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UN- Taacblatt und Tageblatt 1«96. H/» /»L» ö Erscheint j« /Vo 6» ü anderen D «/ '- w* zweimonatl Politische Umschau jeden Wochentag Abends '/,7 Uhr sür den ^ag. Prci» vierteljährlich 2 Ml. 25 Pfg. zweimonatlich 1 Mk. 50 Pfg. u. einmonatlich75Psg. AmtMatt sür die königlichen und städtische» Behörden z« Freiberg und Brand Verantwortliche Leitung: «eorg Burkhardt. — 48. Jahrgang. — Dienstag, Sen 24. Mürz Inserate werden biS Bormiitag 11 Uhr angenommen. Preis für dir Spaltzeile 13 Pfg. Außerhalb deS LandgerichtSbezirkS 15 Pfg. Freiberg, den 23. März. , des deutschen Kaiserpaares auf der bevor ¬ stehenden Mlttelmeerreise werden sich befinden: der Kommandant des Hauptquartiers General-Adjutant von Plessen die Flügel- adjutanten Obersten v Engelbrecht, v. Kalckstein und v. Moltke, der Hofmarschall Freiherr von und zu Egloffstein, Contreadmiral Are'herr von Senden-Bibran, General-Arzt vr. Leuthold, der Gesandte am dänischen Hofe von Kiderlen-Wächter, als Vertreter deS Auswärtigen Amtes, der dienstthuende Kammerherr der Satserm Graf von Keller und die Hofdame Gräfin von Keller, der Militär-Gouverneur der Prinzen Freiherr von Lyncker und der General-Superintendent vr. Dryander, welcher in derChar- woche und sonst die gottesdienstlichen Handlungen abhalten und be onders am Gruudonnerstage dem Kaiserpaar und der Hof gesellschaft das heilige Abendmahl an Bord der „Hohenzollern" reichen wird. Außerdem wird der Maler Bohrdt aus Friedenau sich während der Reffe des Kaiserpaares auf der „Hoheuzollern" befinden. Wie aus Genua telegraphisch gemeldet wird, werden der Kaiser und die Kaiserin mit den beiden ältesten Prinzen Dienstag, den 24. März, Nachmittags gegen 5*/, Uhr dort ein- treffen und sich direkt an Bord der Kaiserlichen Yacht „Hohen- zollern" begeben, welche bald darauf nach Neapel in See geht, Ivo das Kaiserpaar bis Ende des Monats zu verweilen und dann Palermo zu besuchen gedenkt. In Neapel dürfte die Ankunft am Mittwoch, 25. März, erfolgen. Das in Dienst stehende italienische Geschwader unter dem Befehl des Admirals Canevaro, welches sich gegenwärtig in Syrakus befindet, geht von dort nach Palermo, um bei der Ankunft des deutschen Kaiserpaares daselbst zugegen zu sein. Fürst Bismarck konnte am 21. d. M. den Tag begehen, an dem er vor fünfundzwanzig Jahren in den erblichen Fürsten- stand erhoben wurde. Es war seinem alten kaiserlichen Herrn ein besonderes Bedürfniß, seine Dankbarkeit gegen den Vollbringer des Einheitswerkes jauch durch eine Rangerhöhung zu bekunden. In Versailles hatte bereits der Gedanke Ausdruck gefunden, Rangerhökungen für den Bundeskanzler und den General v. Moltke anknüpfend an die Namen von Elsaß und Lothringen eintreten ju laßen. Als der erstere davon erfuhr, erhob er bei dem Könige Einspruch. Es erfolgte darauf zunächst an Moltkes Geburtstag am 26. Oktober 1870 die Verleihung des Grafentitels an den General, die Rangerhöhung an den Kanzler behielt der Kaiser sich bis zu seinem eigenen Geburtstage vor und vollzog sie dann am 21. März, um sie mit dem historischen Datum des Zusammen trittes des ersten deutschen Reichstages in Verbindung zu setzen. Das im Museum zu Schönhausen befindliche Diplom datirt vom 23. April 1873 und sei hier wiedergegeben als ein schöner Aus druck jener Dankbarkeit, die Kaiser Wilhelm I. zu bethätigen nie müde wurde: „Wir Wilhelm von Gottes Gnaden, deutscher Kaiser, König von Preußen rc., thun kund hiermit für Uns, Unsere Erben und Nachfolger in der Krone, daß Wir dem Kanzler des Deutschen Reiches, Präsidenten Unseres