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Beilage zu Nr. 248 Schönburger Tageblatt unö Walbenvurger Anzeiger Freitag, den 23. Oktober 1931 Die Knse m -er WirtschaftsparLei. Die Gründe zur Regierungsunterslühung. Berlin, 21. Oktober. Dec Vorstand dec Wirtschaftsparlei hielt im Preußi schen Landtag eine Sitzung ab, in der in der Hauptsache fragen der Parteiorganisation besprochen wurden. Es wurde beschlossen, den Reichsausschuß für kommenden Mitt woch nach Berlin einzuberufen. .. Reichstagsabgeordneter Mollath erstattete einen Bericht über die Stellungnahme der Fraktion zum Kabinett Grüning. An der Sitzung nahm auch der ehemalige säch liche Staatsminister Dr. Weber teil, der sein Amt als zwei ter Parteivorsitzender niedergelegt hat, nach wie vor aber dem Parteivorstand angehört. Auf der Wahlkreiskonferenz der Wirtschaftspartei in Stettin, die die Haltung der Frak- Uon einmütig gebilligt hat, hat der Reichstagsabgeordnete vreybe erklärt, daß für die Stellung der Wirtschaftspartei ganz besonders der Umstand maßgebend gewesen sei, daß Mischen Deutschnationalen und Nationalsozialisten nicht die unbedingt notwendige gemeinsame Zielsetzung in lebens wichtigen Fragen der Nation vorhanden war. Für die Stellung der Wirtschaftspartei sei weiter maßgebend ge wesen, die unbedingte Sicherheit der Erhaltung der Wäh rung, um besonders den Mittelstand vor einer zweiten In flation zu schützen, in die das deutsche Volk durch wäh- rungstechnische Experimente und durch die politische Ent wicklung geraten wäre. Besonderen Eindruck machte es, daß der preußische Araklionsvorsitzende der Wirtschaftspakte;, Abg. Ladendorff, Hessen scharfe Opposition gegen die Weimarer Koalition be- kannt ist, zum Ausdruck brachte, daß er in engster Fühlung wit der Reichskagsfrakkion an der Entschließung beteiligt war und die Stellung der Reichskagsfraktion voll und ganz billige. * Auch Chemnitz hinter Dr. Weber Lhemnih, 22. Oktober. In einer stark besuchten außerordentlichen Mitglieder versammlung der Reichspartei des Deutschen Mittelstandes Wirtschaftspartei), Ortsgruppe Chemnitz und Umgebung, berichtete Reichstagsabgeordneter Lucke über die Vorgänge, bie zur Unterstützung des Kabinetts Brüning durch die Reichstagsfraktion geführt haben. Nach eingehender Aus- !prache, in der die Geschlossenheit stark zum Ausdruck kam, wurde folgende Entschließung einstimmig gefaßt: Die außerordentliche Mitgliederversammlung der Orts- gruppe Chemnitz der Reichspartei des Deutschen Mittel standes (Wirtschäftspartei) mißbilligt die Haltung der Reichs lagsfraktion bei der entscheidenden Abstimmung, auch daß die sächsischen Reichstagsabgeordneten durch Fraktionszwang den ihnen erteilten Anweisungen zuwiderhandeln mußten. Der Vorstand wird beauftragt, geeignete Maßnahmen zu treffen. Reichstagsabgeordneter Lucke erklärte seine grundsätz liche Uebereinstimmung mit dieser Entschließung. Ireilal. Der Vorsitzende der hiesigen Ortsgruppe der Wirtschaftspartei legte sein Amt nieder und erklärte zugleich Men Austritt aus der Partei. Eine in den nächsten Tagen stattsindende Ortsgruppenversammlung wird die Auflösung beschließen. — Die Mitglieder der Wirtschaftspartei in T h a- vandt beschlossen, die Mitgliedsbeiträge so lange nicht zu Zohlen, bis die Streitigkeiten um die Abstimmung im Neichs- geklärt sind. Naumburg. Der Vorstand der Wirtschaftspartei, Orts- gruppe Naumburg, beschloß einstimmig, aus der Wirtschafts partei auszutreten und die Ortsgruppe aufzulösen. Der Ve- Wuß geht auf die Stellungnahme der wirtschaftsparteilichsn Reichstagsmitglieder zurück, die hier scharf verurteilt wird. Die Fraktion der Wirtschaftspartei im Stadtverordnetenkol- fgum faßte den Beschluß, sich der Fraktion der Deutschna- stonalen anzuschlicßen. Erläuterungen zur Vürgerfleuer. Zur Klärung von Zweifeln. Im Zusammenhang mit der Verordnung über die Durchführung der Bürgersteuer für das Jahr 