einen väterlichen dankbaren Kuß auf ihre Stirn. Seine Frau sagt gar nichts, behält nur still die kleine Hand in der ihren und streichelt sie sanft, mit einer fast schüchternen, Ver zeihung erbittenden Zärtlichkeit. Eine halbe Stunde später jagt ein berittener Bote mit einem Brief zur Stadt, und abermals nach einer halben Stunde ist Wellkamp draußen in Lippowo, wo ihn seine Braut mit einem schwachen ängstlichen Lächeln erwartet. Sie ist nicht dazu zu bewegen, ihm entgegen zu gehen, wartetim Gartensaal auf ihn in Gegenwart ihrer Eltern, und ist sichtlich dankbar und erleichtert durch sein taktvoll gemessenes Benehmen, das weder aufdringlich zärtlich ist, noch von ihr irgend welche Gefühlsentfaltung zu verlangen scheint. Sie hat sich sonst ihren Verlobungstag eigentlich anders vor gestellt. Es giebt freilich Champagner zu Mittag, für den der Hotelwirth des Städtchens auf die reiche Partie hin bereitwillig Kredit gab, und Käthe hat den Tisch hübsch mit Blumen ge schmückt, die Ihrige» tragen auch die nöthige freudige Erregung zur Schau, sie selbst aber muß sich doch ab und zu an die Stirn greifen oder heimlich in den Arm kneifen, um sich zu versichern, daß sic wache und nicht beängstigend tränme, sie sei die Braut dieses fremden Mannes, den sie gerade vor vier Tagen zum ersten Mal in ihrem Lebe» gesehen hat. Im Grunde findet sic weniger meinem größten Schrecken, daß die Zeit, die ich zn meiner Ver- au ihm auszusctzen, als sic gedacht hat, denn er benimmt sich fügung gehabt hatte, verstrichen war und die Pflicht mich Heini tadellos und Alles, was er von ihrer gemeinsamen Zukunft spricht, rief, wo cS mir oblag, de» Oberinspektor zu vertreten und den klingt sehr verlockend und glänzend, aber wie er nach Tisch, alsiLenten das Tagclohn ausznzahlen. Es wäre natürlich meine das" Brautpaar einen Moment allein bleibt, von dem Recht deS Pflicht gewesen, Ihnen sofort Nachricht zu geben, aber woher „Wie aber, wenn ich mich heute, um meinen Verbindlichkeiten rerecht zu werden, daran vergreifen oder Lippowo zur Sub- yastation bringen müßte? Ich habe immer mit Bestimmtheit darauf gerechnet, daß eines von Euch Mädchen wenigstens durch eine reiche Versorgung mir die Last von der Seele nehmen werde, die mich bei dem Gedanken an Eure Zukunft bedrückt. Es ist hart, jetzt von Dir um diese Hoffnung betrogen zu werden. Deine Mutter hat Recht, mein Kind, Du sollst nicht gezwungen werden. Wir wollen lieber dem Ruin fest ins Auge sehen und das Unvermeidliche tragen, aber mögest Du nie bereuen, uns Deine Hilfe versagt zu haben, als wir ihrer bedurften." Er spricht sich selbst in eine gewisse Rührung hinein, und glaubt sogar im Augenblick wirklich daran. Deas Widerstand aber ist gebrochen/ und sie sagt leise und hastig, als fürchte sie, daß es ihr wieder leid werden könne: „Wenn Ihr es denn Alle so sehr wünscht, dann — dann laß ihn nur kommen, den Baron, — aber rasch, über ist."
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