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ZDMiM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 1V Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonnabend, den 19. Februar 1881. *Waldenburg, 18. Februar 1881. Eine deutsche Demonstration in Wien. Der zu Ehren der Lessingfeier von den Studenten in Wien beabsichtigte Fackelzug war von den Be hörden verboten worden. Um so feuriger gestalteten sich die deutsch-nationalen Kundgebungen, die bei dem Lessing-Commers zum Ausdruck kamen. Die gesammte deutsche Studentenschaft Wiens fand sich zu dem in den Sophiensälcn veranstalteten Festcommers ein. Als Ehrengäste waren erschienen: Rector Magnificus vr. Lorenz, die Professoren Meynert, Oppolzer, Hofrath Wahlberg und viele andere, die Neichsraths-Abgeordneten Sigl, Or. Granitsch, Schönerer, die Alle mit stürmischem Beifall von der versammelten Studentenschaft em pfangen wurden. Stud. Mr. Aschner hielt eine Rede, welche die gegenwärtig in Oesterreich herrschende Stimmung recht deutlich wiederspiegelt: „Kann es am Grabe Lessing's noch Deutsche geben, die selbstvergessen sich nicht glücklich priesen, ganz Deutsche sein zu dürfen? Der Schöpfer des deutschen Dramas ist der Vorbote einer neuen Epoche, in der die deutsche Nation zur nie geahnten Höhe menschlichen Schaffens emporstieg. Im Heili^thume der Kunst ist kein Raum für die traurigen Verächter heimischen Wesens. Immerdar wird den Heroen unseres vaterländischen Geisteslebens in jugendlich warmen Studentenheizen der Begeisterung heilige Flamme erglühen, mag man auch die Fackeln ersticken, die ihren Manen ent brennen sollten. (Lebhafter Beifall.) So lange wir Deutsche sotche Geister a>s die unseren rühmen, haben wir es gottlob nicht nöthig, uns mit Völkchen versöhnen zu lassen, deren Kleinheit nur noch von ihrem Neid übertroffen wird. Allein nur im kräf tigen Körper wohnt eine freie Seele. Endlich ist der Tag gekommen, an dem nicht blos an Geistes ruhm, auch an Macht der Schwerterkrafl keine Nation des Erdballes der deutschen gleicht; der Deutsche, der Jahrhunderte lang der alten Herrlichkeit ge harrt, die mit Kaiser Rothbart im Kyffhäuser ent schlafen war, er sollte nicht aufjubeln dürfen über seines Volkes wiedergefundene Größe? Verwehrt sollte es uns sein, uns stolz zu fühlen als ein Zweig der Rieseneiche, die den Stürmen der Aeonen ge trotzt, Theil zu haben an ihrer mächtigen Krone, mit der wir durch alle Fasern verwachsen sind. Möge darum die Feier unserer großen Männer, der Schöpfer germanischer Cultur, denen das Volk seine schönsten Güler verdankt, in der Brust deutscher Studenten stets wieder nur ein Gefühl erwecken, den heißen Wunsch nach seines Stammes Kraft und Eintracht, Glanz und Erhabenheit. Und daß das deutsche Volk in Freiheit und Idealis mus eins sei an Leib und Seele, darauf erhebe ich das Glas! (Lebhafter Beifall.) Neichsraths-Abgeordneter vr. Karl Hoffer besteigt unter brausenden Hochrufen die Tribüne. Es er fülle ihn mit Stolz, sagt er, an dieser Stelle das Wort ergreifm zu können, im Namen jener zahl reichen Freunde und Gesinnungs- und Kampfge nossen, im Namen der deutschen Abgeordneten. Es ist ein Bedürsniß unserer Zeit, zu Großem aufzu blicken. Ich erinnere an den Fackelzug zu Ehren des Andenkens Schillers, damals durften Fackeln brennen. (Lebhafter Beifall.) Und wieder brann ten Fackeln in der deutschen Stadt Wien zu Ehren des