1931 hat der Reichsfinanzminister einen Erlaß heraus gegeben, in dem es u. a. heißt: Für das Rechnungsjahr 1931 unterliegen der Steuer wir die Personen, die selbständig auf eigene Rechnung leben, wwie die, die ein selbständiges Einkommen haben und im Mushalt der Eltern oder sonstigen Verwandten leben. Die »r Einkommensteuerfreie vorgeschriebene Ermäßigung des Mndessatzes gilt nicht für Personen, deren landwirtschaft- 'Hes, forstwirtschaftliches und gärtnerisches Vermögen. Grundvermögen und Betriebsvermögen unter Zugrunde- °gung der Einheitswerte zusammen 10 000 RM übersteigt: herbei ist das Vermögen von Ehegatten, die nicht dauernd rfivvnnt leben, zusammenzurechnen. Geändert sind die Vor- ^nften Uber den maßgebenden Einkommensteuerabschnitt, euen Ergebnis entscheidend ist für die Frage, ob wegen c!Wmnrensteuerfreiheit die Steuerermäßigung auf die r» » b" gewähren ist, sowie ferner für die Frage, welcher ,.,^'mufe der Pflichtige nach seinem Einkommen zuzu- Mnen ist. Für die Bürgersleuer 1930 war der Steuerabschnitt maßgebend, der dem in das Rech- di "Ujahr fallenden 1. Juli unmittelbar voranging. Für ick-'ö^^steuer 1931 jedoch ist der Steuerabschnitt ent- m "essen Ende mindestens ein Vierteljahr vor Beginn Rechnungsjahres liegt. Personen, die im Haushalt oder Betriebe eines Arbeitskraft ersetzen, Haussöhnen oder Haus- Eink"^ 'n der Wert der freien Station auch dann zu den UM» ü wenn ein besonderer Dienstvertrag , besteht: hierbei ist der Wert der freien Station mit den für den Steuerabzug vom Arbeitslohn maßgebenden Sätzen anzusetzen. Zu ihm sind die für die Tätigkeit ge währten sonstigen Vorteile wie Kleidung, Taschengeld usw. hinzuzurechnen. Es ist einkommensteuerfrei und damit Ermäßigung der Steuer aus die hälste gegeben, wenn der Pflichtige für 1930 eine Steuer tatsächlich nicht zu entrichten hatte. Hierbei kommt es auf den Grund der Einkommensteuerfrei heit nicht an. Es ist also zum Beispiel gleichgültig, ob die Einkommensteuerfreiheit auf Arbeitslosigkeit in diesem Jahr beruht oder (bei Gewerbetreibenden) auf schlechtem Geschäfts gang oder darauf, daß der Steuerpflichtige damals noch nicht — zum Beispiel wegen Jugend — eine gewinnbrin gende Tätigkeit ausübte. Die hier über die Heranziehung von Ehegatten getrof fene Regelung löst eine Reihe von Zweifeln, die in dieser Beziehung für 1930 bestanden. Was in diesen Fällen die gesonderte Heranziehung der Ehefrau anlangt, so war für die vorgesehene Beschränkung der Steuer auf die Hälfte der Gedanke maßgebend, daß für die Frage der Befreiung und für die Bemessung der Bür gersteuer das Einkommen beider Ehegatten zugrunde gelegt wird, während doch der erheblich größere Teil dieses Ein kommens auf den Ehemann zu entfallen pflegt. Gegenüber der Regelung für 1930 ist ferner hervorzuheben, daß sich die Befreiung des Ehemannes in den Fällen, in denen sie auf fehlendem Wahlrecht oder auf dem Bezüge von Ar beitslosen- oder Krisenunterstützung beruht, nicht ohne wei teres auf die Ehefrau erstreckt. Bei der Prüfung, ob die Einkünfte des Erwerbslosen und seiner Ehefrau 500 RM übersteigen, sind die Arbeitslosen- und Krisenunterstützung sowie alle anderen einkommensteuerfreien Bezüge nicht mit zuzählen. Ist eine Ehefrau -m Slichkage (10. Oktober 1931) noch nicht 20 Jahre alt gewesen, so ist sie von der Bürger steuer befreit. Von ihr darf daher eine Steuer nicht angefordert werden. Wird, wie dies der Regel entspricht, die Steuer vom Ehe mann angefordert, so ist nicht das Eineinhalbfache, sondern nur das Einfache der Steuer zu fordern. In den Fällen, in denen dies übersehen worden ist, hat die Gemeinde die An forderung zu berichtigen und dem Arbeitnehmer zu diesem Zwecke gegebenenfalls eine entsprechende Bescheinigung zur Vorlage bi dem Arbeitgeber auszuhändigen. Preußen fordert: Abbau der Fürsorgeerziehung. Im Rahmen des Sparprogramms hat das preußische Wohlfahrlsministerium eine