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in diesem Jahre mindestens 200 Millionen Francs betragen. Italien. Der Papst arbeitet, wie die „Italic" berichtet, an einer Encyclica gegen die Ehescheidung. Wann dieselbe veröffentlicht werden soll, ist noch nicht entschieden; es hängt dies vermuthlich von dem Votum der italienischen Kammer über die derselben unterbreitete Ehescheidungsvorlage ab. Rustland. Ein Extrablatt des „Regierungsboten" veröffent licht ein kaiserliches Manifest vom 11. d., worin der Kaiser der ruhmvollen Regierung seines ver storbenen Vaters gedenkt und auf die von diesem vollzogenen großen Reformen hinweist. Nachdem alsdann die niederträchtige Ermordung des Kaisers erwähnt, heißt es: In unserer tiefen Trauer be fiehlt uns die Stimme Gottes, die Regierung muthig zu übernehmen mit dem Vertrauen auf die göttliche Versetzung, im Glauben an die Kraft der Selbstherrschermacht, welche wir für das Wohl des Volkes consolidiren und gegen alle Anfechtungen zu wahren berufen sind. Indem wir uns unserem erhabenen Dienste widmen, fordern wir alle unsere getreuen Unterthanen auf, uns und dem Staate treu und aufrichtig zu dienen, um den Rußland mit Schande bedeckenden abscheulichen rebellischen Geist auszurotten, den Glauben und die Sittlichkeit zu kräftigen, die Kindererziehung auf eine gute Grund lage zu stellen, was dem Rechts- und Redlichksitssinn zuwiderläuft, zu vertilgen und Ordnung und Gerechtig keit allseitig begründen. Moskau bildet bekanntlich den Knotenpunkt für den Tranport der Verbrecher, welche aus den verschiedenen Haftlocalen des Innern in jedem Früh jahr die Reise nach Sibirien antretsn. Im Ganzen werden dem „Golos" zufolge im Laufe dieses Jahres etwa 12,200 wegen gemeiner Verbrechen Verbannte Moskau auf dem Wege nach Sibirien passiren, darunter 2500 Personen, die sich jetzt in dem Mos kauer Centralgefängniß befinden, und 9700 Ver brecher, welche dort im Laufe des Sommers aus anderen Gouvernements des Reiches per Bahn er wartet werden. Darunter befinden sich auch 550 Sträflinge aus verschiedenen Strafanstalten des europäischen Rußland, welche nach Abbüßung ihrer Strafzeit zur Correction nach Sibirien wandern müssen. Die Gefangenentrupps werden in einer Stärke von 250 bis 600 Mann von Moskau auf brechen. Der „Porjadok" meldet aus zuverlässiger Quelle, daß am 10. d. in Petersburg ein sehr wichtiger Verbrecher verhaftet worden sei, welcher die Hauptrolle bei der Anlegung der Mine in der klei nen Gartenstraße gespielt habe. Derselbe ist bereits identificirt. Seine bei ihm wohnende Schwester wurde ebenfalls verhaftet. Der Czar will demnächst in einem Ukas ankün digen, daß denjenigen Bauern, welche den in Folge Aufhebung der Leibeigenschaft erlangten Grundbesitz noch nicht völlig abgelöst haben, seitens der Krone materielle Unterstützung zu Theil werden solle und zwar sollen in einzelnen Districten seitens der Krone Feuilleton. Colomba. Corsischss Lebensbild von Prosper Meremse, deutsch von Audotph MülSener. (Fortsetzung.) Er bewies, daß er den ganzen Abend in dem Dorfe und sein Sohn Vincentello bei ihm vor der Mairie in dem Augenblicke gewesen sei, als das Verbrechen begangen worden, sein zweiter Sohn Orlanduccio dagegen, der an diesem Tage das Fieber gehabt, das Bett nicht verlassen habe. Ec zeigte ferner alle Gewehre in seinem Hause vor, denen keines in der letzten Zeit abgeschossen wor den war. Er fügte sodann hinzu, die Wich tigkeit der Brieftasche habe er sogleich erkannt, die selbe deshalb eingesiegelt und den Händen seines Adjuncten übergeben, da er vorausgesehen hätte, man werde ihn wegen seiner Feindschaft mit dem Oberst in Verdacht haben. Endlich erinnerte er daran, daß Agostini demjenigen den Tod gedrohet, der einen Brief in seinem Namen geschrieben habe und sprach die Vermuttzung aus, daß wahrscheinlich jener Elende auf den Obersten seinen Verdacht ge worfen und ihn darum ermordet habe. Bei Ban diten ist ja eine solche Rache aus einem ähnlichen Grunde nicht ohne Beispiel. Fünf Tage nach dem Tode des Obersten della Rebbia wurde Agostini vor einer Abtheilung Vol tigeurs angegriffen und fiel im verzweifelten Kampfe mit denselben. Man fand bei ihm einen Brief Colomba's, die ihn beschwor, zu erklären, ob er des bis zu zwei Drittel der erforderlichen Ablösungs summe zu Gunsten der Bauern