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eines geistlichen Oberhirten in der früheren Ephorie Waldenburg bekleidet und verwaltet hat. Nachdem Gesänge: „Jesus meine Zuversicht" wurde die zahlreiche Trauerversammlung, voran dieser Se. Durchlaucht Fürst Otto Friedrich als Patronatsherr, durch eine tiefergreifende Leichenrede gefesselt, worauf nach weiterem Gesänge einer Strophe aus demselben Liede die Abschieds- und Segenssprüche von sämmt- lichen anderen anwesenden Herren Geistliche» folgten. Nach dem Schlußgesange des letzten Choralverses von demselben Liede setzte sich der Zug unter Orgel nachspiel und Glockengeläute wieder in Bewegung. Auf dem Friedhof bettete man die Leiche des ver ewigten Greises an die Seite seiner im September 1864 im Tode ihm vorausgegangenen ältesten Tochter zur letzten Ruhe und Herr Pastor Lange aus Nieder lungwitz sprach noch am offenen Grabe im Namen der Geistlichen gehaltvolle Worte der Anerkennung und des Dankes aus. Die kirchliche Einsegnung und der vierstimmige Choralgesang „Laß mich an meinem End' auf Christi Tod abscheiden" beschloß die Trauerfeier. Mus dem Sachsenlauve. — Der Arbeiter-Versicherungs-Actiengesellschaft „Nordstern" in Berlin ist der Geschäftsbetrieb in Sachsen gewährt und zum Sitz desselben die Stadt Leipzig gewählt worden. — Den Militäranwärtern, welche im Königreich Sachsen leben oder daselbst eine Staatsanstellung zu erhalten wünschen, wird die Nachricht sicherlich von Interesse sein, daß sich das kömgl. sächs. Kriegs ministerium entschlossen hat, sämmtliche in den ver schiedenen Zweigen der Staatsverwaltung eintreten- den Vacanzen durch das Organ der sächsischen Militärvereine, den in Pirna erscheinenden „Kame rad", öffentlich bekannt zu machen. — Am 10. d. wurde in Dresden nach reichbe suchtem Gottesdienst die dritte evangelische Landes- synode durch den Cultusminister eröffnet. Nachmit tags war Synodal-Hoftasel im Residenzschloß. — Der Auswanderungs-Verein „Hoffnung" in Dresden hat sein Augenmerk auf den Staat Arkan sas gerichtet, wo man sich in möglichster Nähe der Stadt Little Roll ansiedeln will. Nach den festge setzten Bestimmungen hat jeder -Colonist mindestens 16 Acker Land zu erwerben und zu bestellen; Hand werker, die nur ihr Metier treiben, sich aber nicht ankaufen wollen, sollen vorläufig nicht in Betracht kommen. — In Leipzig trafen am Sonnabend abermals eine große Anzahl böhmischer Auswanderer ein. Es waren zusammen 5 Wagen von Eger aus voll besetzt und die Gesammtzahl der Auswanderer be trug etwa 200 Personen. Dieselben gingen auf der Magdeburger Bahn weiter nach Bremen und Hamburg. H Hohenstein, 10. Mai. Seit ^-10 Uhr abends tönen die Feusrsignale, welche einen Brand im Orte verkünden. Es sieht das Jlling'sche Haus in der Limbacher Straße in Flammen. Hoffentlich gelingt es unserer braven Feuerwehr, dem Elemente enge Feuilleton. Colomba. Corsisches Lebensbild von Prosper Meremöe, deutsch von Audolph Wükdener. (Fortsetzung.) Da sie bemerkte, daß er nach der Tasche zu greifen sich bemühte, so nahm sie eiligst eine kleine Brieftasche heraus, die sie ihm offen hinhielt. Der Verwundete ergriff den Bleistift und suchte zu schreiben. In der That sah die Zeugin, wie er mit Mühe einige Zeichen machte, da sie aber nicht lesen konnte, wußte sie nicht, was