Vorlage ausgearbeilel, die auch auf dem Gebiet der Fürsorgeerziehung zu Ersparnissen füh ren soll. Im preußischen Etat sind 25 Millionen RM für die Fürsorgeerziehung vorgesehen. Weitere 15 Millionen RM werden von den Kommunalverbänden aufgewendet. Der Abbau der Fürsorgeerziehung soll in der Hauptsache durch eine Herabsetzung der Altersgrenzen erreicht werden. Da es sich bei der Fürsorgeerziehung um eine Angelegenheit Han- I delt, die vom Reich geregelt werden muß, ist die preußische , Vorlage dem Reichsinnenministerium vorgelegt worden. ; Das Reichsinnenministerium hat den Entwurf zunächst den Länderregierungen und verschiedenen interessierten Organi- ' sationen zur Stellungnahme zugeleitet. In dc« bisher vorliegenden Aeußerungen werden starke Bedenken gegen die preußischen Vorschläge vorgebracht. Das Reichsinnenministerium beabsichtigt, demnächst die be teiligten Organisationen zu einer Besprechung einzuladen, um in gemeinsamen Verhandlungen die Möglichkeiten für Einsparungen bei der Fürsorgeerziehung zu prüfen. Russische Moraioriumsgerüchie. Die Zahlungsfähigkeit dec Sowjetunion. Berlin, 22. Oktober. In einem Artikel des in Berlin erscheinenden Zen trumsorgans, der „Germania", wonach angeblich die Sowjetrussen mit deutschen Firmen über die Verlängerung von Rußland-Wechseln bezw. über ein Zahlungsmoratorium verhandelten, wird von zuständiger Seite Stellung ge nommen. Es wird darauf hingewiesen, daß keinerlei Anzeichen auch nur für eine solche Absicht von sowjetrussischer Seite bestünden. Im einzelnen wird noch ausgeführt, daß die für deutsche Aufträge fälligen Zahlungen ohnehin niemals ausreichen könnten, um einen Moratoriumsanspruch oder gar finan ziellen Zusammenbruch Sowjetrußlands zu begründen. Die Höchstsätze für die Fälligkeiten (Beträge in Reichsmark) seien im letzten Viertel des laufenden Jahres 40 Millionen, im ersten Viertel des Jahres 1932 55 Millionen, im zweiten ' Viertel 78 Millionen, und dritten Viertel 82 Millionen und s im vierten Vierteljahr 165 Millionen, wobei gerade von diesem letzten Posten Verschiebungen in das Jahr 1933 möglich seien. Im übrigen sei es bekannt, daß die Sowjetregierung seit zwei Jahren einen scharfen Kampf um die Beschaf fung von Devisen führe und selbstverständlich erst recht während der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise ver schärft um Sunden werbe. Die Zahlungsbilanz der Sowjetunion sei in der zweiten Hälfte des Jahres 1930 mit 87 Millionen passiv (Ausfuhr 397 Millionen, Einfuhr 484 Millionen), in der zweiten Hälfte des Jahres 1931 mit 152 Millionen passiv (Ausfuhr 309 Millionen, Einfuhr 461 Millionen). An diesem Passiv posten von 152 Millionen sei jedoch Deutschland mit 50 v. H. vermöge seiner Einfuhr aus Rußland-Bestellungen beteiligt. Ausdehnung des kommunalen LastensenlungsgebietS Berlin, 22. Oktober. Aus Anregung des Abgeordneten Dr. Gerecke beschäfti- gen sich jetzt die beteiligten Regierungsstellen mit der Frage, ob die infolge der allgemeinen Realsteuersenkung erzielten Ersparnisse an Mitteln der Reichsosthilfe zur Ausdehnung des bisherigen kommunalen Lastensenkungsgebietes auf wei tere Landkreise und Landgemeinden in den Provinzen Pommern, Brandenburg und Niederschl e» sien verwendet werden können. Vereinfachungen bei -er Reichswehr Kein repräsentativen Posten. Berlin, 21. Oktober. Der Reichswehrminister hat eine Anzahl von Verein fachungsmaßnahmen bei der Reichswehr angeordnek, dis auch der allgemeinen Sparsamkeit dienen sollen. Die unnötige Listenführung aller Art wird bemängelt, durch eine neue Postvorschrift soll eine Ersparnis von Post ordonnanzen eintreten. Eine Einschränkung des im Fern sprechvermittlungsdienst beschäftigten Personals ist not wendig, der Druckereibetrieb ist im allgemeinen zu groß und muß eingeschränkt werden. Soldaten aus der Truppe dürfen nicht als Drucker kommandiert werden. Weitere Vereinfachungen sind bei der Geräteverwendung beim Waf fenmeisterpersonal und bei den Beschlagschmieden durchzu führen. Der Reichswehrminister hat außerdem Bestimmun gen für das Personal für Offiziersheime getroffen. In zahl reichen Küchen sind noch Soldaten zu Dienstleistungen kom mandiert, die von Zioilhilfskräften versehen werden können. Die vorhandenen Möglichkeiten, Soldaten durch Zivilhilfs- kräfte zu ersetzen, sind voll auszunutzen. Kommandierungen zu den Musikkorps sind begrenzt worden. Bemerkenswert ist, daß das Gestellen von persönlichen Ordonnanzen in jedem Falle unstatthaft ist. Wo solche jetzt noch gestellt sind, ist die Gestellung bis zum 31. Oktober 1931 aufzuheben. Beim Wachdienst si«L gewisse Einschränkungen verfügt worden. Hiernach muß erneut geprüft werden, ob durch anderweitige Maßnahmen Bewachungspersonen ein gespart oder auf Bewachung überhaupt verzichtet werden kann. Repräsentative Wachen und Posten sind, wo sie noch gestellt werden, einzuziehen, lediglich für Berlin gelten Son derbestimmungen. Knebelung -er Opposiüon. Bewegte Aussprache im Sejm. Warschau, 22 Oktober. Im Sejm wurde der Antrag des Regierungsblocks auf Abänderung der Geschäftsordnung beraten, der als eine weitere Einengung der Redefreiheit der Opposition be trachtet wird. Die Sitzung verlief recht bewegt. Die Redner der Opposition erklärten, unter solchen Umständen könne der polnische Parlamentarismus seine Pflicht nicht mehr erfüllen. Der nationaldemokratische Redner Professor Stronski kün digte an, daß sich die Nationalen Demokraten möglicher weise von den parlamentarischen Arbeiten zurückziehen würden. Während einer Rede des Justizministers kam es zu einem Zwischenfall, weil zwei vom Sejmmarfchall ausge schlossene Abgeordnete der Linken den Saal nicht verlassen wollten. Die Sejmwächter kamen in den Saal, um die Wider spenstigen zu entfernen. Einer leistete jedoch Widerstand und wurde von seinen Kollegen so geschützt, daß ihn die Sejmwache nicht Herauskragen konnte. So sah sich der Sejmmarschall genötigt, die Sitzung auf mehrere Minuten zu unterbrechen, was von den Sozialisten mit Anstimmen eines revolutionären Trutzliedes beantwor tet wurde. Ungeklärte Lage in Genf. Weitere direkte Verhandlungen Briands. Genf, 22. Oktober. Briand hat die Vertreter Frankreichs, Englands, Deutschlands, Italiens und Spaniens zu einer Besprechung in sein Hotel eingeladen, um ihnen über den Stand seiner direkten Besprechungen mit den Vertretern Japans und Chinas Mitteilung zu machen. Von dem Ergebnis wurde nur mitgeteilt, daß nochmals eine Besprechung bei Briand stattfinden werde. Die Lage ist ziemlich unklar. Entgegen anderslautenden Meldungen kann festgestellt werden, daß Briand den Parteien noch keinen formellen Vermittlungs vorschlag unterbreitet hat. Briands Bemühungen gehen nach wie vor dahin, in direkten Besprechungen mit den beiden Parteien eine Lö sung zu finden, auf die sie sich einigen können. Sollte das nicht möglich sein, so soll er fest entschlossen sein, von sich aus dem Rate einen Vorschlag zu unterbreiten, auch wenn ein solcher Vorschlag auf Seiten der Parteien Widerstand finden sollte. Dadurch würde naturgemäß eine recht schwierige Si tuation entstehen, und deshalb bemüht sich Briand in nahe zu ununterbrochenen Verhandlungen mit Doshisawa und Sze, eine direkte Einigung herbeizuführen. Eine Sitzung des Rates ist noch nicht vorgesehen, was in Anbetracht der geschilderten Umstände erklärlich erscheint. Muk-en wie-er chinesisch. Die aus Ostasien vorliegenden Meldungen sprechen von einer formellen Rückgabe der Verwaltung Mukdens an China — allerdings sollen den Chinesen japanische „Rat- geber zur Seite gestellt werden — und von einem Gesuch des chinesischen Staatspräsidenten Tschiangkaischek um Ent sendung französischer und englischer Truppen nach Schan- haikwan. In Schanghai sind 150 Vertreter Südchinas zu Einigungsverhandlungen mit Rankina einaelrofien.