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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 08.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189609080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18960908
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18960908
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- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-09
- Tag 1896-09-08
-
Monat
1896-09
-
Jahr
1896
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 08.09.1896
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209. jedoch mit dieser Losung nicht sehr zufrieden. Man hat ausge rechnet, daß der kretische Aufstand Griechenland (die griechischen Kolonien im Nuslande eingerechnet), bis jetzt 36 Mill. Francs kostete und trotzdem die Annexion der Insel, das Ideal, der Griechen, nicht erreicht wurde. — Die griechische Negierung steht moralisch auf derselbe» Stufe wie ein böswilliger Bankerotteur: llm die Zinsen für die griechischen Staatsschulden zu bezahlen, ist kein Geld vorhanden, für politische Abenteuer aber ist in Griechenland noch nie Geldmangel gewesen. Südafrika. Der Schachzug, den Cecil Rhodes unternahm, den Aufstand im Matabeleland beizulegen, scheint mißglückt zu ein. Trotz der großen Berathung mit den Führern im Matoppo- zebirge ist eine Waffcnniederlegung der Matabele nicht erfolgt, und General Carrington drahtet an den Oberkommissar Lord Rosmead: „Es muß noch gegen eine Anzahl Rebellenhanfen vor gegangen werden. Sie stehen an sechs Orten zusammengeschaart." Der ,^Daily Chron." macht sich über Rhodes Pazifikation lustig: „Was in aller Welt — diese Frage dränge sich auf — hat Rhodes, dessen Platz in einem Londoner Gerichtshof als An geklagter und nicht in den Matoppobergen ist, mit der ganzen Sache zu thun? Eearl Grey ist doch mit ganzer Vollmacht Administrator der südafrikanischen Gesellschaft. Was thut er eigentlich ? Warum ging er nicht hin und verhandelte mit Secombe und den anderen Häuptlingen? Da ist General Sir Frederick Carrington, ein Reichsoffizier von hohem Range. Cecil Rhodes ist ein Privatmann ohne Autorität und Kredit. In Buluwayo selbst betrachtete man am 31. August die Verhandlungen als ge scheitert, und wie recht man daranthat, zeigt die Drahtmeldung, daß 24 englische Meilen von Buluwayo ein neuerlicher Kampf mit den Rebellen stattsand, die mit einem Verlust von neun Todten zurückgeschlagen wurden. Aus Zanzibar bringt ein Kabeltelegramm die Nachricht, daß es bei der durch den Sultanssekretär erfolgten Proklamirung Said ben Hamonds auf der Insel Pemba zu ernstlichen Unruhen gekommen sei. Ein großer Theil der dem Eintagssultan Said Kalid ergebenen Araber hat sich trotz der regen Aufmerksamkeit der englischen Kreuzer mittelst Dhau nach der deutschen Küste geflüchtet und erhält dort Wohnsitze angewiesen. Zwei englische Kriegsschiffe sind wieder nach Mombassa abgedampft, da man dort den Ausbruch der Rebellion von Neuem befürchte^ Der Weg Mombassa-Viktoria-See ist durch Einfall der Mapais un- passirbar. Englische Truppen haben sich dabm in Marsch ge setzt. Der britische Kreuzer „Racoon" ist nach Pembn gegangen. 'Die vor einige,, Tagen verbreitete Nachricht, daß der italiemsche Gesandte de Martino beauftragt ist, der brasilianischen Negierung ein Ultimatum zu überreichen, entspricht nicht den Thatsachen. Italien hat augenblicklich in Rio nur einen interi- der Besuch des Kaisers von Rußland die Sozialisten vom Parise* Gemeinderath versetzt, ist sehr komisch. Diese braven Leute schwanken, wie der „Figaro" schreibt, zwischen dem Wunsch, bei einer öffentlichen Feierlichkeit eine Rolle zu spielen, und der Noth- Wendigkeit, dies Vergnügen hinter einem Sophismus zu ver bergen. Den Großtürken mit der Republik Venedig zu ver- heirathen war