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Schönburger Tageblatt und Mittwoch, den 1«. Juni 18»« der Vorlage festhalten müssen, bis sie sich der amt lichen Ablehnung derselben durch eines der Land tagshäuser gegenüber befindet." Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Der Abonnemenispreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. *Waldenburg, 15. Juni 1880. Politische Rrm-schan. Deutsches Reich. Der Bundesrath bestätigte am 14. d. in seiner zweiten Berathung den in erster Lesung gefaßten Beschluß, betreffend den Zollanschluß der unteren Elbe. Für die am 16. Juni nachmittags 2 Uhr be ginnende Berliner Botschafterconferenz in der griechischen Frage ist analog der Geschäftsbehand lung im Congresse die Erledigung der Geschäfte in zweifacher Behandlung in Aussicht genommen wor den: einmal nämlich die Verhandlungen der Con- ferenz selbst, an welchen die Experten nicht theil- nehmen, und zweitens die Arbeiten der Experten auf Grund des vorangegangenen Conferenzantrages. Die bei dem Congreß üblich gewesene dritte Art der diplomatischen Ausschußberathung wird bei dem be grenzten Charakter der Conferenz wegfallen. Ver treter der Türkei und Griechenlands nehmen an der Conferenz nicht theil und haben keine directe Stel lung zu dieser. Es bleibt ihnen überlassen, durch die Vertreter einzelner Mächte ihre Wünsche vorzu bringen. Cultusminister von Puttkamer hat eine Deputa tion von Lehrern an städtischen höheren Lehran stalten Preußens empfangen. Dieselbe übereichte eine von 81 Lehrerkollegien aus dem Umkreise der ganzen Monarchie unterschriebene Petition, betreffend den Wohnungsgeldzuschuß, durch dessen Vor- enthalung viele städtische Behörden nun schon über sieben Jahre die Lehrer ihrer höheren Lehranstalten hinter denen der Staatsanstalten zurückstehen lassen, während doch ihre Schulen selbst jenen in allen Be ziehungen gleichstehen. Oesterreich. Der Kaiser Franz Josef hat am 13. Juni von Brünn aus die Rückreise nach Wien angetreten. Ueber die Fahrt nach Brünn wird noch berichtet: In Austerlitz wurden Salven aus Kanonen gegeben, die in der Schlacht bei Austerlitz erobert wurden. Längs der ganzen Strecke bis Brünn hatten die Gemeinden mit der Geistlichkeit, die dem Kaiser beim Vorüberfahren den Segen spendete, Spalier gebildet. Dem Kaiser wurden während der Reise in Mähren über vierhundert große Bouquets über reicht, die bei der Ankunft in Brünn in einem ei genen Wagen nach dem kaiserlichen Absteigequartier gebracht wurden. In allen Stationen, in denen der Kaiser ausstieg, sprach er mit vielen Anwesenden, mit den Bauern und Arbeitern, mit den Bürger meistern, Geistlichen und den Damen. Der 11. Juni war wieder ein Tag anstrengendster Thätigkeit für den Kaiser. Am Morgen Revue, Vormittags Em pfänge, Nachmittags Besuche in Instituten und Fa briks-Etablissements. Frankreich- Im Senat übernahm am 14. d. Say das Prä sidium mit einer Ansprache, worin er für seine Wahl dankt und seines Vorgängers in ehrenden Worten gedenkt. Say hob hervor, die republikani schen Institutionen seien zwar noch jung, aber stark und könnten alle Früchte nur durch die Ueberein stimmung der großen Staatsgewalten tragen, eine Uebereinstimmung, welche der Würde oder der Un abhängigkeit der Kammer wie des Senats keine Opfer auflegen solle. Diese Uebereinstimmung sei der schützende Mantel, welcher sich über die Republik und die parlamentarische Regierung nach modernen Ideen ausbreitet. Der Senat werde bei dem tiefen Verständniß für die