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verlautet, siedelt der kaiserliche Hof bereits am 29. d. nach Zarskoje-Selo über. Amerika. Der vielfache Millionär und Eisenbahn- und Telegraphenbesitzer Jay Gould nebst Gefolge hat in der vergangenen Woche seine Staaten be reist; er fuhr auf seinen Bahnen, sandte und empfing Depeschen auf seinen Drähten, erwies sich hier und da gegen getreue Städte gnädig, ließ sich huldigen und kehrte dann nach seiner Residenz New-Jork zu rück. Bulletins hielten das Publikum über seine Bewegungen au kalt. Mit einem wirklichen Mo narchen kann man in Europa nicht mehr Aufhebens machen, als mit diesem Eisenbahn- und Telegraphen- König. Die Volkszählung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika hat ergeben, daß die Anzahl der Weißen in den Vereinigten Staaten 43,404,876 und die der Farbigen 6,577,151 beträgt. Aus dem Mulventhale. *Waldenburg, 29. März. Den eventuellen hiesigen Inhabern von Loosen der großen Silber- lotterie des Comits der schlesischen Musikfeste zur Mittheilung, daß die Gewinnliste genannter Lotterie vom Comito uns zugesandt worden ist und in unse rer Expedition Einsicht in dieselbe genommen wer den kann. *— Die Mittheilung in Nr. 71 unserer Blattes, daß die in Zwickau eingelroffene als Componistin und Dirigentin annoncirte „Adeline Vio" mit Frl. Adele Spitzeder idenüsch sei, können wir heute als in allen Stücken richtig bestätigen. Tie ehemalige Dachauer Bankpräsidentin dirigirte am 27. in einem vom Zwickauer Stadtmusikchor gegebenen Concerte mehrere von ihr componirte Stücke, als eine Militär- Fanfare, ein Lied ohne Worte und einige Walzer mit dem melancholischen Titel „An der rauschenden Ens", „Weg zu»i Herzen" u. s. w. Die zahlreiche Zuhörerschaft besaß Anstand genug, die unterneh mende Dame, welche einigermaßen phantastisch ge kleidet, mit kurz geschnittenem Haar erschienen war, auszupfeifen. Gleichwohl soll die zweifellos mit starken Nerven ausgestattete Künstlerin beabsichtigen, am Mittwoch abermals aufzutreten. — Am Sonntag Abend in der elften Stunde gerieth in Glauchau im Saale des Bellevue wäh rend des Balles die noch vom Maskenball herrüh rende Decoralion aus Tannenreißig in der Nähe des Saaleinganges auf bis jetzt noch unermittelte Weise in Brand. Durch rasche Hilfe ist es mög lich gewesen, denselben zu dämpfen, doch sind meh rere Personen durch Brandwunden und andere Ver letzungen infolge der durch das plötzliche Umsichgrei fen des Feuers bedingten schleunigen Flucht und bei dem dadurch entstandenen Gedränge arg verletzt worden. — Am 25. d. endigte in Zwickau die am 22. d. begonnene Prüfung der für den Einjährig-Frei willigendienst angemeldeten 17 Aspiranten. 11 Exa minanden erhielten die Berechtigung zum einjährigen Dienst, 4 wurden wegen ungenügender Leistungen im Deutschen, Französischen und Englischen, sowie Mathematik zurückgewiesen, während die Entschlie ßung über weitere 2 der Aspiranten, welche die Vergünstigung in Z 89 unter 6 si der Ersatzordnung in Anspruch genommen haben, dem kgl. Kriegs ministerium anheimgestellt wurde. Aus dem Suchssnlaude. — Nach dem vierten Verzeichniß der bei dem Reichstag eingegangenen Petitionen