entschieden vernünftiger und leichter, als die Achtung vor den revolutionären Grundsätzen mit der Höflichkeit gegen einen Selbstherrscher zu vereinigen, der nicht scherzt, wenn es sich darum handelt, die Ordnung und die Ueberlieferungen auf recht zu erhalten. Dieser Gegensatz bringt die sonderbarsten Ausklügeleien, die entgegengesetztesten und tollsten Beschlüsse hervor. Einer will dicht vor dem Zaren rufen: „Es lebe die Republik I", aber er gesteht, daß er doch auch dabei sein will. Ein Anderer behauptet, daß für ihn der Selbstherrscher nicht vorhanden ist und daß er in Nikolaus H. nur den muthigen Vertreter des russischen Volkes sieht. Nur ein Herr Chausse wird nicht für die Kredite stimmen, und ein gewißer Colly be reitet eine Kundgebung vor, über die er sich ausschweigt. Der „Figaro" räth ihm, vorsichtig zu sein, denn wenn es ihm ein fiele, ebenso unverschämt gegen den Gast Frankreichs zu sein, wie es einst Floquet war, würde er etwas Anderes, als Brat äpfel, den Lohn der auSgepfiffenen Schauspieler, ernten. Der Kaiser von Rußland wird die Arbeiten für die Aus stellung des Jahres 1900 einweihen. Als Glanznummer des Festprogramms wurde die feierliche Grundsteinlegung der monu mentalen Seinebrücke ausgewählt, welche den Jnvalidenplatz mit den elysöeischen Feldern verbinden soll. Der Zar wird den ersten Stein in den Grund senken. Die dänische Polizei hatte schon seit längerer Zeit ihre Auf- ' merksamkeit auf einen in Kopenhagen eingetroffenen Deutschen, den Hauptmann a. D. Oskar v. Schubert, gelenkt, der sich bei einer Privatfamilie eingemiethet hatte nnd sich als Künstler aus gab. Er wurde während der letzten Zeit besonders scharf, aber in wenig auffallender Weise beobachtet und dann in seiner Woh nung verhaftet. Bei der sofort vorgenommenen Haussuchung ollen eine sehr kompromittirende Korrespondenz nnd viele Zeich nungen und Skizzen der Kopenhagener Befestigungen vorgefnnden worden sein. Man hat davon abgesehen, den Verhafteten dem Gerichte zu übergeben und hat sich damit begnügt, ihn laut justizministerieller Verfügung unter Begleitung von zwei Polizei beamten über die Grenze zu schicken. Die (deutsche) „St. Petersburger Zeitung" konstatirt die sicht liche Annäherung, welche sich zwischen Deutschland und Rntzland vollzieht und sagt unter Anziehung der warmen Begrüßungs artikel der deutschen Blätter: „Hoffen wir, daß der versöhnliche Ton, den die deutsche Presse anschlägt, und der gewiß auch bei uns Widerhall finden wird, nicht leicht verhalle. Hoffen wir, daß die Stunden, in denen die mächtigsten Herrscher Europas einander in Liebe begrüßen, den Beginn einer Verständigung auch der Völker bezeichnen, die möglich sein muß, wie sie sich auch in der ernsten gemeinsamen Arbeit zur Erhaltung des Friedens möglich erwiesen hat." — „Nowvje Wremja" hebt den in den Aeußerungen der englischen Presse über die Reise des Kaisers Nikolaus hervorklingenden Mißton, sowie die süßsauren Voraus setzungen hervor, daß der Tod des Ministers Lobanow in der künftigen russischen Politik nichts ändern werde, und sagt, Kaiser Wilhelm habe sich überzeugen können, daß die freundschaftliche Annäherung zwischen Rußland und Frankreich keineswegs den europäischen Frieden und die Ruhe Deutschlands bedrohe. In Breslau werde sich sicherlich nichts zutragen, was diese Ueber- zeugung des deutschen Kaisers erschüttern könnte, wie sich der gleichen auch in Kopenhagen und Balmoral nicht ereignen werde. Die gegenwärtige internationale Lage sei völlig logisch durch die Macht der Thatsachen hervorgerufen und stehe in inniger Ver bindung mit der gegenwärtigen Reise des Kaisers. — „Swjei" bemerkt hinsichtlich der Haltung der englischen Presse, insbeson dere der „Westminster Gazette": Die Organe der englischen Presse haben Unrecht, wenn sie hoffen, daß