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Mmlmiyti Tagehlait Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 1V Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 21. Ami 140. 1881. Bekanntmachung. Die im hiesigen Stadtbezirke wohnhaften Eltern, bez. Vormünder und Pfleger impfpflichtiger Kinder werden darauf aufmerksam gemacht, daß die gesetzlich vorgeschriebenen unentgeltlichen Impfungen bis ans Weiteres jede» Donnerstag Bormittags von 0 bis IO Uhr — also das erste Mal nächsten Donnerstag, den 2S. dieses Monats — im Sitzungszimmer, Rathhaus I. Etage rechts, vorgenommen werden und daß behusige Anmeldungen zur gedachten Zeit ebendaselbst beim Jmpfarzte, Herrn vr. m«ä. KnnkHänek vorzubringen, sowie daß die Impf scheine der bereits geimpften, im vorhergehenden Kalenderjahre geborenen Kinder bei genanntem Jmpfarzte zu produciren sind. Waldenburg, den 20. Juni 1881. Der Stadtrath. Cunrady. R. II. "Waldenburg, 20. Juni 1881. Etwas von „drüben." Viele, die nach Amerika reisen, glauben dort ins Schlaraffenland zu kommen, wo nun die guten Tage losgehen. Sobald sie aber amerikanischen Boden betreten, beginnen die Enttäuschungen, und Jeder, der nicht in kurzer Zeit völlig untergehen will, muß die Bekanntschaft mit der angestrengtesten Arbeit machen und wenn er seinem Unmuth darüber Luft macht, erntet bei den Amerikanern nur Hohn und Spott. So schreibt die „New-Aorker Staats- ztg.", die durchaus nicht deutschfeindlich gesinnt ist, vielmehr die Interessen des Deutschthums energisch vertritt, unter dem Titel: „Stoßseufzer aus Deutsch lands Leierkasten" das Folgende: „14,282 Einwanderer in einer Woche in Castle- Garden gelandet, 31,129 seit Anfang dieses Monats, zwei Drittel davon Deutsche. Große Sängerinnen haben es schon als eine sehr wirksame Reclame ge funden, die Nachricht verbreiten zu lassen, sie hätten plötzlich ihre Stimme verloren, und so scheinen auch die allergrößten Lügen und die schönsten Dumm heiten, welche in Deutschland über Amerika verbrei tet werden, nur den Erfolg zu haben, noch mehr Deutsche den Weg über das Meer antreten zu lassen. Vor uns liegt ein Exemplar eines schönen Jammer briefes, den ein Socialist an den in Bingen erschei nenden „Rhein- und Nahe-Bote" von hier aus ge sandt hat. Der Freund unseres Blattes, welchem wir diese Probe verdanken, kennt den Briefschreiber persönlich, und faßte sein Urtheil über denselben in den kurzen Satz zusammen: „Der Briefschreiber war in seiner Heimathsgemeinde als ein ganz ver kommenes Subject bekannt, dessen Auswanderung quasi als eine Wohlthat für Ober-Ingelheim ange sehen wurde." Wie unser Freund, wird wohl auch der „Rhein- und Nahe-Bote" das gewußt haben oder hätte es leicht erfahren können, wer sein Ge währsmann in Amerika ist, und man hätte das upisomehr erwarten sollen, als der schöne Brief mit fölgender Warnung schließt: „„Noch Etwas, liebe Landsleute! Wenn Ihr die Zeitung gelesen habt, werdet Ihr auch bald gemerkt haben, daß auch hier ein Etwas ist, daß auch hier ein Geist weht, woran vor 10 Jahren kein Mensch geglaubt hat, vielleicht Viele noch vor einigen Wochen nicht glaubten, der heute Alle, die mit offenen Augen sehen, mit Schrecken oder Hoffnung erfüllt. Wie in diesem Lande Alles sich schnell und praktisch verbreitet, so geht es auch mit diesem