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chönlniM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SV Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Eolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonnabend, den 14. Mai 1881. Aekanntmachung. Von dem unterzeichneten Königlichen Amtsgerichte soll den 13. Juni 1881 das der Frau Clara Franziska Laura verehel. Lieberwirth, geb. Piehler in Altstadtwaldenburg zugehörige Haus- und Gartengrund stück Nr. 55 des Katasters, Nr. 56 des Flurbuchs und Nr. 52 des Grund- und Hypothekenbuchs für Altstadtwaldenburg, welches Grundstück am 15. März 1881 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 3675 Mk. -- gewürdert worden ist, nothwendiger Weise versteigert werden, was unter Be zugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Waldenburg, am 23. März 1881. Königlich Sächsisches Amtsgericht. Baumbach. Hllbr. * Waldenburg, 13. Mai 1881. Zur politischen Lage. Die Wiener Festtage haben nunmehr ihr Ende erreicht. Im Gegensatz zu der Art und Weise, wie sich der russische Kaiser unter sein Volk begiebl, der dies nicht ohne einen Corton militärischer und poli zeilicher Bedeckung thun zu können glaubt, konnte sich der österreichische Kaiser ohne irgendwelche polizeiliche Maßregeln furchtlos unter seine geliebten Wiener begeben und Kaiser Alexander III. mag in diesen Tagen wohl etwas neidisch auf seinen geliebten Bruder und Vetter in Wien geblickt haben. Ob der russische Kaiser aufdem Wegeist, sich die gleicheLiebeseinesVol kes zu erwerben, darf wohl etwas bezweifelt werden. Nach dem kaiserlichen Manifest, welches wir gestern bereits erwähnten, scheint der russische Kaiser an keine Reformen zu denken. „Uns befiehlt Gottes Stimme, festzuhallen in dem Glauben an die Kraft und die Wahrheit der selbstherrscherlichen Gewalt, welche Wir berufen sind, zu befestigen und zu be wahren vor jeder Anfechtung zum Wohle des Volkes!" So sagt der Czar. Auch der verstorbene Kaiser war fest in dem Glauben an die Kraft und die Wahrheit der selbstherrscherlichen Gewalt, auch er glaubte der Stimme Gottes zu folgen, und doch war ihm jenes schreckliche Ende beschieden. Bezüglich der tunesischen Angelegenheit wurde in den französischen Kammern eine ministerielle Erklär ung verlesen, welche besagt: Die Operationen gegen Tunis nehmen einen guten Fortgang, die baldige Entscheidung derselben sei heute zu hoffen, das Stadium der Verhandlungen sei eröffnet, die Regierung verfolge das doppelte Ziel der Bestrafung der Stämme und der Erlangung von Garantien für die Zukunft. Die Regierung wiederhole die Erklärung, daß sie nicht annectiren und erobern, weder dem Gebiete noch dem Throne des Beys nahetreten wolle, aber die Regierung des Beys müsse auf tunesischem Gebiete Frankreich zum Schutze seiner Besitzungen innerhalb der Grenzen seiner In teressen Vorsichtsmaßregeln treffen lassen, welche sie offenbar außer Stande sei, durch eigene Kräfte zu sichern. Formelle Conventionen müßten den legi timen Einfluß Frankreichs in der Regentschaft sicher stellen gegen die Wiederkehr der Feindschaft und gegen Abenteuerer. Frankreich hoffe, die Differenz zu beendigen, welche nur Frankreich angehe und nur französisches Interesse betreffe und welche Frank reich das Recht habe, allein mit dem Bey zu lösen. Währenddem bereitet sich in Tunis die Entschei dung vor. Vor de» Thoren von Tunis stehen 14,000 Franzosen und dem Bey ist am 10. d. eine Note der französischen Regierung überreicht worden, in welcher die Annahme eines französischen Protek torates innerhalb zweier Tage verlangt wird, wid rigenfalls die Kriegserklärung unvermeidlich sei. Nächstertage dürften also die Nachrichten vom tune sischen Kriegsschauplätze etwas lebhafter werden. Die Judenhetzen im Süden Rußlands scheinen eine bedeutende Ausdehnung anzunehmen. Nach in Petersburg eingelroffenen Nachrichten haben bei dem Judenkrawall in Kiew allein 1400 Personen ver haftet werden müssen. Angeblich sollen die Unruhen durch Emissäre hervorgerufen worden sein, welche aus den nördlicheren russischen Distr'cten eintrafen. Wie kommt es wohl, daß unter allen Völkern, unter denen Juden leben, und mögen sie jahrhun dertelang unter denselben gelebt haben, ohne alle Ausnahme ein unausrottbarer Haß gegen das Juden- thum existirt und stets existirl hat? Sollten denn die Juden nicht endlich zu der Einsicht kommen, daß lediglich ihre Scheu vor productiver Arbeit und ihr Hang zu Uebervortheilungen hauptsächlich Schuld an Vieser Erscheinung ist? *Waldenburg, 13. Mai 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser ist am 11. d. vormittags 9 Uhr 35 Minuten von Wiesbaden nach Berlin abgereist. Die Frau Großherzogin und