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MMlniM TllgMalt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 27. Donnerstag, den 3. Februar 1881. *Waldenburg, 2. Februar 1881. Das ArbeiLerversichernngs-Gcsetz. - II. Die Mehrzahl der Arbeiter von den Versicherungs beiträgen ganz zu befreien, scheint uns weder gerecht noch zweckmäßig zu sein, denn der Arbeiter ist sich in dem Augenblicke, wo er in seinen Beruf eintritt, der ihm drohenden Gefahren wohl bewußt; er über nimmt freiwillig ein gewisses Risico und erhält in vielen Fällen einen höheren Lohn, je nachdem die Gefährlichkeit seiner Beschäftigung sich vergrößert. Es ist daher billig, daß er zu den Lasten der Ver sicherungen mit herangezogen wird, zumal er durch diese Beiträge daran gemahnt wird, in seiner Be- russausübung mit größter Vorsicht zu verfahren. Die größeren Lasten, welche in Folge der Be freiung der meisten Arbeiter von der Prämienzah lung auf die Arbeitgeber fallen, sind nicht unwesent lich. Nach zuverlässigen Ermittelungen beträgt der durchschnittliche Jahresverdienst eines Arbeiters in den bei der Unfallversicherung in Frage kommenden Gewerben M. 750. Dieser Betrag variirt in den einzelnen Industriezweigen sehr beträchtlich, da es zahlreiche Jndustrieen grebt, in welchen die bcstbe- zablten Arbeiter diesen Durchschnitt nur eben errei chen und außerdem, wie dies in vielen Fabrikbetrieben der Fall, eine größere Anzahl jugendlicher Arbeiter und viel Fraueuarbelt verwendet wird, so daß der Durchschnittslohn von M. 750 für solche Betriebe viel zu hoch gegriffen erscheint. Der Fabrikant wird in diesen Fällen also nahezu sür sein gejammtes Arbeiterpersonal -/, der Ver sicherungsprämie zu leisten haben, während ihm der Baare'sche Entwurf nur die Hälfte dersechen auf erlegte. Auch bezüglich der Beitragspflicht für die Arbeiter mit einem höheren Jahresverdienst als M. 750 ist der Arbeitgeber durch den Regierungs entwurf schlechter gestellt, da, wenngleich derselbe hier nur die Hälfte der Prämie beigesteuert hat, die i Versicherungssumme für solche Arbeiter von dem Baare'schen Maximum von M. 500 auf ^/g des Jahresverdienstes in maximo also auf M. 666'/z erhöht worden ist und dementsprechend natürlich auch die Prämie selbst, an welcher der Arbeitgeber par- ticipirt, sich höher stellen muß. Jndeß werden, wie wir glauben, unsere Arbeit geber auch die höhere Beitragspflicht des Regierungs entwurfes gern auf sich nehmen, wenn nur die Gewähr dafür vorhanden ist, daß das Gesetz ge eignet ist, die Arbeiter zu möglichster Sorgfalt und Vorsicht im Arbeitsbetrieb anzuhalten. Leider ver mögen wir jedoch eine solche Gewähr bei dem Man gel jeglicher Strafbestimmungen für Verschulden der Arbeiter in dem Negierungsentwurf nicht zu erblicke», vielmehr wohnt demselben die allerdings wohl nicht beabsichtigte Tendenz inne, den Arbeiter noch unvor sichtiger und leichtfertiger im Umgang mit seinen Arbeilsmaschinen zu machen, als er es gegenwärtig schon ist. Es ist ja ganz gerechtfertigt und schließt einen wesentlichen Fortschritt gegen die bestehende Gesetz gebung in sich, wenn die Entschädigung des verun glückten Arbeiters nicht mehr von dem Nachweis eines Verschuldens auf Seiten des Arbeitsgebers oder seiner Beauftragten abhängig gemacht wird, denn dieser Nachweis ist selten zu führen und der Arbeiter wird in Folge dessen in manchen Fällen leer ausgehen, wo er eine Entschädigung zu ver langen berechtigt wäre. Jedoch scheint uns die