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Sie sah Hrr mrt den große« leuchtenden Augen a«. Und dann war es geschehen — sie lag an seiner Brust — er küßte sie/ ihr Mund drängte ihm sehnsüchtig entgegeu. — „Gwendoline, mein bist du — mein —" „Ar, dein bin icb, dein — Axel —" sie legte die Arme um seinen Hals und küßte ihn. Sie fanden eine Bank, eine stille, verschwiegene Bank in den Anlagen. Und da nahm er sie fest in seine Arme und schaute in ihr weißes Gesicht, in das unter seinem Blick eine leichte Röte bis zu dem blonden Haar stieg. Und er schaute auf den blühenden Mädchenmund, an dem er sich jetzt satt trank. „Siehst du, das war es, was ich vom Glück forderte — und ich hab' es bekommen, weil ich fest zugefaßt habe, ohne lange zu überlegen! — Dich wollte ich haben, und nun hab' ich dich —" Er lachte übermütig „Gwendoline, sag- mir, was hattest du dir gestern gewünscht und warst so traurig, weil du die Karte verloren und das als böses Omen betrachtet hattest —" Da barg sie erglühend den Kopf an seiner Schulter. „Willst du mich necken? Ach, lasse doch —" „Schämst du dich, daß du so abergläubisch warst? Ich weiß, was du dachtest — — und darum brachte ich dir Erfüllung deines Wunsches, der auch der meine war —" und zärtlich streichelte er ihre Wangen. „Hab ich mich so wenig beherrschen können?" fragte sie bang. Er lächelte sie in seiner bezwingenden Weise an. „Du Liebe — sorg' dich nicht darum! Ist es so arg, wenn ich deine trotzigen Gedanken erraten hatte?" Wie'von einem schweren, süßen Traum war sie befan gen. War es nicht einem Wunder gleich, daß sie hier neben ihm saß, von seinem Arm umschlungen — und kannten sich doch kaum! Und doch, von Ewigkeit her waren sie für ein ander bestimmt! „— Und was wird nun mit dem Examen?" fragte er in ihre Träume hinein. „Das wird gemacht, Liebster!" entgegnete sie kurz, „so kurz vor dem Ziel kehre ich nicht um. Oder möchtest du es —" „Warum sollst du dich weiter plagen? Nein —" „Axel, lasse mich! Ich darf nicht müßig sein! Womit sollte ich jetzt plötzlich ein Aufhören erklären? Es handelt sich ja nur noch um einige Wochen —" „Wenn ich reich wäre, Gwendoline, so würdest du mor gen meine Braut und bald mein geliebtes Weib sein!" „Ach, Liebster, wir sind es nun einmal beide nicht! — Du mußt noch viele Rennen reiten, um die Kaution zu sammen zu bringen!" lächelte sie schalkhaft, „denn ich — ich habe nichts!" „Ist deine reizende Person denn nichts?" fragte er, sie leidenschaftlich umfassend. Sie senkte den Blick tief in seine Augen. „Für dich wohl, mein Axel — aber für die Welt, für die Anforderungen des Daseins nicht! Soll ich für dich denken? Für dich vernünftig sein? — Dann muß ich schon jetzt den Anfang für dich machen; es wird Zeit, daß wir nach Hause kom men! Und das heute, jetzt, das behalten wir als eine unwahrscheinliche, schöne Erinnerung, als süßen Traum — und nichts darf mehr daran rühren, kein Wort, mein Axel — nur höchstens ein Blick; es muß vergessen sein, bis das Geschick uns günstig ist! — Ich habe Zeit, ich kann warten — auf dich! Nur dich mein wissen, Axel, als mein köst lichstes Eigentum — weil ich dich so über alles liebe " Eine unterdrückte Leidenschaft drang aus ihren Worten; sie warf sich an seine Brust, drückte ihr Gesicht dagegen. Er war berauscht von ihrer Art und suchte ihren Mund in heißem Kuß. „Ach, ßüßeste, du verlangst zu viel! Wir sehen uns fast täglich — und da soll ich darben! Nein, nein," er preßte sie an sich — „Gwendoline —" Sie schloß einen Moment die Augen. Die Versuchung war groß. Und was war weiter dabei, wenn sie in