Erfordernisse der Politik sie zu erhalten wissen und auf diese Weise die Aufgabe der Executivgewalt erleichtern, welche bei freien Völ kern stets so schwierig sei; der Senat werde dazu beitragen, im Geiste der Bevölkerung die Prinzipien zu befestigen, welche untrennbar von der Idee der Republik seien, nämlich Achtung vor dem Gsseße und die Aufrechterhaltung der Ordnung. Die französischen internationalen Socialisten rü sten für dieses Jahr einen französischen sociali- stischen Arbeitercongreß. Der zu diesem Zweck ernannte Organisations-Ausschuß hat an sämmtliche Arbeitervereine Englands ein Rundschreiben gerich tet, in welchem er dieselben zur Ernennung ihrer Delegirten und Abfassung ihrer Berichte auffordert. Der Congreß findet dieses Jahr am 11. October in Hav^e statt. Es ist ein Special-Ausschuß er nannt worden behufs Berichterstattung über die so- cialistische Bewegung in Frankreich und anderen Ländern. Ein Bericht über die Sitzungen des Con- gresses wird fünfzehn der leitenden socialistischen Organen zugehen. Bislang hat der Ausschuß außer den Engländern noch keine Ausländer zur Theilnahme eingeladen. Von dem Tagewerke des gegenwärtigen Präsidenten der Republik liefert das Pariser Blatt „Voltaire" folgende Schilderung: Herr Grsvy, der sich einer kräftigen Gesundheit erfreut, steht auf, wenn es ihm gut dünkt und je nach der Arbeit, die er zu erledigen hat. Er nimmt sogleich eine starke Douche, trinkt nach einer tüchtigen Friclion eine Taffe Kaffee, kleidet sich schnell an und geht an seine Arbeit. Zunächst läßt er sich von seinem Secretär Duhamel die eingelaufenen Briefe und Actenstücke vorlesen. Um 10 Uhr giebt er Audienz. Es ist nicht allgemein bekannt und in Frankreich überhaupt noch nicht dagewesen, daß der Präsident ohne jedes Audienzschreiben empfängt. Du gehst zwischen 10 und 12 Uhr am Elysse vorüber und hast den Einfall, dem Staatsoberhaupte Deine Auf wartung zu machen. Da brauchst Du nur durch das Hauptthor einzutreten und zu sagen, daß Du Herrn Grsvy zu sprechen wünschest. Ein Haussier führt Dich in einen Wartesaal, wo Du Deinen Namen in eine Liste einschreibst, welche jeden Morgen dem Präsidenten vorgelegt wird. Er macht ein Zeichen zu den Namen der Personen, die er sofort empfangen will. Wenn Du nicht zu den Angestrichenen gehörst, brauchst Du nur am folgen den Tage wiederzukommen und kannst ebenfalls eintreten. Der Präsident ist aber auch sehr kurz angebunden, selten dauert eine Audienz länger als 10 Minuten. Dem Ministerrathe wohnt Herr Grsvy in schwarzem Rock bei. Er verschränkt die Arme und spricht fast gar nicht; die Bemerkungen, die er zu machen hat, bringt er in der Regel unter vier Augen dem betreffenden Minister vor. Um 12 Uhr wird dejeunirt. Dabei sind immer zwölf Gedecke bereit. Herr Grsvy hat nämlich die Ge wohnheit, die Personen, mit denen er ausführlicher plaudern will, als in der Audienz möglich ist, zum Dejeuner bei sich zu behalten. Zugegen sind ferner Frau und Fräulein Grovy, der General Pittis als erster Adjutant, der Kabinetschef Duhamel, der Secretär Fourneret und der dienstthuende Offizier. Nach dem Dejeuner führt Herr Grsvy seine Gäste in das Rauchzimmer oder in den Garten, wo er vortreffliche Cigarren aufwarten läßt. Von 2—3 Uhr schreibt der Präsident Briefe und liest Zeitungs- Auszüge; von 3—4 Uhr macht er mit einem ^Waldenburg, 15. Juni 1880. Bismarck zur Kirchengesetzvorlage. Kurz nachdem die Kirchengesetzvorlage von der Commission des preußischen Abgeordnetenhauses ab- gelehnt worden