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auf offener Straße auf die Frau mit einem großen Schlüssel so unbarmherzig los, daß dieselbe über und über blutete. Der Stuhlarbeiter ergriff, um einer Arretur zu entgehen, die Flucht. — In Werdau soll demnächst ein neues Blatt herausgegeben werden. Wie das „Zw. Tgbl." ver nimmt, sei hierzu die ehemalige Crimmitschauer Genossenschafts-Druckerei von einigen Werdauer Herren käuflich erworben worden. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 4. März. Der Reichstag nahm den Antrag Majunke auf Suspension des Strafverfahrens gegen den Abg. Stötzel für die gegenwärtige Session an. Die Abgg. Beseler und Helldorf hatten für die Ver weisung an die Geschäftsordnungscommission gesprochen, Abg. Windthorst die unmittelbare Annahme des Antrags empfohlen. Erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbeawten. Staatssecretär Scholz begründet das Gesetz. Das preußische System wollten wir nicht annehmen, weil es nicht befriedigt, das elsaß-lothringische System (lediglich aus Staatsmitteln die Bedürfnisse zu befriedigen) konnten wir aus finanziellen Gründen nickt annehmen und io blieb nur das in den übrigen deutschen Staaten bestehende System, welches dem vorgelegten Gesetze zu Grunde gelegt ist. Reichensperger-Crefeld wünscht, daß auch für die Wittwen und Waisen, deren Ernährer in den 10 Jahren, während welcher das Gesetz erwartet wurde, einige Fürsorge getroffen werde. Seydewitz-Bitterfeld wünscht, daß die Mohlthaten des Gesetzes noch etwas weiter ausgedehnt würden. vr. Lipke will Ausdehnung des Gesetzes auch auf die Beamten der Militär- und Marineverwaltung. Das Gesetz geht an eine Commission von 14 Mitgliedern. Es folgt hierauf die erste Berathung des-Küsten- frachtfahrgesetzes, welches in der letzten Session unerledigt geblieben und unverändert wieder einge- brachl worden ist. Abg. Schlutow sprach gegen den Entwurf, gegen den erst in der vorigen Woche der nautische Verein sich ein stimmig ausgesprochen habe, der doch sicher competent sei. Die Bedenken aus dem vergangenen Jahre beständen heute im verstärkten Maße. Reichskanzler Fürst Bismarck erwidert: Wenn die ver bündeten Regierungen nicht die Ueberzeugung gehabt hätten, daß die Gründe, welche im vorigen Jahre für die Ein bringung der Vorlage maßgebend waren, fortdauern, würden sie den Entwurf nicht wieder vorgelegt haben. Es könne den Regierungen nicht gleichgültig sein, die Sachs abermals dilatorisch behandelt und in der Commission begraben zu sehen, es sei ihnen vor Allem darum zu thun, mit dem Reichstage über die Sache zu verhandeln und die Beschlüsse desselben kennen zu lernen. Er sei nicht gegen eine commissarischs Vorbecathung durch Sachverständige, allein, wir haben ein Recht, die Ansicht des Reichstags zu erfahren. Abg. Löwe (Bochum) plaidirt für das Gesetz, weil es eine Handhabe biete, um die seemännische Bevölkerung in der alten Tüchtigkeit zu erhalten. Abg. Karsten hat Bedenken gegen den Entwurf und be antragt die commissarische Vorberathung. Reichskanzler Fürst Bismarck nimmt aus derAeußerung des Vorredners den Anlaß, zu constatiren, daß die russische Zollerhöhung durchaus nicht eine Repressalie gegen den deutschen Zolltarif sei. Das beweise die Vorgeschichte der russischen Maßregel. Abg. Standy möchte auf der Basis der vorjährigen Amendements eine Einigung versuchen, eventuell für den Regierungsentwurf stimmen. Der Abg. Rogge mann beantragt hierauf die Verweisung an die Commission. Der Abg. Rickert beantragt, die Commission aus 21 Mit gliedern bestehen zu lassen. Das Haus tritt diesem Anträge bei. Es folgt alsdann die erste Berathung des Gesetz entwurfs, betreffend die Besteuerung der Dienst wohnungen. Abg. Reichensperger