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zwei kleine goldene sowie mehrere silberne Medaillen nebst zahlreichen Ehrenzeugnissen zu Vertheilung. — Au« Dresden wird mitgetheilt, daß die Ge- neraldirection der sächsischen Staatseisenbahnen im bevorstehenden Sommer-Fahrplane, also vom 15. Mai d. I. ab, auf der Linie Dresden-Görlitz in jeder Richtung einen Tagescourierzug einzulegen beabsichtigt. Die neuen Courierzüge werden in Görlitz directen Anschluß an die Courierzüge der niederschlesisch-märkischen Eisenbahn nach und von Breslau erhalten und vermitteln in Breslau wie derum sofortigen Anschluß an die Courierzüge der oberschlesischen Eisenbahn, so daß eine directe Ver bindung nach dem Osten bis bez. nach Warschau, Petersburg und Moskau hergestellt wird. — Seitens der König!. Kreishauptmannschaft zu Dresden ist das fernere Erscheinen der „Dresdner Abendzeitung" und des zu derselben gehörigen Bei blattes „Hiddigeigei" verboten worden. — Bei Revision einer Leipziger Herberge fielen der Polizei zwei berüchtigte Dresdner Kinder, zwei mehrfach bestrafte Legitimationsfälscher, der eine ist Goldarbeiter, der andere Conditor-Gehilfe, in die Hände. Sie wurden jetzt von Kassel aus steck brieflich verfolgt. — In einem namhaften Leipziger Weingeschäft wurden dieser Tage auf staatsanwaltschaftliche Ver anlassung bedeutende Quantitäten gefälschter Weine in Fässern und Flaschen mit Beschlag belegt. — In Freiberg feierte am 11. d. der Schneider meister Karl Friedrich Pförtner sein 50jähriges Bürgerjubiläum. — Die gestern ermähnte Frauensperson, welche unter falschen Vorspiegelungen in Meißen eine Villa kaufen wollte u. s. w., ist bei einer ähnlichen Schwindelei in Gauernitz festgenommen und zur Haft gebracht worden. Sie will die Wittwe eines Kammerlakais und aus Dresden sein. — Am 10., 11. und 12. d. fand in Limbach eine Ausstellung von in der dortigen Fachschule für Strumfwirker gefertigten Schülerarbeiten statt. Alle Artikel, die ins Strumpffach emschlagen, waren ver treten. Die Ausstellung umfaßte eigentlich drei Ab- theilungen. Im Maschinensaale waren die Stühle zu sehen, in einem zweiten Saale waren die Zeich nungen ausgestellt, in einen dritten die praktischen Arbeiten. Zu vermissen war für Laien die Angabe der Namen an den Stühlen, wünschenswerth wäre es auch gewesen, dis fertige Waare auf die betreffen den Stühle auszulegen. Die schriftlichen Arbeiten ebensowohl wie die ausgelegten praktischen Arbeiten ließen auf außerordentlichen Fleiß seitens der Lehrer und Schüler schließen. Wer sich also dem speciellen Studium der Strumpfwirkerei hingeben will, der findet in unserer nächsten Nähe die beste Gelegen heit dazu. — In der Fortbildungsschule zu Marienthal war von unbekannter Hand ein Ehrengeschenk für denjenigen Fortbildungsschüler, der durch Stimmzettel seiner Mitschüler als fleißig und sittig bezeichnet wurde, eingegangen. Eduard Schneider von dort erhielt die meisten Stimmen und wurde ihm das nette Etui mit der Aufschrift: Lohn des Fleißes! und einen Thaler enthaltend, überreicht. — In Oelsnitz b. L. erscheinen seit 1. d. zwei Blätter. Bisher wurde das ältere Blatt in Lichten stein gedruckt, da aber eine Druckerei in Oelsnitz sich etablirte und ein neues Blatt erschien, sah sich der Herausgeber des „Oelsnitzer Volksboten" aus Concrurenzrücksichten gezwungen, ebenfalls eine Buch druckerei in Oelsnitz zu