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Schönburger Tageblatt und Der Abonnementspreis betrLqt vierteljühr- iich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. - - Ls s- Waloenvumer Ampmoi» Annahme von Inseraten für die nächster- TTT " TT " TT" T" TT T, I II I scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr vF des vorhergehenden Tages. . —— Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonnabend, de» U. Juni 1881 182 » recht ge- Stimmen, nicht ein- heimer Abstimmung mit 148 gegen 114 auf die Berathung der einzelnen Artikel zugehen. Italien. Im Citronenlande sind die Zustände müthlich. Im verflossenen Monat April fanden nicht weniger als 141 Ermordungen statt, ferner 110 fehlgeschlagene Morkanfälle resp. Verwundun gen, 105 Raubanfälle, 30 gewaltsame Erpressungen, 3089 qualificirte Diebstähle und 1723 Entwendungen u. s. w. Rußland. Aus Alexandrowsk wird dem Petersburger Blatte „Poriadok" geschrieben, daß der Groll der dortigen russischen Bevölkerung sich nun, nachdem die Juden beraubt und vertrieben worden sind, gegen alle Nichtrussen und hauptsächlich deutsche und griechi sche Colonisten wendet. Der Correspondent des ge nannten Blattes sagt dabei, daß unter dem Land volke zahlreiche Proklamationen cursiren, in welchen die „russischen rechtgläubigen Bauern und Bürger aufgefordert werden, das heilige russische Reich von Ausländern zu säubern, indem diese nur das Land aussaugen und den autochthonen Rusten das Leben unmöglich machen." „Fort mit den Fremden!" heißt es da. „Die Deutschen mögen nach Deutsch land, die Griechen nach der Krim und die Juden nach dem ägyptischen Lande auswandern! Der Grund und Boden dieser Fremden soll als Eigenthum der Russen unter diese verlheilt werden." Bulgarien. Infolge einer Denunciation wurden sämmtliche bulgarische Notablen von Oehrida und Prilep Diese beiden hier erklärten Richtungen werden einestheils vom Fürsten Bismarck, welcher jene Auf gabe dem Staate zuweisen will^anderntheils von der Fortschrittspartei und den Secessionisten oder den Manchestermännern, welche dies nicht wollen, vertreten. Man wird leicht einsehen, daß Bismarck mehr, wenn wir so sagen wollen, den praktischen, die Manchestermänner mehr den theoretischen Stand punkt einnehmen, wenn man in letzterer Beziehung von eigennützigen Interessen ganz absehen will. Mit dieser Frage hängt eng zusammen die Steuer frage. Die eine Richtung, diejenige Bismarcks, geht dahin, die directen Abgaben möglichst auf ein Mi nimum zu beschränken und die' Bedürfnisse des Staates, die auchdiefortschrittlichsteRegierungnimmer- mehr beseitigen kann, durch indirecte Besteuerung zu decken; und zwar weil sie eine Erleichterung des wirthschaftlich Schwachen in der indirecten Besteue rung entbehrlicher oder beliebig einzuschränkender Artikel erblickt, welche Steuer theils nicht vom Consumenten, sondern vom Zwischenhändler ge tragen, stets aber pfennigweise entrichtet wird und weniger fühlbar ist. Die andere, manchesterliche Richtung wieder ist der Ansicht daß die indirecte Steuer den „armen Mann" härter treffe als die directe; der arme Mann müsse bei indirecter Be steuerung viel mehr bezahlen als bei direcler, frei lich merke er es nur nicht. Nun, das Letztere ist es ja aber, was mit der indirecten Steuer erzielt werden soll, die Besteuerung soll weniger fühlbar, leichter zu tragen sein. Das sind die Fragen, die bei den nächsten Wahlen die Hauptrolle zu spielen haben werden. „Für oder wider Bismarck" haben die Manchestermänner als