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HchimtmiM Tageblatt und Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr- Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg Donnerstag, den 2. Znni 1881 125 I "Waldenburg, I. Juni 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Beziehungen zwischen den Höfen von Berlin und Gatschina sollen kühler geworden sein, da sich eine leise behutsame slavische Wendung am russischen Hofe bemerkbar mache. Das Ergreifen einer gesunden Colonial politik scheint wieder in Aussicht zu stehen. Fürst Bismarck hat dem Reichstag eine neue Denkschrift vom 27. Mai zugehen lassen, worin die Nothwen digkeit von Staatssubventionen für deutsche Dampfer linien nach China, Australien und der Südsee aus geführt, zugleich aber in dem begleitenden Schreiben bemerkt wird, „daß die Reichsregierung aus der Aufnahme der Samoavorlage entnommen hat, wie die Auffassungen der Mehrheit der Volksvertretung der Gewährung von Subsidien nicht in dem Maße geneigt ist, um die verbündeten Regierungen jetzt zu weiteren Anträgen in dieser Beziehung zu ermuthigen." Auch auf die Ersprießlichkeit eines deutschen Land erwerbs in der Südsee weist die Denkschrift nicht undeutlich hin. Die Petitionscommission des Reichstags hat sich gegen das Geschäftsgebahren der Straßbur ger Tabaksmanufactur ausgesprochen. Der sechste Bericht genannter Commission handelt von den Petitionen, welche dem Reichstag in der viel erörterten Frage des Geschäftsgebahrens der Straß burger Tabaksmanufaktur vorliegen. Die Commis sion beantragte mit 10 gegen 4 Stimmen, die Petitionen, soweit sie dahin gerichtet sind, der miß bräuchlichen Geschüftsgebahrung der Straßburger Tabaksmanufaktur entgegenzuwirken, dem Reichs kanzler zur Berücksichtigung zu überweisen und über den Antrag auf Aufhebung der gedachten Manufak tur als StaatSanstalt zur Tagesordnung überzu gehen. Die Art, wie namentlich das Aufsuchen der Consumenten von der Straßburger Tabakmanufaktur betrieben werde, sei in hohem Grade verwerflich. Es sei einleuchtend, daß, wenn man sich, wie ge schehen, unter Berufung auf den kaiserlichen Namen an Beamte und an die Militärbehörden wendet, damit ein Druck geübt werde, wie ihn die Privat- industrie nicht ertragen könne. Schließlich sei das Hineindrängen der Staatsmanufaktur mit ihrer Fabrikation und mit ihrem Handel in die entferntesten Theile des Reiches bei ungünstigen Geschäftsergeb nissen kaum anders zu deuten, als auf den Versuch, das Tabaksmonopol vorzubereiten und seine Ein führung durch den vorher zu erreichenden Niedergang der Privatindustrie zu beschleunigen. Der „Norddeutschen" zufolge leidet Fürst Bis marck seit einigen Tagen an rheumatischen Schmer zen und ist deshalb genöthigt, das Zimmer zu hüten, weshalb er auch an den Reichstagsverhand- lungen der letzten Tage nicht theilnehmen konnte. Die armen Weber in Glauchau und Mee rane sind den Freihändlern besonderen Dank schuldig. Die am 30. Mai anberaumte Abendsitzung des Reichstags, in welcher die von der sächsischen Regierung ausgearbeitele Vorlage betreffs Erhöhung des Zolles auf Tuch- und Zeugwaaren zu Ende berathen werden sollte, war beschlußunfähig, weil die Freihändler in Hellen Haufen aus den Sitzungs saal liefen, trotzdem sie erst mehrere Tage mit der Hamburger Zollanschlußfrage nutzlos vertrödelthatten. Oesterreich. Das österreichische Abgeordnetenhaus beschloß mit 203 gegen 48 Stimmen die Specialdebatte über den Gesetzentwurf