Geist. Wir stehen hier vor einer Revo lution, die, wenn sie zum Ausbruch kommt, wohl alle dagewesenen an Grausamkeiten und Schrecken überbietet."" „Mit „der Zeitung" ist ein hiesiges socialdemo- kralisches Blatt gemeint, das der gute Socialist seinen deutschen Freunden empfiehlt, weil es „nur 1 M. 50 Pf. für 14 Tage kostet", besonders aber, weil man darin lesen kann, wie absolut unsinnig es ist, nach Amerika auszuwandern. Im Uebrigen zeigt ja der Schlußsatz für uns nur, daß der gute Michel mit mehr Einbildungskraft, als klaren Verstand ausgestattet ist. An dem letzteren kann man aber überhaupt verzweifeln, wenn man folgenden Stoßseufzer liest: Der Lohn richtet sich auch hier nur nach Angebot und Nach frage." (Wahrhaftig schreckliche Verhältnisse) — „Ich habe mich davon überzeugt, daß vie Mehrzahl des Volkes ein jämmerliches Leben führt." — „Man lese nur die — Zeitung (ein socialistisches Blatt)! Wer sie aufmerksam liest, dem geht der Appetit nach hier verloren!" (Können wir uns sehr wohl denken!). — „Die Lebensweise ist eine schlechtere, als zu Hause, man ißt wohl drei Mal (soll heißen: des Tages) Fleisch, Eier und andere Sachen, die ein Arbeiter in Deutschland nicht sieht," aber „man muß wissen, daß '/< Pfund deutsches Fleisch mehr Gehalt hat, als ein Pfund von dem hiesigen." „Dann ist auch die Lust so trocken, daß man mehr — essen muß." Das sind nun allerdings wissenschaftlich unumstößliche Wahrheiten, vor denen man beschämt den Hut abnehmen muß. Das haben wir Alles noch nicht gewußt. Aber je weiter man das schöne Schriftchen studirt, desto besser wird es: „Ein zärtliches Familienleben ist hier dünn gesäet!" Wahrscheinlich, weil hier nicht wie in Deutsch land, zwei Drittel aller Ehemänner den Abend in der Stammkneipe, sondern in der Familie zubringen. „An Vergnügen ist nicht zu den ken!" — Aber das Allerschlimmste kommt noch: „Wer hier zu Etwas kommen will, der muß auf einem Fleck sitzen und (wir bitten unsere Leser, sich an der nächsten Stuhllehne festzu halten) — arbeiten." Der treue Warner hat sich entpuppt! Nach Amerika gehen und dann nicht als Pfadfinder durch die Berge strei fen können, um hier und da einen Büffel zu schießen, falls er nicht aus Achtung vor dem Appetit des Herrn der Schöpfung Selbstmord begeht, oder zur Abwechslung etwas Gold zu suchen, wo es am dich testen liegt, sondern auf einem Fleck zu sitzen und arbeiten, wer soll Das aushalten? — Die Arbeit, das ist's, worüber sie Alle klagen, diese Mutter söhnchen oder gebornen Faullenzer, welche mit dem Ammenmärchen vom Schlaraffenland im Kopf nach Amerika kommen. Und es sind merkwür diger Weise hauptsächlich gebildete Leute, die große Masse der Halbgebildeten, die in Deutsch land durch „Verhältnisse" oben gehalten werden, welche diese Klage hören lassen, von einem Ende Deutschlands bis nach dem andern. Von Bingen bis Danzig. Dort finden wir in der „Danz. Ztg." auch einen Brief, natürlich von dem vielberühmten Kaufmann. Er sieht sich veranlaßt, vor der Aus wanderung „eindringlichst zu warnen." Warum? Weil die Deutschen in Amerika ihre Verwandten und Bekannten herüberlocken, „um ihnen bei der Ankunft das Geld abzuschwindeln." Weil hier „nur Arbeit, Klugheit und Geld gilt." — Ja, ihr habt Recht, süße Syrupvermesser, hier gilt nur Arbeit, Klugheit und Geld. Und