errichten. Wahrscheinlich wird nun ein Kampf auf Leben und Tod geführt werden. — In Mülsen St. Niclas hat sich am 9. d. früh 4 Uhr die Webers-Ehefrau Emma Emilie E., 24'/r Jahr alt, Mutter eines Kindes, im dortigen Gemeindeteiche ertränkt. Motiv: Schwermuth. — In Meinsdorf wurde am 9. d. die Strumpf wirkers-Ehefrau Christliebe H., 43 Jahr alt, Mutter von 11 Kindern, in ihrer Schlafkammer erhängt aufgefunden. Angebliche Motive der H.: Epilepsie und Nahrungssorgen. — Der Geflügelzüchterverein in Strehla will einige Stämme echt italienischer Hühner direct vom Marktverein zu Triest auf Vereinskosten beziehen, dieselben bei dortigen Züchtern einzustellen und die zu erwartenden Eier nur an Mitglieder des Vereins verkaufen. — Unter dem Viehbestände des Gutsbesitzers und Gemeindevorstandes Riedel in Pfaffroda ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen. — In Dölitz bei Leipzig verhaftete man dieser Tage einen angeblichen Uhrmacher, welcher hier und dort Uhren zur Reparatur in Empfang ge nommen hatte, dieselben aber nicht wieder abli-ferte. — Ein interessanter Fund wurde vor einiger Zeit in der Silbergrube von St. Georgien bei Schneeberg gemacht. Bei Aufwältigung dieser seit 1530 ertränkten alten Grube fand man in einer Tiefe von 249 Meter eine kleine gußeiserne Figur, welche einen Hofnarren vorstellt. Die Forscher sind allgemein der Meinung, daß diese Figur den Griff eines Pokales bildete, der bei dem bekannten Banket, welches Herzog Albrecht s. Z. in diesem reichen Silberbergwerk veranstaltete, mit die Runde gemacht hat. — Die selbstständigen Klempner in Bautzen haben die Nothwendigkeit anerkannt, die vor ca. 18 Jahren aufgelöste Innung wieder der Neuzeit angemessen zu gestakten. Es hatten sich zu diesem Behufs vor Kurzem der größere Theil der dortigen Klempner meister vereinigt, um über die Neubildung der In nung zu berathen. — In Bautzen beging am 11. d. der Fleischer meister und Oekonom Carl Bellwitz sein 60jähriges Bürgerjubiläum. Dem braven Alten wurden dabei Seitens der städtischen Collegien die herzlichsten Glückwünsche zu Theil, auch überreichte man ihm den üblichen Ehrentrunk. Vermischtes. Allerlei. Wie aus Schönau bei Teplitz berichtet wird, will man daselbst wahrgenommen haben, daß während der Erdbeben zu Agram und im Küsten lande, sowie während der letzten Eruptionen des Vesuvs und der Katastrophe von Casamicciola merk bare Schwankungen der Thermalquellen, ja sogar Sinken des Wassers um einige Centimeter eintraten. In Teplitz ließen sich derartige Beobach tungen des Pumpens wegen nicht machen. Als bemerkenswerthes Ereigniß ist ferner zu bezeichnen, daß vor einigen Tagen nicht weit von Teplitz, nämlich in Arbesau, dem bekannten auf dem Kulmer Schlachtfelde liegenden Dorfe, um '/-Z Uhr morgens ein ziemlich starker, von unterirdischem donnerar tigem Geräusche begleiteter Erdstoß verspürt wurde. — Die Stadt Aschaffenburg in Bayern wird Heuer das 1000jährige Jubiläum ihres Bestehens zugleich mit dem 900jährigen Jubiläum der dorti gen Stiftskirche begehen. — Der Papst hat 5000 Lire für die Verunglückten auf der Insel Chios ge spendet. — Bleichröder in Berlin erhielt jüngst einen Brief, in welchem er unter Bedrohung mit dem Tode aufgefordert wurde, 3000 Mk. postlagernd in einer bestimmten Berliner Postanstalt zu depo- niren. Die Sache wird der Polizei mitgetheilt, ein natürlich „unbeschwerter" Brief