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auf der Elbe nur durch ein Gesetz erfolgen könne, abgelehnt, blos Abg. Windthorst habe den Antrag befürwortet. Die Nationalliberalen erhoben juristische Bedenken gegen den Antrag, die Sezessionisten wollen nur einen solchen Antrag unterstützen, wofür die Majorität im Voraus sicher sei. Dellbrück sei daher gewillt, den Antrag zurückzuziehen oder voll ständig umzuarbeiten. Oesterreich. Laut der Meldung verschiedener Blätter erscheint die parlamentarische Situation der Regierung der art unleidlich, daß der Schluß des Reichsraths beschleunigt werden soll. Zwischen den Czechen und den Deutschen dürfte eine Verständigung über die Prager Uni versität auf der Grundlage erfolgen, daß die Trennung beider Hochschulen eine vollständige sei und daß die Errichtung einer czechischen Universität im Gesetzeswege stattfinde. Frankreich. Die Ansicht, daß der Senat das Listenskruti- nium ohne Debatte annehmen werde, wird immer allgemeiner. Gambetta läßt sich in der Kam mer nicht sehen; er studirt auf seinem Landsitze die ! große, in seiner Vaterstadt Cahors zu haltende Rede, welche versöhnlichen Inhaltes und zugleich ein Pro gramm für die Wahlen sein soll. Indessen beginnen die kleineren Gambettablätter Grevy persönlich bos haft anzugreifen. Sie nennen ihn einen bürgerlichen Mac Mahon und so weiter. Die Kammerbureaux wählten eine Commission zur Vorberathung des tunesischen Vertrags. Die Commission ist für die Annahme des Vertrags. In der Sitzung der Commission erklärte der Minister Barthelemy, die Pforte füge sich und habe die Ab sicht aufgegeben, Truppen nach Tripolis zu entsen den. Auf eine Anfrage, ob die Einmischung Frank reichs in die Finanzangelegenheiten Tunis' nicht Schwierigkeiten schaffen dürfte, erklärte Barthelemy, es handle sich einfach um eine Reorganisation; auf die Anfrage, welche Punkte besetzt würden, erklärte Barthelemy, das Krumirgebiet und die umgebenden Plätze würden besetzt. Italien. Ueber den gegenwärtigen Stand der Minister krisis wird gemeldet: Nachdem Sella am 20. d. das ihm übertragene Mandat der Neubildung des Kabinets zurückgegeben hatte, ließ der König Cairoli hiervon verständigen. Am 21. d. früh hatte der König eine längere Conferenz mit Cairoli, welcher vorschlug, Mancini mit der Bildung des neuen Kabinets zu beauftragen. Später conferirte der König mit Depretis, der dieselbe Anschauung äußerte wie Cairoli. Der König hatte auch mit den Präsi denten des Senates eine Unterredung. Rußland. Gerüchtweise verlautet, der Hof würde in etwa vierzehn Tagen nach Moskau übersiedeln. Mit Rücksicht auf die Gerüchte über das Bevor- , stehen einer Judenhetze in Moskau hat die Polizei Vorsichtsmaßregeln ergriffen. Einige Judenfamilien f sind abgereist, andere beeilen sich, ihre Werthpapiere . und Werthsachen einer Bank behufs Aufbewahrung Feuilleton. Colomba. Corsisches Lebensbild von Prosper Meremöe, deutsch von Audolpy Wüldener. (Fortsetzung.) Ueber der Thür befindet sich ein Fenster mit einer Art Balkon, der unten durchlöchert ist, wie ein Durchschlag, so daß man einen Herankommenden ohne Gefahr erschießen kann. Zwischen dem Fen ster und der Thür sieht man zwei plump ausge hauene Schilde. Das eine trug sonst das Kreuz von Genua: da es aber jetzt gänzlich zerschlagen ist, so kann es höchstens noch für die Alterthümler von Interesse sein. Auf dem andern Schilde be findet sich das Wappen der Familie, welche den Thurm besitzt. Zur Vervollständigung des Schmuckes denke man sich die Spuren einiger Kugeln an den Schilden und an dem Fenstergesimse und man wird sich eine Vorstellung von einem mittelalterlichen Hause auf Corsica machen können. Ich vergaß zu erwähnen, daß die Wohngebäude an den Thurm stießen und im Innern mit demselben meistens in Verbindung stehen. Der Thurm und das Wohnhaus der della Rebbia stehen an der Nordseite des Platzes von Pietranera, der Thurm und das Haus der Barricini an der südlichen. Von dem nördlichen Thurme bis zum Brunnen geht der Spazierplatz der della Rebbia, der der Barricini ebenso von der andern Seite. Seit dem Begräbnisse der Gattin des Oberst's hatte man nie ein Glied einer dieser beiden Familien einzureichen. Großes Zuströmen von Juden aus den Westprooinzen ist bemerkbar. Gerüchtweise verlautet, das jüngst verhaftete Frauenzimmer, in deren Wohnung eine geheime Druckerei gefunden wurde, sei eine Mitschuldige an dem von dem bekannten Ingenieur Saschka in Cherson verübten Diebstahl gewesen; sie heiße Terenkjewa und habe von der aus der Rentei in Cherson entwendeten Summe 10,000 Rubel erhalten. Der „Agence Russe" zufolge hat der Minister des Innern, Graf Jgnatieff, anläßlich seines Cir culars vom 18. d. zahlreiche Beglückwünschungs telegramme sowohl von Adelsmarschällen der Provinz, als auch von außerhalb empfangen. Die Regierung soll beabsichtigen, eine Beschwer denote an das französische Kabinet über dis Aus fälle der französischen Presse und die Volksdemon strationen gegen Rußland zu richten, welche Rußland in den Augen Europas discreditirten. Auch die anderen europäischen Mächte duldeten dergleichen nicht. Die „Agence Russe" wendet sich gegen die un richtigen Nachrichten über die Haltung Rußlands bezüglich der Krisis in Bulgarien und bemerkt, die russische Regierung werde sich jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten Bulgariens enthalten. Sie habe volles Vertrauen zu dem Fürsten Alexan der, welcher das Band zwischen Bulgarien und Rußland repräsentire, und hege den Wunsch, daß die Verbindung zwischen dem Fürsten und der Na tion sich inniger gestalten werde. Afrika. Nach einem offiziellen Berichte stieß die Colonns des Obersten Innocents am 19. d. M. in der Umgegend von Chellala auf einen zahlreichen Feind. Die Infanterie des Feindes rückte bis auf 100 Meter Entfernung vor, wurde aber unter großen Verlusten in die Flucht geschlagen. Die feindliche Cavallerie griff die Eingeborenen und die französischen Hülfstruppen an, welche zurückwichen, wodurch eine Unordnung entstand und die Bewegung der französischen Infanterie gelähmt wurde. Schließ lich wurde der Feind in der Richtung von Chellala zurückgeschlagen und verlor 300 Mann. Der Ver lust der Franzosen beträgt 37 Todte und 46 Ver wundete. Aus dem Mulbenthale. *Waldenburg, 23. Mai. In dem am 9. Juni nachmittags 2 Uhr in der Aula des hiesigen Schul lehrer-Seminars stattfindenden Seminarzeichenlehrer tag wird Herr Gewerblehrer Enke aus Grün hainichen einen Vortrag über das Zeichnen und seine Anwendung im Gewerbe halten. *— Vergangene Nacht ward im früher Schlosser Richter'schen Garten mehrfach Unfug getrieben, in dem mehrere Bäume beschädigt und Blumen aus gerissen wurden. Wer der oder die Frevler sind, konnte bis jetzt noch nicht ermittelt werden. Hof fentlich gelingt es noch, sie zu einer exemplarischen Strafe heranzuziehen. *— Gestern, 22. d., fand von der Stadt aus an einer anderen Seite erscheinen sehen, als an der, welche ihr durch eine Art stillschweigender Uebereinkunft angewiesen war. Um einen Umweg zu vermeiden, wollte Orso vor dem Hause des Maire vorüberreiten, seine Schwester aber forderte ihn auf, ein Gäßchen einzuschlagen, das sie zu ihrem Hause führe, ohne daß sie nölhig hätten, über den Platz zu reiten. „Warum es sich unbequem machen?" sagte Orso; „gehört der Platz nicht Allen?" Und er trieb sein Pferd an. „Tapferes Herz!" sagte Colomba leise. „Mein Vater, Du wirst gerächt werden!" Auf dem Platze angekommen, stellte sich Colomba zwischen das Haus der Barricini und ihren Bruder und ließ kein Auge von den Fenstern ihrer Feinde. Sie bemerkte, daß sie sich vor Kurzem verbarrika- dirt und arosters angebracht hatten, Drosters nennt man kleine Oeffnungen in Gestalt von Schießschar ten zwischen den dicken Holzbohlen, mit denen man den unteren Theil eines Fensters verschließt. Wenn man einen Angriff fürchtet, verbarrikadirt man sich auf diese Weise und kann hinter diesen Bohlen her vor sicher auf die Feinde schießen. „Die Feigen! sagte Colomba. „Sieh', Bruder, sie fangen bereits an, sich vorzusehen. Sie ver schanzen sich. Sie werden aber doch einmal her vorkommen müssen." Die Gegenwart Orso's an der südlichen Seite des Platzes machte großes Aufsehen in Pietranera und wurde für einen Beweis von fast tollkühnem Muthe gehalten. Die Neutralen, die sich des Abends nach dem Schützenanger der diesjährige Schützen auszug statt. Aus dem Sachsenlande. — Das königl. stenographische Institut beabsichtigt, ein „Adreßbuch des Gesammtvereins der Gabels- ber'schen Stenographenvereine im Königreiche Sachsen pro 1181/82" herauszugeben, und fordert zu recht zahlreicher Betheiligung an dem Unternehmen durch Zeichnung von Exemplaren auf. In dem Adreß buchs selbst soll der vollständige Name, Beruf und genaue Wohnort eines jeden sächsischen Steno graphen, welcher einem Verbandsvereine als Mit glied angehört, enthalten sein. Daß dem Verkehr zwischen Vereinen sowohl, als zwischen einzelnen Mitgliedern dadurch ein großer Dienst erwiesen wird, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung. — Mit den 23. Mai, beginnt für unsern Breite grad die sog. immerwährende Dämmerung, welche erst am 20. Juli wieder endigt. Während dieser Zeit werden die Nächte auch noch um Mitternacht durch die hervordringenden Strahlen der Sonne erhellt. Von den Planeten ist zur Zeit nur Venus zu bemerken und zwar als Morgenstern. Jupiter und Mars gehen so kurze Zeit vor Sonnenaufgang auf, daß sie kaum beobachtet werden dürfen. Der nächste, am 28. d. M. eintretende Neumond ist mit einer partiellen Sonnenfinsterniß verbunden, die indessen nur in den nördlichen Polargegenden, im nordwestlichen Amerika wahrgenommen werden kann. — Von der Leipziger Messe verlautet weiter, daß es in der Leinenbranche diesmal äußerst still zu ging, da Käufer für größere Posten aller Artikel, Leinen, Halbleinen und Bettzeugen, fehlten und die zu Messe gekommene kleinere Kundschaft äußerst wenig kaufte. Trotz der Billigkeit der Waare wollte man immer noch einen Druck versuchen; es waren aber die Fabrikanten nicht im Stande, für die zu niedrigen Angebote abzageben, da ihnen schon bei jetziger Billigkeit ein kaum nennenswerther Nutzen bleibt. Die Löhne der Spinner, Bleicher und Weber sind so heruntergedrückt, daß es nicht in der Möglichkeit liegt, dieselben noch mehr herabzudrücken. Die Fabrikanten glaubten, bei der enormen Billig keit der oben erwähnten Artikel, daß sich Käufer, sowie Speculanten finden müßten, um größere Posten vom Markte zu nehmen; aber in dieser Hoffnung hatte man sich getäuscht, und es blieb der Umsatz gegen die vorigen Messen weit zurück. Die jenigen Fabrikanten indeß, welche unbeirrt nach wie vor schwerere Artikel fabriciren ließen, haben auch diesmal mit Freuden wahrzunehmen gehabt, daß nach und nach bei den Käufern der Gedanke wach gerufen wird, was ja auch nur zu Käufers Vortheil gereichen kann, die bessere Waare sich wieder beizu legen. — In Folge der unsicheren Zustände in Rußland ziehen viele vornehme Russen vor, ihr Vaterland zu verlassen. Ein großer Theil wendet sich nach Dres den und es steht eine beträchtliche Vermehrung der russischen Kolonie daselbst bevor. unter der großen Eiche versammelten, sprachen von nichts Anderem. „Es ist ein Glück," sagten sie, „daß die Söhne Barricini's noch nicht zurückgekommen sind, denn sie sind nicht weniger geduldig wie der Advocat und hätten vielleicht ihren Feind nicht über ihr Gebiet ziehen lassen, ohne daß er sür seine Herausforderung gebüßt hätte." „Erinnere Dich an das, was ich Dir sagen will, Nachbar," setzte ein alter Mann hinzu, welcher das Orakel des Dorfes war. „Ich habe heute das Ge sicht Colomba's beobachtet; sie hat etwas im Sinne. Ich rieche Pulver in der Luft. In Kurzem wird das frische Fleisch in Pietranera wohlfeil sein. X. Orso, der sehr jung von seinem Vater getrennt worden war, habe ihn nicht genau gekannt. Er hatte Pietranera in seinem fünfzehnten Jahre ver lassen, um in Pisa ein Colleg zu besuchen und war von da in die Militärschule übergegangen, während sein Vater den kaiserlichen Adlern durch Europa folgte. Auf dem Festlande hatte ihn Orso einige- male gesehen und 1815 stand er bei dem Regimente, welches sein Vater befehligte. Der Oberst, der im Punkte der Disciplin un beugsam war, behandelte dort seinen Sohn wie die übrigen jungen Lieutenants, das heißt, sehr streng. Die Erinnerung, welche Orso von ihm geblieben, war daher eine zweifache. (Fortsetzung folgt.)