tadelt den übertriebenen Luxus, der mit den Dienstwohnungen betrieben werde und wünscht eine Verminderung. Fürst Bismarck: Das Hauptprincip des Gesetzes sei Un abhängigkeit der Reichsbeamten von den Gemeinden, in denen sie wohnen. Er wünscht auch eine möglichste Be schränkung der Dienstwohnungen, für deren luxuriöse Aus stattung er doch nicht verantwortlich zu machen sein könne. Er sei ferner damit einverstanden, das der Satz auf 20 Proc. des Diensteinkommens erhöht werde. Bismarck wendet sich nun in längerer Nere gegen die Miethzinssteuer überhaupt und speciell in Berlin, die den Armen viel mehr belaste als Korn- und Pctroleumstever. Das Finanzsystem Berlins sei im höchsten Grade reformbedürftig. Man scheine mehr politischen Theorien zu folgen, denn sonst sei es unerklärlich, wie Berlin auf die indirecten Abgaben Verzicht leisten konnte. Trotz der hohen indirecten Abgaben in Paris sei dort das Leben billiger, wenigstens bekomme man dort mehr sür sein Geld und lebe besser. In Berlin heiße es theuer und schlecht. Seine Dienstwohnung in Berlin sei 60. 0 Mark werth, man Habs sie auf 15,000 Mark eingeschätzt und als er das vor liegende Gesetz eingebracht, habe man auf einmal die Wohnung Mil 23,800 Mark emgeschätzt. Er fühle sich dadurch fort schrittlich angehaucht Während der weiteren Angriffe auf die Berliner Finanzverwaltung erschallt plötzlich der Ruf: Schamlos! Bismarck: „Schamlos" ist ein ganz unverschämter Ausdruck; der Nufer hat selbst leine Schani. Präsident von Goßler: Ich habe den gebrauchten Aus druck „Schamlos" nicht gehört. Bismarck: Der betreffende Herr wird wohl den Muth seiner Ueberzeugung haben. Struve: Ja wohl, ich habe gerufen! Präsident v. Goßler: Dann rufe ich Sie zur Ordnung. Struve: Ich bitte, auch den Reichskanzler zur Ordnung zu rufen. Er hat gesagt, ich hätte keine Scham. Bismarck: Dies war geschehen, noch bevor der Abg. sich genannt; jetzt nehme ich den Ausdruck zurück und erkläre, daß der Abg. noch Scham hat. Or. Forckenbeck (Oberbürgermstr. von Berlin) ver- theidtgt die Berliner Finanzverwaltung, weist nach, daß die Reichsbeamten auf Grund des vorgelegten Gesetzes eher mehr als weniger zu zahlen hätten, sowie daß Bismarcks Dienstwohnung nicht zu hoch besteuert sei. Bis.marck replicirt sehr ausführlich. Löwe-Berlin: Die Angriffe Bismarcks richteten sich gegen beeidete Beamte aller Parteirichtungen. Der von Bismarck gebrauchte Ausdruck „städtischer Ring" werde nur von Leuten gebraucht, die von ihrer Verantwortung keinen Begriff haben oder die Verhältnisse und Personen nicht kennen. Der Reichskanzler werde diese Bezeichnung nie verantworten können. Die Miethssteuer sei noch lange nicht so schlecht als Korn- und Petroleumzoll. Er zählt auf, was Berlin Alles leistet: unentgeltlicher Schulunterricht rc. Fürst Bismarck replicirt kurz. Das Gesetz wird an eine Commission von 14 Mitgliedern verwiesen. Nächste Sitzung: Dienstag, den 8. März. Vermischtes. Allerlei. Daß der Teufel eine Großmutter habe, ist längst bekannt, daß er aber auch eine Schwester besitze, dies war dem Linzer Theaterzettel vom 21. v. M. vorbehalten, kund zu machen. Da rauf steht es gedruckt, wie folgt: ***Mephistopheles, Herr Scaria. ***Margarethe, seine Schwester, Fräulein Czerminska. — Die Berliner Brauereien haben den Truppen der Berliner Garnison den Vermählungstag des Prinzen Wilhelm zu einem be sonders festlichen noch dadurch gemacht, daß sie ihnen etwa 180 Tonnen Bier überweisen ließen. — Die Familie eines Restaurateurs in Düsseldorf saß kürzlich beim Mittagstisch und verspeiste zum Des sert Apfelsinen. Dem achtjährigen Knaben setzte sich ein Stück in der Luftröhre fest und der Kleine mußte trotz sofortiger ärztlicher Hilfe elendig lich ersticken. — Die