Bleichröders wird abgeschickt und am Sonnabend des ersten der drei Fristtage geht der „fürchterliche Attentäter" in die Falle. Es war ein nicht sehr blutdürstiger Winkelconsulent aus der Provinz, der seinen zer rütteten Finanzverhältnissen durch freundliche Hilfe Bleichröders aufhelfen wollte. Er wurde am Molkenmarkt kalt gestellt. — In Nürnberg hat, nach der „Südd. Post," der Großhändler Emil Mayer umgeworfen und ist spurlos verduftet. — In Berlin wird eine Ausbildungsschule für De- tectives nach englischem Muster errichtet werden, das heißt für besonders befähigte Geheim-Polizisten, die Geheim-Verbrechen auf die Fährte gesetzt werden. — In der Nähe vom Hebron in Palästina stehen die spärlichen Trümmer eines Gehöftes, das als das Wohnhaus des Patriarchen Abraham ausgegeben wird nnd in dem Gehöfte steht ein Baum, der schon Abraham beschattet haben soll. Aus einem Zweige dieses Baumes haben die Mönche von Hebron einen Spazierstock geschnitzt und ihn dem österr. Kronprinzen zum „Stecken und Stab" durch's Leben geschenkt. In der Nähe wird ein Wäldchen als der „Hain Mamre" gezeigt, in welchem Abraham den Besuch der Engel empfangen hat. — Auf Chios fand am 11. d. abends 7 Uhr eine abermalige heftige Erderschütterung statt die 3—4 Secunden dauerte und aufs Neue große Zerstörungen anrichtete. — Bei Tilsit hat der Eisgang begon nen ;,die Memel ist eisfrei. — Der Prozeß der Stadt Köln gegen das Domkapitel wegen Herausgabe der Mi noritenkirche an die erstere ist in dritter Instanz vom Reichsgericht zu Gunsten des Domkapitels entschieden worden. — Die Erdstöße auf Chiosnehmenallmäh- lig ab. Nach neuesten Schätzungen soll die Zahl der Opfer eine noch größere sein. Von allen Häusern auf der Insel ist nur ein Dritttheil stehen geblieben, und auch die übrig gebliebenen Häuser sind unbe wohnbar. Man zählte bisher gegen 250 Stöße. — Nach einem kameradschaftlichen Essen in einem Offizierscasino zu Berlin sind vor Kurzem der Oberst und 7 Offiziere an Trichinose erkrankt. Dieselben hatten Würstchen, welche der Koch aus einer der renommirtesten Fleischwaarenhandlungen bezogen ha ben soll, verspeist. Die Erkrankungen sollen übri gens nicht schwerer Natur sein. — Eine Sendung Seegras gelangte nach Mannheim, welches, wie vermuthet wurde, mit Hilfe von Tabaksjauche zu „Tabak" verarbeitet werden sollte. Da das Gesetz die Verarbeitung von Substituten zu Tabak verbie tet, so wurde eine Untersuchung angestellt, welche ergab, daß das Seegras zur Herstellung von Ci garetten dienen sollte. Wird wohl manches Bündel Seegras schon verraucht worden sein. Gewerblich-technischer Theil. (Erscheint jeden Donnerstag.) r. Q. 6. Aus der Kinderschule in die Lebensschule. II. In erster Linie müssen natürlich die geistigen und leiblichen Kräfte des Kindes gehörig berücksichtigt werden. In dieser Hinsicht findet sich oft in den Kreisen, in welchen man eine bessere Einsicht vor aussetzen sollte, der größte Unverstand. Der Ge lehrte bestimmt seinen Sohn zum Gelehrtenstande, obwohl derselbe dazu gar keine, für einen technischen Beruf aber alle Fähigkeit zeigt. Der unbarmherzige Vater schmiedet den Sohn an einen Beruf, den letzterer nie genügend ausfüllen lernt und der ihm deshalb fein ganzes Leben verbittert, weil er chn nie zu rechter Schaffensfreude führt. Dieselbe Un barmherzigkeit begeht jener Vater, der durch sein einträgliches Gewerbe zu Wohlstand gekommen