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zu übertragen. Als die Sache bekannt wurde, be fahl der Kaiser, Antonoff sofort zu entlassen. Sein Nachfolger, Oberstlieutenant Sinowjeff, wurde nachts um 12 Uhr aus dem Bette geholt und auf den Posten gestellt. Unruhen im Süden sind fortwährend an der Tagesordnung. Es müssen nun offenbar in schleu nigster Weise die so lange aufgeschobenen Maß nahmen erfolgen, um Wiederholungen der begangenen Greuel zu verhindern. Die Landschaftsversammlung im Kreise von Elisabethgrad hat einen wichtigen Schritt gethan, indem sie eine Commission mit der Untersuchung der anormalen ökonomischen Bedingungen betraute, welche zur antijüdischen Bewegung bei tragen. Die erzielten Resultate sollen unverzüglich der Regierung vorgelegt werden. Ernste Blätter, wie „Porjadok", empfehlen dieser Frage einen all gemeinen Charakter zu verleihen und zum Gegen stände allgemeiner Erörterung in den Landschafts versammlungen zu machen. Aus Odessa wird ge meldet, die Juden hätten beschlossen, ein Verbot der Ausübung des Schankgewerbes durch Juden zu erwirken. Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 25. Mai. Die Räume, welche die Post gegenwärtig inne hat, haben sich längst als unzulänglich erwiesen und ist die Beschaffung an- derweiler Räumlichkeiten in hiesiger Stadt, die zu Postlokali'äten geeignet wären, auf Schwierigkeiten gestoßen. Gestern Abend fand im hiesigen Raths- keller eine Besprechung hiesiger Einwohner statt und wurden verschiedene Vorschläge in dieser Beziehung gemacht, die jedoch sämmtlich als unzu reichend erkannt wurden. Als einziger Weg blieb der Neubau eines Gebäudes übrig und wurde dabei das Archidiaconat, welches nach Fertigstel lung der jetzt im Bau begriffenen geistlichen Gebäude zum Verkauf gestellt wird, in's Auge ge faßt. Die kaiserliche Postverwaltung hat sich, wie wir hörten, bereit erklärt, zu einem eventuellen Neubau die etwa nöthigen Gelder leihweise zur Verfügung zu stellen, so daß zu hoffen steht, diese Angelegenheit werde sich bald zur Zufriedenheit der Einwohner erledigen. Uebrigens war gestern Nach mittag Herr Oberpostdirector Walter aus Leipzig hier anwesend und soll sich derselbe einigen In teressenten gegenüber dahin ausgesprochen haben, daß von einer Wegverlegung der Post aus Walden burg nicht die Rede sein könne. *— Gestern Abend in der elften Stunde fiel ein Einwohner eines nahen altenburgischen Dorfes, der sich hier in der Stadt aufgehalten und den Heim weg angetreten hatte, bei der herrschenden Dunkel heit in den am Ende der Obergaffe befindlichen Teich, wurde aber noch rechtzeitig durch hinzu kommende Personen wieder herausgezogen, sodaß er nur ein unfreiwilliges Bad davontrug. — Die Anwesenheit einer Deputation aus Glauchau und Meerane ist in den Berliner be treffenden Geschäftskreisen nicht spurlos vorüber ge gangen; die Reisenden aus Roubaix in Frankreich, Feuilleton. Colomba. Corsisches Lebensbild von Prosper Meremse, deutsch von Audolph Wüldener. (Fortsetzung.) „Wenig, Signora, aber hauptsächlich fehlt es ihm an Pulver. Die Kastanien werden jetzt reif, und er braucht nun nichts weiter als Pulver." „Ich werde Dir Brod und Pulver für ihn geben. Sag' ihm, er solle das Pulver sparen; es ist theuer." „Colomba," fragte Orso auf französisch, „wem giebst Du diese Unterstützung?" „Einem armen Banditen aus dem Dorfe," ver setzte Colomba in der nämlichen Sprache. „Diese Kleine ist seine Nichte." „Ich glaube, Du könntest Deine Gaben besser anwenden. Warum einem Schurken Pulver geben, der sich desselben bedienen wird, um Verbrechen zu begehen? Ohne diese verdammliche Schwäche und Nachsicht gegen die Banditen, von der alle Welt angesteckt zu sein scheint, wären dieselben schon lange aus Corsica verschwunden." „Es sind nicht die Schlechtesten unseres Landes, die sich im Freien befinden." „Gieb ihnen Brod, wenn es Dir beliebt, man muß das Niemand versagen. Aber ich begreife nicht, warum man sie mit Munition versehen- soll." „Mein Bruder," sagte Colomba ernst, „Du bist hier Herr, und Alles in diesem Hause ist Dein Eigenthum; aber ich sage Dir voraus, ich würde welche in Berlin Aufträge haben wollten, mußten ohne Erfolg wieder