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WnlmM TllMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd aldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mr. so Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, den 17. Mai 112. 18«1. *Waldenburg, 16. Mai 1881. Zur politischen Lage. „Zu meiner Freude haben wir Aussicht auf wei tere ungestörte Fortdauer des Friedens!" So ant wortete Fürst Bismarck auf ein Begrüßungstelegramm einiger Mitglieder der Casinogejellschaft in Barop am 10jährigen Gedenktage des Frankfurter Friedens. Wenn Fürst Bismarck dermaßen friedenszuversicht lich, so ist ein Krieg wohl nicht zu fürchten, denn Bismarck weiß eher als jeder Andere, ob der Frie den gefährdet ist. Auch die Tunisfrage wird ohne Gefahr für den Frieden sich lösen; auf den italieni schen Antrag, zur Regelung der tunesischen Angele genheit einen Congreß einzuberufen, hat Bismarck energisch Verwahrung eingelegt, welche Nachricht in Paris einen außerordentlichen Eindruck gemacht hat. Zwar schweigen alle Journale bis jetzt diese That- sache todt, aber in maßgebenden französischen Krei sen macht man kein Hehl aus des Freude und glaubt erst jetzt ganz sicher zu sein, daß keine Verwickelungen entstehen werden. Der Vertrag zwischen Frankreich und dem Bey von Tunis bestimmt: zeitweilige Occupation beson ders Bizerta's und Tabarka's; Garantie für die Person und die Dynastie des gegenwärtigen Beys; der Bey überträgt an Frankreich das Recht Tunis nach auswärts hin zu repräsentiren, ferner die Oberaufsicht in der inneren Verwaltung zu über nehmen und eine Finanzreform durchzuführen. Da mit fällt das gegenwärtige Finanz- und Verwaltungs system und Frankreich wird factischer Herrscher über Tunis. Diese Wendung der Dinge hat das gegenwärtige Ministerium in Italien unmöglich gemacht. Das selbe hat die Entlassung eingereicht, welche auch vom italienischen Könige bereits angenommen worden ist. Sella, der Führer der Centrumsparlei, ist mit der Neubildung des Cabinets beauftragt. Dasselbe wird aus Elementen des Centrums und der ge mäßigten Linken bestehen. Es schweben Verhand lungen mit Coppino (Inneres), Magliani (Finanzen), Bertole Viale (Krieg), Brin (Marine), Grimaldi (Arbeiten), Bellia (Justiz), Luzzati (Ackerbau). Sella selbst wird das Aeußere übernehmen. Falls Magliani ablehnt, wird Luzzati die Finanzen über nehmen. Der sür den Unterricht designirte Minister ist noch nicht bekannt. Rußland eilt seinem Verhängnisse entgegen. Loris Melikoff, der einzige Mann, auf den das russische Volk noch einige Hoffnungen setzen durfte, hat seine Entlastung eingereicht, er will sich mit seiner Familie nach Dresden und später nach Baden- Baden begeben. Damit findet auch das Triumvirat Melikoff, Abasa, Jgnatieff seine Endschaft, welches in den Berathungen in Gatschina eine vorwiegende Rolle hatte. Es verlautet, daß Graf Jgnal.eff bereits an Stelle Loris Melikoffs die Führung des Ministeriums des Innern über nommen hat. Graf Jgnatieff wurde noch mitten in der Nacht zum Mittwoch, gleich nachdem Melikoff aus Gatschina zurückgekehrt war, dorthin berufen. Inzwischen nimmt die Gährung in der russischen Residenz entschieden zu. Hunderte von Gerüchten kreuzen sich. General Tschernajaw wird als zum Kriegsminister designirt genannt; General Drentelen soll den Posten abgelehnt haben. Der bekannte Nedacteur Katkow der reaktionären russischen Mos kauer Zeitung wird ebenso wie sein Freund, ver Moskauer Professor Lubinow, als zu Ministerposten ausersehen, bezeichnet. Die Wirkung des Manifestes auf Börse und Handel machte sich in schlimmster Weise bemerkbar. Kurzum, die Stimmung ist eine höchst erregte. „Rußland selbst zieht sich die Revo lutionäre groß und dann soll schließlich das Ausland helfen, Auslieferungsverträge abschließen rc. Es wird sich hüten!" So sprechen jetzt die Rusten selbst. Die Presse wird täglich mehr von der Cen- sur eingeschränkt. Am 12. d. wurde den Redac tionen anbefohlen, nur äußerst vorsichtig über Vorkomm nisse in Bulgarien zu schreiben, am 13. wurde ihnen verboten, über den Ministerwechsel etwas zu bringen. Schließlich werden ihnen nur noch Witterungs- und Berichte über die militärische Bartverordnung des Kaisers gestattet sein. *Waldenburg, 16. Mai 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Dem Bundesrath lag in seiner Sitzung vom 14. d. ein Gesetzentwurf betr. die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter auf Steinkohlenwerken vor. Derselbe bestimmt: Die erste Schicht darf vor 5 Uhr morgens nicht beginnen, die zweite nicht nach 10 Uhr abends schließe», beide höchstens 8 Stun den dauern. Die Pausen müssen zusammen min- dcstens eine Stunde ausmachen. Vor Beginn der Beschäftigung ist ein ärztliches Zeugniß erforderlich, daß die körperliche Entwickelung die Beschäftigung gestattet. Die Beschränkungen des 8 136 Abs. 1 und 2 der Gewerbeordnung treten dagegen auf Bergwerken mit doppelter Arbeitsschicht