Volltext Seite (XML)
Hchinünimtr tmMM und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg Sonnabend, den 7. Februar 1880 Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tags nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. *Waldenburg, 6. Februar 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Fraction der Deutsch-Conservativeu und der Reichspartei laden bereits ihre Genossen im Reichs tage zu Vorbesprechungen ein. Es wird sich gleich beim Beginne der Reichstagssession, die von Frhrn. v. Franckenstein eröffnet werden wird, um wichtige Dinge, so z. B. um die Präsidentenwahl handeln. Von den drei Präsidenten der letzten Ses sion ist Herr v. Seydewitz entschlossen, in das Bureau nicht mehr einzulreten, Herr Lucius ist schon in sei ner Eigenschaft als preußischer Minister davon aus geschlossen, und nur Frhr. zu Franckenstein kommt bei der Präsidentenwahl in Betracht. Die Conser- vativen wünschen unter allen Umständen die Wahl eines Nationalliberalen, also Bennigsen's zum ersten Präsidenten hintertrieben zu sehen, und würden ge neigt sein, für ein Mitglied der Reichspartei, man nennt den Grafen Arnim-Boytzenburg zu stimmen. Das Centrum wird sich auf einen Pakt nur einlassen, wenn ihm die Stelle des ersten Vicepräsidenten ver bleibt. Bei dieser Präsidentenwahl wird auch der Reichskanzler ein Wort mitzusprechen haben und man hört, daß die Wahl des Grafen Arnim-Boytzenburg ihm durchaus conveniren würde; Graf Arnim hat mit vielem parlamentarische» Geschick der letzten preußischen Generalsynode präsidirt. In einem bemerkenswerthen Artikel der freicon- servativen „Post", den man auf „höhere Eingebung" zurückznführen geneigt ist, giebt dieselbe derconser- vativen Fraction des preußischen Abgeordneten hauses die Schuld daran, daß in dieser Session kaum Nennenswerthes erreicht worden ist. Dies liege vor allem daran, daß die conservative Fraction der ihr nach ihrer Vereinigung gewordenen Auf gabe, die nationalliberale Partei in der Leitung des Hauses zu ersetzen, sich nicht als gewachsen gezeigt habe. Die Conservativen paktiren bald mit dem Centrum, bald mit den Freiconservativen und Na tionalliberalen, bald über die ersteren hinweg mit letzteren allein. Dabei trage man in nahezu osten- silber Weise einen bis zur Gegnerschaft zugespitzten Unabhängigkeitsdrang gegen das Ministerium zur Schau. „Der Effect liegt auf der Hand: die con servative Partei hat für alle übrigen Parteien, wie für die Staatsregierung aufgehört, ein zuverlässiger Bundesgenosse, ja selbst ein commensurabler Factor zu sein. Damit ist denn naturgemäß die Möglich keit einer leitenden Stellung beseitigt." Im preußischen Abgeordnetenhause ist es bei Be- rathung des Cultusetats wieder zu einer Cultur- kampfdebatte gekommen. In derselben sagte der preußische Kultusminister v. Puttkamer betreffs der Ausgleichsverhandlungen mit der Curie, daß der Ausgleich, wenn er gelinge, nur stattfinden werde auf dem Boden der preußischen Landesgesetzgebung; nur in Mitwirkung der letzteren werde man die Bürgschaft dafür finden, daß der Ausgleich bei aller Schonung der kirchlichen Interessen und Bedürfnisse, doch zum unverrückbaren Endziel d e Interessen der Rechte der Monarchie haben werde. Aus den schlesischen Nothstandskreisen meh ren sich die amtlichen Klagen darüber, daß ein nicht unerheblicher Bruchtheil der nothleidenden Be völkerung den Nothstand ausnutzt, um sich ohne Ar beit ernähren zu