sie bedeuten soll ten. Diese Anstrengung hatte den Oberst ganz er schöpft; er keß die Brieftasche in der Hand der Frau Pietri, die er stark drückte, indem er sie mit einem seltsamen Blicke ansah, als wollte er sagen, wie die Frau sich ausdrückte, „das ist wichtig, es ist der Name meines Mörders." Die Frau Pietri ging nach dem Dorfe hinaus und begegnete dem Maire Barricini mit dessen Sohn Vincentello. Es war jetzt fast Nacht. Sie berichtete, was sie gesehen hatte. Der Maire nahm die Brieftasche und eilte in die Mairie, um seine Schärpe anzulegen und seinen Schreiber, sowie die Gsnsd'armen zu rufen. Maddalena Pietri schlug dem jungen Vincentello, mit dem sie nun allein war, vor, dem Obersten doch beizustehen, weil er vielleicht noch lebe; Vincentello aber antwortete, wenn er sich einem Manne nähere, welcher der Todfeind seiner Familie gewesen, so würde man ihn beschuldigen, denselben umgebracht zu haben. Bald darauf kam Grenzen zu stellen. — 11. Mai. Das Ihnen noch gestern Abend berichtete Schadenfeuer ist auf 2 Grundstücke beschränkt geblieben, von denen das eine total, das andere partial niedergebrannt ist. Ein drittes Haus wurde zur Abgrenzung des Brandes entdacht. Leider ist beim Löschen der Schlossermei ster Kratzsch hier, Vater von 5 Kindern, ums Leben gekommen. Er wurde von einer einstürzenden Esse ' erschlagen. Die schnelle Dämpfung des Feuers ist zunächst der Ernstthaler Feuerwehr zu danken, welche sofort bei Ausbruch der Flamme aus einer Uebung in ernste Thäligkeit trat. — Auf dem neuen Meißner Kirchhofe zu St. Nicolai fand man am Sonnabend ein halbes Meter tief im Erdboden eine ca. 4 und eine 15 Pfund schwere Kanonenkugel, die muthmaßlich im siebenjähri gen Kriege von den Korbitzer Schanzen aus durch die Preußen dahin geschaffen worden sind. — Im Armenhause zu Abtnaundorf hatte am Sonntag eine Frau in ihrer Stube Feuer im Ofen angemacht, war dann auf einige Zeit fortgegangen und hatte 3 Kinder von 5, 3 und 1^/2 Jahren eingeschloffen. Dadurch nun, daß einige in der Nähe des Ofens aufgehängte Kleidungsstücke in Brand geriethen, entstand ein solcher Qualm, daß die beiden jüngsten Kinder erstickten; der 5jährige Knabe hatte noch durch das Fenster dem Qualm entfliehen können. — In der Nacht zum Sonntag ist die sogenannte „böhmische Mühle" unweit Rittersgrün mit allen ihren Gebäuden niedergebrannt. — In nächster Zeit wird jenes Mädchen aus Wagel- witz, welche gerade an ihrem Geburtstage das Unglück halte, infolge eines Hundebifses von der völlig ausge prägten Tollwuth befallen zu werden, aus dem Sladt- krankenhause in Grimma gesund entlassen werden kön nen. Die Heilung scheint lediglich der subkutanen An wendung von Kurare (ind. Pfeilgift) zuzuschreiben zu sein. Wohl der erste Fall, daß ein dieser ent setzlichen Krankheit verfallener Mensch gerettet wurde und dürfte der behandelnde Arzt, Qr. Neumann, der Menschheit mit diesem Mittel ein Geschenk ge macht haben, welches allein schon geeignet wäre, seinen Namen auf die Nachwelt zu bringen. — Einen seltenen Beweis von Ehrlichkeit lieferte am letzten Freitag eine arme Frau in Strehla. Dieselbe hatte an genanntem Tage auf einem Felde einen preußischen Thaler, die Jahreszahl 1818 tragend, gesunden und gab ihn unaufgefordert und ohne daß Jemand etwas von diesem Funde bemerkt