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den evangel.-luther. Synode wird aller Wahrschein lichkeit nach nur eine kurze sein. Außer dem allge meinen Bericht, sowie den besonderen über die An gelegenheiten der neuen Agenda und des Landesge sangbuches dürften nur noch die Vorlage einer Tauf-, Trau- und Begräbniß-Ordnung und einige Petitionen dieselbe beschäftigen. Es ist sonach zu erwarten, daß in etwa 14 Tagen und jedenfalls bis Pfingsten das Ganze wird erledigt sein können. — Nach den neuesten Erhebungen hat sich wieder ergeben, daß das Turnen in Sachsen stetig fortschrei tet; es ist die Anzahl der Vereine auf 395 gestiegen mit einem Mitgliederbestand von gegen 37,000 Mann. — In Dresden ist der Director des Zoologischen Gartens, Albin Schöpff,verstorben. Der Leichnam soll auf den directen Wunsch des Dahingeschiedenen zur Verbrennung nach Gotha übergeführt werden. — In Dresden sind am 26. d. an Stelle des kürzlich zur Ausgabe gelangten „Dresdner Tage blattes", welches sich einmal und dann nicht wieder auf der Bildfläche zeigte, die „Neuen Dresdner Nachrichten" erschienen. Zu dem Begründen eines Blattes gehört wie zum Kriegführen Geld und aber mals Geld, das scheint vielfach vergessen zu werden. — In der Davidstraße zu Leipzig machte am 26. d. vormittags ein 22jahriges Dienstmädchen, angeblich aus Verzweifelung über einen von der Dienstherrschaft erhaltenen Vorwurf der Untreue den Versuch, sich zu entleiben. Ein Kohlenfahrer, der zufällig Kohlen dorthin brachte, fand die Unglückliche im Keller an ihrem Halstuche aufgehängt vor und löste sie schleunigst los. Zwar schon besinnungslos, aber noch lebend, wurde die Unglückliche nach dem Krankenhauss gebracht. — Von einem jähen Tode wurde dieser Tage in Borna ein Handwerksbursche ereilt. Eben im Be griff die Schwelle des dortigen Gasthofes zur Bor- naer Schmiede zu überschreiten, traf ihn ein Schlag- fluß und machte seinem Leben ein Ende. — In de» Steinkohlenwerken „Kaisergrube" zu Lugau stürzte am Morgen des 25. d. M. ein Lei tungsbaum auf 4 eben im Gestelle einfahrende Ar beiter, von denen einer tödtlich verunglückte; einem Italiener brach es die Glieder und die zwei anderen wurden mehr oder weniger erheblich gestaucht und verletzt. Welche Ursachen dem Unglücksfalle zu Grunde liegen, wird wohl die aufzunehmende Unter suchung herausstellen. — Am vergangenen Dienstag Nachmittag schlug der Blitz in den Thurm der Kirche zu Callnberg vei Lichtenstein und fuhr, ohne erheblichen Schaden anzurichten, längs der Drahtleitung des Blitzableiters in die Erde; der kleine Holzkasten, welcher den Draht bis zu einer Höhe von etwa 1'/» Meter vom Erd boden ab umgiebt, wurde jedoch in Brand gesetzt. Der Schlag verdient um so mehr erwähnt zu wer den, als demselben kein zweiter folgte; ein Blitz, ein Donnerschlag und das Gewitter war vorüber; im Uebrigcn nur 7 Grad Wärme. — Abermals ein Opfer einer sogenannten Schnapswette. Vor zwei Tagen vermaß sich in Lugau ein eben zum Militär Ausgehobener, ein Bierglas voll Rum auf ein Mal austrinken zu wollen; er that es und war alsbald eine Leiche. — In der Nacht zum 3. Osterfeiertag ist in Thurm bei Mülsen St. Niclas ein 28jähriges blöd sinniges Frauenzimmer in abscheulichster Weise miß handelt und mißbraucht worden. Der Verbrecher hatte mit einem Tuche der Unglücklichen den Mund verstopft und sie in rohester Weise bekämpft, ehe er sein verworfenes Ziel erreichen konnte. Er ist ein Einwohner aus Hohndorf bei Lichtenstein und bereits in Sicherheit gebracht. — Ein raffinirter Schwindel wird durch das „Schweizer Uhrendepot" der Firma Brunner, Frei und Comp. von Basel aus betrieben. Genannte Herren inseriren: „Nur bei uns erhält man für schon 4 Mk. eine