bezahlt werden. Im Ganzen soll eine völlige Ablösung in Gouver nements mit schlechtem Boden spätestens innerhalb 4 Jahren, in solchen mit gutem Boden innerhalb eines Jahres unbedingt erfolgen. Die ganze Ver ordnung hat den Zweck, die nihilistische Agitation auf dem Lande, welche immer mehr um sich greift, brachzulegen. Auf der Bahnstation in Kiew entstand infolge des Angriffs auf die massenhaft aus der Stadt abreisenden Juden ein großer Tumult. Es wurden gegen 600 Verhaftungen vorgenommen. Einige Personen, darunter ein Officier, wurden verwundet. Der angerichtele Schaden soll mehrere Millionen betragen. In Kiew ist die Ruhe zwar wieder her gestellt, aber auf den Bahnstationen Fastowo und Schmerinka und in der Stadt Wassilkowo hat die Bevölkerung die Juden überfallen. Zur Beschützung derselben wurden Truppen dorthin abgeschickt. Rumänien. Die rumänische Königskrone wird nicht aus Gold, sondern aus Stahl und zwar aus einer bei Plewna erbeuteten türkischen Kanone angefertigt werden. Dagegen wird die Krone der Königin aus Gold sein. Aus dem MuldeuLhale. *Waldenburg, 12. Mai. Ihre Durchlaucht die Frau Fürstin von Schönburg-Waldenburg ist gestern Abend, von Leipzig kommend, wohlbehalten auf Schloß Waldenburg wieder eingetroffen. *— Auf Veranlassung des hiesigen conservativen Vereins wird nächsten Sonntag Herr Professor Straumer aus Chemnitz einen Vortrag über die Politik des gesunden Menschenverstandes im hiesigen Rathskellersaale halten. Die Versammlung ist öffentlich und hat jeder Erwachsene freien Zutritt. *— Gestern früh zeitig brachte ein Mann einen mit Kummetgeschirr versehenen, nicht mehr sehr jugendlichen Schimmel in den hiesigen Fürstlichen Marstall, indem er vorgab, daß das Pferd von einem Beamten, dessen Namen er angab, gekauft worden sei. Gestern Nachmittag war der Mann unter Zurücklassung des Thieres, das einstweilen im Marstall eingestellt worden war, plötzlich ver schwunden. Man schöpfte in Folge dessen Verdacht und machte bei der hiesigen Gendarmerie Anzeige, wodurch sich herausstellte, daß das Pferd wirklich und zwar bei der Wittwe Ebert, Gutsbesitzerin in Oberlungwitz, gestohlen worden war. Bereits heute Mittag konnte die Bestohlene ihr edles Roß wieder in Empfang nehmen. Der Dieb soll ein der Gendarmerie wohl bekannter, schon mehrfach be strafter Mensch sein, der sich voraussichtlich der goldenen Freiheit nicht mehr lange erfreuen wird. Heute Vormittag erhing sich hier in seiner Wohnung der Torfhändler B. Die Ursache zu diesem Schritte ist wohl in seiner neuerlichen Verurtheilung zu 9 Monaten Gefängniß wegen Majestätsbeleidigung zu suchen. Mltstadtwaloenlmrg, 12. Mai. Daß Gegen- Mordes, den man ihn mr Last lege, wirklich schul dig sei oder nicht. Da der Bandit keine Antwort darauf gegeben, so schloß man allgemein, er habe nicht den Muth gehabt, einer Tochter zu sagen, daß er ihren Vater ermordet. Die Personen jedoch, welche den Charakter Agostini's zu ken nen behaupteten, raunten sich in's Ohr, wenn er den Obersten umgebracht hätte, so würde er sich dessen gerühmt haben. Ein anderer Bandit, Namens Brandolaccio, übergab Colomba eine Erklärung, in welcher er bei seiner Ehre die Unschuld seines Kameraden betheuerte; der einzige Beweis aber, den er hervorbringen konnte, bestand darin, daß Agostini niemals gesagte habe, er hege Verdacht gegen den Obersten. Die Folge von Allem war, daß Barricini frei gesprochen wurde; ja der Jnstructionsrichter über häufte den Maire mit Lobsprüchen und dieser krönte sein gutes Benehmen damit, daß er von allen seinen Ansprüchen auf den Bach abstand, wegen dessen er mit dem Obersten della Rebbia processirt hatte. Colomba impcovisirte nach Landessitte vor dem Leichnam ihres Vaters im Beisein der versammelten Freunde eine Balata, in welcher sie ihren ganzen Haß gegen die Barricini aussprach und sie förmlich des Mordes anschuldigte, ihnen auch mit der Rache ihres Bruders drohte Diese Balata, die in das Volk übergegangen, war es, welche der Matrose vor Miß Lydia ge sungen hatte. Orso, der damals in dem nördlichen Frankreich stand, suchte, sobald er den Tod seines Vaters erfuhr, um Urlaub nach, konnte denselben aber nicht erhalten. Nach einem Briefe seiner stände, außer Land gefertigt, besser sein müssen und theurer gekauft werden, trotz vieler Nachtheile, ist eine für die einheimische