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hannöverschen Blättern eifrig nachgedruckt. Bennig sen wollte sich natürlich nicht allerhand Gründungs schwindel und Hochverrats) gegen den König von Hannover vorwerfen lassen, er hat daher die Abgg. v. Gustedt und v. Griesheim zu Herrn v. Ludwig geschickt, um ihn wegen Ehrverletzung zum Duell zu fordern. Herr v. Ludwig aber hat das Duell mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß er Herrn v. Bennigsen nicht für satisfaknonsfähig halte, „Herr v. Bennigsen existire für ihn gesellschaftlich nicht mehr". Er soll vorgeschlagen haben, zwei Zeugen, die von ihm (von Ludwig) als annehmbar erklärt werden, zu stellen, um die Sache zu untersuchen. Nach einer Stunde jedoch änderte Herr v. Ludwig seinen Entschluß und ließ Herrn v. Bennigsen mit- theilen, daß er bereit sei, sich zum Duell zu stellen. Herr v. Bennigsen ließ nunmehr den Abg. v. Lud wig wißen, daß er jetzt nicht gesonnen sei, sich mit einem Manne zu schlagen, der erst das Duell ab lehnt, weil er den Förderer sür nicht satisfaktions- sähig erklärt und kurze Zeit darauf das Duell an nimmt. So stand die Angelegenheit am Schluß der Sitzung. Dieser Stand der Duellaffaire ist den betreffenden Fractionsvorständen mitgetheilt worden. Zeuge des Abg. Ludwig war Graf Ho- werden. Weitere Schritte scheinen nicht bevorzustehen. Die durch den Abgeordneten Or. Röckerath her ausgegebene „Volkswirthschaftliche Correspondenz" constatirt, daß die Judenfrage im Westen nicht so brennend sei wie im Osten. Im Westen gehe man allen wucherischen Ueberschreitungen, sie mögen nun von Juden oder von Christen herrühren, mit Thaten zu Leibe und erzielt dabei weit mehr als im Osten, wo bisher nur mit Worten gekämpft wurde. Die vielen Volksbanken und sonstigen Kre dit-Institute, sowie die Wohlthätigkeits-Anstalten aller Art beseitigen und heilen die Uebel, welche man bei Besprechung der Judenfrage im Auge ge habt hat, viel besser als die Redewendungen, auf die man sich bisher im Osten beschränkte. Graf Moltke sagte jüngst in einem veröffenlich- ten Schreiben: „Vor Allem würdige ich in vollem Maße die menschenfreundlichen Bemühungen, die bezwecken, die vom Krieg verursachten Leiden zu mildern. Der ewige Frieden ist ein Traum, und zwar nicht einmal ein schöner Traum. Der Krieg ist ein Element der von Gott eingesetzten Ordnung. Tie edelsten Tugenden des Menschen entfalten sich daselbst; der Muth und die Entsagung, die treue Pflichterfüllung und der Geist der Aufopferung; der Soldat giebt sein Leben hin. Ohne den Krieg würde die Welt in Fäulniß gerathen und sich im Materialismus verlieren." — Einige Zeit voher aber hatte derselbe Graf Moltke in dem bekannten Briefe an einen dem arbeitenden Stande angehö- rsnden Bewohner eines Dorfes bei Liebstadt (un weit Pirna), der um Abrüstung gebeten hatte, Fol gendes geschrieben: „Wer theilte nicht den innigen Wunsch, die schweren Militärlasten erleichtert zu sehen, welche vermöge seiner Weltstellung in Mitte der mächtigsten Nachbarn zu tragen Deutschland ge- nöthigt ist. Nicht die Fürsten und die Regierungen verschließen sich ihm, aber glücklichere Verhältnisse können erst eintreten, wenn alle Völker zu der Er- kenntniß gelangen, daß jeder Krieg, auch der sieg reiche, ein nationales Unglück ist. Diese Ueber- zeugung herbeizuführen, vermag auch die Macht unseres Kaisers nicht; sie kann nur aus einer bes seren religiösen und sittlichen Erziehung der Völker hervorgehen, eine Frucht von Jahrhunderten welt geschichtlicher Entwickelung, die wir Beide nicht er leben werden. Mit freundlichem Gruß Graf v. Moltke." Oesterreich- Im Cultusministerium beschäftigt man sich mit der Regelung der Rechtsverhältnisse der jü- I bischen Gemeinden. Ein darauf bezügliches Ge- ' setz wird, bevor es in das Abgeordnetenhaus ge- , langt, noch einer Enquete, in der alle Schattirun- I gen des Judenthums vertreten sein sollen, vorge- j legt werden. Spanien. Das gesammte Ministerium hat seine Demis sion eingereicht, weil der König sich weigert, den Gesetzentwurf über die Convertirung der amortisir- baren Schulden zu unterzeichnen. England. Durch die Verhaftung Michael Davitts hat die Regierung einem der entschlossensten Führer und Redner der irischen Agitation voraussichtlich für län gere Zeit den Mund