Gesammtbevölkerung der Schweiz bestand laut amtlichen Angaben am 1. December 1880 aus 2,846,102 Köpfen inclusive der zur Zeit Ortsanwesendei'.. — In Seranton, Pennsylvanien, brannte ein katholisches Waisenhaus nieder, wobei 17 Kinder in den Flammen umkamen. Landwirthschaftlicher Theil. (Erscheint jeden Sonntag.) Die Lebensdauer der Thiere und des Menschen. Ein Engländer, E. Ray-Lankester, hat sich mit der Frage beschäftigt, wie lange die Lebensdauer verschiedener Thierspecies und des Menschen sei. Er beginnt mit dem Süßwasserschwamm, welcher alljährlich abstirbt. Unter der Coelenteraten (das sind nach Leuckart Thiere, bei denen der Verdauungsapparat und Lei beshöhle zusammfallen und zu denen Polypen und Quallen gehören) pflanzt sich der grüne Wasserpolyp (Llz'ära viriäis) im Herbste geschlechtlich fort und stirbt dann. Eine Seeanemone oder Fleischpolyp wurde in einem Aquarium 42 Jahre lang am Le ben erhalten. Unter den Crustaceen, den Krebs- thieren, erlangen einige Krabben und Krebse ganz ge wiß ein vergleichsweise hohes Alter; eine Art aber, der Olloiroeoxsialus äiüManus, stirbt schon nach zwei bis drei Monaten, nachdem er sich vorher fortge pflanzt hat. Unter den Jnsecten gilt als Regel, daß das vollkommen entwickelte Thier nur kurze Zeit überhaupt lebt und nach der Fortpflanzung stirbt; bei manchen Arten dauert dieses Leben nur wenige Stunden, und der Volksmund macht schon durch die Bezeichnung der „Eintagsfliegen'' hierauf aufmerksam. Das Leben der Larve dagegen ist sehr verschieden, meistens länger, als dasjenige des völlig entwickelten Jnsects. Flöhe leben bis zu neun Monaten. Ueber die Lebensdauer der Mollusken liegen wohl kaum Beobachtungen vor. Von den Fischen dagegen weiß man, daß sie ein hohes Alter erreichen, und „bemooste Karpfen" sind sogar sprichwörtlich gewor den. Was den Hecht betrifft, so wird er auch sehr alt, und hierbei erzählt Lankester, ohne Kritik zu üben, die zuerst von Gesner gegebene Mittheilung von einem Hechte, der 1497 bei Heilbronn oder, wie andere sagen, bei Kaiserslautern gefangen wurde und im Kiemdeckel einen goldenen Ring trug. Die Inschrift desselben besagte, jener Hecht sei am 12. ' Octobir 1230 „von dem Beherrscher des Erdkreises, Friedrich II., als erster Fisch in einen Teich gesetzt worden". Dieser Hecht wäre sonach 267 Jahre alt geworden; er soll 19 Fuß gemessen, 350 Pfund gewogen haben und auf einem um 1602 noch vor handenen Bilde im Schlosse von Kaiserslautern ab bildet gewesen sein. Cuvier und Oken haben indessen mit vieler Genauig keit diese Geschichte kritisch untersucht und mehrere Unsicherheiten nachgewiesen; die letztere zumal hat darauf aufmerksam gemacht, daß Friedrich II. im Jahre 1230 gar nicht in Deutschland, sondern in Italien gelebt habe. Die größten und ältesten Hechte werden gegenwärtig in Süd-Rußland gefangen, na mentlich in der Wolga, wo 30—40 Pfund schwere gar nicht zu den Seltenheiten gehören. Jedenfalls werden Karpfen und Hechte sehr alt. Unter den Amphibien lebt die Kröte durchschnittlich 36, der Frosch 12—16 Jahre; die Schildkröten erreichen ein hohes Alter. Was die Vögel betrifft, so liegen für deren Lebensdauer sehr zahlreiche Beobachtungen vor. Der Papagei, die Gans, der Falke und Rabe sind wohl die langlebigsten, die ersteren zwei können 100 — 120 Jahre erreichen, die letzteren über 150 Jahre. Zaunkönige leben nur 2—3 Jahre. Unter den Säugethiersn erreichen der Walfisch und der Elephant das höchste Alter; beide überdauern im normalen Zustande 100 Jahre und erreichen mög licherweise 200. Mittlere Dauer eines Pferdelebens ist 25 Jahre; Fälle von einem Alter von 40 Jahren sind jedoch vorgekommen. Für das Rind rechnet man im Durchschnitt 15—20, für Schafe und Zie gen 12, für die