kurzen, flüchtigen Minuten Gruß und Kuß mit ihm austauschte — als Trost für ihre freudlosen Tage? Aber nein, es durfte doch nicht sein! Sie stand auf, und auf ihrem schönen Gesicht lag wieder der herbe, stolze Ausdruck wie sonst. „Axel, ich bin doch kein beliebiges kleines Mädel — ich bin deine Braut! Und ich bete inbrünstig, daß bald die Zeit kommt, wo du mich von meiner Mutter für da« Leben erbitten wirst! — Dann, Axel —" Hing-bendiah sir it« m«t ryren schonen Augen an, die wie dunkle Saphire schim merten. „Gwendoline —?" stammelte er, und dann neigte er sich über i^e Hand und küßte sie ehrerbietig. Siebentes Kapitel. Z« einem Elücksrausch kam Gwendoline nach Hause. Sie hatte wie der Welt entrückt im Straßenbahnwagen gesessen. War es denn wirklich wahr, was ihr soeben geschehen? Cie lächelte vor sich hin; sie sah nicht die bewundernden Blicke, die auf ihr hafteten, tausend Engelein jubilierten in ihrem Herzen — das Glück, es war gekommen — es hatte sie nicht vergessen! Leicht beschwingten Schrittes eilte sie die Treppe hinan zur Wohnung, und schloß leise die Borsaaltür auf. Die Lampe brannte auf dem kleinen Tisch. Im Wohnzimmer war auch noch Licht. Wie lieb und traulich ihr heute das kleine Heim erschien! Das machte: sie sah alles mit so ganz anderen frohen Augen an. Die Mutter nähte noch. „Du kommst spät heute, Gwendoline!" sagte die Baronin nach dem Eutenabendgruß mit milder Stimme, ohne die Augen zu erheben. Das junge Mädchen vermied ebenfalls ihren Blick. Sie legte die Büchertasche auf den Schreibtisch. — „Wie es so gerade paßte mit der Straßenbahn!" warf sie hin, „hier — Hannerl schickt dir ein Stück Torte und eine gebratene Tastbe, die sie für mich zum Abendessen bestimmt hatte. Die Torte ißt du jetzt noch und trinkst auch ein Elas Port- weiü dazu — er wird dir gut tun! Hannerl wünscht es, daß du jeden Tag welchen trinkst, sie schickt dir mehr." iTrotz des heftigen Widerstrebens der Mutter ging Ertzendoline nach dem Büffet, um ihr ein Elas Wein ein- zuKeßen. Doch zu ihrer Verwunderung war die Flasche, diS-sie gestern erst entkorkt hatte, leer! Sollte Malte sich heLte nachmittag darüber erbarmt haben? Aber sie hütete stch^ darüber eine Bemerkung zu machen, die vielleicht einen unliebsamen Wortwechsel hervorgerufen hätte! Nichts sollte ihr den heutigen Abend noch trüben. Darum wollte sie jetzt auch schlafen gehen. Beim Gutenachtsagen fielen ihr der Mutter zitternde Hände und rotgeränderte Äugen doch auf. Das immer noch feine und trotz aller Sorgen anmutige Gesicht sah so merk würdig alt und verfallen aus. Eine Ängst erfaßte sie plötz lich. Sie nahm die welken, verarbeiteten Hände der Mutter in selten erwiesener Zärtlichkeit in die ihren. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. Der OPfcrhammcl. — In Günterode, wie in vielen andern Dörfern des Eichsfeldes bestand bis vor etwa 40 Jahren die Sitte des Hammeleinholens zur Kirmesfeier. Nun mehr hat man diesen Brauch wieder aufleben lassen. Auf geputztem Erntewagen holen die Burschen das aus der Schafherde ausgewählte Tier vom Felde ab, um es auf dem Angerstein im Beisein der gesamten Jugend zu „opfern". Im Gemeindebackhaus werden dann die Braten hergerichtet, die die Burschen und Mädchen gemeinsam verzehren, wie sie auch alle Kosten gemeinsam tragen. Tie moderne Türkei. — Zum erstenmal« wurde vor kurzem in Konstan tinopel eine Hochzeit im modernen Stil gefeiert. An 200 Personen waren Einladungen ergangen, und die Braut erschien ohne Gesichtsschleier. Der Geistliche richtete an diese die Frage, ob sie auf Grund des Vertrages, der ihr 150 türkische