betreffs Errichtung der böhmischen Universität in Prag, nahm den Gesetzentwurf mit lich L Mk. S« Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. "Waldenburg, 1. Juni 1881. Die Bestrafung der Weinfälschung. Ein wahrer Segen ist es, daß neuerdmgs der Betrügerei und Fälscherei energisch zu Leibe ge gangen wird und mit Genugthuung nimmt man Notiz von der Bestrafung der Wucherer und Nahrungs mittelfälscher. Auch die Verfälschung des Bieres durch Surrogate wollen die Bierbrauer selbst be straft wissen, während gegenwänig dem Reichstag ein Gesetzentwurf des Abg. Buhl, betreffend die Bestrafung der Weinfälschung, vorliegt. Zwar ist über schlechten Wein zu allen Zeilen geklagt wo^en, wohl aber nicht in solchem Umfange wie jetzt. Viele Menschen haben es sich förmlich zum Gewerbe ge macht, den Wein in der unverschämtesten und ge wissenlosesten Weise zu verfälschen, um des schnöden Gewinnes willen die Gesundheit und das Leben ihrer Mitbürger zu gefährden. Aus Wasser, Kar toffeln, Gerstenmalz, Rohrzucker, Weinstein, Rosinen, Hefe, Weinsäure, Weingeist, Hollunderblüte, Tannin, Malvenblüten, Veilchenwurzel, Himbeersaft, Tama rinden, Melaffesyrup, Glycerin, jungen Rebenblüten rc. werden Hunderte verschiedene Weine ohne einen Tropfen Naturwein fabricirt. Diese Panscherei schädigt nicht nur den Consu- menlsn, sondern auch den reellen Weinhändler und Weinbauer in gleichmäßiger Weise. Der Consument, der sich hintergangen und in seiner Gesundheit ge schädigt sieht, setzt dem Weingenusse immer größeres Mißtrauen entgegen und läßt ihn schließlich ganz fallen. Dem sucht Buhl mit seinem Gesetzentwürfe ent gegen zu wirken. Der ß 1 desselben ist von der betreffenden Commission des Reichstags in folgender Fassung angenommen worden: „Mit Gefängniß bis zu 3 Monaten und mit Geldstrafen bis zu 1000 Mk. oder mit einer dieser Strafen wird be- b-straft: 1) Wer zum Zwecke des Verkaufs wein ähnliche Getränke unter Verwendung von Säuren oder säurehaltigen Substanzen — insbesondere Wein stein, Weinsäure oder Tamarinde — oder Glycerin oder ätherischen Substanzen herstellt, sowie, wer zum gleichen Zwecke Weinmost oder Wein mit einer der vorbezeichneten Substanzen mischt oder durch Ver wendung von Farbstoffen Weißwein in Rothwein umwandelt; 2) wer Getränke, von denen er weiß, daß dieselben den Bestimmungen unter Nr. 1 zu wider hergestellt, gemischt oder umgewandelt sind, verkauft oder feilhält " Damit aber nicht die beim Naturwein zuweilen nothwendige Weinverbesserung mit unter diesen Paragraphen falle, hat der Abg. Schröder (Fried berg) beantragt, folgenden 8 2 einzuschalten: „Unter den Begriff der Herstellung weinähnlicher Getränke fällt nicht die Veränderung oder Verbesserung wirk lichen Weins (Traubensaftes) durch Gallisiren, Chaptalisiren, Petiotisiren und andere Verfahrungs- arten, welche eine Gefahr für die Gesundheit nicht in sich schließen und bei welchem die unter ß 1 Absatz 1 aufgeführten Stoffe und Substanzen nicht verwendet werden." Sagt doch auch I. v. Liebig: Alle Chemiker sind vollkommen darüber einverstanden, daß der Zucker zusatz in schlechten Jahrgängen der Theorie und Praxis nach das einzige Mittel ist, um einen trink baren Wein aus dem Most zu erzielen, der ohne Zuckerzusatz keinen genießbaren Wein gegeben haben würde. Die Natur erzeugt keinen Wein, und es lst immer der Mensch, der durch künstliche Mittel die sogenannte Veredelung, die Naturkräfte nach lernen Zwecken lenkt und wirken