Löwen 20—50, für die Katze 9—18 Jahre. Was den Menschen betrifft, so gilt für dessen Lebensdauer der Spruch der Bibel; es ist aber auffallend, wie gerade geistig hochbegabte das gewöhnliche Ziel oft überschreiten und ein sehr hohes Alter erreichen. Unter uns Deutschen brauchen wir in den letzten Jahren blos an Arndt und Rauch, Cornelius und Humboldt, Grimm und Ritter zu erinnern. Durch die letzten Kahlfröste sind die Wintersaaten hoch gezogen, die Wurzeln vielfach gelockert und zerrissen worden. Wir machen deshalb wiederholt darauf aufmerksam, daß die gelockerten Pflanzen von scharfen Winden, wie wir solche im Frühjahre häufig haben, sehr leicht vollends ausgerissen werden. Um dies zu verhüten, walze man, sobald der Boden trocken genug ist, die Saatfelder mit der schweren hölzernen Walze ab; die verletzten Wurzeln bekom men durch die Walze neuen Halt und die Pflänzchen neues Leben. Theaterplauderei. Wir sahen gestern das bekannte Preislustspiel „Durch die Intendanz" von C. Henle. Leider fanden bei der geringen Betheiligung des Publikums nicht alle Darstellen den jene Aufmunterung und Freude, die ein volles Haus gewährt. Möchten doch alle Freunde des Theaters, soweit sie vermögen, das Ihre thun, derartigen guten Gesellschaften, wie wir sie in den letzten Jahren gesehen und denen auch die des Herrn Clar zuzurechnen ist, den Aufenthalt hier für die Zukunft nicht unmöglich machen. Wie schon die vorige Gesellschaft uns die neueren Bühnenerscheinunzen, die selbst noch nicht an manchem Hoftheater gespielt waren, zur Darstellung brachte, so daß wir uns auch in dieser Be ziehung auf der Höhe der Zeit erhielten, so verspricht das von Herrn Clar bekanntgegebene Reportoire ein Gleiches. Darum wollen wir, und zwar gleich von Anfang an die Unter nehmung desselben kräftig unterstützen und nicht erst mit unsern Besuchen abwarten, bis es einer Gesellschaft zu kost spielig wird, hier weiter zu spielen. Was nun das gestrige Stück anbetrifst, über welches wir, da wir ja nur die Aufmerksamkeit des Publikums überhaupt auf das Theater lenken möchten, nur kurz sein können, so hat dasselbe sehr angesprochen, wiewohl es eine erstmalige Aufführung dieses Lustspiels von Seiten mehrerer Darstellen den zu sein schien. Wenigstens kam der Hans Waldau des Herrn Terry nicht so ganz zur Geltung, der zu sehr Las Geniale, ja das Ungebundene eines empordringenden Geistes auftrug und nicht immer Detailarbeit lieferte. Ganz befrie digte uns sein Spiel nur im letzten Auftritte. Dagegen be faß Herr Clar eine Elasticität, einen schwungvollen Chic, der sein Emponpoint glänzend paralysirte. Herr Haack als Intendant und auch Herr Jaffs als Commerzienrath bewie sen eine feine Auffassung ihrer Charakterrollen, wiewohl letzterer seinen Charakter etwas zu apathisch nahm; beson ders gefiel der ms Israelit gehaltene Journalist des Herrn Lobert. Frau Schmidt spielte die Räthin mit vielem An stand und dem Streben, die Einfachheit ihrer Toilette durch feine Sprache und freundliche, zarte Mimik zu überbieten. Auch Fräulein Guthenow läßt uns noch viel Gutes er warten, und Fräulein Weise bezauberte durch ihren reizen den Backfisch, den wir nie besser gesehen, Herz und Auge. Neueste Nachrichten. Wien, 4. März. Gestern hat die Verfassungs partei Herrenhauses eine Conferenz abgehalten, wo-' bei die Ablehnung des bekannten Lienbacherschen Schulantrages beschlossen worden. Auch die Mittelpartei des Herrenhauses ist für die Ablehnung. Rom, 4. Mürz Kardinal Ledochowsri organisirt sür den Monat Juli eine große slavische Pilger fahrt nach Nom. — Der gestrige Lavaausbruch des Vesuvs gefährdet im höchsten Grade die Vesuv bahn. nur mit Mühe konnte jdie Lava abgelenkt werden. Der Lavaausbruch dauert fort. Der Ve-