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chönbm'M Tagelcklt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile IO Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 20. Mai 115. 1881. Bekanntmachung. Die noch rückständige Einkommensteuer ist zu Vermeidung der Einleitung des Mahnverfahrens gegen die säumigen Beitragspflichtigen nunmehr sofort zu bezahlen. Stadtsteuer-Einnahme Waldenburg, am 19. Mai 1881. *Waldenburg, 19. Mai 1881. Zur politischen Lage. Der Reichstag hat den übrigen Gesetzesleichen nun auch noch die Brausteuergesetzleiche hinzugefügt. Das Loch, welches in die Steuerreform des Reichs kanzlers bereits gerissen ist, wird dadurch nur noch erweitert. Die „Pro.-Corr." wendet sich in dieser Beziehung gegen die Behauptung, daß Fürst Bis marck erst durch die Steuerreform und den neuen Zolltarif das Einvernehmen mit den National liberalen gestört habe. Sie sagt, die Liberalen hätten gewußt, was Fürst Bismarck unter Steuer reform verstand und daß eine Steuerreform in seinem Sinne ohne einen anderen Zolltarif gar nicht möglich war. Neber die beabsichtigte Ausdehnung der Steuerreform habe sich der damalige Finanz minister Hobrecht am Klarsten und Bündigsten aus gesprochen. Habrecht sei heute einer der Führer der Nationalliberalen und um so mehr sei zu erwarten, daß diese Partei, indem sie die von der Regierung eingeschlagenen Mittel und Wege verwerfen zu müssen glaube, doch dafür eine anderweitige Ver wirklichung seines Programms ihren ganzen Einfluß verwende. Der französische Triumph in Tunis hat in Eng land und Italien arg verschnupft. Das englische Kabinet hat wegen der französischen Absichten auf Bizerta eine Note an Frankreich gerichtet, worauf Barthelemy St. Hilaire antwortete, Frankreich denke nicht daran, einen Betrag von 150 Millionen Kosten, den die Verbesserung des Hafens von Bizerta erheischen würde, sich aufzubürden, Frankreich habe bereits mit 2'/s Millionen Arabern zu schaffen, die zur Unbotmäßigkeit und zu Erregung von Unruhen geneigt seien und denke nicht daran, diese Zahl durch weitere 1,600,000 Araber in Tunis zu ver mehren. Frankreich denke endlich — ohne jedoch eine absolute Verpflichtung für die Zukunft zu über nehmen — nicht im Entferntesten daran, Tunis zu annectiren und hoffe, England werde seinen Ver sicherungen Glauben schenken. Auch die Pforte ist über den Vertrag von Tunis sehr wichsig geworden; in einem Rundschreiben an die Vertreter der Mächte in Auslands erklärt sie denselben für null und nichtig, da er unter außer ordentlichen Bedingungen und im Widerspruch mit den Rechten des Sultans abgeschloffen sei. Die Absetzung des Bey von Tunis indessen ist bis jetzt noch nicht bestätigt worden. In Rußland dominirt der Eindruck, den das kai serliche Manifest hervorgerufen, der im Allgemeinen höchst ungünstig ist. Der Kaiser soll darüber ganz erschreckt gewesen sein und geäußert haben: „Ich werde mißverstanden, ich habe nur die bestimmte Basis bezeichnen wollen, auf welcher Reformen vor sich zu gehen haben, und ich werde nun der starrsten Reaction bezichugt!" Der neue Minister des Innern, Jgnatieff, hat denn auch bereits durch ein Circular an die Gouverneure die kaiserlichen Absichten erläu tert. Er weist darin auf die dunklen Seiten der gegenwärtigen Gesellschaft, wie auf die irreligiöse Erziehung der Jugend, die Unthätigkeit der Behörden, die gewinnsüchtige Behandlung des Staatseigenthums u. s. w. hin und schließt: „Der Adel und alle anderen Stände sollen die Sicherheit besitzen, daß alle ihre Rechte unangetastet bleiben. Der Bauernstand kann sicher sein, daß die Regierung nicht blos alle ihm gewährten Rechte aufrechterhalten, sondern auch dafür sorgen werde, das Volk möglichst zu entlasten und seine wirth- schaftlichen Verhältnisse zu bessern. Dabei werde die Regierung unverzüglich Maßregeln ergreifen, einen Modus festzustellen behufs Sicherung und Theilnahme lokaler Kräfte an der Durchführung der allerhöchsten Pläne." *Waldenburg, 19. Mai 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat mit großem Eifer nach seiner Rückkehr aus Wiesbaden alle seine Arbeiten wieder ausgenommen und sich in gewohnter Weise den militärischen Angelegenheiten bis in die kleinsten Details zugewendet. Bekanntlich ist als Schußwaffe für die schwere Kavallerie an Stelle der bisherigen Pistolen der Revolver eingeführt. Der Kaiser hat die Vorstellung eines Mannes vom Regiment Gardes du Corps in voller Ausrüstung und zwar zu Pferde auf dem Hofe seines Palais befohlen, um selbst zu bestimmen, wie der Revolver in Zukunft in der praktischsten Weise befestigt und getragen werden soll. Der Bundesrath wird in seiner Freilagssitzung die Vorlage über die Festsetzung einer Zollgrenze in Bezug auf den Anschluß der Unterelbe an das deutsche Zollgebiet, sowie einen Antrag Preußens auf Auflösung des in Hamburg bestehenden Haupt zollamts und Auflösung der dort bestehenden Zoll vereinsniederlage berathen. Die Nachricht, daß der Kaiser die Vorlage, be treffend die Errichtung des Reichstagsgebäudes auf dem Platze des Palais Raczynski bereits un terzeichnet habe, bestätigt sich nicht. Nach zuver lässigen Mittheilungen aus parlamentarischen Kreisen ist die Vorlage mit Bemerkungen des Kaisers ver sehen, aus dem Cabinet in's Staatssecretariat des Innern zurückgelangt, so daß erst eine Umgestaltung der Vorlage nach den vom Kaiser ausgesprochenen Wünschen erfolgen muß, bevor sie dem Monarchen zur definitiven Unterschrift wieder vorgelegt werden wird. Es verlautet bestimmt, daß die Verhandlungen wegen des österreichischen Handelsvertrags gescheitert sind und daß nur die Behandlung auf dem Fuß der Meistbegünstigung vereinbart sei. Noch niemals hat am goldenen Horn ein Bot schafter oder Gesandter einer fremden Macht einen so großen Einfluß auf den Sultan ausgeübt, wie ihn jetzt thatsächlich Graf Hatzfeld, der deutsche Botschafter, gewonnen hat. Er hat zu jeder Zeit Zutritt zum Sultan, der Alles aufbietet, um die Wünsche des Botschafters zu erfüllen. Es heißt, der Sultan wünsche lebhaft, daß Graf Hatzfeld als Vertreter des deutschen Reiches bei der Pforte bleiben und seine Berufung nach Berlin soweit wie möglich hinausgeschoben werden möge. Graf Hatz feld steht in besonderer Gunst des Reichskanzlers, der ihn für einen seiner befähigsten diplomatischen Mitarbeiter hält. Im Wochenbericht über Getreide rc. im „Bör- sen-Cour." Nr. 238 vom 14. d. M. heißt es unter Anderem: „Vorwiegend feste Haltung bewahrt nach wie vor der laufende Monat, da die Hausseepartei fortfährt, die zur Kündigung gebrachten Partien aufzunehmen. Die endliche Abwickelung der noch bestehenden Engagements wird durch dieses Vorgehen natürlich immer mehr erschwert, und erscheint es daher gerathen, da es offenbar auf Gewalt sachen am Schlüsse des Monats abgesehen ist, die Lösung etwa noch bestehender Baisse-En gagements nicht zu weit hinauszuschieben." Dies alles heißt für den Laien nichts anderes als: Die großen Speculanten treiben, indem sie sämmtliches Getreide aufkaufen, die Preise desselben zu einer enormen Höhe. Und dem armen Manne wird wieder einmal das Brot vertheuert. Das ist denn doch die verwerflichste Art der Verwendung des Kapitals. Es wäre interessant, die Namen der Ge- treide-Speculanten zu erfahren. Der Präsident des Reichstags v. Goßler hat die feste Uebsrzeugung ausgesprochen, daß es gelingen werde, die Session des Reichstages vor Pfingsten zu schließen. Um Zeit zu gewinnen, sollen daher die Sitzungen bereits um 10 Uhr früh beginnen und erforderlichenfalls Abendsitzungen eingeschaltet werden. Das zu bewältigende Material ist noch ziemlich umfangreich. Oesterreich. Aus Brody (Galizien) wird gemeldet: Ber- dyczew steht in Flammen. Ein Theil der Ein wohnerschaft hat die Flucht nach Brody angetreten. Die Bevölkerung Berdyczews hat um Garnison nachgesucht und sie endlich gegen ein Entgelt von 800 Rubel per Tag erhalten. Aus Woloczyska wird gemeldet: Gestern Abend überfielen 200 Bauern Woloczyska und zerstörten 30 Juden häuser. 15 Ruhestörer wurden verhaftet, die übrigen entflohen. Frankreich. In der Münzconferenz setzte am 17. d. Howe (Amerika) die Vortheile der Ausdehnung des Bime- tallismus zur Erleichterung der internationalen Zah lungen auseinander. Der Deputirte Vrolik legte die Motive dar, welche in den Niederlanden dazu geführt hätten, den Bimetallismus an Stelle des Monometallismus zu setzen. Der Delegirte für Britisch-Jndien, Mallet, sprach über die Nachtheile, welche in Indien durch die Herabsetzung des Werthes des Silbers verursacht worden seien und erklärte sich bereit, jede Maßregel zur Hebung des Silber- werthes zu unterstützen. Der schwedische Delegirte Forssell vertheidigte die Goldwährung. Rußland. Eine Proclamation der Nihilisten als Ant wort auf das Manifest des Zaren sagt: Wir accep- tiren den uns aufgedrungenen Krieg und fürchten uns nicht vor des Zaren Macht. Die Nachrichten aus Odessa lauten ungünstig. Alle Magazine sind geschlossen, die Straßen von Truppen angefüllt. Das Militär erschien ohne Waffen. Auch griechische Handlungen wurden aus geraubt. Im Katharinenkanal zu Petersburg wurden un weit der steinernen Brücke am 16. d. zwei unter Wasser versenkte, mit schwarzem Dynamit gefüllte Gummikissen aufgefunden. Beide Kissen enthielten 126 Pfund Dynamit. Er waren keine Leitungen vorhanden, woraus zu schließen ist, daß der Dyna mit ins Wasser als unnöthig geworfen worden ist. Ein Correspondent der Moskauer „Deutschen Ztg." schließt einen seiner Briefe über die Juden verfolgungen in Rußland mit folgenden Worten: „Ohne Zweifel wird die jüdische Presse des Aus-