läßt. Hoffenilich wird den Weinpanschern mit diesem Gesetze das Handwerk etwas gelegt. einem von der Linken beantragten Amendement be treffs der wissenschaftlichen Sammlungen an und lehnte den Antrag Granilsch auf obligatorische voll kommene Kenntniß der deutschen Sprache jedes Studirenden der böhmischen Universität, der in die öffentliche Praxis eintritt, ab. In einem Handschreiben an den Ministerpräsi denten Grafen Taaffe ordnet der Kaiser an, daß von einem feierlichen Empfange des krsnprinzlichen Paares in Prag, wo dasselbe am 8. Juni an kommt, gänzlich abzukommen sei und jeder offi zielle Empfang zu unterbleiben hat, weil der Ge sundheitszustand der Kronprinzessin nach dem Aus spruche der Aerzte gerade jetzt besondere Schonung erheischt und nicht gestattet, an anstrengenden, er müdenden Feierlichkeiten theilzunehmen. Frankreich. Von dem Aufenthalte Gambetta's in Cahors wissen die Pariser Blätter rührende Geschichten zu erzählen. Eine davon führt den Titel: „Gam betta und der Hirte" und erzählt sodann folgendes: Der Kammer-Präsident ist auf der landwirthschaft- lichen Ausstellung. Er spricht mit den Mitgliedern des Comitee's über die Verwüstungen der Reblaus. Plötzlich wendet sich der gefeierte Mann gegen einen Schäfer, der, innerhalb des Geheges der Ausstellung eine Gruppe Merinoschafe hütet. „Sehen Sie, meine Herren", sagt Gambetta zu den Herren vom Comitee, „da ist ein alter Freund von mir, ein praktischer Kopf, der wird unser Problem von der Phylloxera zu lösen wissen. Gambetta nähert sich dem Schäfer, den er als Knabe gekannt hat. Der Schäfer ist entzückt über dieses Wiedererkennen. Gambetta sagt ihm im Dialect von Cahors: „Was ist zu thun, um den Schaden der Reblaus gut zu machen?" „Bei Gott, mein kleiner Leon", sagt der Alte, „Dies und Das", dabei zeigt er auf seine Schafe und seine Tabaksdose. „Richtig", sagt Gambetta, „er hat Recht; wir müssen die Schafzucht höher bringen und dazu sehen, daß der Tabak mehr einbringt. Bravo! Das ist vielleicht mehr werth, als die Untersuchungen der Akademie und der Com missionen." Die Scene soll einen tiefen Eindruck gemacht haben. Natürlich! England. Der hauptsächlichste Organisator der irischen Agrarliga, Kettle, ist am 30. Mai abends unter der Beschuldigung, die Bevölkerung zum Widerstand wider die Bezahlung gesetzlicher Schulden aufgereizt zu haben, in Naas verhaftet und ins Gefängniß gebracht worden. Rußland. Ein Soldat des Ssemenow'schen Regiments, wel cher gegen den Kaiser Propaganda machte, schmähte denselben und zerriß das Bild des Kaisers, indem er sagte: „Da habt ihr den Kaiser." Der selbe wurde verhaftet und wird vor das Kriegsgericht gestellt, welches ihn wahrscheinlich zum Tode ver- urtheilen wird. Gleich Loris Melikoff hat sich Abasa in's Ausland begeben, Miljutin folgt Ende Juni. Loris Melikoff erhielt vor seiner Abreise eine Unzahl Ab schiedskarten, wie es heißt, über 10,000. Rumänien. Die letztwöchentlichen Regengüsse und Wolken brüche haben weite Strecken des Landes über schwemmt und die früher ausnehmend günstigen Erntehoffnungen vernichtet. Nach Wiederherstellung des mehrfach unterbrochenen Bahnverkehrs mit der Moldau wird König Carol dahin eine Rundreise antreten. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tag« nach Sonn- und Festtagen. Beitrag? find erwünscht und werden eventuell honorirt. „ Annahme von Inseraten fürdie nächster scheinende Nummer b,s Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages.