Volltext Seite (XML)
chöiüMM Tagehlalt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. «Nnahme von Inseraten für die nächster- icheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 3. Juni 12«. 1881. *Waldenburg, 2. Juni 1881. Die Zukunft der Deutschen. Die jüngste Denkschrift des Reichskanzlers weist bekanntlich auch auf die Ersprießlichkeit deutschen Landerwerbs in den Südsee hin, um die deutsche Auswanderung dorthin zu lenken und so der über zähligen deutschen Bevölkerung weitere Gebiete zur Ansiedelung zur Verfügung zu stellen und sie der deutschen Nation zu erhalten; denn die deutschen Auswanderer, welche nach Amerika oder nach an deren Ländern englischen Stammes ziehen, sind für uns verloren, in den nächsten Generationen sind bereits die Deutschen anglicanisirt. Da nun das Wachsthum der Völker und folgeweise ihre künftige Machtstellung von dem Raume abhängig ist, über den sie zur Ausbreitung ihrer Nationalität verfügt, so befindet sich die deutsche Nation anderen Nationen namentlich der englischen, gegenüber in einer un günstigen Lage. Behalten die verschiedenen Staaten ihre jetzigen Grenzen bei, so dürfte sich voraussichtlich die Volks zahl der europäischen Stämme in hundert Jahren wie folgt stellen: der englische Stamm umfaßte 1850 55 Millionen, 1875 aber bereits 90 Mill. Seelen, im Jahre 1980 wird sich die Zahl auf 927 Millionen belaufen. Der deutsche Stamm be trug 1850 53 Millionen, im Jahre 1875 64 Millionen, er wird im Jahre 1980 erst 146 Mill, umfassen. Die russische Volkszahl betrug 1850 63 Millionen, 1875 83 Millionen, sie wird 1980 haben 275 Millionen. Der romanische Volksstamm endlich hatte 1850 113 Millionen, im Jahre 1875 127 Millionen, er wird 1980 haben 212 Millionen. Hiernach überwiegt die englische Rece bei weitem alle anderen. In welchem Verhältniß in hundert Jahren die englische Race den Welthandel und da mit die Weltherrschaft an sich gerissen haben wird, vorausgesetzt natürlich daß der Besitzstand gleich bleibt, davon möge man sich aus der nachstehenden Vertheilung des jetzigen Weltumsatzes einen Begriff machen: Der Welthandel des englischen Stammes einschließlich der vereinigten Staaten von Nord amerika hat einen Umsatzwerth von 20,559 Millio nen Mark, der Welthandel Frankreichs einen Um satzwerth von 2,375 Millionen, derjenige Deutsch land einen solchen von 780 Millionen. Heute schon versorgt England alle überseeischen Länder mit ihren wesentlichsten materiellen und geistigen Bedürfnissen, es besorgt den wesentlichen Theil der Weltpost Europas bis in die entlegensten Theile des Erdballs und die englische Flotte übt die Polizeigemalt auf dem Meere. Die englische Race ist heule schon die herrschende, die englische Sprache die verbreitetste, englische Sitten und englische Art verdrängen schon seit längerer Zeit die festgesesienen französischen bei uns, unsere Enkel werden das englische Uebergewicht noch viel vollständiger aner kennen, wenn das Deutschthum nicht zu größerer Macht und Ausbreitung gelangt und sich dadurch vielleicht seine Eigenart bewahrt. Um die deutsche Nation vor dem immer weiter schreitenden Herabdrücken zu bewahren, giebt es nur ein Mittel: Raum zur Ausdehnung, d. h. Colonisation, wo es auch immer sei. Die Errei chung dieses Zieles wäre eine der schönsten Auf gaben unserer Volksvertretung, eine schönere jeden falls, als die Hetzereien und Nörgeleien, welche Vielen die