solide, garantirte, regulirte Schwei zeruhr, ohne Schlüssel aufzuziehen; 5 Stück nur 15 Mark. Sehr lohnend für Ta scheuuhrenHändler." Das hier gesperrt gedruckte Wort verleitet natür lich zu der Annahme, daß man für 4 Mk. eine Remontoiruhr erhalten könne. Fünf Arbeiter in Plaue» i. V. associirten sich deshalb zu gemein schaftlicher Bestellung. Die Zusendung erfolgte prompt, selbstverständlich unter Nachnahme des Be trages. Aber was enthielt das betreffende Packet? Winzige Wanduhren (Schwarzwälder) ordinärster Qualität, im Werthe von kaum 2 Mark. Recla- wiren läßt sich nicht. Die Uhren sind „ohne Schlüssel aufzuziehen", denn sie haben Gewichte, und der Nachsatz „Lohnend für Taschenuhrenhänd ler" besagt nicht direct, daß Taschenuhren offerirt werden. — In Pößneck hat ein Landwehrmann die An nahme ver Verdienstschnalle verweigert. Auch die früher erhaltene Medaille aus dem letzten Feldzuge soll er bei dieser Gelegenheit zurückgegeben haben. — In der Kirche zu Deuben fand am Sonntag unter großem Andrange vieler Einwohner des Plauenschen Grundes die Taufe von 4 Kindern eines Fuhrwerksbesitzers statt. Die Taufe der Kin der wurde bisher verweigert, und ist das älteste derselben bereits 6 Jahre alt. — Auf dem Erzgebirge wird im Laufe dieses Jahres die Kanarienvogelzucht eingeführt werden. Für die Harzbewohner hat diese Vogelzucht seit ihrer Einbürgerung daselbst zu nicht unwesentlichen Einnahmen geführt, zumal die.Harzer Vögel immer weitere Verbreitung gefunden haben, so daß sie jetzt nach allen Welttheilen versendet werden. Vielleicht gelingt es später, auch den erzgebirgischen Kanarien vögeln allmählich ein umfangreiches Absatzgebiet zu gewinnen. Den Anfang mit der Zucht wird man zunächst auf der böhmischen Seite des Gebirges machen, da sich das Prager Centralcomitee zur Förderung der Erwerbsfähigkeit der Erzgebirgsbe wohner lebhaft für jene Einführung interessirt und derselben möglichste Unterstützung angedeihen lassen wird. Wahrscheinlich wird die Vogelzucht dann aber auch bald diesseits der Grenze in Aufnahme kom men, wie ja früher umgekehrt auch Erwerbsarten, die sich anfänglich aus dem sächsischen Erzgebirge einbürgerten (Klöppeln, Musikinstrumenten-Fabrika- tion rc.) über die Grenze hinüber fortpflanzten. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 27. April. Bei Eröffnung der Sitzung sind knapp 60 Volks vertreter zugegen, die unter großer Unruhe die Be gründung des Antrages auf Betheiligung Deutsch lands an der Erforschung der Polargegenden durch vr. Thilenius anhören. Marinechef Stosch erklärt, daß die Marineverwaltung bereit sei, für die Angelegenheit einzutreten, soweit dies die disponiblen Mittel zulassen. Staatssekretär v. Bötticher empfiehlt den Antrag auch, kann aber nicht zusagen, daß demselben sofort entsprochen werden könne. Wenn man erwäge, daß seitens der anderen Regierungen bisher noch keine bestimmten Erklärungen vor gelegen und daß sich die Höhe der Kosten gar nicht über sehen lasse, werde man die von der Regierung geübte Vor sicht billigen. Nachdem noch der Antragsteller vr. Virchow der Regierung für ihre Erklärung gedankt, wird der Antrag einstimmig angenommen. Die Beschlußunfähigkeit des Hauses ist inzwischen knapp hergestellt, so daß man der Abstimmung über das Trunkenheitsgesetz ruhig entgegensehen kann. Das Gesetz wird gegen die äußere Linke einer 14- gliederigen Commission überwiesen. Dann findet das Küstenschiffahrtsgesetz in Regierungsfassung Annahme. Gegen den Entwurf eines Aichungsgesetzes spricht Or. Reichensperger-Krefeld, der sich besonders gegen die Aichung der Fässer erklärt. Nach längerer Discussion wird Verweisung an eine Commission beschlossen. Stumm wünscht Wiedereinführung der