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l- c- it 1, n n n SchönlniM TngMntt und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. — Der Abonnementspreis betrügt vierteljähr lich I Mk. SV Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nüchster- fcheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Dienstag, den 11. Januar 1881 "Waldenburg, 10. Januar 1881. Die Hebung des Handwerks. II. Die Ausstellungen im letzten Jahrzehnt, wir ha ben namentlich die Berliner Gewerbe-Ausstellung im Auge, haben ein wunderbar großartiges Bild von dem edlen Wettkampf kunstsinniger Handwerker dargeboten, die in vorzüglichen Leistungen einander zu übertreffen suchten. Das Publikum wendet sich, wie erfreulicherweise constalirt werden kann, wieder mehr dem kunstverständigen Handwerker zu, da es nur von diesem wirklich vorzügliche und eigenartige Arbeit erhalten kann, zum Unterschiede von den gleichmäßigen Maschinenerzeugnissen. Erst wenn der Handwerker wieder vollständig gewürdigt wird, kann er seine Stellung ausfttllen, die eine ausglei chende zwischen der des Landmannes und derjenigen des Kaufmannes ist. Während der Landwirth die Erzeugnisse der Natur gewinnt, der Kaufmann die Waare umsetzt, muß der Handwerker aus den Roh- producten selber die Herstellung der gewünschten Gegenstände erdenken und ausführen. Seine Auf gabe ist also eine wesentlich höhere. Vereinigt der Handwerker mit seiner Geschicklich keit auch guten Geschmack, so werden seine Products auch den Regeln der Kunst entsprechen. Der Hand werker muß nicht nur die Nützlichkeit und Bequem lichkeit seiner Erzeugnisse, sondern auch deren Schönheit ins Auge fassen. Das ist das höchste Streben, das Handwerk zu veredeln, künstlerisch zu vervollkomm nen und nach Möglichkeit zum Kunstgewerbe empor zuheben. Dadurch verliert der Unfähige, welcher durch seine stümperhaften Leistungen dem denkenden und fort schreitenden Handwerksmeister empfindlich zu schädigen vermag, seine unverdiente Gleichstellung. Allein dieses Streben nach Vervollkommnung kann in wirksamer Weise nur erfolgen durch Vereini gung der einzelnen Gewerke, durch Beaufsichtigung der Lehrlinge, Ablegung von Gesellen- und Meister prüfungen, durch Ausübung einer scharfen Con- trole, um den durch schlechte Arbeit geschädigten Kunden die Augen zu öffnen, Aufhebung der jetzigen sinnlosen Concurrenz, welche einer besonnenen und nahe übereinstimmenden Preisbestimmung Platz machen muß. Nur auf diesem Wege vermag das Hand werk gehoben und seiner gebührenden Bedeu tung entgegengeführt zu werden, wobei aller dings auch das Gesetz helfend und unter stützend eingreifen muß. Dann aber auch wird sich russig schaffender Kraft, zu auf- ^°^n und Werden Zufriedenheit, Wohlstand und Freude am schaffenden Leben ge sellen. Dann werden wir wieder wie unsere Alt vordern sagen können: Das Handwerk hat gol denen Boden. v "Waldenburg, 10. Januar 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Fürst Bismarck ist am 8. d. nachmittags in Berlin eingetroffen. Auf die Neujahrs-Adresse der Berliner Stadtverordneten erwiderte der Kaiser, er wünsche, daß in einträchtigem Zusammenwirken aller Kräfte des nationalen Lebens das Ziel erreicht werde, welches in der Wohlfahrt des Ganzen die Wohlfahrt des Einzelnen umfaßt, und er theile die Hoffnung, daß unter Wahrung des äußeren wie inneren Friedens die Hingebung des deutschen Vol tes zum Segen des Vaterlandes gereichen