hatte, dem Eigenthümer des Grundstückes zurück. Selbstverständlich wurde die Annahme verweigert. Sitzung des Gewerbevereins. ^Waldenburg, 11. Mai. Die gestrige äußerst zahlreich besuchte.Gewerbevereinssitzung, in welcher 10 Gäste mit anwesend waren, eröffnete der Vorsitzende Herr Wirthschaftsdirector Or. Lamprecht mit der Mittheilung, daß wiederum ein allverehrtes Mitglied des Vereins, Herr Seminaroberlehrer Wienhold, aus der Zeitlichkeit geschieden sei. Sein Andenken wurde seitens der Versammlung durch Erheben von der Maire zurück, fand den Oberst todt, ließ den Leichnam aufheben und nahm ein Protokoll auf. Trotz der bei solchen Gelegenheiten natürlichen Verwirrung hatte Barricini sich beeilt, die Brief tasche des Oberst zu versiegeln und alle in seiner Macht siebenden Nachforschungen anzustellen, ohne daß dieselben jedoch zu irgend einer wichtigen Ent deckung führten. Als der Jnstructionsrichter kam, öffnete man die Brieftasche und sah auf einer mit Blut befleckten Seite einige mit zitternder Hand geschriebene, aber doch lesbare Buchstaben. Geschrieben war: Agostini. Der Richter zweifelte daher nicht, daß der Oberst von Agostini als seinen Mörder habe bezeichnen wollen. Colomba della Rebbia aber, die von dem Richter berufen worden war, verlangte die Brieftasche zu untersuchen. Nachdem sie lange in derselben geblättert, streckte sie die Hand nach dem Maire aus und rief: „dieser ist der Mörder!" Dann erzählte sie mit einer bei ihrem großen Schmerze überraschenden Bestimmtheit und Klarheit, ihr Vater habe einige Tage vorher einen Brief von seinem Sohne erhalten, denselben verbrannt, vorher aber mit Bleistift in seine Brieftasche die Adresse Orso's geschrieben, der seine Garnison gewechselt hatte. Die Adresse nun befand sich nicht mehr in der Brieftasche, und Colomba schloß daraus, der Maire habe das Blatt, auf welchem sie gestanden und auf welches ihr Vater vielleicht auch den Namen seines Mörders geschrieben habe, herausgeriffen und dafür den Namen Agostini's hineingeschrieben. Der Richter sah wirklich, daß ein Blatt herausge rissen war; bei genauerer Untersuchung aber ergab sich, daß noch mehrere Blätter fehlten, und Zeugen den Sitzen geehrt. Vor der Prüfungscommission des Gewerbevereins haben abermals 3 Lehrlinge ihr ('esellenstück gemacht, und zwar der Schuhmacher Albin Linus Hofmann aus Schwaben, der Glaser Theodor Gruner von hier und der Kürschner Franz Bruno Luderer aus Borna. Dieselben wurden durch den Vorsitzenden durch Ueberreichung der aus gestellten Lehrbriefe unter Handschlag losgesprochen und beglückwünscht. Alsdann begannen die Experimente mit dem ame rikanischen Telephon. Vom Rathhaussaale aus war eine Leitung an den Häusern entlang nach dem fürstlichen Schlosse hier angebracht worden, woselbst die Durchlauchtigste Familie versammeltwar, umdieWirk- samkeit des Telephons ebenfalls zu erproben. Nach längerer Correspondenz in deutscher und englischer Sprache wurde auf dem Rathhaussaale ein Klavier- stück vorgetragen, ein Männerchor sang mehrere Lieder, sodann folgte ein Musikstück auf der Har monika und auf der Zither und schließlich wurde auch noch eine Trompete herbeigebracht und ein Stückchen darauf geblasen, während in den Zwischenpausen auf dem fürstlichen Schlöffe eine Spieldose und ein Leierkasten