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dsm Traditionellen und der Freundschaftensympathie. Es werde stets bereit sein zur gegenseitigen Unter stützung der Guten Rußlands, es werde nicht auf den Platz verzichten, welcher ihm im Concert der Mächte zukomme, aber indem es durchaus solidarisch bleibe für den allgemeinen, auf das Recht der Ver träge beruhenden Frieden, werde es sich in keiner Weise von den inneren Arbeiten abziehen lassen, es sei denn, um seine Ehre und Sicherheit zu schützen; das Ziel der Politik des Kaisers sei Rußlands Macht und Wohlfahrt zu dessen eigenem Besten und Niemandes Schaden. Bereits ist den Redacteuren ein Verbot zugegan gen, über Systemwechsel zu schreiben; freimüthige Blätter erhielten bereits Verwarnungen, die Vor läufer ihrer späteren Unterdrückung. Der am 11. d. Verhaftete heißt Sidanowski, war beim Attentat an der Losow-Sewastopoler Bahn beteiligt. Der zweite Bombenwerfer heißt Stefa nowitsch, war als Gehilfe Deutsch's Anstifter des Tschigirin-Aufruhrs. Der zwei Tage vor dem Attentat verhaftete politische Verbrecher, den seine Genossen als Mylord bezeichneten, heißt Jeliabom, hat s. Z. jene Mine bei Alexandrowsk angelegt, durch welche der Kaiserliche Zug in die Luft gesprengt werden sollte und scheint einer d^r hauptsächlichsten Agenten, wenn nicht Chef der Nihilisten zu sein. Ueber die am 17. d. erfolgte Bloslegung des Minenganges in Sadowaja berichtet der „Golos": Es wurde eine Flasche mit dreißig Psund Dynamit gefunden, welche Masse nach dem Gutachten der Sachverständigen hingcreicht Hütte, die Straße auf eine weite Strecke zu sprengen und die umliegenden Gebäude zu zerstören und zu beschädigen. Bei dec gefahrvollen Bloslegung der Mine mußte mit der größten Vorsicht zu Werke gegangen werden. Die Erde wurde drei Arschin lang und fünf Fuß tief mit den Händen behutsam entfernt. Die Communi- cation in Sadowaja wurde erst Abends 9 Uhr wiedsrhergestellt. Der „Golos" erhielt die erste Verwarnung, „Tirana" die zweite. Türkei. Die Pforte hat den Botschaftern mitgetheilt, daß sie nur einen Theil Thessaliens und sonst nichts abtreten wolle. England, Rußland und Italien erklärten diesen Vorschlag für unannehmbar, die übrigen Mächte scheinen auch nicht geneigt zu sein, diese Anerbietungen für genügend zu erachten. Es ist daher möglich, daß die Pourparlers der Botschafter ohne Resultat bleiben.. Es ist indeß nicht wahrscheinlich, daß der Krieg zwischen Griechen land und der Türkei sofort ausbrechen werde. Die Botschafter werden versuchen sich untereinander über eine neue griechisch-türkische Grenzlinie zu verstän digen, welche eventuell aufzunöthigen wäre. Erst Feuilleton. Irene. Erzählung von A. Mets. (Fortsetzung.) Wir durchreisten — nein, wir durchjagten die Welt! Kern mit seinem scharfen, schnellen Blick, mit seiner rastlosen, unermüdlichen Thätigkeit, hatte von einer Stadt in den ersten vierundzwanzig Stun den stets mehr als Andere in drei Monaten. — Ich ... ich bekümmerte mich wenig darum! — Mein Freund erzählte mir, was er gesehen, versuchte meinen Geist durch das Neue der Eindrücke, die er empfand, und mir in seiner überaus pittoresken Weise wiedsrerzählte, aufzurütteln, führte mir die interessantesten Persönlichkeiten zu, denen wir be gegneten — that in einem Worte Alles, was nur möglich war, um mein erschlafftes Herz zu beleben, meinen sich nach und nach immer mehr lähmenden Geist anzuseuern — nichts half! Ich blieb derselbe; — ruhig . . . schmerzlos — verloren! Und so vergingen Wochen — Monate, Jahre! Die Zeit, welcher man eine jso große Heilkraft bei zumessen pflegt, blieb bei mir gänzlich wirkungs los! — Nach beinahe drei Jahren, nachdem wir Deutschland verlassen, war mein Seelenzustand immer noch derselbe, als am Tage, wo wir ab reisten. Ich lebte mit Irene! — O, ich begreife es gar wohl, daß der Leser mich nicht verstehen wird! Wie soll der im sichern Binnenlande unter prangen den, schattigen Bäumen Lustwandelnde sich einen Begriff von der versengenden Gluth machen kön nen, welche eins Windstille auf hohem Meere her vorbringt? Ich lebte mit Irene! — beim Erwachen des Morgens bot ich ihr den guten Morgen — ich dann würden neue Verhandlungen mit der Pforte stattfinden. Aus dem