ist und nun durchaus aus seinem einzigen Sohne etwas „Besseres", als einen „gewöhnlichen Handwerker" machen will; er hat ja die Mittel dazu, den Sohn studiren zu lassen. Ob auch der Sohn die nöthigen geistigen Kräfte besitzt, um die gelehrte Laufbahn gehen zu können, das wird nicht genügend erwogen. Nun sitzt der arme Junge auf den lateinischen Bän ken und rutscht vor Verzweiflung die deutschen Hosen durch, kaut die Finger wund und beißt am Feder halter, wenn die Vokabeln und Lehrsätze nicht in den Kopf wollen. Und über kurz oder lang muß er doch noch die Schande erleben, von der Schule abgehen zu müssen; dann aber wird es ihm schwer, einen Beruf zu ergreifen, den er früher mit Freuden gewählt hätte. — Nicht minder aber als die geistigen sind die leiblichen Kräfte des Kindes bei der Wahl seines zukünftigen Berufs in Rechnung zu ziehen. Ist diese Rücksichtnahme ganz besonders bei einem bereits vorhandenen körperlichen Gebrechen oder der Anlage dazu geboten, so sollte doch jeder Vater ganz genau die körperliche Constitution prüfen und nicht blos auf die Hoffnung zukünftigen Wachsthums bauen. Ein besonders kräftiger, muskulöser Mensch sollte z. B. nicht für's Uhrmachergewerbe, ein schwa cher nicht für's Schlosserhandwerk bestimmt werden. Tritt dann in dem Knaben auch die entschiedene Neigung hervor, den seinen Kräften angemessenen Beruf zu wählen, so ist die beste Garantie, daß er denselben mit Liebe ergreifen und ihn nicht beim ersten Anlauf verlaffen wird. So sehr die Macht des Geldes auf der einen Seite überschätzt wird, so sehr würde man doch auch irren, wenn man diesen Factor bei der Wahl eines Beru fes unterschätzen, nicht gehörig berücksichtigen würde. Ein völlig unbemittelter Vater sollte seine Söhne nie in Berufsbahnen eintreten lassen, in welchen sie voraussichtlich ohne Vermögen nie selbständig werden können; sie würden später, wo sie nicht aus der Rolle der Untergebenen heraus kommen könnten, sich höchst unglücklich fühlen. Ebenso ist es sehr gewagt, wenn wenig bemittelte Eltern ihre Söhne einen Beruf ergreifen lassen, dessen Erlernung Kapitalien erfordert, die sie selbst nicht besitzen. Das Studium ist heut zu Tage 4—6 mal theurer als in früherer Zeit; wie schlimm ist es dann, wenn der Sohn einige Semester studirt hat und der Vater dann pecuniär ganz erschöpft ist. Der Sohn muß von der Universität abgehen und bleibt ein unfertiger Mensch sein Lebtage. Oder kommt er doch glücklich durch alle Semester und das Staatsexamen, so hän gen sich, sobald er ein Amt erhalten hat, die Schul den bleischwer an seine Füße, und die Eltern, welche Alles, was sie hatten, für den Sohn geopfert und die ihre Kräfte für ihn in harter Arbeit aufgerieben, hoffen von ihm mit Recht Unterstützung. Hat er nun nicht das Glück, schnelle Carriöre zu machen, so begleiten ihn die Schulden durch den größten Theil seiner Lebenszeit hindurch. Hat ein Vater mehrere Söhne, so erscheint es doppelt unklug, an den einen Sohn Alles zu wen den, während die anderen leer ausgehen. Wie oft ist die überschwengliche Hoffnung, die man auf den einen setzte, getäuscht worden, indem das Glück dem Sohne abhold war oder indem der Sohn, groß und vornehm geworden, sich seiner Eltern und Ge schwister schämte. Die Bitterkeit, welche durch die einseitige Bevorzugung des einen Kindes in den andern entstand und größer wuchs, nagt nun am Herzen der alten Eltern.