Staatsministeriums General-Lieutenant Leopold Eduard Otto Grafen v. Bismarck- Schönhausen in Erwägung, wie derselbe durch seine Uns und Unserem Königlichen Hause, Unserer Monarchie und dem ge- sammten deutschen Vaterlande, in treuer Ergebenheit und voller Hingebung, in unablässigem Eifer und staatsmännischer Weisheit geleisteten Dienste, unter Gottes gnädigem Schutz nicht nur Ehren, Macht und Ansehen Unseres Königlichen Hauses und Preußens mit reichlichem Erfolge gefördert, sondern auch, um die durch ewig denkwürdige Siege des gesammten deutschen Volkes ruhmvoll er kämpfte Wiederherstellung eines die Fürsten und Stämme des ge meinsamen Vaterlandes vereinigenden Deutschen Reiches unver gängliche Verdienste sich erworben hat, zur Bezeugung Unserer Königlichen Huld und Wohlgewogenheit ein Denkmal der Ehren, welches ihm und den Seinigen zu einer immerwährenden Zierde, zu beständigem Vorzüge und zu dauernder Erinnerung dessen, was er für Uns, Unser Königliches Haus und das gemeinsame Vater land geleistet und erreicht hat, dienen soll, zu stiften, Uns ent schlossen und ihn dazu am 21. März ds. Js. 1871 unter dem Namen Fürst v. Bismarck in den erblichen Fürstenstand Unserer Monarchie erhoben haben. Indem wir solches hiermit bestätigen, versetzen und erheben wir den Leopold Eduard Otto Grafen v. Bismarck-Schönhausen dergestalt in den Fürstenstand, daß diese Fürstliche Würde an die Nachfolge in dem Besitze des, durch die unter dem 19. Februar ds. Js. von Uns landesherrlich genehmigte und bestätigte Urkunde mit der Herrschaft Schwarzenbeck in Unserem Herzogthume Lauenburg errichteten Fideikommisses ge knüpft, und somit nach der gegenwärtigen Urkunde angehängten Folgeordnung auf jeden zur Succession gelangenden, insbesondere auch durch Frauen von einem der Söhne abstammenden Besitzer der Herrschaft Schwarzenbeck, und zwar unter Annahme des Wappens uno Namens eines Fürsten v. Bismarck, sofern er diesen von Bennigsen. Gegenüber dem Reichskanzler befand sich v. Wedel-Piesdorf, welcher zu seiner Rechten den Abg. Spahn und Finanzminister Miquel, zu seiner Linken den Abg. Schmidt hatte. Gleich von vornherein herrschte eine gehobene, freudige Stimmung. Eine Fanfare kündigte den von dem Präsidenten v. Buol mit markiger, weithin schallender Stinime gesprochenen, wiederholt von lautem Beifall unterbrochenen Toast auf den Kaiser an. Redner sagte: Das Jubeljahr neigt fick seinem Ende zu. Ju allen Gauen, in allen Schichten der Bevölkerung wurde Vie Erinnerung an die große Zeit begangen, vom Throne wurde das Gelöbniß erneuert, für des Volkes und des Reiches Ehre einzustehen sowohl nach außen als nach innen. Ein Reich! Ein Volk! Ein Gott! Die heutige Reichstagsfeier bildet nicht nur einen würdigen Abschluß der patriotischen Kundgebungen der letzten Monate, sondern es ist das deutsche Volk, dessen Vertreter in diesem stolzen Heim, umgeben von lieben Gästen, ich hiermit herzlichst bewillkommne. Hat Jemand mehr Verdienst an dem Errichteten als das Volk in Waffen? Wo wären wir ohne die enge Verbrüderung und das feste Zusammenhalten der deutschen Männer, ohne den unübertroffenen Heldenmuth und die stolze Manneszucht im Heere, ohne die beispiellose Hingabe des ganzen Volkes für das Wohl des Vaterlandes ohne Unterschied des Alters und Geschlechts? Jetzt gilt es, das Erreichte zu schützen, zu erhalten und zu wahren. Da sage ich aber: Nicht Roß und Reisige sichern die steile Höh, wo die Fürsten stehen! Einen nie versagenden Schutz bietet nur ein im geistigen Kampfe gestähltes, seiner Rechte und Pflichten voll bewußtes, in treuer Liebe mit dem angestammten