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chönbnM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten sür die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementsprsis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 97. Freitag, den 29. April 18»1. Von dem unterzeichneten Königlichen Amtsgerichte soll den SS. Juli 1881 das dem Oekonom Friedrich August Fiedler in Niederwinkel zugehörige Hand- gutsgrundstück Nr. 3 des Katasters, Nr. 3, 100, 101, 112, 113, 114, 116, 117, 118,126 und 127 des Flurbuchs und Nr. 2 des Grund- und Hypothekenbuchs für Niederwinkel, welches Grundstück am 13. April 1881 ohne Berücksichtigung der Oblasten auf 15000 Mk. —- gewürdet worden ist, nothwendiger Weise versteigert werden, was unter Be zugnahme auf den an hiesiger Gerichtsstelle aushängenden Anschlag hierdurch bekannt gemacht wird. Waldenburg, den 20. April 1881. Königliches Amtsgericht daselbst. Baumbach. Hllbr. "Waldenburg, 28. April 1881. Die Interessenvertretung. Obwohl der Zeitpunkt der Wahlen noch gar nicht bestimmt ist, so steht doch schon jetzt die Wahlbe trachtung im Vordergründe der politischen Erörterung. Die Fortschrittspartei namentlich rührt sich in ganz ungemessener Weise, ihre Führer machen fortwährend Agitationsreisen, geben Flugblätter und Broschüren heraus, veranstalten Geldsammlungen und organi- siren ihre Wahlcomites überall, um auf diese Weise den Boden vorzubereiten. Sie geben sich denn auch nach den Resultaten der letzten Ergänzungswahlen der Hoffnung hin, daß si- den Sieg davonlragen und die Wirthschaflspolitik des Reichskanzlers mit einem Schlage vernichten werden. Diese Hoffnung erscheint uns nun allerdings sehr trügerisch; von der großen Niederlage der Fortschrittspartei bei der letz ten Wahl, wo sie es nur auf 23 Mitglieder brachte, bis zu einem Siege ist allerdings ein sehr gewal tiger Schritt. Aber es wäre schon recht sehr zu bedauern, wenn überhaupt die Fortschrittspartei sich nur um ein einziges Mitglied vermehrte. Es könnte nur dann geschehen, wenn alle zahlreichen Gegner dieser Partei und die noch größere Zahl der Freunde der neuen Wirthschaflspolitik die Hände in den Schoß legten und nichts thun. Wir halten es daher namentlich für die Pflicht der Presse, schon jetzt mit aller Energie den Bestre bungen der Fortschrittspartei entgegenzutreten, weil gerade sie die bewußte und consequente Gegnerin der neuen Wirthschaflspolitik uno der Zollreform ist und weil sie, wie ihre Führer und ihre Partei blätter es unverhohlen Tag für Tag äußern, ihr Ziel erst dann erreicht zu haben meinen, wenn sie den Reichskanzler gestürzt und dessen Wirthschafts- politik sowie die Zollreform beseitigt, also das reine Manchesterthum in unveränderter Weise wieder her gestellt haben. Um diese Gefahr recht erkenntlich zu machen, ist es nothwendig, schon jetzt auf das Eindringlichste die Frage zu erörtern, wer soll gewählt werden? Schon bei der letzten Wahl machte sich ein erfreu licher Umschwung in der Candidate,-frage geltend, die Wähler ließen sich nicht durch das Manchester- thum und seine Phrasen blenden, daß ihre Candi daten die allein Zweckmäßigen seien, weil sie als s unparteiisch zum größten Theil aus den Kreisen der ' Juristen die Consumenten am besten verträten und i daher am geeignetsten seien, um das ganze Volk zu vertreten. Man wandle sich schon damals mehr I wie bisher den Männern der Praxis zu, obwohl die Gegner fortwährend über egoistische Interessen vertretung schrieen und damit den Candidaten ihrer Gegner den Todesstoß zu versetzen glaubten. Diese Phrase darf Niemand erschrecken und ein schüchtern, im Grunde genommen sind und bleiben es stets Interessen, welche die Neichstagsabgeordne- ten vertreten sollen und je mehr Männer gerade aus den Kreisen der erfahrenen Geschäftsleute ge nommen werden, um bester ist es für die Gesetz gebung. Auch die Juristen, die Freihändler haben ganz besondere Interessen und haben diese bisher in einer der übrigen Bevölkerung sehr fühlbaren Weise zu vertreten verstanden; wir brauchen dabei nur an die Gerichtsorganisation und die Gerichts kosten zu erinnern, die so recht eigentlich einzig und allein zum Besten und zum Nutzen der Advokaten ins Leben gerufen sind und aus allen übrigen Ge schäftskreisen die allergrößte Anfechtung finden. Daß unsere ganze Gesetzgebung sich im Fahrwasser des krassesten Manchesterthums bewegte, ist einzig und allein dem Umstande zu verdanken, daß die Männer der praktischen Lebenserfahrung, die Land leute, Industriellen, Kaufleute, Handwerker rc. ihre Vertretung den Juristen überließen und sich von der Suade derselben blenden ließen. Glücklicherweise ist die Zeit vorüber, wo die Rede fertigkeit allein als beste Empfehlung für einen Candidaten zum Reichstage genügte, man verlangt denn doch schon in vielen Kreisen, daß der Ab geordnete sich auch im praktischen Leben bewährt und demselben nicht als vollständiger Ignorant gegenübersteht. Das ist namentlich das Erfreuliche an dem