wurden aus dem Königreich Sachsen Anträge gestellt von dem Verein gegen Verfälschung der Nahrungsmittel zu Chemnitz wegen Errichtung von Stationen zur Untersuchung der Nahrungsmittel, von dem Verein derJnnungs- ältesten zu Dresden wegen Einführung von Zwangs innungen, Arbeitsbüchern, Schiedsgerichten rc., von Ov. Eck. Ernst Albrecht Meyner, approbirtem Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer zu Chemnitz, wegen Aufhebung des Impfzwangs, von Eduard Teichmann zu Rochlitz Beschwerde wegen Justizverweigsrung, vom Vorstand der Vereinigung reichstreuer Männer zu Chemnitz wegen des Entwurfs eines Unfallver- sicherungsgesetzes für Arbeiter, von den Fabrikanten Seydel L Söhne und I. Grau zu Glauchau wegen der Höhe des Zolles auf unbedruckte Zeugwaaren (Tarif 41 ck, 5), und schließlich bittet die Versamm lung der Bauhandwerker zu Dresden, unter Ableh nung des Unfallversicherungsgesetzes für Arbeiter, das Haftpflichtgesetz auch auf die Bauhandwerker auszudehnen. — Dem im Reichstag vorgelegten Gesetzentwurf, s betreffend die Erhöhung oer Brausteuer, sind ver- s schiebens Nachweisungen beigegeben, welche ein all- i gemeines Interesse beanspruchen. Darnach beträgt der Verbrauch an einheimischem und fremdem Bier innerhalb der Staaten der Brausteuecgemeinschaft (vormaliger Norddeutscher Bund) jährlich durch schnittlich auf den Kopf der Bevölkerung 64 Liter, in Bayern 262 Liter, in Würtemberg 196 Liter, in Baden 77 Liter, in Elsaß-Lothringen 42 Liter. Der Abgabenbetrag für diesen Bierconsum beträgt auf den Kopf der Bevölkerung durchschnittlich jähr lich in der Brausteuergemeinschaft 56 Pf., in Bayern 4 M. 44 Pf., in Würtemberg 2 M. 90 Pf., in Elsaß-Lothringen 94 Pf. — Im Königreich Sachsen bestehen 700 gewerbliche Brauereien, von denen jede durchschnittlich jährlich 74,400 Kilogramm Malz und Malzsurrogate verbraucht und 4371 Hectoliter Bier producirt. Es kommt sonach in Sachsen auf je 21 Quadratkilometer und 3944 Einwohner eine Bierbrauerei. — Eine Ehefrau, welche von ihrem Manne Mit- Feuilleton. Irene. Erzählung von A. Wels. (Fortsetzung.) „In Hamburg erfuhr ich durch die Zeitungen, daß Hegemann, den ich für meinen Mörder hielt, ver haftet sei. Ich hatte den Entschluß gefaßt, um Ihre Ruhe, Herr Baron, zu schonen, gänzlich zu verschwinden, und nur die Angst, daß Hegemann zum Tode verurtheilt würde, hielt mich von der gänz lichen Uebersiedelung nach Spanien ab. Ich blieb in Hamburg, bis der Prozeß beendet. Als ich las, daß er zu zwanzig Jahren verurtheilt sei, da dachte ich: „Das hat er verdient, denn er wollte Dich tödten", und schiffte mich ruhig ein, zufrieden, daß das Gerücht meines Todes Ihnen und der Frau Baronin Ruhe gebe. — Ich lebte zufrieden und glücklich in Spanien, denn meinem Herzen war ein neuer Frühling erblüht, ich hatte mich verheirathet und halte Namen und Titel meiner Frau ange nommen; — da führte Gottes Fügung den Freund meiner Jugend nach dem Orte, den ich bewohne — er war verwundet -- man sagte mir seinen Namen; ich stürzte zu ihm, — da traf ich glücklicherweise den Doctor Kern, der mich nicht zu ihm lassen wollte und der, als ich mich Otto von Serbitz nannte, mich einen Lügner schalt, weil