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Amtsblatt für die Mglichm md Wüschen Behörden zu Freitag und Brand. Verantwortliche Leitung: Georg Burkhardt. — Hl Ium Hsterfeße. Läutet, ihr Glocken, und jauchzet, ihr sonnigen Alme», Klinget, ihr Lüfte, ihr Völker, singt fröhliche Psalmen! Christus der Held Kehret aus blutigem Feld Heim nun, geschmücket mit Palmen! Glockengeläut erfüllt die Luft. Es muthet uns an so eigenartig, so lebensfrisch, so mrzerqurckend. Sind es Frühlingsglocken, welche läuten? Haben die Schneeglöckchen, L < Wochen ihre weißen Kelche in der Lust wiegen, Sprache und Stimme erhalten. Ja, die Glocken von Erz werden zu Dolmetschern der stummen Frühlings boten draußen in den Gärten und auf den Gräbern, die ehernen Zungen rufen es laut in die Lande hinaus: der Frühling ist da! Mag der Winter sich sträuben und winden und wieder seinen Flockenschleier über die Frühlingskinder ausscküttcn, mag er den Nord wind zu Hülfe rufen und seine letzten Reservetruppen in den Kampf führen: es Hilst ihm nichts. Osterglocken läuten, Siegesklänge schallen von den Thürmen in die Lande hinein: Es muß doch Frühling werden. Allein eine Frühlingsfeier ist noch lange kein Osterfest. Das Wort: „Alles Ver- gänglicke ist nur ein Gleichniß" hat auch hier seine besondere Geltung. Das neu er wachende Leben draußen ist nur ein blasses Abbild von der Herrlichkeit des Lebens, das am ersten großen Ostennorgen in unendlicher Fülle aus dem Tode sich emporhob. Die Frühlingsblumen, die durch Schnee und Eis sich Hindurchringen, sind nur unvoll kommene Hinweise auf den Osterhelden, der durch die versiegelte Pforte des Grabes als der Lebensfürst hindurchbrach. Was Wald und Wiese, was die knospenden Blüthen und sprossenden Blumen, was die Vögel unter dem Himmel erzählen von der Wieder kehr des Lenzes, das ist nur ein schwaches Stammeln von dem, was die Osterglocken in Hellen Klängen verkünden, was die Kirche als klare, herrliche Wahrheit predigt: Christ ist erstanden! Ja: Christus der Held Kehret aus blutigem Feld Heim nun, geschmücket mit Palmen — Das ist der eigentliche Inhalt der Osterfeier, das ist die herzerquickende Lebens- . botschast, welche die Ostergloaen in die Lande jubeln. Gleichniß oder Wirklichkeit, Abbild oder Urbild, Traum oder Wahrheit, Schale oder Kern — was wollen wir wählen? Die Antwort scheint selbstverständlich. Aber die Erfahrung lehrt, daß das Selbstverständliche durchaus nicht immer von den Menschen bevorzugt wird. Es ist vielmehr der Menschen Weise, sich lieber an das Gleichniß zu halten statt an die Wirklichkeit, lieber beim Abbild zu bleiben, statt zum Urbild vor zudringen, lieber zn träumen, statt der Wahrheit in's Auge zu schauen, lieber mit der Schale fürlieb zu nehmen, statt den Kern zu genießen. Auch bei der Feier des Oster festes tritt dies zu Tage Die Auferstehung der Natur will man feiern, aber nicht die Auferstehung Christi. Als Frühlingsfest läßt man sich Ostern gefallen, aber nicht als Auferstehungsfest des Herrn. „Die linden Lüfte sind erwacht" singt man gefühlvollen Herzens, aber der Osterhymnus: „Jesus lebt, mit ihm auch ich" findet in so manchem Herzen keinen Wiederhall. Die Frühlingsbotschaft der Natur begrüßt man mit Heller Freude, aber für die Engelsbotschast am Ostermorgen: „Er ist nicht hier, er ist auf erstanden" hat man kein Ohr. So erhebt man das Symbol zur Hauptsache und die Hauptsache im Osterfeste erniedrigt man nicht selten gern zum Symbol. Man will die Auferstehung Christi wohl gelten lassen, aber nur als eine ästhetische Wahrheit, als ein Bild für das Erwachen der Natur, als ein Symbol für die Erhebung des Menschen aus der Nacht des unbewußten thierischen Trieblebens zur Klarheit und zum Selbst bewußtsein des menschlichen Geisteslebens, als einen Hinweis auf das Sichemporringen des Menschengeistes vom Trug zur Wahrheit, von der Unvollkommenheit zur Vollkommen heit. Aber eine solche Umdeutung der Osterthatsache ist eine Wegdeutung derselben; wer sich damit begnügt, kann nicht wahrhaft Ostern feiern, und wer nicht Ostern feiern kann, ist ein unglücklicher Mensch, ob er sich gleich fiir einen Halbgott hielte. In den Kreisen, in welchen die altkeidnische Selbstüberschätzung des Menschen wieder zum Evangelium des Tages geworden ist, träumt man von einem künftigen goldenen Zeitalter, wo man nicht mehr „im Schweiße seines Angesichts" zu arbeiten brauche, wodurch die höchste Vervollkommnung der Technik und der Maschinen, durch die vollständige Beherrschung aller Naturkräfte das Leben so bequem werden würde, daß der Mensch ein leidloses Dasein führen könne und von Noth und Elend nichts mehr wissen Werve. — Allein dabei hat man einen Faktor nicht mit in Rechnung gezogen, eine fatale Thatsache, die nie und nimmer aus der Welt geschafft werden kann: das ist der Tod. Der Tod ist eine zu furchtbare Realität, als daß nicht alle Träume von einem irdischen Paradies davor in nichts zerrinnen müßten, eine zu grausame Noth wendigkeit, als daß es für den Menschen jemals in dieser Welt eine vollkommene Glück seligkeit geben könnte. Wie es jetzt ist, so wird es immer sein: Mitten in der Frühlings pracht liegen tausend und abertausend Gräber, wohl anch im Frühlingsschmuck prangend, aber doch Gräber, tiefernste Zeichen von der Macht des Todes; und ob es künftighin statt der Gräber Urnen wären, gefüllt mit Asche, ein schauriges mewento mori wären auch sie. Wie es jetzt ist, sv wird es immer sein: Trauernde Gatten, weinende Wittwen, gramzerrissene Eltern, jammernde Waisen werden das Gefolge des jahraus jahrein durch die Lande ziehenden Todes bilden. Wie es jetzt ist, so wird es immer sein: Wenn der Mensch sich seines Glückes freuen will, wenn er, auf der Höhe des Daseins angelangt, sich an seinen Errungenschaften weiden möchte, da kommt der Tod und schlägt mit knöcherner Faust das Glück in. Scherben und stüHt den Menschen inS Grab. Wie es jetzt ist, so wird es immer sein: Entweder treibt der unentrmnbare Tod den Menschen in die düstere Melancholie hinein und macht ihn zum PessmnfM, der in der Verzweiflung endet, oder der Mensch befolgt die Methode des Leuhstmn». „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt" — und sm« herab zum genießenden Thier, zu einer sittlich tobten Kreatur. Wie es jetzt ist, so Mrd es immer sein: Wo man den Ueberwinder des Todes nicht kennt, da krümmt man sich unter der Herrschaft des Todes; wo der Auferstandene nicht mit seinem Friedensgruße emtnst, da herrscht Unfriede und Verzweiflung. Wer nicht Ostern feiern kann, wie eine Mana Magdalena, wie die Pilger von Emmaus, wie die elf Jünger, der ist und bleckt em uu» glücklicher Mensch. „Er ist nicht hier" lautet die Osterkunde am leeren Grabe. Wo „Er" nicht ist, da herrscht die Oede und Leere des Grabes, da walten die Schauer des Todes. Man kann bei einem Menschen viel suchen und viel finden, viel Geist und Witz, viel Kunst und Wissenschaft, viel Unternehmungslust und Energie, viel gute Seiten und liebens würdige Züge — aber wenn man bei einem Blicke in sein Herz die Erfahrung macht: Er ist nicht hier, der lebendige Christus — dann ist das Herz ein Grab, der Tod haust darin. — Ein ärmliches Haus mit kleinen Fenstern und niedrigen Zimmern, mit armseligen Möbeln und ebenso armseligen Bewohnern — und dort ein glänzend« Palast mit prachtvollen Spiegelscheiben und hohen Sälen, mit elegantem Komfort und eleganten Menschen; und doch, wenn man den Auferstandenen hier sucht und eS auS allen Ecken ruft: „Er ist nicht hier" — dann ist ein Haus wie das andere, beide sind — Todtenhäuser —. Eine Stadt mit ragenden Thürmen und schmucken Straßen und Plätzen, voll rührigen Lebens und fleißigen Schaffens, aber ohne ihn, dessen Auferstehung die Osterglocken verkünden, ist eine Todtenstadt —. Ein Volk stark und mächtig, an der Spitze der Kultur stehend, geschätzt als Bundesgenosse von seinen Freunden, gefürchtet als Gegner von seinen Feinden, aber ein Volk das nicht mehr Ostern feiern kann, weil es von ihm gilt: „Er" ist nicht hier — des Name steht schon auf der Liste der Todten. Vor 25 Jahren stimmte der fromme Schwabensänger in edlem Patriotismus sein Oster lied an: Nimmer noch in allen Landen Kam ein Ostern diesem gleich! Auferstanden, auferstanden Ist das heil'ge deutsche Reich. Würde er heute, dem ersten Ostern nach der 25jährigen Gedenkfeier der Reichsgründung, auch so singen können? Oder müßte er nickt seine Drohung wahr machen: Doch wenn vom Haupt dein Ehrenkranz dir fiel, Dann würf ich meine Lieder gern in's Feuer Und schlüge an den Stein mein Saitenspiel!? Jener alte Physiker sagte: „Gebt mir einen Punkt außerhalb der Welt, und ich will sie aus den Angeln heben." Christus der Auferstandene ist oer feste Punkt außer halb der Welt des Todes. Hier muß der Hebel des Glaubens angesetzt werden, um die Welt und auch unser Volk wieder herausznheben aus dem Grabe sittlichen Todes, aus dem Grabe greisenhafter Blasirtheit und eines ideallosen Materialismus, in das es unstreitig zu sinken droht. Die Klage: „Er ist nicht hier" darf nicht mehr von unserem Volke gelten, sonst gehört es einst auch zu den todten, zu den verschollenen Völkern. Aber auch Christum selbst darf man nicht zu den Todten werfen. Ein todter Christus, und würde er noch so sehr mit ästhetischem Flitter aufgeputzt und mit sentimentalen Redensarten gefeiert, wäre eben nur ein Todter, eine verschollene Größe, und das Ostergeläut wäre ein Grabgeläut. Nur der Glaube, welcher zu Ostern mit einstimmt: Er lebt und wird nur bei uns sein. Wenn alles uns verläßt, Und so soll dieser Tag uns sein Ein Weltverjüngungsfest — nur dieser lebendige Osterglaube kann einem Volke wahre Ideale und damit wahre Lebenskraft verleihen. Er hebt den Einzelnen heraus aus der Welt des Todes, macht ihn eins mit dem, der da ist die Auferstehung und das Leben, stellt ihn mit demOster- fursten auf die hohe Warte der Ewigkeit und läßt ihn erkennen: „Zu was Bessrem sind wir geboren", läßt ihn hinüberschauen über die Schrecken des Grabes und zeiat ihm sime Ewigkeitsbestimmung in derg roßen Ostergcwißheit: „Christus lebt, mit ihm auch ick " Osterglocken läuten wieder, Osterglocken nach den Charfreitagsglocken. O, daß ihre Klänge den Charfreitagskummer von der Welt nähmen und die Todten erweckten und emen neuen Lebensfrühling der Herzen wach riefen I Ja: Läutet, ihr Glocken, und klinget ihr sonnigen Lüfte! Gebet die Todten heraus, alr ihr Gräber und Grüfte! Dienet dem Herrn Jauchzet ihm nahe und fern, Bringet ihm Weihrauch und Düfte!