die Prinzessin Victoria von Baden begleiteten Se. Majestät nach Frank furt, von wo dieselben nach Karlsruhe zurückkehrten. Der „Nordd. Allg. Ztg." wird aus Paris ge schrieben: Bei einer Besprechung der deutschen Münzconferenzdelegirten mit den französi schen und amerikanischen Delegirten ist die An schauung der deutschen Bimentalisten, daß silberne Fünfmarkstücke und Zweimarkstücke auf Grund des Werlhverhältnisses von 1 zu 15'/e umzuprägen seien, damit dieselben gleich den Thalerstücken die Eigenschaft von bei allen Zahlungen verwendbaren Münzen erhielten, lebhaftem Widerspruch begegnet. Die umgepräglen Münzen würden, wenn Deutsch land bei den ungünstigen Wechselkursen Zahlungen im Ausland durch Baargeld begleichen müsse, export fähig werden und den Münzstätten des internatio nalen Münzbundes zuströmen. Ein gleiches Be denken besteht bei den französischen und amerikani schen Delegirten bezüglich der Thalerstücke, da die deutsche Regierung die Privaten nicht hindern könne, sobald die Zahlungsbillanz Deutschlands ungünstig und Metallzahlungen an das Ausland nothwendig seien, Thalerstttcke zum Export zu verwenden. Es komme Frankreich und Amerika viel weniger darauf an, ob Deutschland sich verpflichte, überhaupt kein Silber zu verkaufen, als darauf, Garantien zu er halten, welche den privaten Export des Thaler silbers erschweren. In verschiedenen Theilen Deutschlands regt sich seit einiger Zeit das Verlangen nach Reform des Unterstützungswohnsitzes durch eine den Be dürfnissen der Gegenwart anbequemte Wiederein führung des Heimatrechtes. In Bayern hat man sich bekanntlich letzteres durch ein Reservat Vorbe halten und wurde dabei festgesetzt, daß die Heimat mit dem Bürgerrecht erworben wird, und daß unter gewissen Voraussetzungen der fünf- oder zehnjährige Aufenthalt den Anspruch auf Verleihung des Heimat rechtes giebt. Der Unlerstützungswohnsitz dagegen, welcher von Alt-Preußen auf den Norddeutschen Bund und von diesem auf das übrige Deutschland übergegangen ist, will sich enger au den Aufenthalts wechsel anschließen. Er geht (vom 24. Lebensjahre an) durch 2jährige Abwesenheit verloren und wird durch 2jährige Anwesenheit gewonnen. Oesterreich. Am 11. d. morgens, bereits um 8 Uhr, sandten von Schloß Laxenburg die Neuvermählten, Kronprinz Rudolph und Kronprinzessin Stephanie, gemeinschaftlich an ihre Eltern einen telegraphischen Morgengruß nach Wien ab, der umgehend vom Kaiser und der Kaiserin, dem Könige und der Königin der Belgier erwidert wurde. In gleicher Weise sandten die nächsten anverwandten Mitglieder des Kaiserhauses Grüße nach Laxenburg an die Neuvermählten, welche um elf Uhr das vegsuner L la eamera nahmen. Frankreich. Der gambettistische „Voltaire" erklärte, daß Frank reich Tunesien nicht annectiren werde; die Lösung werde eine Art von Schutzherrschaft, ein etwas voll ständigerer moäus vivenäi sein, als der für Egypten angenommene; Frankreich werde, nachdem es seine Kriegskosten zurückeihalten, sich mit der Verwaltung des Landes beschäftigen, um den Ackerbau und den Handel zu entwickeln und den Güteraustausch sicher zu stellen; die persönliche Stellung, welche man dem Bey bereiten werde, hänge von dessen Haltung ab. Rußland. In Petersburg hielt der Kaiser auf dem Mars felde die Frühjahrsparade ab. Großfürst Wla dimir commandirte die Truppen, welche im Parade anzuge mit voller Trauer. Der Kaiser ritt die Fronten ab, von zahlreicher Suite, worunter auch Botschafter und Militärbevollmächtigte, begleitet. Die Truppen begrüßten den Kaiser enthusiastisch. Die Kaiserin fuhr in einem zweispännigen Daumonl ebenfalls die Fronten entlang. Hierauf nahm der Kaiser und die Suite Ausstellung neben dem Zelte für die Kaiserin und die Großfürstinnen und ließ die Truppen vorbeimarschiren. Auf dem Platze waren an zwei Seiten dicht besetzte Tribünen für das Publikum; die beiden anderen Seiten wurden von einer zahllosen Volksmenge eingenommen, die das Kaiserpaar mit fortwährenden Hurrahs begrüßte. Alles verlief in größter Ordnung. In dem Flecken Beresowka (Gouvernement Cher son) fanden zwei Tage lang Tumulte statt, wobei jüdisches Eigenthum geraubt und die Häuser einiger Juden niedergebrannt wurden. Im Dorfe Wiktorowka im Odessaer Kreise erfolgte ein heftiger Zusammenstoß zwischen Bauern und den Dorfbe hörden wegen der an den Bauern gestellten Forde rung, das geraubte Eigenthum auszuliefern. Behufs Herstellung der Ruhe wurden Truppen aus Odessa abgesandt. Türkei. Die Pforte hat telegraphisch ein Circular an ihre Vertreter erlassen, in welchem sie die tunesische Frage historisch beleuchtet, ihre Suzeräne- tätsrechte rechtfertigt und die Vermittelung der Mächte behufs friedlicher Lösung anruft.