freudige Mitarbeit vergällt, so daß sie sich zurückziehen und vielleicht weniger Berufenen das Feld räumen. ^Waldenburg, 2. Juni 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm wird am 19. Juli zum Kur gebrauch nach Gastein gehen. Der Reichskanzler emfing am 30. Mai den Besuch des Fürsten Gortschakoffs, General Chanzys und St. Valliers, und am 31. den Besuch Göschens und hat Bismarck deshalb ungeachtet des leidenden Zustandes mit den durchreisenden Staatsmännern die in Aussicht genommenen Unterredungen gehabt. Die Reichstagscommission für den deutschen Volkswirthschaftsrath sprach sich mit 8 gegen 6 Stimmen für Bewilligung des geforderten Be trages aus. Die „Prov.-Corresp." bringt einen Artikel über den Erfolg des Reichskanzlers in der Hamburger Zollanschlußfrage. Derselbe schließt mit folgen den Worten: Das bisher erreichte Ergebniß dient keinen Parteizwecken, sondern der deutschen Sache. Daß es erreicht wurde gegen den Willen und den Widerstand der Fortschrittspartei, wird den Erfolg ebensowenig beinträchtigen, wie auch der Mangel an Zustimmung und Unterstützung seitens der Fortschrittspartei das Reich und seine Verfassung in keiner Weise beeinträchtigt hat. Die Hamburger Frage wird hoffentlich Manchem die Augen über den Charakter der Fortschrittspartei öffnen, einer Partei, die sich der großen und idealen nationalen Aufgaben stets widersetzte und Alles aufbietet, um die Erreichung dieser Ziele zu verhindern. Gleich zeitig hat die Hamburger Frage von Neuem die Ohnmacht der Fortschrittspartei zur Erreichung ihrer verderblichen Bestrebungen dargethan. Oesterreich. Aus Böhmen kommen viele Klagen über die Wirkungen, welche die deutschen Schutzzölle auf die böhmische Industrie ausüben. Dieselben beweisen, wie vortheilhaft die Einführung der Schutz zölle für Deutschland ist. Es heißt in der „Bohemia" aus dem Nordwesten Böhmens: Es herrscht nur Eine Stimme, daß unser Grenzgebiet der gänzlichen Verarmung zugeführt und eine ungewöhnliche Ent völkerung zur Folge haben wird. Während Deutsch land vor jedem Zollabschluffe die einzelnen Grenz bezirke vernommen und sich genau orientirt hat, welche Waaren erzeugt werden, wohin sie gehen, welche eingesührt und welche ausgeführt werden und darnach seine Maßnahmen getroffen hat, um den wichtigeren, im Lande sich entwickelnden Zwei gen der Industrie den inneren Markt durch Zollsätze zu sichern, ist bei uns wenig oder gar nichts gesche hen. Die Fabrikanten und Manufacturisten längs der Grenzen wurden nicht gefragt, und deshalb mußte es geschehen, daß viele Industriezweige voll ständig lahmgelegt wurden. Beispiele mögen dies beweisen. In Lobendau ehelichte ein Grenzausseher ein Blumenmädchen und warf sich mit großem Er folg auf die Erzeugung künstlicher Blumen. Als aber nach dem ersten Zollabschluß 1 Pfund dieser Waare mit 1 Thaler Einfuhrzoll belegt wurde, war er genöthigt, nach Neustadt bei Stolpen in Sachsen zu übersiedeln, und heute arbeiten in die sem Etablissement über 800 Mädchen. Das Blu mengeschäft wurde früher in Böhmen sehr schwung haft betrieben, heute aber wird es nur noch selten angetroffen. Mit dem Knopfgeschäst, das eine große Ausdehnung hatte, verhält es sich gleichfalls so; es ist im entschiedenen Rückgang begriffen. Die Fa brikanten wandern nach Sachsen aus, wie dies bei spielsweise wiederholt von Schluckenau aus geschehen ist. Die ansehnliche Firma Jos. Ernst in Löbau