Bezeichnungen Centner und Pfund, um die bestehende Doppelbezeichnung zu beseitigen. Staatssekretär v. Bötticher stellt eine diesbezügliche Vor lage in Aussicht. Die Beralhung über den Gesetzentwurf betr. Oeffentlichkeit und Geschäftssprache desLan- desausschusses von Elsaß-Lothringen wird fortgesetzt. v. Wernigerode für Einführung der deutschen Sprache als Geschäftssprache. Die große Mehrheit der dortigen Be völkerung spreche deutsch, nur gelte das Deutsche nicht als hoffähig. Pfarrer Winterer (Elsässer Protestler): Aus den von Verlegenheit zeugenden Motiven gehe hervor, daß die ge botene Oeffentlichkeit ein zweifelhaftes Geschenk sei. Warum bietet man die nicht verlangte Oeffentlichkeit und verweigerte die geforderte iwmunitö (parlamentarische Unverletzlichkeit)? Durch die Einführung des Deutschen als Geschäftssprache werden die lothringischen Mitglieder des Landesausschusses mundtodt gemacht. Unterstaatssekretär Or. v. Mayr: Der vorliegende Ent wurf sei ein weiterer Schritt in der organischen Fortent wicklung Elsaß-Lothringens. Das Land bedürfe zunächst vor Allem der Beruhigung. vr. Marquardsen für die Vorlage. vr. Simonis (Protestler) begründet einen Antrag auf Streichung der Worte: „Die Geschäftssprache ist die deutsche" und auf parlamentarische Unverletzlichkeit der Mitglieder des Landesausschusses. v. Puttkamer-Fraustadt: Die elsässische Bevölkerung habe ein Recht darauf, daß die Verhandlungen ihres gesetz gebenden Körpers in der Landessprache, welche die deusche ist, geführt werden. v. Schorlemer-Alst beantragt, daß den Mitgliedern des Landesausschusses, die nach ihrer ausdrücklichen Erklärung der deutschen Sprache nicht mächtig sind, der Gebrauch der französischen gestattet werde. Schließlich wird die Regierungsvorlage unter Ab lehnung der einzelnen Amendements gegen Centrum, Protestler und Polen angenommen. Die Sitzung wird auf Donnerstag vertagt. Auf der Tagesordnung befindet sich das Gerichtskosten gesetz. Vermischtes. Die Hochzeits-Ausstattung der Prinzessin Stefanie ist von großer Pracht und geschmackvollster Eleganz. Sie besteht aus den reichsten Toiletten mit afsortirten Hüten. Man findet da blaue und rosafarbene Roben, einen Hof mantel in Silberstoff von überraschendem Effect. Das Haus Patte Hannot lieferte die Wäsche: Camisols mit seidenen Spitzenbesätzen, Unterleibchen von allen Farben, Unterhosen mit Seidenschleifen und Valenciennes-Spitzsn besetzt, Spitzen- Fichus, Mouffelin-Unterröcke mit Spitzen und Lntrs-äsux von Valenciennes, feine wollene Flanell-Unterkleider, ge schmackvoll mit Seide gestickt, Dutzende von Spitzen-Taschen tüchern mit gestickter Chiffre und Krone, Valenciennes- und Mechelner-Spitzen. Sonnenschein. Eine der falschesten Oekonvmien ist es, das Sonnenlicht aus den Zimmern abzuspsrren oder viel leicht gar solchen, die nach Norden gelegen sind, vor andern den Vorzug zu geben, in der Meinung, daß die Sonne zu viel Schaden anrichte an den Möbeln und Tapeten derselben. Mag es sein, daß manche Farben im Sonnenschein schneller verbleichen, Vorhänge und Rouleaux darum schneller zer reißen, so ist dieser Schaden doch gewiß viel geringer, als derjenige, welcher an den Menschen selbst angerichtet wird, die ohne Sonnenschein leben. Wenn die Sonne an Häusern und Hausrath zuweilen etwas ruinirt, so erhält sie dafür auch ebenso viel; denn sie verscheucht Mäuse, Motten und anderes Ungeziefer, das nur da nistet, wo Licht und Luft nicht hinkommen und im Dunkeln ein viel gefährlicheres Zerstörungs oerk treibt. Moder, Pilze, Schwamm, Feuchtig keiten mit aller Art schädlicher Einwirkungen für Gebäude, Möbel und Menschen entwickeln sich nur da, wo keine Sonne hinkommt, und es ist zu bekannt, daß bei fast allen Epide