außer Kraft. Die deutsche Regierung erhielt ein Dankschrei ben des Staats-Departements der liberischen Re publik für die wirksame Unterstützung der Landes regierung bei Bestrafung der wilden Küstenbevölke rung für die von dieser geübten seeräuberischen Acte. Das „Berliner Tageblatt" schreibt: „In einem hiesigen (Berliner) fürstlichen Hause sind aus einer Kassette Pretiosen imWerthe von 60,000 Mark gestohlen worden. Das mit einem kleinen ganz feinen Schlüssel zu öffnende Schloß der Kastelte ist unversehrt geblieben und man glaubt annehmen zu dürfen, daß ein Herr aus der Gesellschaft bezw. eine dem betreffenden fürstlichen Hause nahestehende Persönlichkeit — L la Nicolai Konstantinowitsch in Petersburg — den Diebstahl ausgeführt habe. Augenblicklich wird bei Schlostermeistern nachgeforscht, ob nicht von einem derselben auf Bestellung ein so kleiner feiner Schlüssel, wie er zum Erschließen der Kassette nothwendig war, angefertigt worden sei. Aus Wunsch der bestchlenen Fürstlichkeit werden die Nachforschungen sehr sekret geführt, da befürchtet wird, daß sonst vielleicht unliebsame Familienverhält nisse aufgedeckt werden könnten. Mit Rücksicht hierauf enthalten auch wir uns jeder weiteren An deutung. Der Landtag von Schwarzburg-Sonders hausen genehmigte das Domänengesetz, wonach die Verwaltung der Kammergüter auch ferner der Landes verwaltung verbleibt. Die Kammergüler selbst bil den in der Eigenschaft eines Fideicommifles das Privateigenthum des Fürstenhauses. Bei der Lö sung dieses Verhältnisses zahlt das Fürstenhaus jährlich 300,000 M. an die Landesverwaltung und derselbe Rentenbetrag ist beim Aussterben des Mannesstammes jährlich sür die Schulen und Kirchen zu bezahlen. Das Fürstenhaus erhält vom I.Juli d. I. ab eine Jahresrente von 500,000 M. aus der Domanialverwaltung. — Der Landtag ge nehmigte den Vertrag mit Bachstein in Berlin über den Eisenbahnbetrieb Ilmenau-Gehren. Frankreich. Die militärischen Operationen gegen die Kru- mirs werden fortgesetzt. Ein Protest gegen den Vertrag mit dem Bey wird nur von der Pforte erwartet. Italien. In dem am 13. d. vom Papste abgehaltenen Consistorium wurden 38 Bischöfe ernannt, vor zugsweise für Frankreich und Italien, sowie in xartidus inüäolinin. Unter den Ernannten befin den sich die Coadjutoren der Bischöfe von Straß burg und Metz, die Prälaten Strumpf und Fleck. England. Die meisten Blätter Londons beurtheilen die Abmachungen zwischen Frankreich und Tunis höchst ungünstig. Die „Times" sagen, die Lage Europas sei eine derartige, daß kein wahrer Freund Frankreichs ohne schlimme Ahnungen die Entwicke lung der französischen Politik beobachten könne, welche Italien erbittert und entfremdet, und die Sympathie Englands für die französische Republik erkaltet hat. Rußland. In Poltawa sind laut dem „Golos" Proclama- tionen erschienen, welche zum Mißhandeln der Juden auffordern. Nach einer amtlichen Meldung des Gouverneurs von Jekaterinoslaw wurden in der Stadt Alexandrowsk die den Juden angehörigen Läden von Eisenbahnarbeitern angegriffen und einige derselben geplündert; weiteren Unordnungen wurde durch das herbeigerufene und noch am nämlichen Tage eingetroffene Militär ein Ziel gesetzt. In der Stadt Konotop (bei Kiew) und im Kreise Ananjew des Chersonschen Gouvernements ist, wie im Ministe rium des Innern eingegangene Nachrichten besagen, die Ruhe wieder hergestellt. Prinz Peter von Oldenburg ist am 14. d. abends 7'/r Uhr in Petersburg gestorben. Der Minister des Innern hat der Zeitung „Porjadok" das Recht, Privatanzeigen zu drucken, auf einem Monat entzogen. Bulgarien. s Aus Sofia liegt die Privatnachricht vor, daß fast alle bulgarischen Städte und zahlreiche Dörfer an den Fürsten Adressen gerichtet haben, in welchen den von ihm gestellten Bedingungen beigepflichtet und das Verbleiben des Fürsten auf dem Thron erbeten wird. Die Bevölkerung Sofias bringt den Fürsten fast täglich Ovationen dar. Griechenland. Argwöhnlich gemacht durch die andauernden Rü stungen der Pforte, setzt die Regierung die Com- pletirung der Cadres ununterbrochen fort. Die Totalstärke des griechischen Heeres wird mit 63,977 Mann angegeben, von denen 45,000 an der Grenze dislocirt sein sollen. Für den Fall eines friedlichen Verlaufes der Dinge beabsichtigt das Cabinet Be urlaubungen in größerem Maßstabe vorzunehmen. Türkei. Die „Kölnische Zeitung" veröffentlicht den Wort laut der Note der Pforte vom 11. Mai an die auswärtigen Vertreter. Derselbe weist nach, daß dem Sultan die Souveränität in Tunis gehöre und schließlich mit der Anrufung der unparteiischen Ver mittelung der Signatarmächte des Berliner Ver trags, welche gewiß eine Versöhnung der Interessen herbeiführen würden, die Frankreich und die Türkei in der tunesischen Provinz als einem untrennbaren Bestandtheil des Osmanenreichs besitzen. Aus dem Muldenthale. *Waldenburg, 16. Mai. Gestern wurden hier drei kaum 6jährige Jungen bemerkt, welche in