Rußland jetzt, wo Fürst Lobanow nicht mehr ist, die Politik verwerfen wird, die dieser in seiner Person verkörperte. Die Politik Rußlands ist nicht das Werk des Ministers, sondern dasjenige seines höchsten Hauptes und es ist naiv von den Engländern, anzunehmen, daß die Politik, die so glänzende Ergebnisse liefert, beseitigt werden würde, i Türkei. Die Pforte erhielt am Freitag zwei Kollektiv verbalnoten der Botschafter. Die erste nimmt von den durch,die Pforte mitgetheilten Maßregeln zur Einmischung der Ans- ! schreitungen Akt mit der Erklärung, den Erfolg abwarten zu 1 wollen, macht einige Vorbehalte bezüglich der Verfolgung von § Armeniern m europäischen Häusern und unterläßt es, in weitere Erörterungen der Note der Pforte vom 28. v. M. einzutreten. In der zweiten Note werden auf sichere Anzeichen und Beweise j gestützte Vermnthungen ausgesprochen, daß das unter den Ar- l meniern angerichtete Blutbad vorbereitet und organisirt gewesen sei. Auf den Kollektivschritt der Botschafter wegen Kandia er- i theilte der Minister des Aeußeren Tewfik-Pascha die Versicherung, daß die Instruktionen an die Militär- und Civil-Behörden aber mals erneuert worden seien. Nicht an den Christen auf Kreta würde es liegen, wenn ! das unendlich verheißungsvoll begonnene und anerkenneswerth l rasch geförderte Friedeqswerk noch im letzten Augenblick gestört werden sollte. Es ist das eine Möglichkeit, mit der noch immer gerechnet werden muß, trotzdem, daß die Annahme der Reform vorschläge nicht blos durch die christlichen Abgeordneten, sondern auch durch die Epitropie erfolgt ist, ja sogar schon der 13. Septbr., also der kommende Sonntag, als der Tag bestimmt worden ist, an dem die neue Ordnung der Dinge auf Kreta in Kraft treten soll. Die Gefahr einer Störung des Friedcnswerkes droht weniger von Kanea, als von Heraklion her. Die Mohammedaner in Kanea haben zwar eine Protestversammlung abgehalten und eine Verwahrung gegen die Reformen an den Generalgouvernenr gesandt, aber dabei dürfte es wohl auch bleiben, wenn nicht in Heraklion ein böses Beispiel gegeben wird. Dort sind, wie aus Äthen telegraphirt wird, 20 000 Mohammedaner versammelt, deren Aufregung über die den Christen gewährten Zugeständnisse das Schlimmste befürchten läßt, weshalb die Konsuln ans Kreta an ihre Regierungen gedrahtet haben, sie mögen bei der Pforte un bedingt die sofortige Regelung der kritischen Lage in Heraklion noch vor der Rückkehr der christlichen Flüchtlinge verlangen. Ueber serbische Zustände schreibt man der „Köln. Ztg." aus Belgrad, 2. Septbr.: Die Aufregung, welche die plötzliche Ent lastung des Generaladjutanten Tschiritsch in der Bevölkerung wachgerufen hat, will sich noch immer nicht legen. Die»nglaub- lichsten Gerüchte durchschwirren die Luft und die allgemeine Be klemmung wird dadurch noch erhöht, daß man in Hofkreisen die eigentliche Ursache der sonderbaren Erscheinungen der letzten Tage zu verheimlichen bestrebt ist. Da erzählt man, Tschiritsch hätte sich bloß „Insubordination" zu schulden kommen lassen. Er soll sich geweigert haben, dem Könige und dessen Mutter bei' einer Spazierfahrt durch Smederewv, wie dies das Hofstatut vorschreibt, in einem zweiten Wagen nachzuwbren. .Hierüber zur des internationalen proletarischen Kongresses bereits im Besitze der Macht wären, die sie bald besitzen werden, so hätte der Londoner Kongreß in einigen Tagen, ja, in einigen Stunden, nicht allein die unsagbare orientalische Frage, sondern auch die Dutzende anderer, mehr oder weniger brennenden Fragen zur . Befriedigung aller ehrlichen Männer und Frauen gelöst." Als solche Fragen bezeichnet Herr Liebknecht, außer den armenischen, macedonischeu, bulgarischen und kretischen Streitigkeiten und Gräueln, die elsaß-lothringische Frage, die ägyptische, die