Andenkens des Kaisers Josef. (Donnernder Beifall.) Diesmal durften die Fackeln nicht leuch ten, nämlich auf der Straße, aber es flammen die Herzen, es glühen die Geister, das sind Fackeln, die Niemand löschen kann. Heute, an diesem Abend, wo immer Deutsche beisammen sind, wird der eine Gedanke rege sein: „Lessing hat für uns gelebt, er ist unser Eigen." Möge die akademische Jugend die Flamme der Begeisterung für deutschen Geist bewahren, möge sie Kränze des Sieges für diese Sache um ihre Stirne winden. Vivat, üoroat, oroseat, die deutsch-akademische Jugend Oesterreichs! (Langanhaltender stürmischer Bestall.) Präs.: Nachdem die Absingung als auch die Drucklegung des Liedes: „Deutsche Worte hör' ich wieder" polizeilich verboten wurde (Stürmische Rufe: Hörl!), steige das Lied: „Brause, Du Freiheitssang." Abgeordneter von Schönerer (als eifriger Verfech ter des Deutschthums demonstrativ begrüßt): Deutsche Worte höre ich wieder, könnte man wohl heute mit Recht sagen, denn manche Jahre sind vergangen, vhne daß wir öffentlich deutsche Worte gehört haben. (Stürmische Zustimmung.) Es ist gesagt worden, daß sie Schmerzensschreie ausstoßen, die man über die Grenzen hört; mit Unrecht aber wurde dieses behauptet, denn jene Partei ist erhaben über diesen Vorwurf. Heute ist es endlich an der Zeit in na tionaler Beziehung radical vorzugehen. (Stürmi scher Beifall.) Und so leere ich mein Glas auf die radicalen Deutschen in Oesterreich! (Anhalten der brausender Beifall.) Der Commers wurde mit der Absingung des Liedes „Burschen yeraus" geschlossen. Der Fest abend verlief ohne jeden Mißklang. ^Waldenburg, 18. Februar 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der zum Reichtagspräsidenten gewählte Graf v. Arnim Boitzenburg hat diese Wahl abgelehnt. In der am 17. d. wiederum angesetzten Präsiden tenwahl wurde Unterstaatssecretär im Cultusmi- nisterium v. Goßlar mit 150 Stimmen gewäblt. 89 Stimmen waren unbeschrieben. Darauf folgte die Wahl der Schriftführer; gewählt wurden u. A. die sächsischen Abgg. Richter-Meißen und Eysoldt. Dem Bundesralhe ist nun auch das Gesetz über die Innungen in der Form zugegangen, wie es aus den Berathungen des Volkswirthschaftsrathes hervorgegangen ist. Das Festmahl zu Ehren des Herrn v. Ben nigsen am 16. d. verlief in gelungener Weise; eine große Anzahl von Mitgliedern des Reichstags und Landtags war erschienen. An den Reichstag ist ein Schreiben des Staats anwalts zu Leipzig eingegangen, des Inhalts, daß der Abg. Liebknecht eine mehrmonatliche rechts kräftige Gefängnißstrafe zu verbüßen Hube und des wegen den Sitzungen des Reichstages nicht beiwoh nen könne. Das im Bundesralhe festgestellte Pensionsgesetz für die Hinterbliebenen der Reichsbeamten enthält die Bestimmung, daß alle Reichsbeamlen, die ein Einkommen bis zu 9000 Mark haben, auch die unverheiratheten, zur Pensionskasse 3 Proc. ihres Einkommens beizusteuern haben; der Bundesrath hat die Bestimmung dec ursprünglichen Vorlage, wonach der Theil des Einkommens, welcher als Beitrag zur Pensionskasse gezahlt wird, zur Communalsteuer nicht veranlagt werden soll, gestrichen. Oesterreich. Nach halbjähriger Thätigkeit Hal der deutsche Schulvercin in Oesterreich am 13. Februar seine erste Vollversammlung in Wien gehalten. Der Versammlung wohnten gegen 600 Mitglieder an, darunter ein Dutzend Reichstagsabgeordnete, auch eine größere Anzahl von