Industrie betrübende Er fahrung. Kaum glaubhaft will es erscheinen, wenn man hört, daß vor einigen Tagen ein Topfgeschirr händler bei uns sehr gute Geschäfte gemacht haben soll, da doch die Waare so beschaffen war, daß sie sich in Bezug auf Güte gar nicht mit unserm brau nen Geschirr messen kann, und der eine Vorzug darin bestand, daß die Käufer 3—4 mal mehr be zahlen mußten. Weder die Feinheit des Materials, noch die gewöhnliche Braunsteinglasur, noch die Härte des Topfgeschirres ließen einen so hohen Preis ge recht erscheinen. Man zahlte viel, weil es fremd war. Um die Härte eines Topfgefäßes zu probieren, klopft man mit dem Fingerknöchel an dasselbe. Ver nimmt man dann einen Hellen Klang, so ist das Gefäß hart gebrannt und tauglich für die Küche. Will aber der Verkäufer die Härte eines Gefäßes durch Aufschlagen auf Tische, Stühle u. dergl. fin den, so ist dieser Versuch ebenso hinfällig wie der, die Schärfe eines Rasiermessers dadurch zu zeigen, daß ein Haar schnell durchschnitten wird, aber bei dem Rasieren selbst untauglich ist. Endlich mache man den praktischen Versuch, indem man Wasser in ein braunglasiertes Gefäß aus Altstadtwaldenburg und in ein sogenanntes Cöllner (man vermuthet aus Königsbrück) gießt, läßt das Wasser über Nacht stehen und koste dann dasselbe. Der Geschmack wird dann lehren, auf welcher Seite der Vortheil liegt. Penig, 11. Mai. Hier ist eine sehr große Auf regung entstanden über das Wegputzen sämmtlicher Bäume und Sträucher, auch der Cedern, Lebens bäume u. s. w. auf dem Gottesacker. Im Wochen blatte finden sich wohl darauf bezügliche Anfragen, wie: „Mehrere abgesägte Trauerweiden und Lebens bäume werden zu hohen Preisen zu kaufen ge sucht. Offerten gef. erb. an die Wochenbl.- Exp." „Billiges Eschenholz wird zu Hammerstielen ge sucht." „Wo kauft man billig Holz?" Am schnei digsten ist folgendes Eingesandt: „An unsere Todlen! Ihr lieben Heimgegangenen! Hat Euch die Wucht der Axtschläge, die jüngst über Euren Häuptern ertönten und Euch des Schattens beraub ten, den liebende Hände Euren Ruhestätten geschaf fen, nicht erschreckt? Gewiß! Haben sie doch uns Lebende bis ins innerste Mark verwundet. Habt Ihr Theuren nicht gefragt: wer ist es wohl, der unsere Ruhe mit rauher Hand zu stören wagte? Wer ist es, der mit Recht so handelt wie geschehen? Wachen oder träumen wir, wenn wir glauben, Euch aus lichter Höhe uns zurufen zu hören: Wenn Ihr künftig beten wollet, so betet nur an den zerstörten Stätten unserer Ruhe, liegen sie doch dicht an dem der Anbetung des Höchsten geweihten Hause, in dem wir, als wir noch unter Euch weilten, so oft von echten Dienern Gottes gemahnt wurden, zu lieben die Lebendigen und zu achten die Todten! Ja, Ihr Theuern! wir wollen uns in den Glauben versetzen, Ihr hättet wirklich so zu uns gesprochen und geloben Euch, danach zu handeln. Wir wollen künftig an Euren Gräbern beten. Penig, am Sonntag Jubilate. Hinterlassene." Schwester hatte er anfangs die Barricini für schul dig gehalten, bald aber erhielt er alle Actenstücke der Untersuchung und ein Schreiben der Richter gab ihm beinahe die Ueberzeugung, daß der Bandit Agostini allein der Schuldige sei. Alle Vierteljahre schrieb ihm Colomba einmal, um ihren Argwohn zu wiederholen, den sie Beweise nannte. Gegen seinen Willen brachten diese Anklagen sein corsisches Blut in Gährung, und bisweilen war er nahe daran, die Muthmaßungen seiner Schwester zu theilen, wenn er ihr auch in jedem Briefe wieder holte, ihre Angaben seien unbegründet und verdien ten deshalb keinen Glauben. Er verbot ihr sogar, wiewohl vergebens, wieder davon zu sprechen. So vergingen zwei Jahre, nach deren Ablauf er auf Halbsold gesetzt wurde. Er gedachte nun, sein Vaterland wieder zu besuchen, nicht um sich an Leuten zu rächen, die er für nicht schuldig hielt, son dern um seine Schwester zu verheirathen und sein kleines Besitzthum zu verkaufen, wenn es so viel werth märe, daß er von dem Ertrage desselben auf dem Festlande leben könnte. VII. Sei es nun, daß die Ankunft seiner Schwester Orso mächtiger an das Vaterhaus erinnerte oder daß ihn die Kleidung und das Benehmen Colom ba's vor seinen civilisirten Freunden in Verlegen heit brachte, genug, er kündigte am nächsten Tage seine Absicht an, Ajaccio zu verlassen und nach Pietranera zurückzukehren. (Fortsetzung folgt.)