abessy- »ische, die polnische, die französisch-italienische, Vie irische, die magyarische und slawische Frage u. s. w. u. s. w. Wer denkt da nicht an den berühmten Redner, der erklärte: „Wir Müssen heute Abend die soziale Frage lösen, und wenn wir die ganze Nacht darüber aufzubleiben hätten?" — Herr Liebknecht, der wieder in Berlin ist, sieht sich übrigens genöthigt, sich weiter gegen An griffe der sozialdemokratischen Presse zu Vertheidigen; er erläßt im „Vorw." folgende neue Erklärung: Die „Sächsische Arbeiter- Zeitung" schreibt, ich sei „in letzter Zeit fast ein halbes Jahr Gon Berlin) abwesend" gewesen. Das ist nicht richtig. Mit Einrechnung der 14 Tage, die ich im Auftrag der Fraktion dem internationalen Kongreß widmen mußte, und mit Einrechnung meiner vierwöchentlichen Agitationstour in England, die dochauch im Dienste der Partei geschah, bin ich in diesem Jahr 11 — elf — Wochen von Berlin abwesend gewesen. Für meine „Erholung" batte ich knapp ö — fünf — Wochen, und in diesen fünf Wochen bade ich fast täglich für den „Vorwärts" geschrieben und in Hessen und Bayern, außer sonstigen Arbeiten für die Partei, in dreizehn Versammlungen geredet. Erziehung zur Revanche. Man muß es den Franzose« lassen, daß sie gute Hasser sind. Mag auch ihr chauvinistisches Nationalgesiihl znm größten Theil ein entarteter Auswuchs ihrer krankhaften Eitelkeit sein, — die Thatsache ist nicht zu leugnen, daß sie bis heute die Einbuße der führenden Stelle unter den europäischen Großstaaten durch den Krieg mit Deutschland nicht verschmerzt haben. Nur wenige Einsichtige Vermögen der Vernunft so weit Raum zu geben, daß sie den Thatsachen einigermaßen Rechnung tragen und die Schädigung erkennen, die der Deutschenhaß und das Trachten nach Wieder vergeltung dem französischen Volke selbst und seinem National wohlstande zufügen. Die alte Wahrheit des Satzes von den heilkräftigen Einwirkungen der Zeit auf einst empfangene Wunden Versagt hier völlig. Im Gegentbeil lodert das Feuer nationaler Erregung immer wieder auf, und in allen Kreisen der französischen Natton, nicht zuletzt bei den höher gebildeten, finden sich Per sonen, die förmlich wetteifern, um es zu schüren. Von Geschlecht zu Geschlecht soll sich der Gedanke der Rache an Deutschland übertragen, und damit er nie verkümmert, wird schon das Ge- müth unmündiger Kinder mit dem Gefühl der Erniedrigung und dem Sehnen nach Erlösung erfüllt. In dieser Beziehung hat der frühere Unterrichtsminister Paul Bert durch eine Schrift über den Schulunterricht in den Volksschulen fast Unglaubliches geleistet. Als ein verabscheuungswürdiges Beispiel von Feigheit wird die Haltung Bazeines hingestellt. Als Feind werden überall Deutschland und Preußen angeführt, als Lohn des Sieges die verlorenen Provinzen. Den halb erwachsenen Knaben wird schon angerathen, dem Feinde mit der Flinte entgegenzutreten. Dann wiederum wird den Kindern erzählt, wie die Preußen wehrlose Greise, Frauen und Kinder erbarmungslos haben nieder schießen lassen. Ein möglichst farbenreiches Bild veranschaulicht dies dem Kinderauge noch besonders. Weiter wird von der an fänglichen Bedrückung der verloren gegangenen Provinzen ge sprochen und den Kindern vorgehalten, daß sie im Falle einer Niederlage auch zu Preußen gemacht werden würden. In einem weiteren Abschnitte werden Zwiegespräche zwischen Kindern über den Krieg und über den Feind geboten. Ein Schüler zweifelt, daß die Preußen ihm etwas zu Leide thun würden, wenn er ihnen nicht feindlich begegnete. Sofort wird er von feinen Mitschülern durchgeprügelt mit dem Hinweis: „Einem Preußen nicht feindlich zu begegnen, ist das Schlimmste, was ein Mensch sagen kann, wie es das größte Verbrechen ist, sein Vater land zn verrathen!" In diesem Sinne ist die ganze Schrift ge halten. Ueberall wird neben der Vaterlandsliebe ein untilgbarer Haß gegen Deutschland genährt. Die Generation, die mit den Keimen eines bluttriefenden Haffes gegen fremde Völker erzogen wird, wird Frankreich niemals zu einer führenden Stellung unter den Kulturstaaten wieder emporheben. Aber immerhin ist es gut, daß wir in Deutschland daran erinnert werden, was das französische Volk sinnt. Bor Kurzem wurde ein wyr verftänoiges Schreiben erwähnt, welches ein französischer Publizist, Herr Paul Fournier, gegen die Revanche-Politik der Franzosen an die „Franks. Ztg." gerichtet hat. Der Verfasser ist wegen desselben in der französischen Presse, u. A. im „Figaro" von Maurice Barros, heftig angegriffen worden; mit Bezug darauf schreibt er jetzt an die „Franks. Ztg." u. A.: Sie haben sich wohl schon davon über zeugen können, daß der unter ineinem Namen von Ihnen ver öffentlichte Artikel in Frankreich eine tiefe Erregung hervorgerufen bat. Eoenso haben Sie bemerken können, daß die Erwiderungen, die man mir zu Theil werden ließ, auf keiner ernsthaften Grund lage beruhen und daß vor Allem der Kern der Frage: „Soll Frankreich Elsaß-Lothringen wieder nehmen, ja oder nein?" — stets umgangen worden ist. Die Furcht, daß eine Erwiderung meinerseits das Nationalgefühl zwingen möchte, sich zu Gunsten des Status quo auszusprechen, hat meine Gegner dazu gebracht, mir in Mißachtung der elementarsten Höflichkeit das Recht der Antwort zu verweigern. Der „Figaro", der mich in seiner Nummer vom 26. August durch die Feder seines Mitarbeiters Maurice Barrös angreifen ließ, hat das Ersuchen um eine Richtig stellung abgewiesen. Der Direktor des Blattes, der liebens würdige Ferdinand de Rodays, hat mir persönlich gesagt: „Ich muß sagen, daß Sie Recht haben und daß Sie nur laut aus sprechen, was Jedermann still bei sich denkt. Aber was wollen Sie? Wir sind die Sklaven unserer Knndschaft und trotz unseres guten Willens können wir unsere Interessen unmöglich solchen heiklen Fragen, wie diese da, zum Opfer bringen." Zur Zarenreise. Für die Abergläubischen entwirft der „Gaulois" eine Liste derjenigen, die am russisch-französischen Bündnisse mitgearbeitet und schon gestorben find. Zu diesen Opfern gehören zunächst die beiden Hauptpersonen Alexander III. und der Präsident Carnot; jenen raffte eine tückische Krankheit, diesen der Dolch des Meuchelmörders hinweg; dann General Skobclcw, der auf geheimnißvolle Weise in Moskau umkam; General Miribel, der plötzlich verschied; Herr v. Giers, der im vorigen Jahre, nnd Fürst Lobanow, der soeben starb. Das Blatt glaubt noch Gambetta hinznfügcn zu können, der angeblich sich um eine Zusammenkunft mit dem damaligen Zarewitsch, dem späteren Kaiser Alexander III., bemühte. Wollte man sie alle durch ein Denkmal verewigen, so würde ein sehr stattliches Cenotaphium herauskommen. Wahrscheinlich werden sie alle der Ehre nicht entgehen, bei der Umtausung der Pariser Straßen mit ihrem Namen Pathen zu stehen. — Die Verlegenheit, in die Rede gestellt, soll er dem Könige eine schroffe, verletzende Ant wort ertheilt haben. Das glaube wer da will, in Belgrad glaubt es Niemand. In der That erscheint die Sache «m so weniger glaubwürdiger, als ja nicht nur Tschiritsch, sondern auch sein Schwager, der Hofsekretär Militschewitsch ebenso wie auch der Hofmarschall Raschitsch in aller Eile vom Hofe entfernt wurden md die Maßregelung mehrerer andern, wegen ihrer vertrauten Beziehungen zu Milan bekannten Persönlichkeiten beschlossen wurde. Man hat es also eigentlich mit dem Exkönige und nicht mit Herrn Tschiritsch zu thun. So viel ich erfahren konnte, sandelt es sich um Folgendes: Der Königin Natalie war es chon seit längerer Zeit aufgefallen, daß die Herren Tschiritsch, llaschitsch und Militschewitsch, namentlich aber die beiden erstem, mit dem Könige