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MimtmM Tageblatt und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg Freitag, den 6. Mai 1881 unterm 17. Februar d. I. ertheilte Concession zu einer Agentur für Auswan derung erloschen. Waldenburg, am 4. Mai 1881. Der Stadtrath. Cunrady. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Bekanntmachung. Am h.u«g-» -°^>s. «-nft Opitz allhier Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werde eventuell honorirt. „ Annahme von Inseraten für d.e nächst« scheinende Nummer bis Mittags au v des vorhergehenden Tages. "Waldenburg, 5. Mai 1881. Zur politischen Lage. Angesichts der bei den neuerlichen in Aargenau und Jelisabetgrad vorgekommenen Excessen gegen die Juden zu Tage getretenen Neigung Mscher und judenfreundlicher Blätter, mit Vorliebe die chnstllche Bevölkerung zu verurtheilen, ,st es nothwendig, darauf hinzuweisen, daß erstens der Exceß m Aar- genau von den Juden selbst hervorgerufen und zweitens die Bauern in Jelisabetgrad durch die jedenfalls ganz unverschämten Uebervortheilungsoer- suche der Juden zu den vorgekommenen leidenschaft lichen Ausbrüchen gereizt worden sind. In treffender Weise äußert sich die „Schles. Ztg.", welche schreibt: Jeder Exceß, der die öffentliche Ordnung und den bürgerlichen Frieden stört, ist gewiß auf das ent schiedenste zu mißbilligen, und je mehr uns ein den Forderungen des nationalen und christlichen Be wußtseins entprechender Austrag der zur Zeit alles beherrschenden Frage am Herzen liegt, um so tiefer beklagen wir jede Ausschreitung von christ licher Seite. Wir protestiren aber auf das Ent schiedenste dagegen, daß, wie es im radikalen Lager üblich ist, bei jeglichem Conflict von vornherein den betheiligten Christen eine Schmach angedichtet wird. Wenn, wie das „Berl. Tgbl." berichtet, in Aargenau zwischen den gebildeten Christen und den dort an sässigen Juden schon seit längerer Zeit ein feind seliger Geist herrscht, so werden die Juden an diesem auf Gegenseitigkeit beruhenden Verhältniß gewiß nicht unschuldig sein. Zur Erklärung der Thalsache, daß in jedem Städtchen auch die unteren Klassen von einer tiefgehenden Abneigung gegen die Juden erfaßt worden sind, genügt es daran zu erinnern, daß sich in den gesammten östlichen Nachbarlan den, in Grodno, Kieff und bis nach Odessa hin eine tiefgehende Bewegung gegen die Juden kundgiebt, von der man zum russischen Osterfeste das Schlimmste befürchtete. Diejenigen jüdischen und philosemitischen Blätter, welche durch Ausbeutung einzelner beklagenswerlher Kundgebungen der im deutschen Volke unverkennbar vorhandenen Abneigung gegen das jüdische Element die Bestrebungen zu Fallzubringenglauben, fürwelchemehr alseineViertel- million deutscher Männer in der an den Reichs kanzler gerichteten Petition ebenso energisch wie loyal eingetreten sind, geben sich unbedingt einer großen Selbsttäuschung hin. Je mehr das nationale Bewußtsein unseres Volkes durch das Treiben jener Blätter verletzt wird und infolge dessen der in den Gegensätzen von Race, Religion und angestammter Nationalität beruhende Antagonismus zu Tage tritt, um so weniger kann es einer einsichtigen Regierung angemessen erscheinen, autoritative obrigkeitliche Aem- ter an Juden zu vergeben, Juden in großer Zahl als Richter und namentlich als Einzelnchter zu verwenden oder als Lehrer in der christlichen Schule wirken zu lassen. Bei der Verleihung von Aemtern gilt es ganz ebenso wie bei der Gesetzgebung vor allem dem Volksbewußtsein und der nationalen Eigenart Rechnung zu tragen; handelt dje Regie rung anders, so untergräbt sie die moralische Auto- Ntat, deren segensreichste Frucht der freiwillige Ge horsam lst." y Die Neichstagscommission für das Jnnungsgesetz hat gestern die erste Berathung des Gesetzes been det. Nachdem ein Antrag des Abg. Grafen v. Bismarck abgelehnt worden war, nach welchem die Handwerkerkammern durch ein Statut gebildet wer den, welches von den Jnnungsvorständen der in dem Bezirk der Handwerkerkammer bestehenden In nungen zu beschließen ist und nach welchem auch die Mitgliedschaft der Handwerkerkammer von der Theilnahme an einer Innung des Bezirks abhängig sein soll, wurde auf Antrag des Abg. Ludwig Löwe (Berlin) eine Resolution angenommen, welche den Reichskanzler ersucht, dem Reichstage einen Ge setzentwurf vorzulegen, welcher die Bildung von Gewerbekammern für alle Gewerbetreibenden behan delt. Ein Antrag des Abg. v. Kleist, welcher die Benennung „Meister" den Nichtinnungsgmitgliedern verbieten will, wurde abgelehnt, ebenso auch der Artikel III des Gesetzes, nach welchem diejenigen bestehenden Innungen, welche sich bis Schluß des Jahres 1885 dem Gesetze nicht gefügt haben, auf gelöst werden sollen. Letzterer Beschluß wurde allerdings nur mit 10 gegen 9 Stimmen