Damen. Professor Or. von Kraus berichtete über die Gründungen und Subventionirungen von Schulen seilens des Vereins. Als obersten Grundsatz hielt sich der Ausschuß vor Augen: 1. an jenen Orlen ist zuerst Hilfe zu brin gen, bei denen ein längeres Zuwarten Gefahren für den nationalen Bestand der deutschen Stammes- genosfen nach sich ziehen könnte; 2. die schwächsten und daher am leichtesten fremdartigen Einflüssen aus gesetzten Reste deutschen Kulturlebens sind in erster Linie zu schützen. In hervorragender Weise ist dies in Südtirol geschehen. Der Berichterstatter sagte: „In den einsamen Querthälern, wo „germanische Völker der Väter Sitte und Sprache treu und un verfälscht erhalten haben," die aber in Folge all mählich umsichgrcifender Verwälschung die italienische Sprachenkarte heute schon ganz annectiren möchte, will sich der deutsche Schulverein die Aufgabe stel len, den Riegel bei Salurn fest zuzuschieben und es dem Nachbar fortan in's Gedächtniß zu rufen, wes sen Gutes Königs Laurin Rosengarten sei. (Heiter keit, Beifall.) Für die Kräftigung der deutschen Schule in diesem Gebiet hat der Schulverein kein Opfer gescheut." In Böhmen allein wurden von dem Vereine Schulen errichtet oder solche entspre chend unterstützt in Boritz, Jicin, Jserthal, Kaladai, Pilsen (deutscher Kindergarten), Prachatitz, Prag, Przibram, Hohenmauth, Schüttenhofen, Unter-Gro- schum, Unter-Tieschau und Zizkow. Der Bericht erstatter schloß wie folgt: Hunderte von Stadt- und Landgemeinden, Bezirksvertretungen, die verschieden artigsten Korporationen erscheinen in unsern Gründer- Listen. Schon regt sich das warme Mitgefühl draußen im Reiche, allerwärts bilden sich Local-Co- mitös. Die gesammte deutsche Presse macht stch zum wirksamsten Dolmetsch unserer Absichten und unserer liebevollen Hingebung an dis Nation. In Brünn war jüngst dem langjährigen Drän gen der czechischen Hetzagitatoren nach Errichtung czechischer Parallelklaffen an einer Knaben- und einer Mädchenoolksschule nachgegeben worden; am Dienstag sollte die Einschreibung der Schüler für diese Parallelklaffen statlfinden. Sie sollte statt- fiaden, fand aber nicht statt, denn es wurde kein einziges Kind angemeldet. Kann es eine größere Blamage für den czechischen Agitationsschwindel geben? Frankreich. Gambetta äußerte zum Correspondenten der „Neuen fr. Presse": Ich halte das gegenwärtige Kabinet für das beste, welches die Republik besitzen kann. Ich wünsche nur Eines, daß es bleibe und die Wahlen leite. Der äußeren Politik stehe ich ganz fern; (?) auf die Artikel der „Republik fran- haise" habe ich keinen Einfluß. Die mir zugeschrie benen Krieqsgelüste sind unsinnige Wahlmannöver. (?) Die Kammer hat das ganze Preßgesetz mit 428 gegen 6 Stimmen genehmigt. England. Nach aus Durban in London eingetroffenen Privattelearainmen sollen die unter General Colley stehenden Truppen von den Boers abermals an gegriffen, geschlagen und das englische La ger in Brand gesteckt worden sein. Amtliche Beschäftigung liegt angeblich zur Stunde noch nicht vor. Rußland. Das „Journal de St. Petersbourg" constatirt den großen guten Eindruck, welchen die deutsche Thronrede überall hervorgerufen und hebt hervor, es mache hiernach wenig aus, wenn mehr oder weniger bedeutende Schriftsteller die Uebereinstim mung durch unzeitgemäße Polemik zu stören suchen; es sei doch sehr wenig wahrscheinlich, daß sie da-