möge. Eine Wiener Buchhandlung kündigt an, daß Herr A. v. Rothschild in Wien gegen Hrn. Hospredi- ger Stöcker ein in deutjcher und hebräischer Sprache abgefaßtes offenes Sendschreiben erlassen habe. Preis 40 Pfg. Es wird bestätigt, daß außer dem Arbeiter-Ver sicherungsgesetz dem Volkswirthschaftsrathe auch ein Entwurf über eine anderweite Regelung des JnnungSwesens zur Prüfung zugehen wird, wel cher sich ziemlich eng an die letzten Beschlüsse des Reichstages anschließen soll. Folgende Grundsätze soll der Entwurf über das Jnnungswesen enthalten; Diejenigen, welche gleiche oder verwandte Gewerbe selbstständig betreiben, können zu einer Innung zu- sammenkreten, ein Zwang zum Eintritt in die In nung findet nicht statt. Die Theilnahme an der Innung kann von statutarisch festzustellenden Vor aussetzungen abhängig gemacht, insbesondere kann die Zurücklegung einer bestimmten Lehrlings- und Gesellenzeit, sowie die Ablegung von Gesellen- und Meisterprüfungen, sowie die Zahlung eines Ein- - trittsgeldes gefordert werden. Wo Meisterprüfungen gefordert werden, dürfen sich dieselben nur auf den Nachweis der Befähigung zur selbstständigen Aus führung der gewöhnlichen Arbeiten des Gewerbes beziehen. Nach Maßgabe des Statuts kann sich die Thätigkeit der Innung erstrecken auf die Leitung und Aufsicht über die Lehrlinge der Jnnungsmeister, insbesondere die Entscheidung über die Aufhebung oder Dauer des Lehroerhältnisses, die Aufsicht über die Gesellen bei Jnnungsmeister, insbesondere über die von Gesellen zu führenden Legitimationen, die Verwaltung der Kranken-, Hilfs-, Spar- und Jnvalidenkassen der Innung, die Fürsorge für die invaliden Gesellen, sowie für die Wittwen und Waisen der Jnnungsmitglieder, die Vermittelung zwischen JnnungSgenossen bei gewerblichen Streitig keiten. Durch die höhere Verwaltungsbehörde kann nach Anhörung der Gemeindebehörden Innungen ' die Aufsicht über das gejammte Lehrlings- und Ge sellenwesen ihres Gewerbes übertragen werden Den JnnunMn steht die Wahl für die Schiedsgerichte, sowie die Mitwirkung bei der Leitung öffentlicher Fachschulen zu; die Landesbehörden erlassen die Normativbestimmungen für die Bildung neuer oder die Umwandlung schon bestehender Innungen. Der Redacteur des „Börsen-Couriers", Robert Davidson, wurde wegen Beleidigung des Hofpre digers Stöcker durch einen am 27. Mai im „Bör- sen-Courier" veröffentlichten Artikel zu 150 Mk. Geldstrafe verurtheilt. Die Judenfrage kam am 7. d. in Berlin in einer Versammlung des Louisenstädtischen Bezirksvereins abermals zur Verhandlung, vr. Langerhans sprach für die Juden unter theilweise lärmendem Wider spruch, sodaß der überwachende Polizeilieutenant bei nahe zur Auflösung der Versammlung hätte schreiten müssen. Nach Langerhans sprachen nach Mehrere theils gegen, theils für die Juden. Vor dem Ein gänge des Lokals mußten zwei Schutzleute Wache stehen, um Niemand mehr in den überfüllten Saal zu lassen. Auch diese Versammlung zeigte wieder, wie hoch die Wogen dieser Bewegung in Berlin gehen. Die Berliner „Nordd. Allgem. Ztz." überrascht uns mit Folgendem: „Ein sehr merkwürdiges und interessantes historisches Actenstück wurde soeben unter den nachgelassenen Papieren des verstorbenen Cardinals Antonelli gefunden. Es ist dies ein Brief, den Victor Emmanuel zur Zeit der Occupation Roms durch italienische Truppen an Pius IX. ge schrieben hat. Der König sagt darin, daß er der Ueberzeugung sei, der Kirche einen Dienst zu er weisen, wenn er die ewige Stadt durch seine Truppen in regulärer Weise besetzen lasse, anstatt sie der Revolution preiszugeben. An dieser Stelle befindet sich eine eigenhändige Bemerkung Pius IX., welche besagt, daß der Papst diese Vorsicht begreife und dem König dafür dankbar sei, daß er aber vor der Welt dagegen protestiren müßte." — Die papistische „Germania" bemerkt dazu: „Daß Vic tor Emmanuel einen derartig:» heuchlerischen Brief geschrieben, war schon längst bekannt. Daß aber der hochselige Papst eine solche Bemerkung hinzu gesetzt habe, wird der „Nordd." kein vernünftiger Mensch glauben." Oesterreich. Ein Beispiel von der unerbittlichen Intoleranz der Juden da, wo sie die Mehrheit bilden, erzählt man aus Galizien. Sadagora, der Wohnsitz des bekannten „Wunder-Rabbi", war in den jüngsten Tagen der Schauplatz unruhiger Auftritte. Ein Jude ließ sich nämlich vom katholischen Pfarrer taufen. Darob ergrimmten die Chassidim (frommen Juden), welche großes Geschrei erhoben und dem Renegaten Rache schwuren. Die „Frommen" drangen in die Behausung des Neophyten ein, der in der Hütte eines Zigeuners wohnte, nachdem sie vorher die Fenster eingeschlagen hatten. Der Zigeuner wurde gezwungen, den getauften Juden auf die Straße zu setzen, damit er obdachlos umherirre und dem Elend anheimsalle, denn sie hatten sich's ge schworen, den Renegaten nirgends ruhen noch rasten zu lassen. Als der von seinen Glaubensgenossen Geächtete am Abend nach seiner Taufe die Wohnung des katholischen Geistlichen verließ, wurde er von 300 Fanatikern überfallen und jämmerlich mißhan delt. Es mußte die Gendarmerie einschreiten, welche es nur mit größter Mühe vermochte, den Aufruhr zu unterdrücken und den Getauften einem sicheren Tode zu entreißen. Der Verfolgte wurde bis auf Weiteres in der Gendarmeriekaserne untergebracht. Einige der Rädelsführer wurden bereits verhaftet. Auf Wunsch der belgischen Majestäten ist die Vermählung des Kronprinzen Rudolf mit der Prinzessin Stephanie auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. England. In der Sitzung des Unterhauses am 7. d. brachte Parnell ein Amendement ein, besagend, der Frie den und die Ruhe in Irland könnten durch oie Suspendirung der constitutionellen Rechte nicht ge fördert werden. Die englische Presse übertreibe die Zustände; bedauerliche Vorfälle hätten allerdings stattgefunden, aber die Landliga sei bestrebt, Ge waltsamkeiten zu verhindern. Zwangsmittel würden nur die Mord- und Gewaltthaten vermehren; Ir land müsse durch eine hochherzige Politik gewonnen werden, nicht durch eine Zwangspolitik. Der Ober sekretär für Irland, Forster, erwiederle, die Regie rung betrachte Zwangsmittel nicht als eine Abhülfe gegen die Ungerechtigkeit, allein der Schutz des Lebens und des Eigenthums sei durchaus nothwen dig. Parnell's heutige Rede sei mäßig gewesen; seine in den Vesammlungen der Landliga gehaltenen Reden seien dagegen aufreizend gewesen, sie hätten zwar die Gewaltsamkeiten und gewöhnlichen Ver brechen nicht gesteigert, wohl aber die agrarischen, insbesondere die Einschüchterung bedeutend vermehrt. Das Unterhaus hat ein Gesetz angenommen, welches für Wahlbestechungen Zuchthausstrafe bestimmt. Griechenland. Ministerpräsident Communduros erklärte auf die letzte französische Note, daß Griechenland entschlossen sei, den Waffengang mit der Türkei zu ver suchen. Das Schiedsgericht sei zwecklos. Griechen-