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llMlMM TnMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr ¬ lich L Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. —— Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 51. Donnerstag,, den 3. März 1881. "Waldenburg, 2. März 1881. Die deutsche Rübenzucker-Fabrikation seit 1871. Während die meisten deutschen Industrien nach einer kurzen Zeit ungeahnten Aufschwunges in der Mitte des vorigen Jahrzehntes in den verderblichen Strudel der Handelskrisis hineingerissen wurden, hat die deutsche Rübenzucker-Industrie, wenig berührt von dem allgemeinen Rückgang des Verkehrs und der Consumtion, ihre Production unter günstigen Absatzverhältnifsen stetig vergrößert und in dem Zeit raum von wenigen Jahren eine geradezu beispiellose Entwickelung genommen. Seit derCampagne 1871/72 ist die Production von Rohzucker von 1,8 Mill. D.-Ctr. auf 4,1 Mill. D.-Ctr. in 1879/80 gestiegen, also um mehr als 100 pCt., und ebenso hat sich die Production von Melasse, aus welcher schon seit Jahren auf einem allerdings complicirleren Wege wieder Rohzucker gewonnen wird, seit dieser Zeil mehr als verdoppelt. Die Situation dieser Industrie ist begünstigt und gefördert worden zunächst durch die technischen Ver besserungen, welche in derselben Eingang gefunden haben, und zwar ist die jetzt ziemlich allgemein ein geführte Saftgewinnung im Diffusionsverfahren in dieser Beziehung von besonderer Bedeutung gewesen. In der Campagne 1871/72 waren es erst 52 Fa briken, welche sich dieses Verfahrens bedienten, und insgesammt nur 3'/2 Mill. D.-Ctr. Rüben verar beiteten, jetzt, d. h. in 1879/80 haben bereits 291 Fabriken mit einem Nübenguantum von 44'/r Mill. D.-Ctr. dieses System adoplirt. Die unvergleichlich größere Ausnutzung des Zuckergehaltes der Rüben bei letzterem Verfahren verbilligte die Rübenzucker- Production und machte dieselbe namentlich dem in dischen Rohzucker gegenüber concurrenzfähiger, sodaß zunächst die Einfuhr ausländischer Rohzucker nach Deutschland zurückging, und jetzt auf kaum nennens- werthe Mengen reducirt ist, denn in 1871/72 be trug dieselbe noch gegen 450,000 D.-Ctr., in 1879/80 dagegen nur 45,000 D.-Ctr., welche bei dem Um fange der einheimischen Production gar nicht in Betracht kommen. Eine weitere Folge dieser technischen Fortschritte in der Fabrikation war dann die Steigerung der Concurrenzfähigkeit des deutschen Zuckers auf den ansländifchen Märkten und eine großartige Entwick lung des Exports nach denselben. Der Zuckerver brauch auf dem einheimischen Markte konnte in Folge des allgemeinen Darniederliegens der Geschäfte und der dadurch hervorgerufenen Consumtions-Einschrän- kungen keine Fortschritte machen und die Statistik berechnet auch den einheimischen Zuckerverbrauch für das Jahr 1879/80 nur auf 6,3 Kg. per Kopf der Bevölkerung, das ist auf weniger als in 1872/73. Die Industrie mußte deshalb das Ausland aufsuchen, und hier hat sie allerdings Erfolge erzielt, welche kaum Jemand erwartet hätte. Unser Rohzucker export, welcher in den ersten Jahren des verflossenen Decenniums kaum 100,000 D.-Ctr. erreichte, be lief sich im Jahre 1880 auf 2 Mill. D.