MuldeuthaLe. "Waldenburg, 19. März. Am Geburtstage Seiner Majestät des Deutschen Kaisers, den 22. dss. Mon., treten in den Dienststunden für den Verkehr mit dem Publikum und im Ortsbestelldienste dieselben Beschränkungen ein, wie an den nicht auf einen Sonntag fallenden gesetzlichen Feiertagen. — Am 11. März Abends '/2II Uhr ist in Schlunzig die Muldenbrücke zusammengestürzt. Die ser Zusammenbruch hätte für einen Gutsbesitzer aus Thurm verhängnißvoll werden können, wenn derselbe eine Stunde früher eingetreten wäre, da derselbe um diese Zeit mit einem schwer beladenen Wagen die Brücke noch passirt hatte. Am Montag Nach mittag glich die Gegend von Schlunzig einem großen Jahrmarkt, die Menschen hatten sich von allen Sei ten daselbst zusammengefunden, um die Verheerungen des Wassers mit eignen Augen sehen zu können. Dieselben sind auch wirklich bedeutende. Der Damm, welcher in einer Länge von circa 50 Meter durch brochen ist, wird schwere Opfer kosten, um die Mulde in ihr altes Bett zurückzudrängen, desgleichen dürfte der Neubau der Brücke, bez. die Abtragung der zu- i sammengestürzten, unvermeidlich sein. i Aus dem SachsenLmrde. — Ein Anzahl von Gemeindesparkassen hat be- j schlossen, bei dem Bundesrathe und Reichstage eine ' Petition gegen die Errichtung von Postsparkaffen ein- ! zureichen, weil dieselben die Existenz der Gemeinde- . sparkassen bedrohen würden; zugleich soll eine Commis- sion gewählt worden, dienochimLaufedesJahreseinem t Sparkassentage Vorschläge unterbreiten soll, wie ein j Geschäftsverkehr unter den Sparkassen durch gegen- j seitige Honorirung der von einer anderen Sparkasse ausgestellten Bücher ins Leben zu rufen sei. Diese Commission soll mit der Reichspostverwaltung in Verhandlung treten, um womöglich eine Geschäfts verbindung zwischen Postanstalten und Gemeinde sparkassen anzubahnen. — Nach landesgesetzlicher Bestimmung dürfen kirchliche Trauungen in der sogenannten Charwoche (vom 10. bis mit 16. April) nicht stattfinden; für die Eheschließung vor den Standesämtern gilt jedoch diese sogenannte geschloffene Zeit nicht. — Weitere Petitionen aus Sachsen an den deut schen Reichstag sind: eine Anschlußerklärung Rei chenauer und Chemnitzer Bürger an die Petition des Meeraner Fabrikantenvereins, die Höhe des Zol les auf unbedrnckte Zeugwaaren betreffend; eine Bitte Aug. Döhn's u. Gen. in Mülsen St. Niklas um Einführung von Minimallohnsätzen für die Ar beiter der Textilindustrie und Errichtung eines Fonds fühlte ihren Arm bei der Promenade unter dem meinen — ich legte meine Lippen des Abends auf ihre Stirn! — Stundenlang unterhielt ich mich mit ihr über alle nur möglichen Gegenstände, und hörte oft beseelt lächelnd ihre schelmisch-geistreichen Ant worten. Von Zeit zu Zeit kamen mir leider lichte Augen blicke, in denen mein plötzlich hellsehender Geist meine ganze Lage erkannte! . . . Dann ergriff ich Kern's Hände und schrie verzweiflungsvoll: „Doctor, erretten Sie mich vor dem Jrrenhause!" . . . Doch einige Minuten später — sah ich sie, wie sie sich zu mir auf's Sopha setzte, ich fühlte ihre Hand auf meiner glühenden Stirn — ich hörte ihre liebliche Zauberstimme mir zulispeln: „Sei ruhig, Edgar — ich bin ja bei Dir!" . . . Dann lächelte ich . . . ward ruhig und der Doktor legte verzweifelt den Kopf in die Hände! Eines Morgens — wir waren in Spanien, in der Provinz Almeria — ritten wir durch das trockene Bett eines Flußes, wie es deren dort so viele giebt, und die allen den Namen Rambla tragen. Wir hatten uns vorgenommen, oder vielmehr der Doctor Kern hatte den Plan gemacht, da ich mich um nichts bekümmerte — nach dem Huercal-Overa zu ge langen, und dort die Silberbergwerke in Augenschein zu nehmen, welche seit mehreren hundert Jahren brach gelegen hatten, und deren Ausbeutung seit einiger Zeit von fremden Ingenieuren in die Hand genommen war. — Nachdem man sich eine halbe Ewigkeit nicht damit beschäftigt, glaubte man nun mit einem Male einen unversiegbaren Quell des Reichthums zu besitzen, und in der ganzen Provinz war von nichts anderem die Rede, als von den ersten und auch sehr glücklichen Erfolgen dieses Unternehmens! Es hatte des Nachts heftig geregnet, und die Luft zur Unterstützung unbemittelter Auswanderer; die Stadt