lassen. Frankreich. > Auch in Frankreich macht die Verstaatlichung der Eisenbahnen sichtliche Fortschritte. So hatte der Minister für öffentliche Arbeiten, Varroy, am 2. d. eine Conferenz mit dem Eisenbahnausschuß des Hau ses der Abgeordneten über die Frage des Rückkaufs i der Eisenbahnen und insbesondere der Orleansbahn durch den Staat. Er erklärte, daß die Regierung zur Verstärkung des staatlichen Eisenbahnnetzes und um den Betrieb in einem größeren Maßstabe zu versuchen, zunächst nur die Absicht habe, einen Theil der Orleansbahn, nämlich die zwischen den Linien Paris-Bordeaux und Paris-Nantes gelegenen Zweig bahnen, käuflich zu erwerben. Natürlich würde dann für dieses vergrößerte Staatsnetz in Paris eine Aus gangsstation angelegt werden. Hinsichtlich des Vor schlags, sämmtlichePrivatbahnen zurückzukaufen, müsse die Negierung sich ihre Entschließungen Vorbehalten; einstweilen habe sie mit den Gesellschaften Unter handlungen über einen neuen moäus vivendi in Bezug auf die Tariffrage cingeleitet. Die Mehrheit des Ausschusses erklärte das Project der Regierung, nur den angedeuteten Theil der Orleansbahn an sich zu bringen, für unzugänglich, und Varroy versprach, diesen Bescheid dem Ministerrath zu übermitteln. Spanien. Binnen Kurzem wird man sich mit der Erneuerung der Handelsverträge beschäftigen, welche vor zwei Jahren mit Frankreich, Belgien, Oesterreich und Deutschland abgeschlossen wurden. Außerdem sollen Handelsverträge mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika und England abgeschlossen und andere derlei Verträge auf 6 oder 8 Monate verlängert werden. Es ist auch die Rede davon, mit den ame rikanischen Republiken gute Verträge abzuschließen, um der spanischen Industrie neue Absatzwege zu erschließen. England. Das englische Parlament ist am 5. d. eröffnet worden. Die Thronrede begann mit der Erwäh nung der auswärtigen Angelegenheiten. Die Köni gin betonte die freundlichen Beziehungen zu allen Mächten. Die Arbeit des Berliner Congresses schreite in befriedigender Weise fort. Niemand opponire mehr dem Berliner Frieden, wenngleich alle Bestim mungen des Vertrags noch nicht ausgeführt sind. Die Verhandlungen zwischen England und der Pforte sind noch schwebend. Eine neue Convention mit dem Sultan bezüglich der Abschaffung des Sklavenhan dels, wird erwartet. Der Passus der Thronrede be züglich Afghanistans ist lang. Die Königin resumirte die Ereignisse daselbst seit dem Monat September. Die Pflicht der Rache für Cavagnaris Ermordung durch militärische Occupatio» Afghanistans müßte jetzt noch fortdauern, allein es sei noch Hoffnung vorhan den, daß dieselbe bald aufgegeben werden könne. Indien erfreut sich eines Wiederaufschwunges des Wohlstandes. Bezüglich Afrikas freut sich die Thron rede, daß die Fehler des Feldzuges gegen Cetewayo durch glänzende Operationen gegen Secoconei wieder gut gemacht wurden, und daß der Krieg daselbst be endet sei. Doch werden die afrikanischen Kolonien zukünftig mehr sich selbst vertheidigen müssen und das Mittel hierzu sei die Conföderation. Von den inneren Angelegenheiten kommt zuerst die irische Noth zur Sprache, welche sympathisch erwähnt wird. Dann fordert die Regierung Indemnität wegen der Mehr ausgaben in Irland für die Unterstützung der Noth leidenden. Einer besonderen Landesgesetzgebung speziell für Irland erwähnt die Thronrede nicht, doch dürften allgemeine Reformen hierüber für das ganze Land