Pfund sofort und im Falle einer Scheidung nochmals den gleichen Be trag zusichere, die Ehe mit dem Verlobten eingehen wolle. Früher sand die Hochzeit nur im engsten Fa milienkreise statt, und die Verlobten bekamen sich erst nach Erledigung aller Förmlichkeiten zu sehen. Auch das Pfeifchen soll nunmehr daran glaube«. — Ein amerikanischer Chemiker hat sich an die Spitze einer Bewegung gestellt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, einen vernichtenden Kampf gegen den Tabak zu führen. Es soll bereits ein Kampffonds don 1 Million Dollars vorhanden sein. Wer aus diese« Kampfe als Sieger hervorgehen wird, mut »daewartet werden. . N) u * Schönburgifther Erzähler «> Sonntagsbeilage zum ^Schönburger Tageblatt un- Walöenburger Anzeiger" Nr. 43 Sonntag, üen 25. Oktober 1425 servft. Run rauscht das welke Laub zu meinen Füßen, Da ich zuletzt die stillen Wege geh. — Mir ist, als müßt ich sie mit leisem Weh Wie eiue« lieben Freuud zum Abschied grüße«. Die Blätter sind gleich späten Schmetterlingen, Berauscht und taumelnd ist ihr kurzer Flug. Wie eineu seltsamen Bacchantenzug Trägt sie -er Sturm durchs Land ans seinen Schwinge«. Jetzt heißt es lang' für Glück »nd Sonne büßen! — Wie meine Seele dieses Lei- verstand,— Mir ist, als müßte ich das welke Laub Wie eiueu lieben Freund zum Abschied grüßen. Friedl Schreyvogrl. Vom Glück vergessen. Roman von Fr. Lehn«. (Nachdruck verboten.) 3. Fortsetzung. Blanka war sehr böse,'es paßte ihr gar nicht, daß Hanna die Loge verlassen hatte. Das hatte sie nur Gwendoline zu verdanken, der es gewiß zu langweilig geworden war, und die Hanna aufgestachelt hatte zum Mitgehen. „So ernst, Baronesse? Freut Sie mein Sieg nicht?" fragte er halblaut, während Blanka von einem Ulanen- offizier angesprochen wurde, mit dem sie die Pferde musterte, die für das nächste Rennen gesattelt waren. „Nichts hat mich bisher mehr gefreut als dieser Sieg" — und groß schlug sie die Äugen zu ihm auf, „ich hab für Sie gewünscht mit allen Kräften! — Doch ich habe mein Billet auf Sie verloren!" sagte sie leise, „unbegreilicherweise! Als ich meinen Gewinn holen wollte, war die Karte fort!" Ihre schöne dunkle Stimme zitterte — „ich bin ein wenig aber gläubisch, Herr von Kronau!" versuchte sie zu scherzen; doch es gelang ihr schlecht. Er verstand den verborgenen Sinn ihrer Worte. Nicht um den entgangenen Gewinn trauerte sie — nein — da war noch etwas anderes. „Hatten Sie noch einen besonderen Wunsch dabei?" fragte er. Dunkle Glut übergoß ihr Gesicht. Sie nickte und blickte zu Boden. Und als sie die Augen hob, sah sie Blanka wieder in ihrer nächsten Nähe stehen, die gespannt sie und Kronau beobachtete. Es fröstelte sie plötzlich. Vom nahen Musikpavillon klang „Wolframs Lied an den Abendstern". Die ernsten Klänge machten sie traurig. „Komm, Hannchen," sagte sie, „wir wollen wieder zu unseren Plätzen, damit die Mama uns nicht vermißt!" Mitleidig sah Kronau Hanna nach, die doppelt küm merlich neben der schlanken, stolzen Gestalt der Freundin wirkte. Blanka war seinem Blick gefolgt. Sie seufzte. „Meine arme Schwester! Sie ist so leidend! Und dabei so gut! Was tut sie alles an der Baronesse Reinhardt! Mein Gott, die Leute sind ja zu bedauern. Mama opfert sich beinahe für die Fapnlie. Sie sind so arm, die Rein hardts —" „Die Baronesse machte vorhin eine Andeutung." „Ach so, ja —! Der bekante Sportsmann Baron Rein hardt war ihr Vater —" „Ach der —! Dem Namen nach kenne ich ihn sehr gut!" entgegnete er lebhaft, „er war seinerzeit einer der besten und waghalsigsten Reiter. Der also ist der Vater der Ba ronesse —" „Ein wenig Glücksritter war er auch nebenbei, leicht, sinnig bi» Zum äußersten —" „So? Dann scheint ihm der Sohn ja nachzuarten! Die Tochter dagegen " ist ebenfalls abenteuerlich veranlagt! Ihr größter Wunsch ist, zur Bühne zu gehen, da sie eine ganz passable Stimme hat! — Ich bitte Sie, Herr von Kronau, eine Dame der Aristokratie und ein solcher Wunsch —!" sagte sie hoch mütig. Die Baronin ist so schwach ihren Kindern gegen über! Mama hat bestimmt, daß Gwendoline ihr !Zehre- rinnenexamen macht, da sie daraus angewiesen ist, Geld zu verdienen!" Axel von Kronau war ein wenig betroffen. Das levke in der schönen, kühlen Gwendoline? — Ihn verstimmte es. Lockend wie ein schillernder Schmetterling stand Blanka vor ihm in ihrer gepflegten, jungen Schönheit, die auch andere anzog. Er wollte sie weiter nach Gwendoline fragen, doch er kam nicht mehr dazu, da ihn Kameraden anredeten, die er Blanka vorstellen mußte. Sie fühlte sich in ihrem Ele ment. Schlagfertig klang Rede und Gegenrede. Dabei ließ sie ihre Blicke umherschweisen; ihr entging nichts. Jetzt stutzte sie ein wenig. Da an der Restauration stand Malte von Reinhardt und sprach hastig und verstohlen mit einem jungen, rotharrigen Ding, das ihr vorhin schon aufgefallen war durch die feine, graziöse Figur, durch die pikante Farbe des Haares und dem trotz der billigen Kleidung großen Schick der Haltung. Die Unterhaltung der beiden hatte nicht zwei Minuten gedauert; dann eilte Malte schon wieder zum Totalisator. Blanka lächelte in sich hinein; sie hatte wieder Stoff, Malte bei passender Gelegenheit zu ärgern. Die Frau Kommerzienrätin saß schon in der Loge und empfing die beiden jungen Mädchen sehr ungnädig; in der Hauptsache aber galten ihre mehr oder weniger versteckten Vorwürfe Gwendoline, der Hanna dafür beruhigend die Hand drückte. Was lag Gwendoline an der Ungnade der Tante Likowski! Ihre Gedanken waren ganz wo anders! Wie Blanka so selbstverständlich neben Axel gestanden, als sei das der ihr gebührende Platz. Sie hätte weinen mögen! Malte hatte wenig Glück am Totalisator gehabt. Be trübt kam er an und reichte Hanna die silberne Börse, in der nur noch ein Fünfmarkstück ein einsames Dasein fristete. „Pleite, Jeannettchen! Heute geht alles quer!" „Noch nicht ganz!" lächelte Hanna, also noch nicht die Hoffnung aufgeben! Versuchen Sie mit diesem letzten Mohikaner Ihr Glück! Nicht den Mut sinken lassen!" „Wäre ich erst wieder daheim!" dachte Gwendoline. Eine immer größer werdende dumpfe Traurigkeit hatte sich ihrer bemächtigt, deren sie nicht Herr werden konnte. Da sah sie wieder den Sammethut und die aparte, apfelgrüne Toilette Blankas auf dem Rasen auftauchen und daneben die dunkle, ernste Artillerieuniform und die Frau Kom merzienrätin lächelte süß nach der Tochter hin, die ihr fröhlich zuwinkte, jedoch nicht eher wieder in die Loge kam, bis die Rennen zu Ende waren. Dann kam sie eilig an. „Kronau läßt sich dir empfeblen. Er ist mit den anderen Herren! Er freut sich, daß Leut nant Warner das letzte Rennen noch gemacht hat — du weißt, Mama, der schwere Reiter, der neulich bei Konsul Niederer mein Tischherr war —" Sie plauderte und plau derte, ohne Gwendoline zu beachten. Als Selbstverständ lichkeit betrachtete sie es jetzt, den Platz neben der Mutter im Auto einzunehmen. Im letzten Augenblick vor der Abfahrt des Wagens kam Malte noch angestürzt. „Jeannettchen, etwas hab' ich zuguterletzt doch noch ge wonnen!" rief er freudig — „vierundzwanzig auf zehn gab's — also zwölf Emmchen für Sie — er legte die Börje in Hannas Hand, indem er die zarten Finger verstohlen drückte.