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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 1V Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 7V. Sonnabend, den 2. April 1881. MastvisliAuotioQ. Auf dem Fürstlichen Gute Rüßdorf, Bahnstation St. Egydien, sollen Dienstag, den 5. April, Vormittags 1O'/r Uhr eine Anzahl Mastrinder unter vor der Auction bekannt zu machenden Be dingungen meistbietend und gegen Baarzahlung verkauft werden. Waldenburg, am 25. März 1881. Die Fürstliche Canzlei daselbst. "Waldenburg, 1. April 1881. Absichtliche Mißverständnisse. Jeder wehrt sich seiner Haut, so gut es eben ge hen mag; und es läßt sich deshalb nicht viel dagegen einwenden, wenn bei einem im geistigen und öffent lichen Leben eines Volkes sich abspielenden Kampfe diejenige Partei, welche in die Defenstve geworfen und mit gänzlichem Verdrängtwerden aus ihren Stellungen bedroht ist, bei der Wahl ihrer Kampf mittel sich nicht allzu penibel zeigt. Es muß in dessen gestattet sein, die von ihr begangenen kleinen Illoyalitäten hervorzuheben und als solche zu charak- terisiren. Gewisse fortschrittlich-freihändlerische Blätter haben sich so gestellt, als sei die Aeußerung des Reichs kanzlers „Der Ausländer trägt den Zoll" dahin von ihnen verstanden worden, daß, da der Auslän der in einem mit Zöllen bewehrten Lande den Zoll zu tragen habe, er nun in jedem von dem betr. Zollbetrage freien Lande einen Extraprofit in der vollen Höhe des Zolles mache; wenn also z. B. die Amerikaner ihren in Deutschland eingeführten Wei zen mit 10 Mk. pro Tonne hätten verzollen müssen, so sei ihnen an den 3 Mill. Tonnen, die sie voriges Jahr nach dem zollfreien England ausgeführt hätten, ein Extragewinn von 30 Mill. Mk. in den Schooß gefallen. Damit soll der obige Ausspruch des Reichs kanzlers für widersinnig erklärt werden. Schade nur, daß nirgendwo geschrieben steht, der Durch schnittspreis einer Waare in dem einen Lande müsse nun ohne Weiteres auch für jedes andere Land maß gebend sein! Es gehört doch wahrlich kaum Nach denken, sondern nur die gewöhnlichste Aufmerksamkeit dazu, um sich darüber zu vergewissern, daß mit dem Satze „Der Ausländer trägt den Zoll" noch lange nicht ausgesprochen ist, der Ausländer könne nun an ein zollfreies Land zu dem gleichen Preise ver kaufen wie an dasjenige, wo er Zoll entrichten muß. Der Fürst Reichskanzler hat nämlich weder gesagt noch sagen wollen, die ganze Last des Zolles falle in allen Fällen zweifellos und bleibend auf den verkaufenden Ausländer. Er hat nur bestritten, daß diese Last unzweifelhaft vom Käufer getragen werde, und hat in scharfer Accentuirung dieses sei nes Standpunktes geltend gemacht, zunächst trage ihn wohl jedenfalls der verkaufende Ausländer; wie derselbe ihn nachher in Rechnung stelle, das hänge von sehr mannigfaltigen Umständen ab. In dieser Fassung halten wir den mehrerwähnten Satz für kaum anfechtbar. Mag der „Marktpreis" einer Waare auch theoretisch zu einer bestimmten Zeit überall gleichmäßig sein, so stellt er sich doch prak tisch in jedem Lande verschieden, und der Zoll bildet höchstens einen der Factoren, welche die effective Preisbildung bewerkstelligen. Hierbei ist übrigens immer jener eine Punkt un berücksichtigt gelassen, an den der Freihandel so ungern herantritt: Die Nolle des Zwischenhandels. Zölle und überhaupt indirecte Auflagen haben die Tendenz, auf eine gewisse Concentration des Ge schäftsbetriebes und eine Erschwerung der Zwischen geschäfte hinzuwirken; wogegen die Befreiung von allen derartigen Auflagen die Tendenz hat, Ge schäftsbetriebe in einer bis an die äußerste Grenze des Möglichen steigenden Zahl entstehen zu lassen, und die Elablirung von Zwischengeschäften auf's Aeußerste zu begünstigen. Wir verkennen nicht, daß auch Letzteres seine guten Seiten bat; aber die Verbilligung der betr. Artikel für den Consum ge hört nicht zu diesen guten Seiten, vielmehr wird der Preis auf solche Weise offenbar in die Höhe getrieben, weil jetzt die Zahl der Geschäfte, welche von dem Artikel leben wollen, eine größere gewor den ist. Es bleibt also unter allen Umständen der Kern der Bismarck'schen Aeußerung bestehen, nämlich die Behauptung, daß es keineswegs der Käufer sein muß, welcher, den Zoll bezahlt. Der Zoll kann Geld ein tragen, und die Last hiervon fällt doch nicht auf den Consumenten, und dabei bleibt's. "Waldenburg, 1. April 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Bei der Ankunft des deutschen Kronprinzen in Berlin war die Empfangshalle nahezu leer. Zum offiziellen Empfange war nur der Polizeipräsioent v. Madai erschienen. Der Kronprinz sah, wohl in folge der langwierigen und ermüdenden Eisenbahn- sahrt, etwas abgespannt aus, schien aber sonst wohl auf zu sein. Eine Hofequipage brachte den Kron prinzen in das Schloß seiner Familie, die jedenfalls erleichterter aufathmete, als sie den Gatten und Vater unversehrt wieder in ihrer Mitte begrüßen konnte. Bald nach seiner Ankunft begab sich der Kronprinz zur Begrüßung der kaiserlichen Majestäten ins kaiserliche Palais und begleitete dieselben alsdann um 10 Uhr zu der Compagniebrsichtigung beim 1. Garderegiment z. F. nach Potsdam. Die von Graf Stollberg-Wernigerode berufene freie Vereinigung im Reichstag einigte sich über den Antrag Windthorst, der sich dem deutschen Straf recht streng anschließt und den Mord gegen den Landesherrn und die Vorbereitung dazu wie den gemeinen Mord bestrafen und Auslieferung des Verbrechers erreichen will. vr. Bessler und vr. von Schwarze hatten kurz und bündig den Antrag gestellt, den politischen Mord als gemeines Ver brechen zu erklären, auch die Vorbereitung hierzu unter Strafe zu stellen. Die Mehrheit des Reichs tags für obigen Antrag ist gesichert. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Ernen nung Busch's zum Unterstaatssekretär des Aus wärtigen. Zwischen Treitschke und Löwe soll es doch noch zum Duell kommen. Treitschke hat wenigstens Löwe gefordert. Der Uhrheber der Juden-Petition vr. Förster in Charlottenburg hat bereits die jüdische Rach sucht zu spüren bekommen. Am 31. März früh wurde er in seiner Wohnung von zwei Individuen mit Knütteln überfallen und schwer verletzt. In Berlin hat am Dienstag eine von der Fort schrittspartei einberufene Wählerversammlung stattgefunden, welche von 5000 Personen besucht war. Hauptredner waren Or. Virchow und Lud wig Löwe. Die Versammlung wurde fortwährend durch furchtbaren Spektakel unterbrochen und schließ lich entwickelten sich an verschiedenen Seiten des Tivoli saales, in welchem die Versammlung abgehalten wurde, heftige Prügeleien, man vernahm Hochrufe auf Virchow, Ludw. Löwe, die Fortschrittspartei, den Fürsten Bismarck, Stöcker, Henrici, Förster, die Antisemitenliga und die Lilianes israöltto. Schließlich wurde die Versammlung aufgelöst. Am 1. April soll in Berlin im Reichshallensaale eine Versammlung stattfinden, welche folgende Tages ordnung hat: Abwehr der Angriffe, welche auf die Ehre und das Pflichtgefühl der Soldaten der deutschen Armee jüdischer Religion gemacht wor den sind. Zutritt hat jeder Reservist, Wehrmann und Veteran jüdischer Religion, sowie jeder Jude, welcher als Arzt, Beamter rc. seiner Dienstpflicht genügt hat. England. Endlich hat das Geschick Most erreicht. Am 30. März ist er verhaftet und die Druckerei, in wel cher seine „Freiheit" gedruckt wurde, geschlossen worden. Am 31. März fand das erste Verhör vor dem Polizeirichter statt. Die Anklage lautet auf Aufwiegelung des Volkes eines fremden Staates zur Empörung und Rebellion. Die deutschen Socialdemokraten beabsichtigen, eine Versammlung abzuhalten und gegen die Verhaftung Most's und die Unterdrückung der „Freiheit" zu protestiren. Nach der Vernehmung der Zeugen von der Polizei wurde die gerichtliche Verhandlung gegen Most auf acht Tage vertagt. Rußland. Nicht blos Juden, auch Jüdinnen stecken unter den Nihilisten. Jüngst ist wieder eine nihilistische Dame, Frau Jessika Helfmann, verhaftet worden, mit der die russische Polizei jedenfalls einen bedeu tenden Fang gemacht hat. Frau Helfmann, eine Jüdin, ist die Schwester des vielgenannten Nihilisten Deutsch, welcher den General Mesenzeff ermordet und später bei einem Conflict mit der Polizei sich selbst erschossen haben soll. Die Helfmann hat den Hebammen-Curs durchgemacht und soll sehr gescheidt und zungenfertig sein. Gegenwärtig sollen nihilistische Agenten in Ruß land umherziehen und den Bauern vorreden, Alexan der III. wolle sie wieder zu Leibeigenen ma chen; unter der leichtgläubigen Landbevölkerung wird dadurch große Erregung hervorgerufen. Das will auch blos die nihilistische Bande. Zur Wiederherstellung der vollständigen Sicher heit in der Residenz befiehlt ein kaiserlicher Ukas die Errichtung eines zeitweiligen Rathes aus Ge wählten der gesammten Bevölkerung an, welcher dem Stadthauptmann zur Seite gestellt sein soll und an den Berathungen zur Ergreifung von Maß regeln Theil nimmt. Jeder von den 228 Stadt bezirken wählt einen Vertreter. Jeder Hausbesitzer und selbständige Mischer im eigenen Namen soll Wähler und wählbar sein. Der kaiserliche Beschluß, durch welchen die Einsetzung des zeitweiligen Rathes angeordnet wird, ist ein Theil eines bereits vom verstorbenen Kaiser für das ganze Reich in Aussicht genommenen Planes. Der Stadthauplmann macht bekannt, daß die Wahlen für den Rath sofort statl- finden. Die Einbalsamirung der Leiche des Zaren Alexander II. war mißglückt, weil alle Muskeln und Gefäße von der Sprengmaffe vollständig durch bohrt waren. Infolge dessen hatte die Verwesung bis zur Beisetzung die fürchterlichsten Fortschritte ge macht. Der Czar soll geäußert haben, daß in einem