war, sprach man die Ansicht ar , daß die Regierung besser thäte, die Vorlage ganz zurückzuziehen, denn sie würde mit der Vorlage doch nur eine Niederlage erleben. Nielmebr Daran denkt Bismarck jedoch nicht. Vielmehr will er die Vorlage als einen Bewers h'nstellen, aß die preußische Regierung den ernsten Willen hat, den katholischen Unterthanen alles das zu gewahren, was ihnen unbeschadet der Rechte un In eres- sen des Staates gewährt werden kann. Lehnt die Volksvertretung die Vorlage ab, nun so kann der Regierung wenigstens der Vorwurf der Unduldsam- keit und Ungerechtigkeit nicht mehr gemacht werden. Zur Bestätigung des Vorstehenden theilen wir eine Aeußerung Bismarcks über die kirchenpoli tische Vorlage, die er gegen persönlich befreundete Abgeordnete gethan hat, mit, die zu veröffentlichen die „Nordd. Ztg." Ermächtigung erhielt. Bismarck sagte: „Da die Commissionsverhand lungen kein positives Ergebniß geliefert haben, wer den die Berathungen des Plenums unter Zugrundele gung der Regierungsvorlage stattfinden, zu welcher die Stellung der Staatsregierung meines Erachtens die selbe bleiben muß, wie zur Zeit der Einbringung der Vorlage. Die Negierung hält sich für verpflichtet, unabhängig von den Verhandlungen mit Rom den katholischen Unterthanen des Königs Alles zu ge währen, was ohne Schädigung der Gesammtinteressen des Staates gewährt werden kann. Dieser Ge danke ist durch die Vorlage zum Ausdruck gebracht worden. Es kann nicht erwartet werden, daß die Regierung ihre Ansicht über das Maaß der zuläs sigen Concessionen in den 8 oder 10 Tagen der Commissionsberathungen geändert haben sollte, da diese Ansicht nicht auf dem augenblicklichen Stand einer parlamentarischen Constellation, sondern auf der principiellen Erwägung der Bedürfnisse und unveräußerlichen Rechte des Staates beruht. Die Regierung kann sich in der Schätzung der Bereit willigkeit der einzelnen Fractionen, den Wünschen der katholischen Bevölkerung auch parlamentarisch entgegenzukommen, getäuscht haben. Aber auch hier von ist ein stricter Beweis durch die Commissions verhandlungen noch nicht geliefert, nur die Plenar beschlüsse können ihn Herstellen; durch das Votum der Mehrheit eines der beiden Landtagshäuser kann die Regierung verfassungsmäßig gehindert werden, der katholischen Bevölkerung diejenigen Concessionen auf kirchlichem Gebiete zu machen, welche sie für staatlich zulässig hält. Sie kann durch ein solches Votum genöthigt werden, auf die Aus führung der Absichten, welche der Entwurf eingege ben hat und die ihm die königliche Genehmigung verschafften, ganz oder theilweise verzichten, sie wird natürlich de» verfassungsmäßig bekundeten Willen des Landtags achten. Aber die Regierung würde mit sich selbst in Widerspruch treten, wenn sie die in der Vorlage gemachten Anerbietungen oder einen Theil derselben freiwillig zurücknehmen würde und damit ihrerseits die Verantwortung für die Versagung der Concessionen übernehmen wollte, welche sie ohne Schädigung des Staates im Interesse des religiösen Friedens vor 3 Wochen gewähren zu können glaubte. Dem kirchlichen Bedürfnisse der katholischen Preußen weniger zu gewähren, als ihnen ohne Schädigung des Staates gewährt werden kann, würde den lan- desvaterlichen Interessen des Königs nicht entsprechen, nie Negierung wird daher meines Erachtens an ZMM5' Waldenburger Anzeiger Annahme von Inseraten für d,e nächst ' scheinende Nummer bis Mittags 12 uyr des vorhergehenden Tages. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg