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Wollen-Websrwaaren mit zugeschrieben wird, bittet das Direktorium deutscher Industrieller den Herrn Fürsten Reichskanzler um Anordnung einer Unter suchung der einschlägigen Verhältnisse wie eine solche bereits über die Verhältnisse der Baumwoll- und Leinen-Industrie stattgefunden hat." -- Man trifft bereits Vorbereitungen für die am 1. December stattfindende allgemeine Volkszählung im deutschen Reiche. Es soll nicht blos die Be- völkerungszahl und die Vertheilung nach Geschlecht, Alter, Religion, Beruf, Geburtsort und Staatsan gehörigkeit ermittelt, sondern auch damit eine Vieh zählung und eine landwirthschaftliche Statistik ver bunden werden. Man will die Größe des von jeder Haushaltung bewirthschafteten landwirthschaft- lichen Areals ermitteln. — Die landwirthschaftlich benutzte Fläche und die auf ihr und von ihr lebende Bevölkerung Mitte der siebenziger Jahre, nach den betreffenden amtlichen Quellen. Unter dieser Aufschrift bringt das dritte und vierte Heft der „Jahrbücher für Nationalöco- nomie und Statistik" eine in vielfacher Beziehung interessante Tabelle. Das Deutsche Reich hatte hier nach einen Flächeninhalt von 9839 geographischen Quadratmeilen, von denen 9052 Quadratmeilen, alio 92,0 Proc. der gesammten Fläche, productiv waren. Davon entfielen auf Wald 2498 Quadrat meilen oder 25,4 Proc., auf Acker-, Garten- und Weinland 4803 Q.-Meilen oder 48,8 Proc., Wie sen und Weiden 1741 Q.-Meilen oder 17,8 Proc., landwirthschaftlich benutzte Fläche 6554 Q.-Meilen oder 66,6 Proc. der Gesammtflüche. Was nun die einzelnen deutschen Staaten anbetrifft, so betrug die Productive Fläche in Preußen 92,3 Proc., in Baiern 94,0 Proc., in Sachsen 95,9 Proc., in Württem berg 95,2 Proc. und in Baden 88,1 Proc. der Ge- sammtfläche. Das verhältnißmäßig waldreichste Land ist Baden mir 33,4 Proc., dann folgt Baiern mit 32,0 Proc., Sachsen mit 30,5 Proc., während in Preußen nur 23,3 Proc. seiner Gesammtflüche mit Wald bewachsen sind. Daß bevölkertste Land ist Sachsen mit 14,361 Einwohnern auf einer Q.-Meile, dann kommen Baden mit 9679, Württemberg mit 7963, Baiern mit 5695 und Preußen mit 5066 Einwohnern. Die Anzahl der dircct von der Land- wirthschaft lebenden Bevölkerung beträgt dagegen in Procenten der gesammten Bevölkerung in Preußen 48,1 Proc.; in Baiern 42,4 Proc.; in Baden 39,4 Proc.; in Würtemberg 33,5 Proc. und in Sachsen nur 16,2 Procent. So ist Sachsens Bevölkerung hauptsächlich auf Industrie und Handel angewiesen, wie kein einziger Staat Deutschlands und kein ein ziger europäischer Staat, mit Ausnahme Englands, für welches diesbezügliche statistische Angaben nicht vorliegen. Kein Staat hat seine Landfläche so aus- genützt wie Sachsen, denn die hohe Ziffer von 95,9 Procent productiver, in Cultui erhaltener Fläche wird von den anderen Ländern nicht erreicht; sie Feuilleton. Der Legionär. Eine wahre Erzählung aus Oesterreichs schwerer Zeit von Emil König. (Fortsetzung.) Jetzt endlich wandte sich unser verdrießlicher Erb- postmeister dEect an seinen grauköpfigen Expeditor und schob das Käppchen knurrig etwas in den Nacken. „Nein, mein lieber Herr Fatzky, es ist zum Rasend werden. Wenn es so fortgehl, möchte ich den hohen Herren ihren ganzen PostkremM vor die Füße werfen." „Füße werfen!" replicirte das unterthänige Echo und putzte die Gläser seiner alten großen Horn- prille. „Einen Wisch über den anderen! Verfügungen, Tecrete, nichts als Schreiberkram über Schreiberkram! Heute verordnet, morgen widerrufen!" „Widerrufen!" brummte das Factotum. „Sind denn die Herren nicht mehr" „Verrückt, verrückt!" vollendete Fatzky. „Bei Sinnen, mein Herr Expeditor, wenn ich bitten darf!" fiel der Postmeister ärgerlich ein. „Und nun höre man das Publikum, was das über die vielen Neuerungen sagt? Die Einen meinen: „Blos Renommage!" „Nenommage!" bestätigte das Echo. „Die Andern schimpfen und meinen, die höheren Poststellen wären nur eine Versorgungsanstalt für Leuteschinder!" „Leuteschinder!" brummte der Graue nach. „Nur die Umstürzler wollen auch unser gutes, altes Postwesen auf den Kopf" — — „Kopf stellen, umkrempeln," vollendete Fatzky. beträgt in England und Wales nur 75,1 Proc., in Frankreich 93,6 Proc., in Österreich 93,2 Proc., in Ungarn 85,1 Proc., in Belgien 85,3 Proc, in den Niederlanden 71,8 Proc. Und dabei leben di- rect von der Landwirthschaft in Frankreich 51,3 Proc. in der Schweiz 41,8 und in Belgien 29,5 Proc. der Gesammtbevölkerung, während in Sachsen dieses Verhältniß nur 16,2 Proc. beträgt. Sachsen ist dichter bevölkert als England und Wales, die nur 12,277 Einwohner pro Q.-Meile aufweisen, auch dichter bevölkert als Belgien mit 13,530 Einwohnern pro Q.-Meile, während, wie wir schon angeführt haben, in Sachsen 14,361 Menschen auf demselben Flächenraume arbeiten und leben müssen. Auf eine landwirthschaftlich benutzte Fläche von einer Q.-Meile hält Sachsen 650 Pferde und wird in dieser Hinsicht nur von England mit 837 Pferden, Belgien mit 753 und Holland mit 669 Pferden (auf denselben Flächenraum berechnet) überflügelt; es erhält ferner auf einer landwirthschaftlich benutzten Q.-Meile 3635 Rinder (Würtemberg 4132, Baden 4118 und die Schweiz 4626), 1691 Schweine (nur Baden hat mehr Schweine in diesem Verhältniß nachzuweisen, nämlich 1803 Stück, während Ungarn nur mit 1295, England mit 1272 und Belgien mit 1681 ausge zeichnet werden), 1162 Schafe und 592 Ziegen. Zu dieser hohen Stellung unter den Culturstaaten gelangte Sachsen durch den Fleiß und die Arbeit seiner Bevölkerung, und wir wünschen von Herzen, daß diese Tugenden fortgedeihen und neue Früchte bringen möchten. — Am 1. April beging in aller Stille der ver dienstvolle General-Direclor der sächsischen Staats bahnen, Herr Geh. Rath von Tschirschky-Bögen- dorf in Dresden, sein 25jähriges Jubiläum. — Am Freitag ging ein unheimlicher Transport per Bahn durch Dresden — ein wohl 24 Personen umfassender Waggon voll unheilbarer Geisteskranker, darunter auffallend viel junge Mädchen. Die armen bemitleidenswerthen Wesen wurden von der Heil anstalt Sonnenstein zu Pirna nach derselben Anstalt in Colditz überführt. — Ein gräßliches Geschick ereilte am 1. d. in Naunhof bei Leipzig einen aus Dessau stammenden Dachdecker Namens Hunger mitten in der Ausübung seines Berufs. Der Aermste stürzte von dem Dache eines Hauses herab und schlug mit dein Kopf so heftig ans ein Stacket auf, daß sofort die Hirnschale zersprang. Nichts desto weniger war der Unglückliche noch am Leben, als man ihn in das Leipziger städtische Krankenhaus brachte. — Der Conditor Weidtmann in Chemnitz hat Sr. Maj. dem Kaiser zum Geburtstage eine Kriegs chronik aus Marzipan und Chokolade geschickt. Im August 1870 als Soldat war er nach Clermont in das königl. Haflager commandirt worden, um für seine Maj. das Tafelbrod zu backen. Im Hinblick auf diesen Zusammenhang nahm Se. Maj. „Das kommt aber Alles von der gebenedeiten Freiheit und Constitution! Scherereien haben wir genug bekommen, werden wir aber besser be zahlt?" „Leider nein!" seufzte das kahlköpfige, zahnlose Männlein. „Schmälern, zustutzen, abzwacken will man fort und fort von unsern geringen Emolumenten, bis uns zuletzt gar nichts mehr übrig bleibt, und wir wo möglich für die Ehre Postmeister zu sein, noch zulegen müssen, 's ist zum Verzagen!" „Zum Verzagen!" wiederholte das wandelnde Echo. „Und nun gar die Krone des Gebäudes, nein die Perle in der Krone ist diese neue Erfindung, die Aufsichtsbeamtcn, Reiseinspectoren, Revisoren und wie sie sich sonst noch nennen. Das sind wahre Landplagen. Die Kecle schnüffeln und spioniren wie die Spürhunde überall umher, bis sie um des Kaisers Bart ellenlange Berichte an die Direction ablassen können. Die verhetzten und verfuchsschwän- zen die armen Postmeister und bauschen aus Ver sehen wo möglich Vergehen und aus Vergehen Verbrechen auf, und wo absolut nichts zu finden ist, da erfinden sie etwas, damit sie ja als umsich tige Beamten gelten und ihre überflüssige Stellung als nothwendig erscheinen lassen. Wer erfährt's denn, was diese wandernden Schnüffler hinter un serem Rücken über uns berichten und heimlicher Weise in unsere Personalacten bringen!" „Personalacten bringen!" echote Fatzky. „Was Teufel!" nef der Postmeister aufhorchend plötzlich. „Sollte der Franzl schon retour sein, ich höre Pferde?" Auch das graue Männchen spitzte die Ohren, während der Postmeister an's Fenster trat. Eine Postkalesche war eben vor dem Hause vor gefahren und hcrausstieg ein junger Herr in Post- — gegen den sonst gewahrten Brauch — das Ge schenk an und Herr Weidtmann erhielt ein Dank schreiben durch das Hofmarschallamt. — In Freiberg wurde an 2. d. der Hund eines dortigen Hauptmanns, als mit der Tollwuth behaftet, auf Anordnung des Bezirksarztes getödtet, nachdem er den Diener seines Herrn, sowie den Hund eines anderen Offiziers gebissen hatte. Die Polizei hat Hundesperre auf 12 Wochen angeordnet. — In Kirchberg ist am 1. d. Herr Bürgermeister Querner nach kurzem Leiden am Lungenschlag ver storben. — In der Kaserne der königl. Unteroffizierschule in Marienberg war am 30. v. M. zur Vertilgung von Ratten ein Stück Brod mit Rattengift bestrichen aufgestellt worden. Ein Unteroffizierschüler fand das Brod, hielt es für eine „Bemme" und genoß ein Stück davon. Am anderen Morgen starb der Unglückliche unter gräßlichen Schmerzen. — Der dritte Osterfeiertag war für Grimma ein Festtag. Die Straßen waren beflaggt, nicht weniger als 300 Festtheilnehmer waren von aus wärts eingetroffeu — meist alte Seminar-Grimmen- ser — um den 75. Geburtstag ihres wohlverdien ten ehemaligen Lehrers, des Seminardirectors Schulrath Köhler, welcher in den Ruhestand getre ten ist, dankbar zu begehen. — In Brand hat eine Anzahl JnnungSmcister der combinirten Schuhmacher- und Schneiderinuung beschlossen, jeden Lehrling nach beendigter Lehrzeit ein Probe- oder Gesellenstück liefern zu lassen. Das Probestück soll nicht in des Lehrmeisters Werkstatt, sondern bei einem andern Jnnungsmeister angefer tigt und einer Prüfung unterworfen werden. — Auf der Wilyelmshöhe bei Seiffett ist kürzlich ein unbewohntes, früher zu Bergbauzwecken benutz tes Gebäude unter fürchterlichem Getöse in den unter ihm befindlichen Stölln versunken. — Die Reichsbankstelle in Gera hat im ver gangenen Jahre rund 116'/- Millionen Mark Um satz gemacht. Der Lombardverkehr ist daran mit rund 61'/? Millionen, der Giroverkehr mit rund 50 Millionen betheiligt. Vermischtes. Uebcr die Partcibewegung im Deutschen Reiche enthält das soeben erschienene „Statistische Jahr buch für das Deutsche Reich", herausgegeben vom kaiserl. statistischen Amt, über die Ergebnisse der Reichstagswahlen in den vier Legislaturperioden 1871, 1874, 1877 und 1878 eine Nachweisung, welche wohl zum ersten Male die für die politischen Strömungen im Volk maßgebenden Ergebnisse für das ganze Jahrzehnt zuverlässig und übersichtlich zusammenstellt. Dieser Uebersicht sind einige beson- uniform und präsentirte sich dem erstaunten Post meister. Ehrerbietigst sein Käppchen ziehend, complimen- tirte der Alte, der eben noch über die Land plagen von Aussichlsbeamten raisonnirt hatte, das eben angekommene Exemplar in's Haus und bat dasselbe, sich's bequem zu machen. „Zunächst der allerhöchste Dienst, dann die Er holung, mein verehrter Herr Postmeister," lehnte der Beamte höflich ab. „Meine Amtsgeschäfte wer den übrigens schnell beendet sein, dann stehe ich gern auf ein Stündchen ihrer lieben Familie zur Disposition." „Wie Sie belieben!" entgegnete etwas verstimmt der Postmeister und geleitete den Herrn Vorgesetz ten in's Amtslocal. „Ich werde die Herren heute wenig incommodiren," meinte der Gestrenge, „überdies ist der Ruf Ihrer Station, Herr Postmeister, ein so guter, daß ich nicht zweifle, Alles in bester Ordnung zu finden." „Zu finden," echote das Männlein, den dienst lichen Angstschweiß auf der Stirne. In kurzer Zeit war die Revision der Cassenbücher, Belege u. dgl. beendet. „Ganz wie ich vorausgesetzt," sagte der Commissar verbindlich, „es ist Alles in bester Ordnung." „Bester Ordnung! replicirte der Expeditor er leichtert. „Ueberdies," fuhr der Hochvcrmögende fort, „ist sür heute die Inspektion und Revision der Post halterei die Hauptsache. Vornehmlich muß ich mir Ihre sämmtlicheu Postillone lassen!" (Fortsetzung folgt.)