Parole ausgegeben. Wir wollen diese Parole nicht als persönliche Angelegenheit auffassen, nicht als ob es sich um die Verzüge und Schwächen unseres leitenden Staatsmannes handle, sondern um das durch ihn vertretene System, um die Frage: soll die Gesammtheit im wirthschaftlichen Leben herrschen oder der Einzelne unbekümmert um das Wohl der Gesammtheit srei schalten und walten dürfen? Vertheilung derartiger Placate in ihren Räumen dulden. Wie der „Allg. Ztg." gemeldet wird, findet am 10. d. zu München eine Zusammenkunft von Com- missarien des preußischen Ministeriums der öffent lichen Arbeiten und des Reichsamts einerseits und von Commiffarien des bayerischen auswärtigen Ministeriums andererseits statt zur Besprechung über schwebende Jnstradirungs- und Tariffragen. Als Commiffarien fungiren aus Berlin die Geh. Regierungsräthe vr. Schulz und Fleck, als bayerische Commiffarien Generaldirektor v. Hocheder unb Ministerialrath Oswald. In Karlsruhe fand am 9. d. die letzte Haupt versammlung des Lehrertages statt. Herr Funke aus Butzbach referirte über die Nothwendigkeit der Concentration des Unterrichts in der Volksschule. Um 12 Uhr wurden die Verhandlung durch Hoff mann mit einem Hoch auf den Kaiser geschlossen. Oesterreich. Der Kronprinz Rudolf und die Kronprinzessin Stefanie sind nunmehr am Mittwoch in Prag eingelroffen. Ein offizieller Empfang hat nicht statt gefunden. Die in musterhafter Ordnung in den Straßen zwischen Bahnhof und Hofburg versammelte, Spalier bildende Menschenmenge empfing die hohen Gäste mit enthusiastischen Grüßen. Die Illumination war äußerst glänzend. Alls öffent lichen Gebäude, die Brücken, sowie die Privatge bäude waren festlich erleuchtet. Der Kronprinz machte eine einstündige Rundfahrt im offenen Wagen durch die Stadt, überall mit enthusiastischen Zu rufen begrüßt. Die Kronprinzessin beteiligte sich aus gesundheitlichen Rücksichten an dieser Rundfahrt jedoch nicht. Frankreich. Der Senat berieth am 9. d. den Gesetzentwurf über die Listenwahl. Millaud und Dauphin sprachen für die Listenwahl, Jouin und Waddington gegen dieselbe. Das Ministerium erhielt sich jeder Meinungsäußerung. Der Senat beschloß in ge "Waldenburg, 10. Juni 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Wie die „Tribüne" hört, ist in diesen Tagen ein zweiter Brief des Papstes an Kaiser Wilhelm gelangt, der an die Vorschläge und Wünsche des Letzteren bezüglich der Neubesetzung mehrerer (nicht aller) erledigter Bisthümer anknüpft. Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Wegen der aus Peking gemeldeten, am 29. April bei Hongkong durch chinesische Piraten verübten Plünderung der deutschen Barke „Occident", richtete der kaiser liche Gesandte Brandt die erforderlichen Anträge an die chinesische Regierung und wies das Consu- lat Canton an, gemeinsam mit den Landesbehörden, eventuell mit Hülfe eines kaiserlichen Kriegsschiffes die Sache energisch zu verfolgen. Wie aus Bromberg geschrieben wird, hat die dortige Negierung, um der Auswanderung zu steuern, für den Umfang ihres Bezirks auf Grund 88 11 und 12 des Gesetzes vom 11. Mai 1880 den Auswanderungsunlernehmern sowie deren Agen ten die Ankündigung ihres Geschäfts durch Placate auf den öffentlichen Straßen, in Gast- und Wirths- Häusern, Dampfschiffen und Eisenbahnstationen unter sagt. Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnungen werden mit Geldstrafe bis zu 30 Mk. belegt. Eine gleiche Strafe trifft die Besitzer von Gast- und Schankwirthschaften, welche das Anheften oder die "Waldenburg, 10. Juni 1881. Ein Wort zu den künftigen Wahlen. Unter den früheren Parteibezeichnungen von Liberalismus und Conservativismus verstand man gemeinhin Theorien, nach welchen Staates allein aufgebaut werden sollten. Die Bildung dieser Parteien richtete sich nach den Verhältnissen und es ist demgemäß ganz natürlich, daß mit einer Aenderung der Verhältnisse auch eine Verschiebung der Parteigruppirungen eintritt. Der Liberalismus ging aus dem Bestreben hervor, politische Beschrän kungen im Staatsleben aus veralteter Zeit zu brechen und die Bahnen der neuen Zeit zu ebnen, der Conservativismus jener Zeit war im Gegensätze zum Liberalismus bemüht, die veralteten Einrichtungen aufrecht zu erhalten, er führte deshalb zuweilen auch den Namen Feudalismus. Heute liegen die Sachen anders. Seitdem das deutsche Volk zu nationaler Einigung gelangte und es galt, ein noch nicht vorhandenes Staatswesen erst zu schaffen, beherrschte die politische Discussion die Gegensätze in Bezug auf politischen Ausbau der Reichsinstitutionen, konfessionelles Leben, stritt man sich um die Frage, ob der Centralgewalt oder den Bundesstaaten größerer oder geringerer Einfluß einzuräumen sei, ob und inwieweit man den Einzelnen von den Fesseln des alten Polizei staates befreien und wie das Verhältniß zwischen Staat und Kirche geregelt werden solle. Diese Fragen sind in neuerer Zeit in den Hintergrund getreten, sie sind zum guten Theil erledigt. Zwischen Reich und Einzelstaat, zwischen Staatsgewalt und politischer Freiheit, zwischen Staal und Kirche stehen die Grenzen im Wesentlichen fest, zwar nicht für immer, aber doch für die nächste Zukunft. Andere, ganz neue Fragen sind es, auf denen wir bei den kommenden Wahlen vorzugsweise unsern Blick zu richten haben, denn sie berühren unsere allernächst liegenden Interessen. Da ist zunächst das wirthschaftspolitische Gebiet, auf dem sich mit wohl zurecht gelegten Theorien nichts ausrichten läßt, denn hier reden nur Thatsachen, kommen aber auch überall die materiellen Interessen ins Spiel, welche die Unbefangenheit des Urtheils zu trüben geeignet sind, da schwerlich Jemand, sich leicht zur Auf gabe wirthschaftlich erlangter Vorrechte herbeilassen wird. Wie sich die Gesammtheit dem Einzelnen gegenüber zu stellen hat, wie sich die durch den Staat repräsentirte Gesellschaft zum Wirthschafts- leben verhalten soll, das ist die Aufgabe, deren Lösung der nächsten Zeit vorbehalten ist. Auch hier stehen sich zwei Richtungen gegenüber. Während die Einen reden vom freien Spiel der Kräfte, wollen die Anderen den Schutz des Schwachen gegenüber dem Stärkeren; während auf der einen Seite der wirthschaftlich Schwächere vom wirth- schastlich Stärkeren ausgebeutet und in Fesseln gelegt zu werden vermag, gesteht man auf an derer Seite Jenem die gleiche Existenzberechtigung zu wie Diesem. Man wird sich also über die Frage klar werden müssen: Hat die Gesammtheit dlese vertretende Staat das Recht und die Pflicht, ln das wirthschaftliche Leben organisirend und den Schwachen gegenüber dem Stärkeren be schützend ernzugreifen oder nicht? Sollen die socialen Uebel, die doch unleugbar vorhanden sind, durch den Staat zu beseitigen versucht, oder soll dies dem freien, humanen Wirken des Einzelnen überlassen werden? Wer die menschliche Natur kennt, wird sich von Letzterm schwerlich viel versprechen und wo- hrn w.r mit dem freien Spiel der Kräfte gekommen sind zeigt woh am besten die Ausdehnung, welche die Socialdemokratre heute bei uns erlangt hat.