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ZtPMirgtr TaMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten sür die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich I Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 2V Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Hl. Sonnabend, den 15. Zannar 1881. Bekanntmachung, die Anmeldung zur Rekrutirungs-Stammrolle betr. Die mit dem I dieses Monats in das militärpflichtige Alter eingetretenen Mannschaften — Altersklasse 1861 —, welche in Waldenburg ihren dauern den Aufenthalt haben, ferner die hier aufhältlichen Militärpflichtigen, w.lche bei früheren Rekrutirungen zurückgestellt worden sind oder über deren Dienst pflicht noch keine endgültige Entscheidung der Ersatzbehördeu erfolgt ist, werden hierdurch aufgefordert, sich in der Zeit vom 13. Januar bis 1. Februar dieses Jahres zur Aufnahme in die Rekrulirungs-Stammrolle bei dem unterzeichneten Siadt- ralhe anzumelden. Bei der Meldung haben auswärts Geborene ihre Geburtszeugnifse, alle Zurückgestellten aber ihre Loosungsscheine beizubringen. Sind Militärpflichtige zeitig abwesend vom Orte, so haben deren Eltern, Vormünder, Lehr- oder Fabrikherren die Verpflichtung, sie anzumelden. Wer die vorgeschriebene Anmeldung zur Stammrolle oder zur Berichtigung derselben unterläßt, ist mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder mit Haft bis zu 3 Tagen zu bestrafen. Waldenburg, am 3. Januar 1881. Der Stadtrath. Cunrady. "Waldenburg, 14. Januar 1881. Die französischen Gemeinderathswahlen. Bei den Gemeinderathswahlen, die am vorigen Sonntag in ganz Frankreich stattgefunden haben, hat sich herausgestelll, daß die radicalen Parteien nicht den Anhang besitzen, der sich nach dem vielen Geschrei, das sie verursachten, vermuthen ließe. Bei der großen Heerschau der Intransigenten anläßlich des Leichenbegängnisses Blanquis und noch am Sonnabend bei der Rückkehr der letzten Communards aus Numea mußte man glauben, daß die Rothen mindestens die Hälfte der Gemeinderaths-Mandate für Paris an sich reißen würden. Die Pariser Wahlen sind aber ein Sieg für die Opportunisten, eine Niederlage für die Intransigenten, welche gegen die Opportunisten ankämpften, und eine vollständige Niederlage sür die Communarden und Socialisten. Die Stimmen der Wähler bei den Pariser Ge meindewahlen vertheilen sich je nach den Parteien berechnet wie folgt: Republikaner 149,521; Conser- vative 42,657; Communisten 31,367; weiße Stimm zettel 3213. Die Nachrichten über die Wahlen aus der Pro vinz, soweit dieselben bekannt sind, bestätigen, daß die Intransigenten und Socialisten fast überall von den Opportunisten und gemäßigten Republikanern ge schlagen wurden, welche in vielen Gemeinderülhen die Mehrheit erlangten, in denen bisher die Neaclion obenauf war. Die Conservativen haben in Paris zu ihren bisherigen fünf Sitzen noch zwei neue hin zugewonnen. Die cleucalen Blätter verweisen auf den Fortschritt, den ihre Sache in Paris gemacht, sind aber doch ziemlich kleinlaut. Die revolutionären Colleclivisten, welche 57 Can didaten ausgestellt haben, brachten im Ganzen nur 14,174 Stimmen zusammen und setzten keinen ein zigen Candidaten durch; blos Trinquet, der „politi sche Galeerensträfling", wie er sich selbst nennt, hat die Ehre, zur Stichwahl zn gelangen. Die neun ehemaligen Mitglieder der Commune, die als Can- vidaten ausgestellt waren, nämlich Amouroux, Eudes, Cournet, Longuet, Jourde, Theiß, Martelet, Champy und Trinquet, erhielten zusammen blos 6963 Stim men und Trinquet, der am Sonnabend erst von Neucaledonien heimgekehrt war, erhielt nur 1998 Stimmen. Die Regierung kann mit dem Ausfall der Wahlen sehr zufrieden sein. Selbst Lyon hat blos einen Intransigenten gewühlt. Besonders bemerkenswerth ist, daß m einer großen Anzahl kleiner Gemeinden von 500 bis 1500 Einwohnern, wo bisher die Neactionäre herrschten, die Republikaner siegten. Die Socialisten hatten besonders auf die Jndustriebezirke gerechnet, aber ihre Candidaten kamen nicht durch, obgleich viele Neactionäre für sie stimmten. Das Jahr 1881 ist für Frankreich ein Jahr der Einkehr, der politischen Gewiffenserforschung, der Selbstbestimmung über das fernere Schicksal der Republik; das allgemeine Stimmrecht fungirt am Anfänge und am Ende desselben bei der Erneuer ung der Gemeinderäthe und der Neuwahl der Kammer und dazwischen fällt die Ergänzung des Senats. Die öffentliche Meinung hat also hin länglich Anlaß, sich auszusprechen und Partei zu nehmen zwischen den politischen Systemen, welche sich umdas Votum des Landes bewerben. Die Wahlen für die Gemeinden bilden gewissermaßen ein Vorbild für die Wahlen in die Kammer und man kann so ziemlich jetzt schon beurtheilen, wie die Dinge laufen werden. Die Vorentscheidung wird die Parteien natürlich erst recht aneifern, ihre Chancen zu bessern und die letzten Mittel für den Erfolg in Bewegung zu setzen, so daß die Agitation im größten Maße von dem Tage der Gemeindewahlen an datiren wird. *Waldenburg, 14. Januar 1881. Politische RrmVschmt. Deutsches Reich. Der Kaiser, der seit zwei Tagen infolge einer > Erkältung mit Heiserkeit genöthigt ist, das Zimmer § zu hüten, conferirte am 12. d. nachmittags eine ! Stunde mit Bismarck. Graf Hatzfeld wird von Berlin nach Konstanti nopel zurückkehren, nicht bloß, um sich dort beim Sultan zu verabschieden, sondern er wird nach den neuesten Bestimmungen dort noch ein Jahr auf sei nem wichtigen Botschafterposten verbleiben, wo er sich so gut bewährt hat. Im preußischen Abgeordnetenhause kam am 13. d. das Höferecht in Lauenburg zur dritten Berathung. Abg. Freiherr v. Schorlemer-Alst suchte nachzuweisen, daß die statistischen Angaben des Ministers ein richtiges Bild nicht geben. Der Land- wirthschaftsminister entgegnete, er bezweifle nicht, daß die Zahlen des Abg. v. Schorlemer richtig seien, er übersehe nur, daß den subhastirten Höfen eine große Zahl neugebildeter gegenüberstehe. Er könne nur bei den Angaben stehen bleiben, welche er auf Grund des ihm übermittelten amtlichen Materials gemacht habe (der Minister legte eine Zahl der neuentstan denen Höfe vor, woraus sich ergiebt, daß mehr Höfe entstanden, als eingegangen sind.) Der Minister säyrt jort, die Verkleinerung des Grundbesikes hat hauptsächlich ihren Grund in dem Anwachsen der Bevölkerung. Die sämmtlichen amtlichen Nachrich ten geben glücklicherweise keinen Anhalt für die Be hauptung, daß dort der bäuerliche Grundbesitz in Verfall gerathen sei. Abg. Freiherr v. Schorlemer entgegnete, die Vermehrung der Höfe sei im Allge meinen nur eine scheinbare, da die Zerschlagung der spannfähigen Höfe eine Anzahl kleinerer bildet, welche die Bezeichnung „spannfähig" nicht verdienen. Die Judenfrage scheint in Berlin alle Kreise zu beherrschen. Notorisch ist es, daß sich unter der Berliner Bevölkerung schon Jahre lang eine Miß stimmung gegen das jüdische Wesen geltend gemacht hat, die gegenwärtig zu einem heftigen Ausdruck gekommen ist. So sind dort in der Nacht zum Mittwoch an die Anschlagsäulen, an die öffentlichen > Bedürfnißanstalten, an die Straßenbrunnen und an zahlreiche Häuser, namentlich in der Gegend des Dönhofsplatzes, unter andern auch an das Redaclions- gebäu'e des „Tgbl." von unbekannten Händen Carricaturen gegen die Juden angeklebt wor den. Dieselben sind etwa 8 ein im Quadrat und zeigen den verschiedenartig carrikirten Kopf eines Juden, und darunter, den verschiedenen Köpfen ent sprechend, Verse, wie: „Wollt Ihr nicht die Narren werden, so jagt den Jud aus deutschen Erden" rc. An der Ecke der Jerusalemerstraße und des Dön hofsplatzes, am Brunnen an der Ecke der Leipziger straße beim Stano des Zeitungshändlers Lehmann, an der gegenüberstehenden Bedürfnißanstalt und an vielen andern Stellen waren die Plakate noch gegen Mittag zu sehen. Am Abend vorher hatte wieder in der Fcankfurterstraße eine von 700 Personen besuchte Versammlung stattgefunden, in der zum Schluß abermals die Judenfrage im antisemitischen Sinne behandelt wurde, während zu gleicher Zeit in den Reichshallen eine Versammlung der Lohn arbeiter sich ebenfalls über die Judenfrage aussprach, jedoch im philosemitischen. Leider scheint es, als habe sich eine Anzahl dieser Arbeiter zu einer Co- mödie benutzen lassen, denn der Referent, Ewald, Vorsitzender der Goldarbeiter, der seinen Vortrag ablas, entschuldigte sich bei dem unerwarteten hefti gen Widerspruch, der ihm aus der Versammlung entgegen tönte, mit den Worten: „Ich kann doch nicht anders sprechen als mir vorgeschrieben ist!" obwohl er nach einem moralischen Rippenstoß vom Präsidium sich zu verbessern suchte: „Ich muß das berichtigen, ich habe das selbst geschrieben!" Auch die Resolution, welche Referent Ewald zur Annahme empfahl, läßt vermuthen, daß andere Leute hinter ihm stehen, denn die circa dreiviertel Spalte unseres Blattes umfassende Resolution war so „wohldurch dacht", daß sie schwerlich dem Geiste eines schlichten Arbeitsmannes, der stets mit kurzen Worien auf den Kern der Sache losgeht, entsprungen sein kann. Uebrigens ist bekannt geworden, daß der Fabrikant Mannheimer und die Firma Levin in Berlin den Arbeitern gegenüber sich erböligl hat, die Beitrags kosten zu decken, wenn sie judenfreundlichen Vereinen beitreten würden. Die Juden lassen sich's Geld kosten! Ein Antrag Windthorst, von dem viel die Rede ist und der in diesen Tagen dem preuß. Ab geordnetenhause zugehen wird, lautet: „Das Messe lesen und das Sakramentespenden ist straffrei; alle dem entgegenstehenden Bestimmungen (der Maige setze) sind aufgehoben." Offiziös wird bemerkt, daß der Antrag nicht vom ganzen Centrum unterschrieben sein wird, weil man in Rom den Zeitpunkt für eine Verschärfung des Culturkampfes noch nicht für gekommen erachtet. Herr Windthorst operirt hier selbstständig und kann versichert werden, daß der Antrag der Regierung keine Verlegenheit bereitet. In Kolmar ist bei der Wahl zum Landesausschuß für Elsaß-Lothringen der Protestler Chares Grad