Herrscherhause vereinigtes Volk. Ein solches wollen wir allezeit sein und bleiben, wir wollen feststehen im gemeinsamen, redlichen Streben nach Schutz und Pflege des deutschen Reiches und der nationalen Wohlfahrt, auf daß die Wiederherstellung des Reiches für die deutsche Nation ein Wahr zeichen werde neuer Größe auch nach innen. Namens eines solchen Volkes erfülle ich eine angenehme Pflicht, indem ich derer dankbar gedenke, die für die Einheit und Macht des Reiches per sönliche Opfer gebracht haben und ^s deutsche Bundesgenossen in treuer Eintracht zum Heile des Reiches und Volkes zusammen stehen. In allererster Reihe müssen wir uns berufen und verpflichtet erachten, Denjenigen zu feiern, dem an der Spitze der deutschen Fürsten das höchste Verdienst zukommt an der Erhaltung und Wahrung der nationalen Einheit und Unab hängigkeit. Ihm wollen wir begeistert danken für das in feierlichster Stunde gemachte Gelöbniß, indem wir das Versprechen an den Stufen des Thrones niederlegen, daß auch fernerhin als unsere heiligste Aufgabe beschlossen sein soll, uns — wie seinerzeit im Kriege — auch im i ' "" kampf um die Güter des Friedens als Sieger zu erweisen. In diesem Sinne trinke ich auf das Wohl des mächtigen, glücklichen deutschen Volkes und rufe mit Ihnen aus voller Brust: Seine Majestät unser allverehrter deutscher Kaiser, die deutschen Fürsten und die freien Städte, sie leben hoch! Alle Festtheil nehmer schaarten sich um den Redner und sangen stehend alle Strophen der Nationalhymne. Der Toast, welchen hierauf der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe ausbrachte, lautete: „Der erste Präsident des Reichstags leitete die heutige Gedenkfeier mit beredten Worten auf Kaiser und Reich ein. Wcr, die ehemaligen Mitglieder des Zollparlaments, sowie Sie alle stimmten be geistert zu in dem stolzen Bewußtsein, einem mächtigen Reiche anzugehören, und in berechtigter Freude über das mit schweren Opfern Errungene, aber auch in dankbarer Erinnerung an die Männer, welche unter der weisen und kraftvollen Leitung des großen Kaisers Wilhelm Deutschland zum Siege und durch Sieg zur Einheit geführt haben. Nur wenige dieser Kriegshelden be finden sich noch am Leben, darunter aber zu unserer Freude der bewährte Heerführer Se. Majestät der König von Sachsen; sie alle, die noch lebenden und die verstorbenen, aufzuzählen, ist nicht meine Aufgabe. Wohl aber will ich unter den Geschiedenen diejenigen nennen, welche dem Herzen des deutschen Volkes am nächsten stehen. Da erhebt sich vor uns die Heldengestalt des Kaisers Friedrich, welcher durch die Liebe, die er sich im ganzen deutschen Stamme, zum deutschen Volke in Süd und Nord zu erwerben wußte, das erste Band geschlungen hat, das die deut schen Stämme zum gemeinsamen Kampf vereinte, sodann die Feldmarschälle Roon und Moltke, von denen einer in lang jähriger organisatorischer Thätigkeit das Werkzeug schärfte, womit unsere Schlachten geschlagen wurden, während der andere unver gleichliche Heerführer das Werkzeug, in genialer Weise zu ge brauchen verstand. So leben sie fort im Gedächtniß und in dankbarer Verehrung des deutschen Volkes. Einer, aber der größte unter den Männern jener Zeit, der noch aufrecht dasteht, wie eine Eiche des Sachsenwaldes, es ist Fürst Bismarck, welcher mit sorgendem Blick den Geschicken des Reiches folgt und manch mahnendes Wort an die Epigonen der großen Zeit richtet, der Mann, der, als wir nach dem ersten gescheiterten Einheitsversuche an der Zukunft Deutschlands verzweifeln wollten, seinerseits weder die Hoffnung noch den Muth sinken ließ, der in langer, mühevoller diplomatischer Arbeit die Wege ebnete, die zu einer einheitlichen Gestaltung des Reiches führten, der, als der Augen blick gekommen, als die Saat gereift war, den Augenblick er- aßte und mit der ihm eigenen Kraft die Schwierigkeiten über- vand, die sich ihm von allen Seiten entgegenstellten. So ist er der treue Diener seines kaiserlichen Herrn, der eigentliche Schaffer des Reiches geworden. Es ist ein schöner Zug in dem Charakter des deutschen Volkes, daß es diesem Manne Treue und Verehrung unentwegt entgegenbringt, der sein Leben ein setzte, um die seit Jahrhunderten unbefriedigte Sehnsucht der deutschen Nation zu erfüllen. Das deutsche Volk eine köstliche Gabe der Vorsehung zu schätzen, daß gerade dieser Mann mit den Geschicken VAAE war. Lassen Sie uns hier sprechen zu den politischen des ersten Kanzlers: Lassen Sie uns heute tne Tage Kampfes und Streites vergessen, veremE Rufe : Fürst Bismarck lebe hoch!" — Aber den Eindruck v« Rede berichtet die „Berl. Börsenzta/': ^P^^ieMed?^ versagt, zu schildern, welche stürmische Beifallsrufe diese Rede ost unterbrachen und welche elementare Begeisterung Alle mck sich fortreisiend bei dem Hoch auf Bismarck unter den Anwesenden herrschte. ES war ein Augenblick, dessen dieZeugen nimmer ver gessen werden und uns, die wir trotz aller StliEung, trotz Ergriffenheit, auch in diesem geschichtlichen Moment unseres Amtes, Diener der Oeffentlichkeit zu sem, gedenken mußten, uns fiel es wohlthuend auf, daß auch tue Freisinnigen »ne das Centrum bei dieser Gelegenheit Bismarcks als des genialen Schöpfers der Reichseinheit sichtlich mit gehobener Empfindung gedachten. Möge auch dies dem Altreichskanzler im Sachse^ walde, der in wenigen Tagen sein 81. Lebensjahr vollendet, als eine Blume der unvergänglichen Dankbarkeit ersihtlnen, die das deutsche Volk in seinen politischen Vertretern ,hm erweist. Die Bismarck-Hymne wurde ebenfalls stehend angehört und manches Wort, das aus gegnerischem Munde in dieser Stunde fiel, ent hüllte sympathisch den Kern des Deutschthums, das wahre Wesen des deutschen Gemüthslebens, das leider durch deS Gedankens Blässe so oft angekränkelt ist.« —Daß die Sozialdemokraten dem Feste nicht beiwohnten, daß Welfen und Elsaß-Lothnnger fehlten, ist nur als Charakteristikum beachtenswerth, denn trotz aller Reichsfeinde wird Deutschland seine große geschichtliche und kulturelle Mission erfüllen, und wer seitwärts steht, hat eben nicht Antheil an dem verdienstvollen Wirken im Interesse der Vervoll kommnung allgemein menschlicher uud nationaler Einrichtungen der Wohlfahrt, hat nicht Antheil am Verdienst um Erhaltung deS inneren und äußeren Friedens und derBereicheruugder Geschichts blätter mlserer nationalen Entwicklung. Auch Eugen Richter war nicht erschienen, aber — er fehlte nicht und sein Fernbleiben illustrirte das Sprichwort „Wer die Menschen verläßt, ist gar Namen nicht schon führen sollte, übergehen soll. Wir verleihen dem nunmehrigen Fürsten v. Bismarck, sowie dessen Nachfolgern in der Fürstenwürde mit allen Ehren, Würden, Rechten und Ge rechtigkeiten, wie solche fürstlichen Personen zustehen, das Prädikat Durchlaucht. Wilhelm." Geschehen und gegeben, Berlin, den 23. April 1873, im 13. Jahre Unserer Regierung, v. Schleinitz, Graf zu Eulenburg. Das Reichstagsbankett fand am Sonnabend in dem Prächtig geschmückten und glänzend erleuchteten Kuppelsaale des Reichs tagshauses statt. In der Mitte der Haupttafel hatte Präsident v. Buol seinen Platz, rechts von diesem saß der Reichskanzler, links Minister von Bötticher, neben dem Reichskanzler saß bald allein." Der Reichstag