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WichMM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementsprsis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5» Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 10. April 1881. A« D-tUftM-M. Das selige Gefühl von Gottes Vatertreue Hebt guter Eltern Herzen heut empor Zum Urquell aller Liebe, und es bricht aufs Neue Aus dunkler Nacht Verherrlichung hervor, Gleich der Verklärung einst in feierlicher Stunde, Da Himmelslicht den heil'gen Berg umfloß, Und wundersame Freud' und Wonne in die Runde, Wie in die Herzen frommer Jünger goß. In festem Glauben, Liebe, Hoffnung schminkt die Seele Sich auf zum Throne der Barmherzigkeit, Erhaben über Tod und düstre Grabeshöhle, Vertrauend aus des Höchsten Freundlichkeit. Wohl Allen, daß des großen Schöpfers Liebe waltet, Und Heil den Menschen, die er nicht vergißt! Er wird auch sorgen, noch wenn einst das Herz erkaltet, — Weiß er doch stets, was uns das Liebste ist. Die theuren Kinder, die aus Liebe er gegeben, Der Eltern größtes, liebstes Eigenthum, Ach, ihre Hoffnung hier, in diesem Erdenleben, Geweiht dem Kinderfreund durch's Christenthum. Sie unser Trost, bis einst der morsche Leib zerstiebe, Der Sorgen zarteste in Harmonie, Die schönsten Unlerpfänder treuer Elternliebe, — O darum Himmelsvater, segne sie! Wir können ihnen ja auf immer nicht hienieden, Weil uns zum Wollen oft die Kraft gebricht, Den besten Schutz verleih» und geben Seelenfrieden, Denn unser schwacher Arm vermag es nicht. — Oft welken sie, wie Blumen, wenn der Abend sinket, Die Hoffnung schwindet an dem Wanderstab, Die bangen Stunden fliehen und der Schnitter winket, Und liebe Herzen trennt ein frühes Grab. O Himmelsvater, blicke stets auf ihre Pfade Und schenke unsern Kindern Licht und Ruh', Ja, leite immer sie nach deinem weißen Rathe, Wenn wir dereinst enlschlafen, sorge du! Führ' sie den rechten Weg, wenn Jrrthum sie umschlinget, Und stärke sie, wenn je Versuchung winkt! Hilf und errette sie, wenn's Schiff im Sturme ringet, Und tröste, wenn vom Äug' die Thräne sinkt! Wenn Spöttermund und Wahnwitz will die Herzen blenden, Dann leite du zum Himmel ihren Blick! Will zweifelnd sich der Fuß vom schmalen Wege wenden, Dann führe sie, o Herr, zu dir zurück! Laß unsre Kindes deines Segens sich erfreuen, Du, bester Vater über'm Sternenzelt, Uno laß sie fröhlich hier nur guten Samen streuen, Die schönste Ernte ist in jener Welt. Friedrich Kündet. ^Waldenburg, 9. April 1881. Die Unterlassungssünden des Staates der Industrie gegenüber. Alle Parlamentsreden des Fürsten Bismarck zeichnen sich durch die Eigenthümlichkeit aus, daß sie mit ihren zahlreich eingestreulen Sentenzen weil über die Grenzen des zur Tagesordnung stehenden Spezialfalles hinausragen und vermöge Ihrer All- gemeingülligkeit und praktischen Tragweite Bausteine einer neuen politischen Philosophie werden. Der artige Aussprüche einer neuen, d. h. einer in der Gegenwart abhanden gekommenen und deshalb gleichsam neu zu construirenden Staatsweisheit ent hielt auch die große Kanzlerrede vom 2. April bei Gelegenheit der Reichs-Unfallversicherung wieder in reicher Anzahl. Von ganz hervorragender Wichtig keit darunter erscheinen uns die Bemerkungen des Fürsten über die Unterlassungssünden des Staates, welche die manchesterliche Staatsmoral der Aera Delbrück-Camphausen bekanntlich lange Jahre hin durch nicht nur theoretisch als „ministerielle Tugen den" proklamirte, sondern leider auch praktisch übte. Mit dieser merkwürdigen Minister-Tugendhaftigkeit bricht Fürst Bismarck absolut. „Der Herr Abgeordnete Richter — sagte der Kanzler am 2. April — hat auf die Verantwort lichkeit des Staates für das, was er thut, aufmerk sam gemacht. Nun, meine Herren, ich habe das Gefühl, daß der Staat auch für seine Unterlassungen verantwortlrch werden kann. Ich bin nicht der Meinung, daß das „laisse? tairs, laissöL aUar", das „reine Manchesterthum in der Politik", „Jeder sehe, wie er's treibe, Jeder sehe, wo er bleibe", „wer nicht stark genug ist zu stehen, wird nieder gerannt und zu Boden