Jener seit dreizehn Jahren ermordet sei, — So erfuhr ich Alles! Ent setzt über das Unglück, das ich über Ihr Haus ge bracht, wollte ich augenblicklich abreisen, doch Kern hielt mich davon ab; — er wollte Waldburg, dessen Geist kränker als sein Körper war, erst langsam darauf vorbereiten. Doch cs sollte nicht so sein — Waldburg, überraschte uns und der tödtliche Schreck, den ihm mein Anblick einflößte, hielt uns wochen lang ab, die Reise hierher zu unternehmen. Doch der Gedanke, daß er Sie Alls von der unendlichen Qual befreien würde, beschleunigte seine Genesung. Hier sind wir, Herr Baron, — und es ist an mir, Sie um Verzeihung zu bitten, Sie durch eine un vorhergesehene Verkettung von Verhältnissen in sol ches Elend versetzt zu haben." Während dieser langen Erzählung hatte eine fast religiöse Stille im Zimmer des Barons gewaltet! — jetzt, wo er geendet, war der Anblick noch er schütternder. Der Staatsanwalt lag bleich — mit geschloffenen Augen in seinem Armstuhl . . . Irene knieete zu Füßen ihres Vaters und hatte ihren Kopf in seinem Schooß verborgen, — Adele starrte wie eine Wahn sinnige vor sich hin — und Hegemann hielt fast krampfhaft seinen Kopf in beiden Händen. Der Baron hatte langsam . . . fast unbewußt — die Hände gefaltet — und sein Blick hatte sich eben so langsam nach Oben gewandt. Lange dauerte diese stumme Scene . . . lange! — Endlich entrangen sich — zuerst mühsam . . . dann aber klar und deutlich die Worte aus seiner röcheln den Brust: „Ich danke . . . Dir, mein Gott. . . daß . . ich . . kein Mörder . . . bin!" Er schwieg . . . und unwillkürlich beugten sich unsere Häupter bei diesem letzten Gebete des Mannes, der noch vor einer Stunde sich einer jeglichen Gnade für unwerth hielt. Er schwieg . . . lange ... zu lange; — dann plötzlich hörte ich einen entsetzten Schrei Jrene's .. . Ich sprang zu . . . die Andern folgten mir! — Die Geliebte meines Herzens hielt — den Leich nam ihres Vaters umschlungen. Wir hotten soeben die sterbliche Hülle des Barons der Erde übergeben, als der Staatsanwalt meine Hand ergriff und schweigend die Jrene's hineinlegce. l tel zur fortlaufenden Bestreitung des Unterhalts ihrer I Familie annimmt, von denen sie weiß, daß sie mit tels einer strafbaren Handlung (Diebstahls rc.) er langt seien, macht sich nach einem Urtheil des Reichs gerichts, III. Strafsenats, vom 15. Januar d. I-, dadurch nicht der Hehlerei schuldig. Wohl aber ist sie als Hehlerin zu bestrafen, wenn sie ihres Vor theils wegen die von ihrem Manne durch strafbare Handlungen erlangten Gegenstände verheimlicht, ohne dieselben für den augenblicklichen Haushalt verwenden zu müssen. — Während bei uns zu Lande die Zahl der Anmeldungen zum Eintritt in.die Schullehrersemi nare in diesem Jahre auffällig niedriger gewesen ist als die Jahre zuvor, findet in der Rheingegend und auch anderwärts in Preußen, wo jetzt viele neue Lehrerstellen gegründet und mehr Lehrer ge braucht werden, ein bedeutender Zudrang zum Lehr fache statt. So haben sich zur Aufnahme gemeldet in den rheinischen Seminaren zu Corneli Münster 113 Aspiranten, von denen 27 ausgenommen wur den, zu Kempen 111 (ausgen. 30), zu Brühl 106 (aufgen. 