abwechsend ihre Weisen ertönen ließen. Das Telephon gab Alles in verständlichster Weise wieder, wenn auch das in einer so zahlreichen Ver sammlung unvermeidliche Geräusch die Vernehmbar- keit der Laute etwas beeinträchtigte. Der Vertreter der amerikanischen Telephon-Fabri kations-Gesellschaft, Herr Carl Gottschald aus Chem nitz, theilte im Anschluffe hieran mit, daß zwei solcher Apparate 360 Mark, 2 Elemente hierzu 9 Mark und die aus Gußstahldraht bestehende Leitung pro Kilometer 150 Mark kosten. Schließlich theilte der Herr Vorsitzende noch mit, daß Herr Ingenieur Cramer aus Zwickau bereits nächsten Dienstag, den 17. Mai, seinen Vortrag über die Waldenburg Wasserleitunger halten werde. Im Fragekasten befand sich nichts und wurde die Sitzung hierauf geschloffen. Edwin Wienhold. Edwin Friedrich Wienhold wurde als vierter Sohn des Kirchschullehrers und Cantors Gottlob Friedrich Wienhold am 17. November 1845 in Schönberg bei Meerane geboren. Dieser Lehrer familie entstammen tüchtige Schulmeister, welche auf dem Seminare zu Waldenburg gebildet sind. Zwei strebsame, begabte Söhne, die bereits im Amte sich bewährt hatten, mußten die Eltern schon früher von hienieden scheiden sehen. Und nun auch noch den dritten, so hochbegabten, vortrefflichen, vorwärts ringenden Sohn, der vor Allen durch die stets ver mittelnde, berathende und fast immer entscheidende Stellung im Familienrathe den Eltern und Ge schwistern so sehr ans Herz gewachsen war. Nach Vollendung des Seminarcursus wurde E. Wienhold zunächst 1865 Seminarhilfslehrer, studirte dann nach glänzend abgelegter Wahlfähigkeitsprüfung 2'/2 Jahr Pädagogik in Leipzig und kehrte wieder an seine Bildungsstätte als Seminarlehrer zurück. Sein großes, besonders historisches Wissen, die sorgfältige sagten aus, der Oberst habe die Gewohnheit gehabt, Papier aus seiner Brieftasche Herauszureißen, wenn er seine Cigarre habe anzünden wollen, und es war deßhalb nicht unwahrscheinlich, daß er aus Versehen auch das Blatt herausgerissen, auf welchem die Adresse Orso's stand. Zudem wurde ermittelt, daß der Maire, als er die Brieftasche von der Frau Pietri erhalten, wegen der Dunkelheit nichts habe lesen können, daß er, bevor er in die Mairie ge gangen, nur einen Augenblick stehen geblieben sei, daß der Gensd'armerie-Brigadier ihn dahin begleitet und gesehen habe, wie er eine Lampe anzündete, die Brieftasche in ein Papier einschlug und siegelte. Nachdem der Brigadier seine Aussage beendigt hatte, fiel Colomba, außer sich, auf ihre Kniee und beschwor ihn bei Allem, was ihm heilig sei, zu er klären, ob er den Maire nicht einen Augenblick allein gelassen habe. Der Gensd'arm gestand nach einigen Zögern sichtbar gerührt durch die große Aufregung des Mädchens, der Maire sei in ein Nebenzimmer gegangen, um ein großes Papier zu holen, aber nur eine Minute geblieben und habe immer gesprochen, während er das Papier in einer Schublade tastend suchte. Im Uebrigen bezeugte er, die Brieftasche habe bei der Rückkehr des Maire an derselben Stelle auf dem Tische gelegen, an welche sie derselbe bei seinem Eintritte gelegt hätte. Barricini gab seine Aussage mit der größten Ruhe. Er entschuldigte, sagte er, die Heftigkeit der Signora della Rebbia, und wollte sich herablaffen, sich zu rechtfertigen. (Fortsetzung folgt.)