mien die sonnigen Wohnungen diejenigen sind, in denen sie sich zuletzt oder gar nicht zeigen. „Wo die Sonne nicht hin kommt, kommt der Arzt hin," ist ein sehr wahres Sprich wort. In manchen Familien — zumal bei dekt weiblichen Mitgliedern derselben — gehört es zum guten Ton, die Zimmer zu verdunkeln und jeden hereinfallenden Sonnen strahl wie einen Hochverräther am Dasein zu betrachten. Damen, die am Abend die Zimmer mit Gas oder hoch geschraubten Petroleumflammen nicht blendend und stechend genug erhellen können, geben vor, nicht ins Sonnenlicht sehen zu können, und während sie am modernen Kaminfeuer oder glühend heißen eisernen Ofen es ganz behaglich finden, gilt ihnen die Wärme der belebend strahlenden Sonne für unerträglich! Sie und die Kinder werden ängstlich davor behütet — nur um die Weiße der Haut nicht -u verderben, wie es sonst dem Körper ergehen mag, ist dabei gleichgiltig! Aber man kann ja Augen und Haut schützen durch Schirme, Hüte und Tücher. — Unter Umständen giebt es für un zähliges Uebelbefinden kein besseres Heilmittel, als sich in die Sonne zu setzen. Mehr als manches irisch-römische und andere Bad wirkt solch' ein Sonnenbad, wie das Tausende aus eigener Erfahrung bestätigen können. Auch in dis Krankenzimmer bringt der Sonnenschein weit sicherer Linde rung und Genesung, als das Verhängen der Fenster und tausend andere innerlich oder äußerlich verschriebene Mittel. Man versuche es nur einmal mit der „Sonnencur". Allerlei. Unter den Passagieren eines von Ber lin nach Treptow fahrenden Dampfers befand sich auch ein Israelit, welcher dort, ehe die Landungs brücke gelegt war, abspringen und überhaupt den Weisungen des Schiffspersonals nicht pariren wollte. Die Folge war, daß man nach dem Ortsvorstande schickte und Bruder Sem, da er sich nicht legitlmiren konnte, in Gewahrsam nahm. Wie besagte er sich nun über sein Schicksal wegen des gestörten Sonn tags-Vergnügens? „Hätten Se iner doch lieber ge geben enne Ohrfeige!" Seine Ehre schien demnach durch eine Ohrfeige keinen Fettfleck zu bekommen. — Einer der verwegensten und gefährlichsten Hoch stabler ist in Wien dingfest gemacht worden, derselbe nannte sich „Baron Hofmann", machte riesige Ausgaben, prunkte mit hohen Orden und Bekanntschaften und hatte die Frechheit, vordem in London als österreichischer Reichsfinanzminister auf zutreten, wo er dann als angeblicher Bevollmächtig ter eines Mitgliedes des österreichischen Kaiserhauses von einem Rheder eine Jacht für seinen angeblichen hohen Mandatar miethele und sich 16,000 Gulden Provision dafür bezahlen ließ, während er in Wien einen Möbelhändler mit der Lieferung von Möbeln im Betrage von über 20,000 Gulden für die Jacht beauftragte. Die Briefe an den Möbelhäudler waren mit der Vignette und dem Siegel jenes Mit gliedes des Kaiserhauses versehen. Hoffmann ist Glasergehilfe gewesen. — In Wilhelmsyafen ist auf dem Schulschiff „Mars" beim Laden eine 21 Cm.-Granaie im Rohr crepirt. Getödtet sind 2 Cadelten sowie 4 Mann, schwer verwundet 9 Mann, leicht verwundet 2 Offiziere und 7 Mann. — In Folge der in Wien grassirenden Blatter» hat sich auch der österreichische Kaiser wieder impfen lassen. Prof. Widerhofer und zwei Hofärzle nebst zwei Beamten des Oberhofmeisteramtes bildeten die Com mission, welche das Nölhige veranstaltete. Der ganze Hosstaal wurde sodann geimpft, kein Bewoh ner der Burg durfte sich der Vorsichtsmaßregel ent ziehen. — Bei Nakkow auf der Insel Laaland wurde am 15. d. ein Königsadler erlegt, der zwischen den Flügelspitzen 6'/e Fuß maß. Um den Hals hatte der selbe eine Messingkette, an welcher eine kleine Blech flasche befestigt war. Bei der Oeffnung derselben fand man einen Zettel, auf welchem in deutscher