33), zu Linnich 104 (aufgen. 20), zu Boppard 103 (aufgen. 27), zu Ottweiler 74 (auf gen. 27), zu Neuwied 64 (aufgen. 30), zu Rheydt 63 (aufgen. 30), zu Mörs 63 (aufgen. 30). Von 802 Bewerbern mußtem also 548 zurückgewiesen werden! — Trotz der allgemeinen Klage über den schlech ten Geschäftsgang im verflossenen Jahre ist der Verein Jnvalidendank für Sachsen auch nach dem letzten Bücherabschluß in der angenehmen Lage, constatiren zu können, daß die Geschäfte fortdauernd prospecirten. Während der Umsatz der Annoncen- Expeditionen an alten drei Stellen um mehrere Tausend Mark gegen das Vorjahr sich erhöhte, weisen die anderen Branchen, des Dresdner Bureaus ebenfalls größere Gewinnüberschüsse auf. Infolge ' dessen war der Verein in der Lage, die Gehälter der Beamten aufzubessern, wie überhaupt den Etat derselben zu erhöhen. In den drei Bureaux Dres den, Leipzig, Chemnitz sind jetzt zusammen 16 Be amte mit einem Gesammtgehalt von 18,000 M- angestellt. Invaliden wurden durch den kostenfreien Stellennachweis angestellt 1873 : 33, 1874 : 30, 1875 : 27, 1876 : 14, 1877 : 17, 1878 : 14, 1879 : 16, 1880 : 5, zusammen 156 Invaliden. Durch die Ueberschüsse sind dem Vermögensbestand, der Ende 1879 18,983 M. 13 Pf betrug, zuge führt worden durch Dresden 493 M. 53 Pf., Leipzig 2259 M. 17 Pf., Chemnitz 1485 M. 42 Pf., so daß ultimo 1880 ein Vermögensbestand von 23,221 M. 25 Pf. vorhanden war. — Jenes Geschenk, welches die Stadt Dresden unseren Königlichen Majestäten zu höchstderem silbernen Ehejubiläum widmete, ist erst dieser Tage fertigge stellt worden, und am 27. d. halten die Herren Oberbürgermeister vr. Stübel und Stadtverord- „Jch betrachte mich als ihren Vater," sagte er mit einem Anflug von wehmüthig herbem Lächeln — „und als solcher muß ich am besten wissen, was ihr wohl thut! Sei mir nicht böse, Irene, daß ich je mir habe mit der Hoffnung schmeicheln können, Du könntest mich anders lieben, als einen Vater!" Und ohne uns Zeit zum Antworten zu geben, ver ließ er das Zimmer. Da war nun der Traum, dessen Erfüllung ich nie zu hoffen gewagt, dennoch zur Wirklichkeit ge worden! Irene mein! — O wie jauchzte mein Herz in dem Gedanken, wie schwelgte es in der unsagbaren Wonne! Stunden lang lag sie an meiner Brust und gab all' den Thränen freien Lauf, welche sie seit drei Jahren in ihr Herz zurückgedrängt hatte. Worte vermochten unsere Seligkeit nicht zu schil dern, — Worte sind bettelarm, wenn das Herz so schwellend vor Glück schlägt. Eine Liebe wie die unsere hat keine Geschichte — sie kann nicht beschrieb?» werden. Wie Viele ver stehen sie überhaupt, — wie Wenige vermögen daran zu glauben! Ich muß dem Leser, welcher mich durch die wun dersamen Irrfahrten begleitet hat, die zu meinem Glücke führten, ein Bild entwerfen, welches ihm den ferneren Verlauf unseres Schicksals zeigen wird- In jenem Kiosk, dessen man sich entsinnen wird, sitzt ein junges blühendes Weib — einen bildschönen Knaben von beinahe einem Jahre auf dem Schooß- Ihr zur Seite sitzt Doctor Kern, der furchtbar raison- nirt, daß der „junge Mensch" so abscheulich verzogen werde und schon wieder außerhalb der Mahlzeit einen Zwieback glücklich verschluckt hat. (Schluß folgt.)