gefaßt. Heute tritt die Commission in die zweite Lesung des Gesetzes ein. In der tunesischen Angelegenheit ist heute eine Erklärung des Bey von Tunis bemerkenswerth, worin er sagt, daß er nicht gegen Frankreich nach geben werde; die Pforte bestärkt ihn in dieser Hal tung. Der Sultan hat dem Bey folgendes Tele gramm geschickt: „Wir billigen die Haltung Deiner Regierung. Bewillige nichts. Wenn Verhandlungen gewünscht werden, so hat man sich an die hohe Pforte zu wenden. Wir stehen in Verbindung mit den Mächten und werden für Alles sorgen. Unter dessen fahre fort, uns Alles zu melden, was sich ereignet." Der Bey hat darauf geantwortet, daß er sich ganz auf die Pforte verlassen und deren Weisungen nachkommen wolle. Die englische Jury für die Anklage-Erhebung ge gen Most in London hat beschlossen, die criminal- gerichtliche Untersuchung gegen Most als Redacteur des Journals „Freiheit" wegen Aufreizung zum Morde einzuleiten. Die Jury sprach gleichzeitig den Grundsatz aus, daß die in England erfolgte Publi- cation, welche bezweckt, zum Morde von Souveränen auswärtiger Staaten oder anderer Personen aufzu reizen, ein Verbrechen sei und von den Behörden stets strengstens bestraft werden müsse. Man hat in England von je einen Stolz darein gesetzt, jedem Menschen die freie Meinungsäußerung zu wahren, wie man englischerseits auch die von Rußland ver suchte Beschränkung der Asylfreiheit ablehnte, aber diese Toleranz wäre dem frechen und flegelhaften Benehmen des Socialdemokraten Most gegenüber doch sehr übel angebracht und man fühlt gewisser maßen eine Genugthuung darin, daß ihm endlich für sein verbrecherisches Treiben der Prozeß ge macht wird. "Waldenburg, 5. Mai 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der „Reichsherold" theilt mit, daß in einer Ber liner höheren Töchterschule den jüdischen Schü lerinnen Unterricht im „Hebräischen" ertheilt werde und fügt mit Recht hinzu: „Die Thatsache muß für eine künftige Chronik notirt werden: Der Ma gistrat von Berlin läßt im Jahre 1881 noch für das Geld der (doch meist nichtjüdischen) Steuerzahler durch städtische Lehrer die höheren Judentöchter im Hebräischen unterrichten." Frankreich. Die Commission der Münzconferenz trat am 3. d. unter dem Vorsitze Vrolik's zusammen 17 Delegirte waren anwesend, darunter der englische Delegirte Trednautle. Nach dreistündiger Berathung nahm die Commission den von den niederländischen Delegirten ausgearbeileten vorläufigen Entwurf für die zu behandelnden Fragen an. Man kam überein, daß auch die beiden anderen von Cernuschi und Dona Horton vorbereiteten Entwürfe der Conferenz als Basis für die Berathung der Münzsragen vom wissenschaftlichen Standpunkte aus vorgelegt werden sollen. Die Commission beauftragte den Präsiden ten Vrolik mit der Abfassung des Berichts und sprach den Wunsch aus, daß die nächste Versamm lung der Conferenz sobald als möglich stattfinden möge. England. Die katholischen Bischöfe Irlands haben dem englischen Premier eine Denkschrift übersandt, welche ihre Anschauungen über die irische Landge setzvorlage zum Ausdruck bringt. In diesem Me- moire führen die Bischöfe aus, daß Behufs einer dauernden und befriedigenden Lösung der Landfrage die Vorlage einer Menge Abänderungen bedürfe. Zu den wichtigeren derselben gehören unter andern die Gewährung von fester Pacht an künftige Päch ter, die Ausdehnung des Schutzes der Bill auf Pächter, die mit ihrem Pachtzinse im Rückstände sind, die Beseitigung der Auswanderungs-Clauseln aus der Vorlage und die Einschaltung eines groß angelegten Planes für den Ankauf, die Urbarmachung und Vertheilung der Brachländereien in Irland, sowie auch für eine durchgehende Drainage. Der Premier Gladstone kann, wie der Telegraph meldet, diesen Aenderungen nicht zustimmen. Die englische Kriegsmarine hat ein grauenhaf tes Unglück betroffen. Nach einer der Ad miralität zugegangenen Depesche aus Montevideo ist die englische Korvette „Doterel" am 26. April in der Magellan-Straße in die Luft geflogen. Der Commandant und 10 andere Personen wurden gerettet. Die Ursache des Unglücksfalles ist noch nicht authentisch bekannt, doch wird der Untergang des Schiffes dem Explodiren der Pulverkammer zugeschrieben. Die durch die Explosion zu Grunde gegangene Korvette „Doterel" verlieb Chatham zu Anfang dieses Jahres, um zu dem Pacific-Geschwader zu stoßen. Die Zahl der durch die Katastrophe ums Leben gekommenen Per sonen wird auf mindestens 140 geschätzt. Nächst dem Untergang des „Großen Kurfürsten" und dem spurlosen Verschwinden des englischen Schulschiffes „Atalanta", das an Bord einige achtzig Kadetten führte, hat seit langer Zeit keine so fürchterliche Katastrophe die europäischen Marinen heimgesucht. In Dublin wird Sonntag unter dem Vorsitz des Erzbischofs Croke ein großes Meeting statt-