-Ctr., also das Zwanzigfache; England ist der bedeutendste Consumenl unseres Rübenzuckers geworden und der indische Zucker dort so gut wie aus dem Felde ge schlagen. Es ist hierbei allerdings nicht zu verkennen, daß außer den technischen Fortschritten in der Fabrikation des Rübenzuckers auch noch ein anderer Umstand für die große Entwickelung unseres Rübenzucker-Exports, welcher sich gegenwärtig auf ca. 160 Mill. Mark pro g-nuo bewerlhet, bestimmend gewesen ist. Wir meinen den Umstand, daß die Export-Vergütungen vor Jahren in solcher Weise bemessen worden sind, daß sie jetzt bei den geringer gewordenen Productions- kosten eine Ausfuhrprämie für den Exporteur in- volviren. Die Industrie findet hierin jedenfalls eine bedeutende Stütze, aber sie wird sich darauf gefaßt machen müssen, die in der zu hohen Export bonifikation liegende Exportprämie über kurz oder lang zu verlieren, da der Staat natürlich nicht an- gehalten werden kann, eine Industrie, deren Situation noch dazu eine so gesunde ist, in dieser Weise auf Kosten der Gesammtheit zu unterstützen. Die Neu regelung der Zuckerexport-Vergütungen ist deshalb auch schon seit längerer Zeit geplant, und wird wohl allernächst zur Ausführung kommen. Wir fürchten von derselben nichts für die Industrie, da dieselbe inzwischen hinlänglich Zeit gehabt hat, ihre Position auf den ausländischen Märkten zu befestigen und im Allgemeinen wohl in der Lage ist, auf diesen extraordinären Exportgewinn zu verzichten. Jedenfalls bietet sich für unsere Rübenzuckerin dustrie noch ein weites Feld für die Ausdehnung ihres Exports und derselbe würde noch bei weitem größere Dimensionen annehmen, wenn es gelänge, unsere östlichen Nachbarstaaten dem deutschen Zucker zugänglich zu machen. Nach Rußland sowohl wie nach Oesterreich ist unser Zuckerexport sehr gering, was vornehmlich in der Steuerpolitik dieser Länder begründet liegt, und es wäre deshalb ein großes Verdienst, wenn die Regierung von den Nachbar ländern günstigere Bedingungen für die Einfuhr deutschen Zuckers zu erlangen vermöchte, ein um so größeres Verdienst, als in der Rübenzuckerfabrika tion wie in keinem anderen Industriezweige die Interessen der Landwirthschaft mit denen der In dustrie auf das Innigste verknüpft sind. "Waldenburg, 2. März 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Prinz und die Prinzessin Wilhelm nahmen am 1. d. nachmittags die Glückwünsche des Reichs- tagspräsidiums, der Deputationen des Magistrats und der Stadtverordneten, der Ehrenjungfrauen Berlins, einer Deputation aller größeren Städte der Monarchie, namens welcher Oberbürgermeister v. Forckenbeck die Ansprache an das Prinrenpaar rich tete, unv zahlreicher anderer Deputationen entgegen. Bei dem am Sonntag Abend vollzogenen Acte der standesamtlichen Civiltrauung des Prinzen Wil helm und der Prinzessin Augusta Victoria war Fürst Bismarck gegenwärtig. Derselbe nahm auch an dem Diner Theil; den weiteren Festlichkeiten Haler nicht beigewohnt. Durch ein eigenthümliches Zu sammentreffen war die erste Persönlichkeit, der Fürst Bismarck im Schlöffe begegnete — Graf Eulenburg. Die ehemaligen Collegen begrüßten sich auf das Verbindlichste, jedoch ohne weiter mit einander zu sprechen. Der „Norddeutschen" zufolge ist die Frage des Nachfolgers des Grafen Eulenburg bis 28. Februar mittags noch nicht entschieden. Alle An gaben der Blätter darüber eilten den Thatsachen allzusehr voraus. Bei der Etatsberathung im Reichstag, die sonst allen Parteien Gelegenheit gab, einen prüfenden Blick auf die Situation zu werfen, hat allein das Centrum das Wort nicht ergriffen. Diese der Partei sonst nicht eigene Schweigsamkeit ist bezeit- nend für die Taktik der Zurückhaltung und des Abwartens, die das Centrum allem Anscheine nach auch in dieser Session wieder zu beobachten gedenkt. Der Gesetzentwurf