um jeden Preis allein sein wollten und ihm tundenlang über allerlei „wichtige Geschehnisse" berichteten, über )ie sich Alexander sodann mit einer sichtlichen Zurückhaltung einer Mutter gegenüber äußerte. Nicht minder mußte es aus- allen, daß in letzterer Zeit wiederholt Leute um Audienzen an- üchten, von denen alle Welt wußte, daß sie einfache Agenten des Exkönigs sind. Natalie ging der Sache nach und erfuhr nun, daß die erwähnten Herrschaften alles aufboten, um den jungen Mann einzuschüchtern und ihm die Neberzeugung bei zubringen, es bliebe ihm nichts anderes übrig als zu Gunsten seines Vaters abzudanken. Sie erzählten ihm, wie sich in der Armee eine gewaltige Strömung gegen ihn und seine Mutter geltend mache, wie die ganze Armee Milan, den Tapfer», wieder an ihrer Spitze zu sehen wünschte. Dies wäre heute, angesichts der drohenden Haltung des antidynastischen Flügels der Radikalen (mit dem Herr Tschiritsch gleichfalls Verbindungen unterhielt), von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dabei stehe auch Oester reich hinter Milan. Der Besuch des Kaisers von Rußland in Wien wäre die Besiegelung eines zwischen Oesterreich und Ruß- and zu Stande gekommenen geheimen Abkommens, demzufolge Serbien der ausschließlichen Machtsphäre Oesterreichs üverant- wortet würde. Oesterreichs Mann sei und bleibe aber — Milan. Dies und derlei sonstiger Unsinn wurde dem von Natur aus ängstlichen jungen König Tag für Tag aufgetischt. Zur „Be kräftigung" ließ man einige Freunde Milans unter den höhern Offizieren um Audienzen ansuchen, die sodann alles „bestätigten". Einen derselben soll der König sogar gefragt haben: „Wenn Sie zwischen mir und meinem Vater zu wählen hätten, auf wessen Seite ständen Sie?" — „Verzeihen, Majestät", antwortete der Heuchler mit einer scheinheiligen Miene, „das darf ich Ihnen nicht sagen, denn ich bin ein aufrichtiger Mensch." Derlei Koinödien wurden täglich aufgeführt, und der König verfiel in Folge dessen in eine Art Trübsinn. — Soweit der Bericht erstatter. Seine Mittheilungen lasten wieder einmal ein recht Helles Licht auf das auswärtige Jntriguenspiel fallen, das an dem Belgrader sogenannten Hofe betrieben wird und daS eine der vornehmsten Ursachen für den immer weitern Verfall dieses un glücklichen Landes bildet. Serbien ist als selbständiger Staat blutjung, allein es trägt schon durchaus greisenhafte Züge, und von den Segnungen der monarchischen Ordnung hat es noch herzlich wenig zu spüren bekommen. Der Faminenskandal ist in Permanenz. Der unglückselige Zwist zwischen Milan und Natalie übt in unaufhörlich weitergesponnenen heimlichen Machenschaften seinen lähmenden und verwirrenden Einfluß nicht bloß auf die öffentlichen Dinge aus, sondern auch auf das Gemüth deS un glückseligen jungen Königs, dem es nicht gelingen zu wollen scheint, mit energischem Entschlusse die Gewebe der Lüge und Kabale, die ihn umspinnen, zu zerreißen und zur rettenden That zu schreiten. Serbien kann nur gesunden, wenn es endgiltig auf den für seine Verhältnisse lächerlichen Luxus einer aus wärtigen Politik verzichtet, wenn es die unproduktive Ver wendung oer öffentliche» Mittel so sehr einschränkt, wie es nur irgend möglich ist und wie es einem Staate ziemt, dem stets der Abgrund des Bankcrotts entgegen gähnt, und wenn es sich aus schließlich der wirthschaftlichen Entwicklung der Erschließung der natürlichen Hilfsquellen des Landes widmet. Geschieht dies nicht, dann kann die Dynastie Obrenowitsch noch böse Tage erleben. Der „Post" wird aus Konstantinopel geschrieben: Das offizielle Griechenland giebt sich Mühe, seiner Zufriedenheit mit dem Erreichten Ausdruck zu geben und den Erlaß des Jradä des Sultans als einen Sieg zu feiern. In Wirklichkeit ist man
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