drei Mal glücklich das Land, wo die Zukunft des Mannes nur abhängig ist von Dem, was er leistet, von Dem, was er vermag und von Dem, was er erworben hat. Und möge es immer so bleiben, möge es gelingen, diese oft gefährdeten republikanischen Maximen immer aufrecht zu erhalten, möge der Amerikaner stets an dem Grundsätze festhalten, ohne Brodneid und Miß gunst allen brav Strebenden nachbarlich sortzuhelfen und nur die Faullenzer links liegen zu lassen, dann werden wir stets der besten Elemente aller Länder als Einwanderer sicher sein und dann können wir mit Freuden die Schwachköpfe entbehren, die solche Verleumdungsbriefe schreiben und sich durch dieselben abschrecken lassen. Wir gönnen sie dem alten Vater lands von Herzen und geben ihnen den aufrichtigen Rath, daheim zu bleiben und sich auf dem gewöhn lichen Wege zum kannegießernden Spießbürger heranbilden zu lassen." *Waldenburg, 20. Juni 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat den Minister Puttkamer zum preußischen Minister des Innern und Goßler zum preußischen Cultusminister ernannt, während er den Reichskanzler zur Herstellung seiner Ge sundheit beurlaubt und den Staatsminister Böt ticher mit der generellen Vertretung beauftragt hat. Der Bundesrath berieth am 18. d. eine Vor lage, betreffend die Creditirung der Rübenzucker steuer. Die Motive des abgelehnten Arbeiter-Un fallversicherungsgesetzes sollen, bevor dasselbe dem nächsten Reichstag wieder vorgelegt wird, einer Umarbeitung unterworfen und namentlich das statistische Material in denselben erheblich vermehrt werden. Es wird in Regierungskreisen auch noch die Frage ventilirt, ob nicht auch der Volkswirth- schaftsrath nochmals mit der Vorlage betraut wer den soll. Die Zahl der bei dem Reichstage in der gegen wärtigen Session eingegangenen Petitionen be trägt 3940; davon wurden den Fach-Commissionen 1376 und der Petitions-Commissionen 2564 Peti tionen überwiesen. Die Commission hat während der Session im Ganzen 37 Sitzungen abgehalten und in denselben von den ihr überwiesenen 2564 Pe titionen bis zum heutigen Tage 2387 erledigt, so daß nur 177 unerledigt geblieben sind. Von den zur Erledigung gelangten Petitionen wurden durch Be schluß der Commission 234 dem Reichskanzler über wiesen, von denen 19 die Zustimmung im Plenum des Reichstages fanden; 1654 sind durch Uebergang zur Tagesordnung und 50 durch Annahme von Ge setzen, Anträgen rc. erledigt (hiervon wurden 26 im Plenum erledigt); 458 wurden zur Erörterung im Plenum nicht für geeignet erachtet, von denen 279 ebenfalls im Plenum erledigt worden sind. Die Commission hat 8 mündliche und 10 schriftliche Be richte erstattet. Von den mündlichen Berichten fan den 4 ihre Erledigung im Plenum durch Annahme der Commissions-Anträge; 4 blieben unerledigt. Von den schriftlichen Berichten wurden 3 im Ple num berathen und nach den ComifsionS-Anträgcn angenommen; die übrigen 7 blieben unerledigt. Der vormalige Berliner Bezirksvorsteher Dolfuß wurde bei der zweitinstanzlichen Verhandlung in der bekannten Camentaffaire freigesprochen. Das Comitee zur Herbeiführung conservativer Wahlen in Berlin hat für den 1. Berliner Reichs- tagswahikreis den bekannten antisemitischen Kaufmann Rudolf Herzog als Candidaten auf den Schild ge hoben. Die Handwerker stellen im zweiten Wahl-