Negierung zu weit zu gehen, wenn sie selbst bei offenbarem Verschulden des Arbeiters die Versiche rungssumme an denselben auszahlen will und Licht und Schatten sind unserer Meinung nach doch ein wenig zu ungleich vertheilt, wenn die Arbeitgeber für jedes Verschulden der Reichsversicherungskasse bezw. dem geschädigten Arbeiter verhaftet bleiben, der Arbeiter dagegen bei eigenem Verschulden ge wissermaßen noch eine Belohnung in Gestalt der Versicherungssumme empfangen soll. Wir können hier absehen von sporadisch auftretenden Fällen, wo Arbeiter sich absichtlich Verletzungen beibringen, um in den Genuß einer Rente zu treten und behaupten auch nicht, daß diese Fälle durch den erwähnten Mangel des Gesetzes eine wesentliche Vermehrung erfahren werden, sicher dürfte jedoch sein, daß die Unvorsichtigkeit und Leichtfertigkeit der Arbeiter durch die Straflosigkeit bei eigenem Verschulden des Un falls sehr bedenklich genährt werden und die Zahl der Unfälle selbst in Folge dessen beträchtlich zuneh men wird. Dies kann aber unmöglich Absicht des Gesetzgebers fein und deshalb halte» wir eine Ver besserung des Gesetzes nach dieser Richtung für unerläßlich. *Waldenburg, 2. Februar 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser, die Kaiserin, sowie der Kron prinz und die Kronprinzessin wohnten am I. d. dem Ballfest bei dem Hausminister v. Schleinitz bei. Die Braut des Prinzen Wilhelm von Preußen reiste am 1. d. von London nach Deutschland ab. Aus Madrid erfährt man, daß der spanische Hof in Erwiderung der Rücksichten, welche ihm der deutsche Kaiser bei der Vermählung des Königs Alfons geschenkt, sich durch eine aus drei Granden bestehende Botschaft bei der Hoch zeit des Prinzen Wilhelm von Preußen ver treten lassen wird. Der Herzog von Osuna, der Marquis von Valmediana und der Graf Paredes de Nava sind zu dieser Mission ausersehen. Fürst Bismarck soll die sehr entschiedene Absicht hegen, das preußische Handelsministerium in seiner jetzigen Gestalt nicht mehr lange weiter be stehen zu lassen, sondern eine Verfassungsänderung dahin herbeizuführen, daß die Handelsangelegenhei ten auf das Reich übergehen und daß er als Reichs kanzler Chef des Handelswesens für das deutsche Reich sein würde. Sein Plan geht nach dem „Börsen-Courier" dahin, nach Art des Reichsamts des Innern ein „Reichsamt des Handels" zu be gründen, in welches dann das preußische Handels ministerium aufgehen würde. Bei Berathung des Gesetzes über die Reichs stempelabgaben im Bundesrathe stimmte das Königreich Sachsen gegen den Quittungs- und den Lotterieloosstempel. Gegen den Quittungsstempel stimmten noch Würtemberg, Baden, Hessen, Mecklen burg-Schwerin, Großherzogthum Sachsen, Mecklen- burg-Strelitz und die drei Hansestädte; gegen den Lotterieloosstempel außer Sachsen noch die beiden Mecklenburg. Gegen den Stempel auf Checks und Giroanweisungen stimmten Baden, Hessen und die Hansestädte. Gegen das ganze Gesetz endlich votir- ten nur die Hansestädte. Im preußischen Abgeordnetenhause kam am 1. d. bei der Fortsetzung der Etatberathung auch der preußische Volkswirthschaftsrath zur Sprache. Der Abg. Richter kritisirte die Art und Weise, wie die betheiligten Interessenten und Gruppen darin vertreten, als völlig unzutreffend, nur das Großka pital berücksichtigend. Ministerialdirector Jacobi er klärte hierauf: Am Ministertisch weiß man, jdaß die Meinung des Abg. Richter mit der Meinung der Regierung sich nicht überall deckt. Ueber die