abreisen, denn die Grossisten in Berlin hielten zurück mit ihren Bestellungen auf Roubaix, weil die Vertreter der Roubaixer Fabri kanten nicht die Zusage übernehmen konnten, daß Roubaix die als wahrscheinlich bevorstehende Zoll erhöhung tragen solle. Die Fabrikanten in Rou baix Haden mit ihren Damenkleiderstoffen das deutsche Zollgebiet geradezu überschwemmt. — Am vergangenen Sonnabend verunglückte im Kunstschachte eines Kohlenwerkes bei Zwickau der Kunstwärter Carl Schmiedel dadurch, daß der Durch bruch eines Wasserbehälters unvermuthet erfolgte und der Verunglückte von den mit Macht hervor brechenden Wasssrmassen erfaßt wurde. Schmiedel fand hierbei seinen Tod und hinterläßt derselbe Frau und 8, zum größten Theil unerzogene Kinder. Aus dem SachsenLande. — Die Landessynode fuhr am 24. d. in der Berathung der Trauordnung fort und zwar bei ß 19, demzufolge die Trauung zu versagen ist: 1) bei Ehen zwischen Christen und Nicht-Christen, 2) bei zu naher Verwandtschaft, 3) wenn nach beson deren Umständen desfalls die Mitwirkung der Kirche bei der Eheschließung zum öffentlichen Aergerniß gereichen und als eine Entwürdigung des göttlichen Segens erscheinen würde. Die Mehrheit der Depu tation empfiehlt, daß die unter Punkt 3 aufgeführten Trauungshindernisse durch Exemplification besonderer Fälle solcher öffentlichen Hindernisse erläutert werden. Nach längerer Debatte wird H 19 nach Fassung der Majorität gegen 19 Stimmen angenommen. De batte verursachen noch die ZK 20 und 21, die davon handeln, was der Geistliche zu thun habe, wenn er die Trauung aus den Gründen des ß 19 verweigert oder wenn ihm sonst bei der Wiedertrauung Ge schiedener wegen ihres Verhaltens bei der Lösung der ersten Ehe Bedenken beigehen. Der Geistliche soll Bericht an die Behörde erstatten, der Synodal ausschuß verlangt jedoch in solchen-Fragen die Mit wirkung der Kirchenvorstände und die Synode be schließt demgemäß gegen 15 Stimmen. Am Schluffe der fünfstündigen Sitzung nahm sie die Trauordnung gegen 13 Stimmen an. — Die Bemühungen des Landes-Ausschusses der sächsischen Feuerwehren, für den Besuch des dies jährigen, in Döbeln stattfindenden sächsischen Feuer wehrtages Fahrpreisermäßigungen, resp. verlängerte Giltigkeitsdauer der Tagesbillets zu erlangen, sind leider erfolglos geblieben und beabsichtigt man des halb, feiten des erwähnten Ausschusses, sowie einzel ner Corps selbst Extrazüge zu unternehmen. — Da der Bau von Schmalspurbahnen in Sachsen, etwas ganz Neues ist, demnach auch Loko motiven und Wagen für dergleichen Bahnen nicht vorhanden sein können, so nimmt die Construction der nunmehr nöthigen Betriebsmittel für die im Bau befindlichen schmalspurigen Linien Wilkau- Kirchberg und Hainsberg-Dippoldiswalde vielfaches Interesse in Anspruch. Der sächs. Maschinenfabrik in Chemnitz (vormals Hartmann) soll bereits die der Kleinen lieber meinen Mezzaro geben, um ihn zu verkaufen, als einem Banditen Pulver verweigern. Ihm Pulver verweigern? das hieße ihn den Gens- d'armen überliefern. Welchen Schutz hat er gegen sie, als seine Flinte?" Die Kleine verschlang indeß mit Heißhunger ihr Brod, betrachtete mit Aufmerksamkeit bald Colomba, bald deren Bruder, und versuchte in ihren Augen zu lesen, was dieselben redeten. „Was hat denn der Bandit verübt? warum hat er sich in die Maquis geflüchtet?" „Brandolaccio hat kein Verbrechen begangen," rief Colomba. „Er erschoß Giovan Oppizzo, welcher seinen Vater ermordet hatte, während er in der Armee diente." Orso wandte sich ab, nahm die Lampe und ging, ohne ein Wort zu sagen, in sein Zimmer hinauf. Nun gab Colomba dem Kinde Pulver und Lebens mittel, begleitete dasselbe an die Thüre und empfahl ihm wiederholt: „Vor allem muß Dein Oheim über Orso wachen!" XI. Es dauerte lange, bis Orso einschlafen konnte und er erwachte deshalb, wenigstens für einen Corsen, sehr spät. Kaum aufgestanden, war das Haus seiner Feinde und die Archere das Erste, was er erblickte. Er ging hinunter und fragte nach seiner Schwester. „Sie ist in der Küche, wo sie Kugeln gießt", antwortete die Dienerin Saveria. Also konnte Orso keinen Schritt thun, ohne auf kriegerische Bilder zu stoßen. Er fand seine Schwester auf einem Schemel