war früher in Schluckenau. Dieselbe Wahrnehmung kann man in Tyssa und vielen anderen Orten ma chen. Unsere berühmte Glasindustrie geht auch zurück und haben sich mehrere böhmische Glaswaa- renerzeuger in Preußisch-Schlesien angesiedelt. Der Weberei geht es nicht besser. Niedergrund war ein stark belebter Ort, verarmt aber immer mehr, weil sich die Weber nach dem sächsischen Dorf Seifhen nersdorf, das stark aufblüht und nunmehr schon über 800 Häuser zählt, gezogen haben. Die Blei chereien hören ganz auf und entstehen in Sachsen, das die böhmischen Bleicher ganz an sich zieht. Mit den Holzschleifereien, die in jüngster Zeit in großer Zahl entstanden sind, wird es nicht bester. Der böhmische Schleifer kann die Maste nach Sachsen des hohen Zolles wegen nicht ausführen und das erzeugte Product, Packpapier, Pappendeckel, Schreib papier, hat eine starke Concurrenz mit dem sächsi- schen Schleifer, der das Rohmaterial billiger kauft und unter günstigeren Verhältnissen arbeitet, aus zuhalten. Ungarn. Auf dem linken Donau-Ufer bei Neupest hat in den letzten Tagen eine Massentaufe von Bap tisten — 4 Männer im Alter von 22 bis 25 Jahren, 2 Mädchen und 2 Frauen — stattgefunden. Der Prediger, ein Tischler, Namens Meyer, hielt, angethan mit schwarzer Soutane, eine anderthalb stündige Rede, stieg dann bis über die Hüften in die Donau und tauchte dann die in weiße Kutten gehüllten Täuflinge, jeden einzeln, unter. Rußland. Die Judenbewegung im Süden Rußlands besteht noch ungeschwächt. Eine ununterbrochene Kette von Nachrichten aus fast allen Theilen des Reiches läßt die Bewegung gegen die Juden nicht im Entferntesten als unterdrückt erscheinen, vielmehr geht aus sämmtlichen Mittheilungen hervor, daß der angehäufte Zündstoff ohne energische, die bisherige Strenge weit überholende Maßregeln zu noch gefähr licherem Ausbruch kommen werde. In Odessa lebt man in fortwährender Angst; die Magazine und Läden sind geschloffen. Jüdische Kaufleute wagen es kaum, auf die Straße zu treten. Erst kürzlich Nachts wurden dort nahezu tausend Personen, welche in Wohlthätigkeits-Asylen lebten, aber sich mit Päs sen nicht ausweisen konnten, verhaftet. In Charkow ist der Andrang der Juden bei der Filiale der Staatsbank behufs Hinterlegung ihrer Geld- und Werthsachen so groß, daß weitere Aufnahmen ein gestellt werden mußten. Griechenland. Die Uebergabe der von der Türkei abgetretenen Gebiete beginnt voraussichtlich am 24. Juni. Amerika. Die Emigration nach den Vereinigten Staaten von Amerika nimmt geradezu riesige Dimensionen an in diesem Jahre. Die Schiffe aller Linien sind überfüllt, und jede Woche drängen sich neue Schaaren in den europäischen Hafenplätzen zusammen, die die Abfahrt der Dampfer kaum er warten können. Der Superintendent von Castle Garden (dem Landungsplätze in New-Aork) erstat tete kürzlich den Einwanderungs-Commissarien einen Bericht, woraus hervorgeht, daß in diesem Jahre das Verhältniß der Eingewanderten sich folgender maßen stellt: Deutsche zwanzig Prozent, Irländer 18 Prozent, Skandinavier 18 Prozent, Engländer 16 Prozent, Schweizer 13, Italiener 10 Prozent, und der kleine Rest vertheilt sich aus alle anderen Nationen. Die Einwanderer gehören in diesem Jahre einer viel besseren Klasse der Bevölkerung an, als in früheren Zeiten, im Durchschnitte kann man annehmen, daß jeder Emigrant fünfzig Dollars Baargeld mitbringt. Die meisten der Neu-Ankömm-