belr. die Fürsorge für die Wittwen und Waisen des Reichsbeamten ist dem Reichstage zugegangen. Wittwen- und Waisen geldbeiträge, welche die Beamten zu leisten haben, sollen danach jährlich 3 Proc. des pensionsfähigen Diensteinkommens, Wartegeldes oder der Pension be tragen mit der Maßgabe, daß der die Jahressumme von 9000 M. des Diensteinkommens oder Warte geldes und von 5000 M. der Pension übersteigende Betrag nicht beitragspflichtig ist. Das Wittwengeld soll nicht unter 160 und nicht über 1600 Mark betragen. Die Ausführungen Bebels gelegentlich der Budget- berathung im Reichstage gefallen selbst der „Frank furter Zeitung" nicht, obwohl sie stets mit den Socialdemokraten geliebäugelt hat. Sie schreibt: Es ist Herrn Bebel gleichgiltig, wer auf dem Stuhl des Reichskanzlers sitzt, ob Bismarck, Bennigsen oder Rickert; wäre etwa Bebel bereit, diesen Platz ein zunehmen? Wir glauben, Niemand würde den selben energischer zurückweisen, als er. Gesetzt aber, er nähme ihn in Besitz, kann er sich nur auch einbilden, die Kraft zu haben, eine totale Umgestal tung unserer Produktionsverhältnisse, worin er allein Rettung und Heil sieht, herbeizuführen? Er würde doch bald erkennen, daß eine solche Umwälzung nicht das Werk eines Mannes, nicht das einer Genera tion sein kann, daß das gesellschaftliche Leben, unab hängig von dem stärksten Einzelwillen, seine natür- türliche Entwickelung haben will und gegen jede ge waltsame Operation, mag sie auch den guten Zweck verfolgen, diese Entwickelung zu beschleunigen, kräftig reagirt. Da würde auch der Kanzler Bebel zu Palliativmitteln seine Zuflucht nehmen oder sich mit dem Geständniß, „daß es auch nichts sei" zurück ziehen müssen. Wir geben in Nachstehendem das statistische Macerial, mit welchem in der Reichstagssitzung am Freitag der Abgeordnete von Kardorff gegen den Abgeordneten Rickert zu Felde zog, um dessen Be hauptungen von dem Rückgänge unserer Industrie durch unsere Wirthschafts-Politik zu wider legen. Das Material ist amtlich und aus dem Archiv des statistischen Bureaus entnommen. Der Export hat sich im deutschen Reiche bis zu Ende des vorigen Jahres in allen Branchen gehoben. Gegen 1879 hat die Einfuhr von Bauwwollen- waaren im Jahre 1880 um 13,861 Doppel-Cent- ner nachgelassen, dagegen betrug die Ausfuhr 1879 nur 160,744 Doppelcentner, 1880 aber 211,144 Doppelcentner. In Eisenwaaren war die Einfuhr 1879 1,017,479 Doppelcentner, 1880 reducirte sie sich auf 409,648; die Ausfuhr stieg von 5,427,824 auf 6,698,420 Doppecentner, also auf beinahe 7 Millionen. Glaswaaren: Einfuhr 1879 153,513, 1880 heruntergegangen auf 56,294 Doppelcentner, die Ausfuhr 573,265 und 561,855 Doppelcentner, ungefähr gleichgeblieben, während also die Einfuhr sehr nachgelassen hat. Auch das ist kein ungünstiger Zustand. Lederwaaren 1879 Einfuhr 10,2s6, 1880 8604 Doppelcentner; Ausfuhr 30,576 Doppel centner 1879, aber 1880 48,405 Doppelcentner. In Leinenwaaren betrug 1v79 die Einfuhr 190,842 Doppelcentner, 1880 81,282 Doppelcentner. Die Ausfuhr von 62,000 auf 70,000 gestiegen, also offenbarer Aufschwung. In Kleidern Einsuhr 3555 und 2649, Ausfuhr 26,684 und 42,219 Doppel centner; Papier-Einfuhr 85,760 und 45,120, Aus fuhr 337,408 und 440,636 Doppelcentner; Seiven- waaren 7290 und 4636, Export 21,240 und 46,773 Doppelcentner. Der Verein der Eisen- und Stahl- Industriellen bat 746 Werke befragt über ihre Arbeiter zahl und Lohnverhältnisse. 264 von den befragten haben geantwortet; danach stellt sich die Sache