sitzend, Lieferung von 4 kleinen Lokomotiven übertragen worden sein. — Die drei Planeten Venus, Jupiter und Sa turn, welche durch ihre merkwürdige Constellation und die Pracht ihres vereinten Glanzes im ver gangenen Winter die Augen so vieler Beschauer auf sich zogen, stehen jetzt am Morgenhimmel ver eint. Hier sind sie sich bereits wieder sehr nahe gekommen und bilden, wochenlang in großer Nähe beisammenbleibend, eine Reihe von schönen Gruppen. Am schönsten wird dieses Schauspiel am 25. und 26. Mai, wo sich auch der Mond zu den drei Pla neten gesellt und mit ihnen Gruppen bildet, nahezu ebenso schön, wie jene herrliche Erscheinung, die in den Abendstunden des 3. März die allgemeine Auf merksamkeit auf sich zog. Freilich so leichten Prei ses, wie im vergangenen Winter, ist dieser Anblick nicht zu gewinnen. Denn wegen des frühen Sonnen aufganges wird man sich schon etwa um 3 Uhr aus den Federn erheben müssen. — An der Gewerbe-und Industrieausstellung in Halle an der Saale, welche von gegen 1600 Aus stellern. beschickt ist, haben sich aus dem Königreich Sachsen mehr als 400 Aussteller, darunter über 20 aus Chemnitz, betheiligt. — In einer am Donnerstag abgehaltenen Ver sammlung des vaterländischen Gebirgsvereins „Saxonia" in Dresden wurde in einem Vortrage über „Berg und Hüttenwesen in Sachsen" mitge- theilt, daß Sachsen, das sich seit Jahrhunderten durch correcte Methode des Bergbaues vor allen Ländern ausgezeichnet hat, gegenwärtig 281 Erz-, 69 Steinkohlen-und 141 Braunkohlengruben besitzt, die jühlich 693,484 Ctr. Erz im Werthe von 22,014,912 Mark, 61,766,677 Ctr. Steinkohlen im Werthe von 23,832,000 M. und 11,190,359 Ctr. Braunkohlen im Werthe von 4,728,000 M. liefern. — In Leipzig traf am Freitag Abend die in Amerika sehr gefeiert gewesene Künstlerin Frau Geistinger von ihrer trans-atlantischen Kunstreise zurückkehrend ein und ward von ihrer Collegenschaft aufs Herzlichste willkommen geheißen. Der Opern chor der Stadttheater Leipzigs brachte ihr ein Ständchen. — Am 23. d. M. passirten den Magdeburger Bahnhof zu Leipzig abermals 250 böhmische Aus wanderer. — Im Leipziger Rosenthal ist man jetzt eifrig mit der Ausrottung des so scharf duftenden Knob lauch-Unkrauts beschäftigt, welches daselbst so über hand genommen hat, daß die besseren Waldkräuier und Gräser fast ganz verdrängt worden sind. — Wie man aus Freiberg mittheilt, ist dort ein militärischer Zahlmeister wegen eines Fehlbetrags von ca. 1000 Mark in Untersuchung genommen worden. — Die diesjährige Generalversammlung des Allgemeinen sächsischen Lehrervereins findet in der Zeit vom 25. bis 27. September in Pirna statt. Der dortige Stadtraths hat auf eine Anfrage des Vorstandes genannten Vereins geantwortet, daß die nachgesuchte Erlaubniß zur Abhaltung der Generalver sammlung in Pirna gern ertheilt würde, und das die von umgeben frisch gegossenen Kugeln, von denen sie den Anguß entfernte. „Was Teufel, machst Du da?" fragte ihr Bruder. „Du hattest keine Kugeln für die Büchse des Obersten," erwiderte sie mit sanfter Stimme. „Ich habe eine passende Kugelform gefunden und Du sollst noch heute vierundzwanzig Patronen erhalten, mein Bruder!" „Gott sei Dank! Ich brauche sie nicht!" „Man muß sich nicht unvorbereitet überraschen lassen, Ors' Anton! Du hast Dein Vaterland ganz vergessen und die Leute, die uns umgeben." „Ich hätte es vergessen, wenn Du mich nicht immer daran erinnertest. Sage mir, ist nicht vor einigen Tagen ein großer Koffer angekommen?" „Ja, mein Bruder. Willst Du, daß ich ihn in Dein Zimmer bringe." „Du? Du würdest ihn kaum vom Boden heben können . . Ist kein Mann hier, der es thun könnte?" „Ich bin nicht so schwach, als Du denkst", sagte Colomba, und, den Aermel zurückstreifend, ließ sie einen weißen, runden, vollkommen geformten Arm sehen, der nicht gewöhnliche Kraft verrieth. „Komm', Saveria, sagte sie zu der Dienerin, „hilf mir!" Schon hob sie den Koffer allein, als Orso ihr zu helfen eilte. — „In diesem Koffer ist etwas für Dich, meine liebe Colomba," sagte er. „Du wirst mich entschul digen, wenn ich Dir so armselige Geschenke mache, aber die Börse eines Lieutenants auf Halbsold ist nicht immer gespickt." (Fortsetzung folgt.)