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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 15. April 1881. Bekanntmachung. In der Nacht vom 6ten zum 7ten d. M. sind in Langenchursdorf eine Anzahl Stubendecken gestohlen worden. Der That dringend verdächtig ist ein Unbekannter, mit auffallend aufge dunsenem, bartlosen Gesicht, von untersetzter Statur, bekleidet mit kurzem, braunen Rock, grauer Hose und schwarzer Mütze. Dies wird hierdurch mit dem Ersuchen bekannt gemacht, etwaige Wahr nehmungen, welche zur Ermittelung des Thaters führen können, anher anzuzeigen. Waldenburg, den 12. April 1881. Der Königliche Amtsanwalt. Mücklich. "Waldenburg, 14. April 1881. Zur Bekämpfung des Freihandels in England. Obgleich Deutschland durchaus kein Interesse daran hat, in England ein anderes Wirthschafts- prinzip eingeführl zu sehen, so ist es doch nicht un interessant zu beobachten, wie auch in jenem, als Hort des bedingungslosen Freihandels von allen Anhängern desselben betrachteten Lande sich immer mehr und immer bedeutungsvollere Stimmen gegen die Freihandelstheorie erheben. Am 4. d. M. legte Gladstone dem Parlamente seinen Budget-Entwurf vor, und der Ueberschuß von 1,285,000 L. gab dem Premier Veranlassung, die Ermäßigung einiger Einfuhrzölle, namentlich derjenigen auf Silberwaaren und Bier zu bean tragen, also einen weiteren Schritt zur gänzlichen Durchführung des Freihandels zu machen. Im Verlaufe der sich hieran knüpfenden Debatte ergriff Mr. Mae Iver, Mitglied des Parlaments für Birkenhead, dieses bedeutenden Einfuhrhafens fremder Producle, das Wort, um sich aufs entschie denste gegen die Freihandelstheorie auszusprechen. Der Redner erklärte, daß er die Absicht habe, ein Amendement einzubringen und das Haus zu fragen, ob dasselbe es für geeignet halte, das System der Schutzzölle auf fremde Einfuhren wieder herzustellen, wenn dieselben in unberechtigte Concurrenz mit der eigenen Industrie treten und es scheine ihm die Gelegenheit geeignet, einen solchen Gang der Dinge durch die folgenden Bemerkungen zu rechtfertige». Der Redner fährt unn fort: Es handelt sich nicht nur um die Frage einer besonderen Partei, auch würde mein Vorschlag von dem Leiter der Opposition, (Sir Northcote) nicht acceplirt werden; aber die Gesichtspunkte, welche ich darzulegen versuchen werde, werden von vielen praktischen Männern unseres Landes getheilt. Die Zeit ist gekommen, in der es rathsam erscheint, die Streitpunkte wieder aufzu nehmen und dies zu discutiren, von welchen Sir Robert Peel und Mr. Cobden angenommen haben, daß dieselben erledigt sind. Niemand wird heute vernünftiger Weise behaupten können, daß die Welt im Großen und Ganzen irgend eine Neigung zeigt, sich unserem System der Volkswirthschaft zuzuwen den und es ist unglücklicher Weise nur zu wahr, daß der Grad des Wohlstandes, welchen Groß- Britannien bei dem sogenannten Freihandel genießt, hinter der viel größeren Prosperität der Vereinig ten Staaten von Nordamerika und selbst Frankreichs zurttcksteht, trotzdem beide Staaten in dem Schutz zollsystem zu weit gehen. Es gisbt eine Mittel- straße, zuweilen ist Freihandel das Richtige, zu weilen Schutzzoll; es hängt dies von den Verhält nissen eines Landes ab. Anstatt die Vorschläge des Schatzkanzlers zu accepliren, würden wir, in Anbe tracht der Lage, in der wir uns jetzt befinden, gut thun, die Ernkünfte durch Zölle zu erhöhen, und die anderen Abgaben herabzusetzen. Es ist müßig, uns selbst Freihändler zu nennen. Es war dies ein Humbug; denn es ist dahin ge kommen, daß doch mehr als die Hälfte unserer Ein nahmen von Steuern und Accisen herstammen und nicht nur das allein, sondern es geschieht dies auch auf dem denkbar schlechtesten Wege. Wenn wir in tugendhafter Entrüstung darüber klagen, daß die Colonien unsere Jndustrieartikel mit Zöllen belegen, so müssen wir uns daran erinnern, das die Pro ducts der Colonien von uns in sehr weitem Um fange mit Zöllen beleat werden. (Hört, hört.) Zu allererst sollten die Zölle, welche wir in Verläug- nung der wahren Freihandels-Principien von Pro- ducten unserer eigenen Länder, von Thee, Kaffee, Kakao, getrockneten Früchten und Tabak erheben, aufgehoben werden. (Hört, hört.) Ich bin auch der Ansicht, daß es sehr verkehrt ist, bezüglich der Versorgung mit Nahrungsmitteln von fremden Na tionen abhängig zu sein, besonders da unsere eige nen Colonien uns so leicht in großem Umfange mit den Artikeln versehen können, welche wir jetzt von fremden Ländern beziehen. Es ist ferner ein Fehler von uns, daß wir so sehr auf einen hohen Ertrag der Abgaben für berauschende Getränke Werth legen. (Hört, hört.) Der zu große Consum an Spirituosen ist noto risch. Aber wie könnte ein Schatzkanzler mit Be friedigung auf den Verlust eines Theils dieser Ein nahmen blicken, welcher durch fortschreitende Mäßig keit entstehen würde, wenn er nicht einen Ersatz dafür hat? Um aber einen solchen Ersatz zu haben, müssen wir die Freihandelstheorie bei Seite werfen und mit praktischem Blick die Sachlage prüfen. Wir allein können den Kampf für den Freihan del mit der ganzen Welt nicht führen; unsere Be strebungen, diesen Kampf allein zu bestehen, mußten hoffnungslos fehlschlagen. Es ist zwecklos über billige Nahrungsmittel zu reden. Die Billigkeit der selben hängt weniger von ihrem nominellen Preis, als von der Höhe der Löhne ab. Unsere Arbeiter sind in nur zu vielen Fällen ohne Arbeit in Folge der unberechtigten fremden Concurrenz gewesen, und hatten daher kein Geld, diese sogenannten billigen Nahrungsmittel zu kaufen, von denen wir soviel gehört haben. Aber selbst in der Beschaffung von Nahrungsmitteln gehen wir nicht den rechten Weg, um im eigenen Lande erzeugte billige Nahrungs mittel zu erlangen. Wir schützen die Fremden gegen uns selbst, da die britische und irische Landwirth- schaft Abgaben bezahlt, von welchen die Fremden befreit sind. John Stuart Mill hat niemals geglaubt, daß Zölle nothwendigerweise von den Consumenten ge tragen werden müssen, er würde sonst nicht gesagt haben, daß die einzige Art und Weise, wodurch ein Land sich vor dem Schaden schützen kann, welcher ihm durch die Zölle, die andere Länder von seinen Waaren erheben, bereitet wird, darin besteht, daß es gleichfalls in entsprechender Höhe Zölle auf die Waaren dieser Länder einführt. Der Redner führt weiter aus, daß es nothwen dig sei, die britische und irische Landwirthschaft von den bestehenden Abgaben zu befreien, dagegen die Fremden, wo nur irgend möglich zu besteuern. „Unter dem fälschlich sog. Freihandel", fährt er fort, „geht der Luxus des Neichen frei aus, während unsere Arbeit desorganisirt wird. Die freie Ein fuhr fremder Manufacturwaaren ist viel größer ge worden, als wir gewöhnlich annahmen, und unser Export besteht hauptsächlich in Rohmaterialien und geschickten Arbeitern. Die finanziellen Vorschläge des Schatzkanzlers, wie beredt dieselben auch vorge- trageu sein mögen, widerstreiten dem gesunden Sinn, und führen nothwsndig zum Ruin. Ich setze aber auf die arbeitenden Classen meine Hoffnung. Diese wenigstens schätzen noch die heimische Industrie, diese schützen noch unsere Colonien und den Verkehr mit denselben; und es wird nicht viel Zeit vergehen, so werden sie einen mächtigen Ruf nach Gerechtigkeit erschallen lassen. Es ist nicht richtig, die fremden Products hier frei einzulaffen, ohne daß wir gleiche Privilegien dagegen erhalten. Wenn die geeignete Zeit gekommen sei, um ein dem entsprechendes Amendement bei Gelegenheit der Budgetberathung zu stellen, will der Redner detail- lirt ausführen, was er hier nur kurz erwähnt hat. "Waldenburg, 14. April 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser gedenkt am 23. d. nach Wiesbaden abzureisen. Der dortige Aufenthalt soll voraussicht lich bis in das erste Drittheil des Monat Mai dauern, worauf in Berlin und Umgegend militärische Vorstellungen und Usbungen stattfinden. Der Reichskanzler soll dem pfälzischen Reichstags abgeordneten vr. Buhl die Zusage gemacht haben, er werde demnächst einen Gesetzentwurf über das Verbot der Kunstweinfabrikation an den Reichs tag gelangen lassen. Der Bundesrath lehnte den am Sonnabend gestellten Antrag der sächsischen Regierung aus Ein führung von Arbeitsbüchern und Erweiterung der Competenz der Gewerbeschiedsgerichte ab. Nach der „Magdeb. Ztg." beabsichtigt der Herzog von Braunschweig den zweiten Sohn des Groß herzogs von Baden, Prinz Ludwig Wilhelm, der im 16. Lebensjahre steht und ein Enkel des Kaisers Wilhelm ist, zu adoptiren. Damit würde die Erbfolgefrage aus der Welt geschafft und die dyna stischen Ansprüche der Welfenlinie wären hinfällig. Nach den Osterferien wird auch der Bericht der Verfassungscommission im Reichstage zur Verhand lung kommen; die Commission hat bekanntlich nur beschlossen, daß der Reichstag alljährlich im Monat October «'»berufen werden soll. Seitens der Conservativen wird, weil darin ein Eingriff in die Prärogative des Kaisers erblickt wird, die Ablehnung dieser Bestimmung und ferner beantragt werden, die Einführung zweijähriger Etatperioden und vierjähriger Legislaturperioden in das Gesetz wieder aufzunehmen. Die Reichsregierung beschäftigt sich damit, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, der das Auswande rungswesen regeln soll. In den Entwurf werden auch Bestimmungen ausgenommen werden, welche den Schutz für Deckpassagiere auf Auswanderungs schiffen im Auge haben, und zwar aus folgenden Gründen: Die Erfahrung hat gezeigt, daß deutsche