erfolgen. Die Thronrede enthält außer den schon gemeldeten Vorlagen noch die Ankündigung eines neuen Strafgesetzes und eine Reform der Ge setze für Wahnsinnige. Das Verfahren der englischen Militärbehörden in Afghanistan, welche diejenigen erschießen, die ihr Vaterland zu vertheidigen suchen, hat eine große Anzahl einflußreicher Engländer veranlaßt, ein Schrei ben an den Premierminister Lord Beaconsfield zu richten, worin sie diese Maßregeln als völkerrechts widrig und einer civilisirten Nation unwürdig ver dammen und eine Remedur fordern. Rußland. Der Extrazug der Kaiserin von Rußland hatte auf der Fahrt von Berlin nach Königsberg einen Unfall. Bei Güldenboden war in einem den letzten Wagen des Zuges (dieselben waren durch Dampf geheizt) Feuer ausgebrochen; das Feuer wurde bald gelöscht, indessen mußte der Zug 13 Minuten'halten. Zum Transport der Kaiserin vom Bahnhofs in Pe tersburg nach dem Winter-Palais wurde ein großer Wagen gebaut, der mit Heizvorrichtungen versehen ist, von 8 Pferden gezogen wird und 14,000 Ru bel kostet. Amerika. Recht erbauliche Zustände müssen in Brasilien herrschen. So wird aus Rio Janeiro unter dem 10. v. M. geschrieben: Nachrichten zufolge, welche aus Januaria hier emgelaufeii sind (Januaria liegt im Norden der Provinz Minas Geraes), haben 400 Banditen unter der Führung eines Mannes Nacodesa jene Stadt besetzt und, nachdem sie die brasilianischen Beamten ausgewiesen, geplündert; 22 Häuser wurden niedergebrannt. Die Banditen bedrohen nach andere Städte. Aus dem Muldenthale. — Der Glauchauer Geflügelzüchterverein arran- girt auch dies Jahr am 8., 9. und 10. Februar im Saale des „Grünen Baums" zu Albertsthal eine Geflügelausstellung. — Der Glauchauer Kriegerverein hielt am 4. d. im Bachstein'schen Saale eine Versammlung ab, in welcher Herr Alban Horn aus Dresden einen Vortrag über Zweck und Ziele des deutschen Krieger bundes hielt. Zwickau, 4. Februar. (Verhandlungen vor der II. Strafkammer.) Die schon dreimal wegen Betrugs bestrafte 25 Jahre alte Webersehefrau Selma Emilie Colditz geb. Illing aus Glauchau, gebürtig von Wildenfels, befand sich wegen einer Anzahl von im wiederholten Rückfalle verübter Betrügereien auf der Anklagebank. Im November v. I- ging dieselbe mit Haaröl hausiren. Von den Fläschchen, die sie mit sich führte, mochte eins den reellen Werth von höchstens 25 Pfg. haben. Sie suchte dieselben jedoch unter betrügerischen Vor spiegelungen höher an den Mann zu bringen. In 2 Fällen erreichte sie ihren Zweck nicht, nämlich bei Hulda Linke in Altstadt-Waldenburg und bei der verehel. Walter in Waldenburg, der ersten bot sie ein Fläschchen Haaröl für 2 Mk. 50 Pf. mit der Versicherung an, dasselbe helfe gegen Kopf schmerz und vermehre den Haarwuchs, der Walter versuchte sie erfolglos 2 Mk. abzunehmen, in dem sie ihr vorschwindelte, es sei Alpenkräuteröl, helfe gegen Kopfschmerz und gegen das Ausgehen der Haare. In anderen Fällen gelang ihr der beab sichtigte Betrug. So schwindslte sie der Christiane Wilhelmine verehel. Krause in Waldenburg 5 Mk. 50 Pf. bez. 4 Mk. 50 Pf., der Anna Therese Hellweg daselbst 2 Mk., der Anna Marie verehel. Wilhelm das. 1 Mk. 50 Pfg., der Louise vereyel. Schmidt daselbst 2 Mk. 50 Pfg. und der verehel. Engelmann in Penig 1 Mk. ab. In allen diesen Fällen glaubten die betrogenen Frauen an die an gebliche heilkräftige Eigenschaft des von der Colditz angebotenen Haaröls, zumal ihnen letztere wider die