beschäftigte sich am Sonnabend mit dem Tags zuvor an die Budgetkommission zurückverwiesenen Etats gesetz nebst den noch unerledigten Etatstheilen. Die Kommission beantragt, dem zu dem Etatsgesetz gestellten Antrag Lieber be züglich der Tilgung der Reichsschuld unverändert die Zustimmung hlossen sein soll, zu geben. Abg. Lieber (Ctr.) theilt als Referent der Kommission nationalen Wett- mit, daß der Staatssekretär Graf Posadowsky in der gestrigen zu erweisen. In Kommissionssitzung erklärt habe, der Bundesrath werde sich über die Sache erst am Montag schlüssig machen, es sei aber anzunehmen, daß die Mehrheit der verbündeten Regierungen dafür sein werde, dem Reichstage ein Gesetz vorzulegen, das dem Gedanken, die Hälfte der Ueberschüsse der Ueberweisungen über die Matrikular- beiträge zur Schuldentilgung einzubehalten, Rechnung tragen würde; die preußische Regierung sei bereit, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, welcher pne Ueberschüsse für 1896/97 zur Hälfte einbehält. Angesichts dieser Erklärung habe die Mehrheit der Kommission beschlossen, für die zweite Lesung des Etats die An nahme des Antrags Lieber zu empfehlen und eine Verständigung mit dem Bundesrathe für die dritte Lesung vorzubehalten. Abg. Richter (frs. Volksp.) betont, der gegenwärtige Zustand sei in sofern widersinnig, als wir einestheils durch Anleihen die Schulden vermehrten, andererseits den Einzelstaaten Ueberschüsse heraus zahlten. Diesen widersinnigen Zustand wolle der Antrag Lieber verbessern, und deshalb erscheine ihm, dem Redner, der Antrag gegenwärtig zweckmäßig. Abg. Frhr. v. Manteuffel (kons.) er klärt, seine Partei stehe der Tendenz des Antrags freundlich gegen über, aber sie halte es für angezeigt, die von der Regierung an gekündigte Vorlage abzuwarteu. Abg. Frhr. v. Gültlingen (Reichsp.) bemerkt, daß die Mehrheit seiner Freunde den Antrag in der zweiten Lesung ablehnen wolle und sich für die dritte Lesung be ziehungsweise sür die Beratbung der angekündigten Vorlage eine Verständigung Vorbehalte. Abg. Hammacher (natlib.) ist der An sicht, daß die Angelegenheit durch ein besonderes Gesetz geregelt werden muß. Abg. v. Kardorff (Reichsp.) hält die staatsrechtlichen Bedenken gegen den Antrag Lieber für übertrieben. Die Abgg. Fritzen (Ctr.) Rickert (frs. Ver.) und Liebermann v. Sonnenberg (dtschsoz. Refp.) sprechen sich für den Vorschlag der Kommission aus. Darauf wird das Etatsgesetz mit dem Vorschläge der Kommission bezüglich des Antrags Lieber angenommen; auch die übrigen Etatstheile werden erledigt. Damit ist die zweite Be- rathung des Reichshaushaltsetats beendet. — Montaa- Dritte Lesung des Reichshaushaltsetats. " Der Reichstag hat den Antrag der Budgetkommission ange- FEberschüsse der Reichseinnahmen nicht voll den Emzelstaaten zu überweisen, sondern zur Hälfte zur Schuldentilgung des Reichs zu verwenden. Die durch diesen Antrag geweckten grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten sind un letzten Augenblicke noch beglichen worden. Auf der einen Seite war der Wunsch gehegt worden, durch einen bloßen Zusatz zu dem Etatsgesetz den Absichten des Antragstellers zu entsprechen, auf der andern fürchtete man, daß auf diese Weise ein wichtiger Präzedenzfall geschaffen würde, nach welchem durch das Etatgesetz die Wirkung bestehender Gesetze leicht zu vereiteln wäre. Es wurde füglich ein Kompromiß dahin vereinbart, die gewünscht« Schuldentilgung gut zu heißen, dies aber durch ein besonderes Gesetz und zunächst nur für das Etatsjahr 1896/97 zu beschließen Diesen Vorschlag hat sich der Reichstag zu eigen gemacht, nachdem