Volks- wirthschaftsrath, daß hier zuerst so recht die Männer der praktischen Bewährung herangezogen sind; aller dings Hal sich die manchesterliche und fotschriitliche Presse nicht entblödet, sie in unflätiger Weise anzu greifen, aber glücklicher Weise wird auf das so wenig berufene und maßgebende Urtheil dieser Ge sellschaft die Bevölkerung um so weniger geben, als der Reichskanzler in unzweideutiger Weise seine hohe Zufriedenheit mit der Thätigkeit des Volkswirth- schastsrathes unverhohlen ausgesprochen hat. Dies nun sollte allen Freunden der Zollreform und der neuen Wirthschastspolitik ein deutliches Zeichen sein, wen sie für die nächste Wahl aufzustellen haben und welche Kreise sie ausschließen müssen. Es kann daher der Ruf nicht laut genug erschal len: „Fort mit den Theoretikern, den Juristen, den Manchesterleuten und den Feinden der Zollre form und der neuen Wirthschastspolitik. Wir wählen nur Männer der praktischen Erfahrung, welche unsere Interessen, die Interessen der pro ductiven Klassen vertreten, damit diese nicht länger wie bisher in ungebührlicher Weise zurückgesetzt werden." Es ist allerdings für einen Geschäftsmann ein großes Opfer, welches er bringt, wenn er 4 Mo nate im Jahre sein Geschäft verlassen soll; aber die gemeinsamen Interessen fordern es; daher sagen wir, überall, wo es irgend möglich ist, mögen sich Comitee's bilden, welche solche Männer von bewähr ter praktischer Erfahrung als Candidaten aufstellen, die sich durch Gemeinsinn, durch strenge Rechtlichkeit, durch tüchtige Geschäftsleistung ausgezeichnet haben, und in ihrem Kreise sich Achtung und Anerkennung erwerben. Vor allem muß vor den professionellen Politikern, namentlich der Berliner Clique gewarnt werden, denn diese ist der eigentliche Schade, der Grundfehler unseres parlamentarischen Lebens. Es wäre ein Zeugniß der größten Armuth und der Unentschlossenheit, wenn man sich den Abgeordneten erst von auswärts verschreiben und einen solchen nicht in seiner Heimath, in dem eigenen Wahlkreise austreiben könnte. Wie soll der Reichstag die In teressen der ganzen Nation heilsam fördern, wenn fast ein Viertel sämmtlicher Deputirten aus Berlin genommen wird und nicht alle Kreise gleichmäßig vertreten sind. Der einzig richtige Weg ist daher: Wählt Deputirte aus dem eigenen Wahlkreise, Männer, die sich dort bewährt haben, welche die Wähler genan kennen, mit denen sie in langer Ver bindung gestanden haben und von denen sie wissen, daß sie das Herz auf dem rechten Flecke haben. Also der Hauptgesichtspunkt für die nächste Wahl ist: Emancipation von den professionellen Politikern, den Schönrednern und Phrasenmachern und vor allen von dem Berliner Fortschrittsring; dann wird Alles gut werden und wird die Wahl eine zweck mäßige genannt werden können. Daher wird es am besten sein, wenn alle Freunde der Zollreform und der Wirthschaflspolitik des Reichskanzlers schon jetzt, wie auch zunächst in engern Kreisen sich nach geeigneten Männern von praktischer Lebenserfah rung umsehen und eine Verständigung in dieser Beziehung herbeiführen, um den Boden sür die nächste Wahl zu ebnen. "Waldenburg, 28. April 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Abreise des Kaisers nach Wiesbaden erfolgt heute Donnerstag Avend. Die Kaiserin begleitet den Kaiser bis Frankfurt a. M. und begiebt sich von da nach Baden-Baden. Die Provmzial-Correspondenz sagt am Schluffe eines „Anwalt des kleinen Mannes" betitelten Ar tikels, Bismarck hat sich mit der Fürsorge für den kleinen Mann, den er gegen die Fortschritts- Partei und deren verderbliche wirthschaftliche Prin zipien zu schützen unternommen, die letzte große Lebensaufgabe gestellt. Die Meinungen über die von ihm vorgeschlagenen Mittel mögen noch vielfach unter den Parteien schwanken, aber diese Unsicher heit und Ungewißheit wird den Kanzler nicht beirren, von dem mit reiflicher Ueberlegung und innigster Ueberzeugung gesteckten Ziel sich abbringen zu lassen; für ihn ist es unabweisliche Pflicht, die Interessen und Bedürfnisse des kleinen Mannes in die Hand zu nehmen und somit die Grunvlagen des Staats vor der Erschütterung durch Stürme zu bewahren, welche nicht ausbleiben können, wenn die Pflichten praktischen Christenlhums den Armen gegenüber außer Acht gelassen werden. . Seitens des deutschen Brauerbundes ist an den Reichstag eine Petition gerichtet worden, welche den Erlaß eines Verbotes aller Surrogate bei der Bierbereitung zum Zwecke hat. Man hofft, daß diese Bitte in Abgeordnetenkreisen lebhafte Sympathien finden wird. (Bei den Biertrinkern auch.) Von mehreren Seiten wird jetzt ein Scheitern der Verhandlungen mit Oesterreich und eine Verlängerung des Provisoriums in Aussicht gestellt. Oesterreich droht mit Einführung eines Mehlzolles. In der Nacht zum Sonntag ist in Kotlbus durch Einklemmen in Haus- und Stubeuthttren eine socialdemokratische Brandschrift verbreitet worden, die sich den v. Putlkamer im Reichstage vorgelesenen Proben aus der socialistischen Liteiaiur würdig anreiht.