Pirna will — wie ihr Stadtrath bittet — in die 2. Servisklaffe versetzt sein; die Handels und Gewerbekammer in Plauen wünscht Declarations freiheit für alle Werthbriefe und Werthsendungen und von Mechelgrün bei Plauen aus beschwert sich ein Christian Glück wegen verweigerter Einleitung einer Untersuchung. — Dem Directiorium des sächs. Militär-Vereins- Bundes als König Johann-Denkmal-Comitee hat Herr Commercienrath von Zimmermann, z. Z. in Berlin 5000 Mk. überwiesen. — Die Freiwilligen-Prüfungen sind diese Ostern in Dresden wesentlich günstiger ausgefallen als sonst und früher. Am Dienstage bestanden von 10 Examinanten 8, am Donnerstag allerdiengs von 11 nur 3, so daß von 21 jungen Leuten 11 die grün-weißen Achselschnuren tragen werden. — Aus der Flöhathalbahn wurde am 17. d. zwischen Marienberg und Gelobtland eine Frau von einem Eisenbahnzuge überfahren und getödtet. Dieselbe, 73 Jahre alt und schwerhörend, hatte unvorsichtigerweise den verschlossenen Uebergang betreten und war dabei von dem von Marienberg kommenden Fcühzuge überrascht nnd gefaßt worden. — Eine entsetzlich rohe That verübte Anfangs dieser Woche eine Hausmagd des Jnspectors auf dem Rittergute Olbernhau. Dieselbe war wegen verschiedener Dinge der Dienst gekündigt worden; um ihre Rache deshalb zu stillen, vergriff sie sich an dem 1'/2jährigen Kindchen ihrer als sehr human be kannten Herrschaft. Dasselbe hatte sich etwas ver unreinigt, die rohe Hausmagd ging in die Küche, setzte einen Topf mit Wasser auf den Ofen und verbrannte mit dem kochenden Wasser das arme Würmchen so sehr, daß die Fetzen Haut vom Körper hingen. Das Kindlein ist am nächsten Tage nach jämmerlichen Leiden gestorben; die Magd wurde vom Staatsanwalt verhaftet und gefänglich eingezogen. — Bei der diesjährigen Aushebung in Oschatz hatte sich auch ein junger Mann mit eingefunden, dessen wunderbare Daumenbildung auffiel. Der Daumen der einen Hand war gespalten und hatte täuschende Aehnlichkeit mit einer Krebsscheere. Jeder Theil war vollständig ausgebildet und mit spitzem Nagel versehen. Von einem anderen Gestellpflich tigen wurde erzählt, daß er nicht einmal seinen Namen gewußt habe. — Einen seltsamen Fund machten am 14. d. Arbeiter in der Papierfabrik zu Gölzern bei Grimma. Beim Reinigen der Turbinen kam plötzlich das Bein eines erwachsenen Menschen zum Vorschein, das allem Anscheine nach schon länger im Wasser ge legen hat. — Die Nemesis hat den früheren Stadtrath Schlegel in Crimmitschau, über dessen Hochstapler- thum wir bereits berichteten, erreicht. Der steck brieflich verfolgte socialdemokratische Volksbeglücker war fast kühl und wohlthuend. Kräftig trabten unsere Maulthiere dahin und der uns folgende Führer derselben hatte alle mögliche Mühe, uns nachzukommen. „Dummes Vieh!" schalt er ein Mal nach dem Andern — „kennen diesen Weg voch nun schon seit drei Jahren, machen ihn alle Wochen mehrere Male, und laufen sich jedesmal in der Rambla der maßen müde, daß, wenn es dann bei der dritten Brücke anfängt bergauf zu gehen, ihnen die Kräfte fehlen. — Halten Sie an, Caballeros, ich bitte, die Thiere dürfen nicht warm und erschöpft am Ab hangs ankommen." „Haben wir viel zu steigen?" fragte Kern. „Ueber zwei Stunden, Senor!" „Und wie ist der Weg?" „Abscheulich! — oder noch besser, es ist gar kein Weg — die Thiere müssen sich den Platz suchen, wo sie mit Sicherheit hintreten können — unsereins kann sie nicht leiten!" Kern fing an, auf die Regierung zu schimpfen — auf das Land und die Leute — die ein Sil berbergwerk hätten und nicht vor allem Andern daran dächten, sich Straßen dahin bauen zu lassen. Ich gab wenig Acht auf das, was er sagte; — mir war an diesem Morgen ausnahmsweise weh- müthig zu Mulhe. . . Irene sah an diesem Mor gen blässer als gewöhnlich aus; — sie war ermüdet, erschöpft; ... es schien mir, als wenn sie mich bäte, nicht weiter zu reisen . . . auszuruhen . . - als wenn sie Angst hätte, die Reise fortzusetzen! ... Ich besänftigte sie, ich redete ihr zu — ich hörte deutlich, wie sie mir sagte: „Wie Gott will!" . . . Dann erwachte ich mit einem Male aus mei nem Traume mit offenen Augen ... die schauer volle Wirklichkeit meines Geisteszustandes trat mir grell wie nie vor Augen. (Forschung folgt.)