Zusammensetzung des Volkswirthschaftsraths läßt sich im Hause gedeihlich nicht discuiiren wegen der Ein wirkungen, welche die ungemein vielfachen Rücksich ten bei der Zusammensetzung ausüben. Der Re gierung liegt nicht zumeist an einer formellen Ab stimmung über die beabsichtigten Gesetze, sondern an dem Materiellen, was der Regierung entgegen- gebrachl wird. Das ist auch das einzig richtige, denn die Abstimmung und Entscheidung gebühre dem Parlament. Wieso der Rath das Echo des Willens des Reichskanzlers sein werde, weiß ich nicht. Die Regierung berief keinen einzigen ab hängigen Mann in den Rath, dis Aeußerungen desselben werden vollständig selbständig sein. Die Regierung hat es speciell zu vermeiden gesucht, daß es zu Einseitigkeiten desselben komme, daher solle man es unterlassen, von anderer Seite her die Einseitigkeit hineinzutragen. Sollte das Ergebniß der Berathungen einseitig sein, dann trifft die Re gierung keine Verantwortung. Abg. Windthorst bemerkte, man werde allein an der Entwickelung der Institution erkennen, ob sie gut oder schlecht wäre. Daß sie dem Parlamentarismus einen nachhaltigen Ein trag thun könne, sei unbestreitbar. Abg. Knebel be dauerte, daß kein Vertreter der Industrie des Saarge bietes in den Volkswirthschaftsrath berufen sei. Abg. Reichensperger-Köln bedauerte, daß kein einziger Vorsteher des katholischen Gssellenvereins in den Volkswirthschaftsrath berufen sei; Abg. Kantak, daß kein Pole im Rathe sitze. Eine am Montag stattgehabte Generaldebatte des Volkswirthschaftsraths über den Gesetzentwurf, betreffend die Einführung von Innungen, er gab eine prinzipielle Mehrheit zu den Grundsätzen des Entwurfs. Indessen wurde bei der Abstimmung der ß 1006 der Vorlage gestrichen. Nach diesem Paragraphen kann für den Bezirk dieser Innung, deren Thätigkeit auf dem Gebiete des Lehrlings- wesens sich bewährt hat, durch die Verwaltungsbe hörden nach Anhörung der Aufsichtsbehörde bestimmt werden, „daß Streitigkeiten aus den Lehrverhält nissen auf Anrufung eines der streitenden Theile von der zuständigen Jnnungsbehörde auch dann zu entscheiden sind, wenn der Arbeitgeber, obwohl er zur Aufnahme in die Innung, nach der Art feines Gewerbebetriebes, fähig sein würde, gleichwohl der Innung nicht angehört." Nur der Webermeister Hessel-Berlin und der Tischlermeister Vorderbrügge- Bielefeld traten für den § 1006 ein. Ersterer nannte die gegenwärtigen Zustände anarchische, welche der Abhilfe dringend bedürftig wären. In Breslau faßte am 29. Januar eine vom deutsch-conservativen Comilee veranlaßte christ liche Versammlung mit 3000 bis 3500 Stimmen gegen 5 Stimmen folgende Beschlüsse: Die heute im Schießwerder versammelten christlichen Bürger Breslaus erklären: 1., daß sie den Versicherungen der Fortschrittspartei, dieselbe arbeite für das Wohl des Handwerkers und des armen Mannes, so lange keinen Glauben schenken, als die Fortschrittspartei der Manchesterpartei huldigt und die ehrliche deutsche Arbeit schutzlos der Ausbeutung durch das Kapital preisgiebt, mithin den Handwerker zum Magazin- und Fabrik-Sklaven herabwürdigt; 2. daß das Hand werk des Schutzes von staatlich privilegirten obliga torischen Innungen mit korporativen Rechten und Pflichten nicht länger entbehren kann, da andernfalls der Staat seiner festesten Stütze, eines kräftigen, ökonomisch gesicherten Mittelstandes entbehren und den Ansprüchen der Socialdemokratie gegenüber wehrlos gemacht werden würde; 3. daß sie sich von