getreten", „wer da hat, dem wird gegeben, wer nicht hat, dem wird genom men" — daß das im Staat, namentlich in dem monarchischen, landesväterlich regierten Staat An wendung finden könne. Daß der Reichskanzler mit diesen Aussprüchen nicht blos abstrakte Prinzipien zum Besten giebt, sondern dabei an ganz concrete Dinge und positive Slaatspflichlen denkt, geht aus zwei später» Stellen der nämlichen Rede hervor: Einmal, wo er meint, die Industrie vor einer Ueberlastung mit neue» Ausgaben schützen zu muffen, und zum Andern, wo er dem Staat die Verpflichtung zuerkennt, Schaden ersatz zu leisten, wenn die Industrie in Folge staat licher Unterlassungssünden zu Grunde geht. Diese von dem Fürsten Reichskanzler ausdrücklich aner kannte Ersatzpflicht des Staates steht mit dem, was die unglückliche Aera Delbrück-Camphausen länger als 10 Jahre hindurch wirlhschaftlich that und unterließ, in einem so flagranten Widerspruch, daß das noch heute unter den Folgen wie unter Ruinen halb begrabene Land alle Ursache hat, sich die ent gegengesetzte Staaismoral des Fürste» Bismarck tief einzuprägen und seine Worte wie einen neuen Hoffnungsstern der bessern Zukunft freudig zu be grüßen. „Wenn wir die Großindustrie — sagte der Reichskanzler — wie wir sie haben, fallen ließen, i wenn wir es dahin kommen ließen, das sie mit dem Auslande nicht mehr concurrenzfähig bleibt, wenn ' wir ihr Lasten auferlegen wollten, von denen nicht bewiesen ist, ob sie dieselben wird tragen können, so würden wir damit vielleicht Beifall bei Allen findtn, die mit Aerger Jeden sehen, der reicher ist, wie Andere, namentlich wie sie selbst. Aberbringen Sie die Großindustriellen zu Falle, was machen Sie dann mit den Arbeitern? Dann ständen wir wirk lich vor der Frage, die der Herr Abgeordnete Richter sorgend anregte, daß wir an die Organi sation der Arbeit gehen müssen; denn wir können, wenn ein Etablissemenr zu Grunde geht, das 20,000 und mehr Arbeiter beschäftigt, wenn es zu Grunde geht, weil die Großindustriellen stets der öffentlichen Meinung und der Gesetzgebung denuncirt werden, als gemeinschädlich und als lange nicht genug be- > steuert, wenn sie dann erlägen, wir könnten doch nicht 20,000 und mehrere hundert tausend Arbeiter I verkommen und verhungern lassen." Wenn Fürst Bismarck hier von „Arbeitern" redet, die durch das Zugrundegehen der Großindustrie brod- los würden und deshalb von Staalswegen Anspruch auf eine neue Existenz gewännen, so gehörten zu diesen brodlos gewordenen Arbeitern natürlich auch die ruinirten kleinen und großen Fabrikanten. Wie viele von diesen sind unter der Aera Del brück-Camphausen durch actioe und passive Sünden der Staatskunst zu Grunde gegangen und brodlos geworden, ohne daß sich der Staat der vom Reichs kanzler betonten Ersatzpflicht hinsichtlich Begründung einer neue» Existenz erinnert hätte! Dasselbe gilt von den brodlos gewordenen Arbeitern. Doch mag das als etwas Vergangenes der Vergangenheit ver bleiben. Für Gegenwart und Zukunft ist der Groß industrie und ihren Arbeitern ein freundlicheres Horoscop gestellt. Das müßige Zuschauen der Minister beim Zugrundegehen der Industrie hat aufgehört, als Slaatsweisheit und Ministerlugend zu gelten, sondern ist aus einem Munde, der auch nach seinem dereinstigen körperlichen Verstummen noch von fernen Zeiten gehört werden wird, als das gebrandmarkt worden, was es ist — als eine schwere Unierlaffungs- süv.de, mithin als das Gegentheil von Staatsweisheit und Ministertugend. *Waldenburg, 9. April 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Durch den in Nr. 5 des diesjährigen „Central blattes für das Deutsche Reich" veröffentlichten Be schluß des Bundesralhes vom 20. Januar d. I. ist für die zum Zwecke des Nachweises der deutschen Staatsangehörigkeit im Auslande bestimmten Hei- mathscheine ein einheitliches Formular eingeführt und dadurch der bisher bestandene Unterschied in der Form der in den einzelnen Bundesstaaten je nach ihrer Bestimmung für verschiedene ausländische Staaten üblich gewesenen Heimathscheine beseitigt worden. Die Bestimmung der Zeitdauer, für welche