gestopft. Davitt hat in letzter Zeit wahre Brandreden gehalten. „Im Cabinet" — sagt er unlängst — „sitzen heute Menschen mit so niederträchtigen Gesinnungen, mit so brutalen Nei gungen, mit so blutdürstigen Absichten, wie sie nur je eine Whig-Partei zu ewiger Infamie verurtheilt haben." Davitt wurde 1870 wegen Hochverraths (er half Waffen in Irland einschmuggeln, die für aufrührerische Zwecke dienen sollten) zu 15jähriger Zwangsarbeit verurtheilt, aber im Jahre 1878 nebst anderen fenischen Gefangenen mit einem „kiekst ok 1savs" in Freiheit gesetzt. Er ward jetzt, wenn ihm nachgewiesen werden kann, daß er den Bedingungen seines „tickst ok 1savs" nicht gehörig nachgekommen ist, den Rest seiner Strafzeit zu verbüßen haben. Rußland. In Kiew ist schon wieder ein Complot entdeckt worden. Nach einer Mittheilung des „N. Wiener Tgbl." hat die Polizei nämlich ein Packet Programme ergriffen, welches von einem Geheimbunde herrührt, der Mord und Brand predigt; dieser Fund hat die Entdeckung einer Niederlage von Waffen — Revol ver, Dolche, Hacken — von Instrumenten zur An fertigung falscher Pässe und einer geheimen Druckerei herbeigeführt. Man hat in dieser Druckerei 128 Exemplare einer Proklamation gefunden, welche nach Feuilleton. Irene. Erzählung von A. Wels. (Fortsetzung.) Auch der Herr Staatsanwalt selbst hatte meine Theilnahme in Anspruch genommen, sowohl durch seine äußere Erscheinung, als auch durch sein mehr als ungewöhnliches Benehmen zu Gunsten des An geklagten. — Er konnte ein angehender Vierziger sein, war hoch und schlank gewachsen, Halle jedoch in seinem fast schön zu nennenden Gesichte keinen einzigen jener starren, eisernen Züge, welche man sich bei dem Manne vorzustellen verpflichtet glaubt, welcher die menschliche Gerechtigkeit repräsentirt! — Es war ein blasses, schwermüthiges Gesicht — ruhige Züge, von einem wehmüthigen Ausdruck wie be schattet. Man mußte sich sympathisch hingezogen fühlen zu diesem Manne, dessen wohlklingende Stimme wie ein verhallender Mollaccord vibrirte. — In einem Worte, es war eine äußerst einnehmende Erscheinung; aber ein Jeder, der, wie ich, zufälliger Weise noch nie einen Staatsanwalt gesehen hätte, würde sich denselben wahrscheinlich ganz anders vor gestellt haben. Ich dachte an Alles dies, indem ich das Rath- haus verließ und den ersten Weg einschlug, der mich in's Freie führte. Mein Plan war wiederum ver ändert worden — ich hatte beschlossen den ganzen Tag im Städtchen zu verbringen, um mir einige Details über Hegemann zu verschaffen, und auch um zu sehen, wie die Sache mit dem gestohlenen Beutel verlaufen würde. Kaum hatte ich das Städt chen im Rücken und war im Begriff, in einen Seitenweg eiuzubiegen, als ich Schritte hinter mir vernahm, und mich umwendend, den Staatsanwalt erkannte, welcher eine kleine Reisetasche in der Hand, denselben Weg wie ich nahm. Unwillkürlich mäßigte ich meinen Gang; — ob er den seinen beschleunigte, weiß ich nicht, aber in wenigen Minuten war er mir zur Seite. Ich grüßte und mit einer so aus gesuchten Höflichkeit erwiderte er meinen Gruß, daß ich kaum umhin konnte, ihn ansprechen. „Dürfte ich Sie fragen," sagte ich, „welches der wahrscheinliche Verlauf der Dinge gegen Hegemann sein wird?" „Ich denke mir," erwiderte er, „daß man ihn wegen mangelnder Beweise freilassen muß — beson ders auf Ihr Zeugniß hin!" „Ich glaubte mich dazu verpflichtet." „Sie haben sehr recht gehandelt!" „Ein eigenthümlicher Mensch, er hat mir gleich beim ersten Anblick den Eindruck des Außergewöhn lichen gemacht; — und sein verwildertes Aussehen weniger als seine Worte." „Freilich; — ich begreife, wie sein erster Anblick abschreckend wirken muß — es ist mir auch so ge gangen." „Kennen Sie, Herr Staatsanwalt, ihn denn schon lange?" „Dreizehn bis vierzehn Jahre! — Es war das erste Mal, als ich als öffentlicher Ankläger fungirte — das erste Mal, daß ich von der Gerechtigkeit ein Schuldig verlangte — das erste Mal, daß ich von ihr ein Menschenleben forderte, um es dem unerbitt lichen Gesetze zu opfern." „Ich begreife, daß Ihnen dieser Mann unver geßlich sein muß", sagte ich, unwillkürlich von dem tiefgefühlten Ton ergiffen, mit dem der Staats anwalt diese Worte gesprochen hatte; — „zumal wenn ich rechtverstehe,daßSie einen Mißerfolghatten." „W:e Sie es nehmen wollen! Mißerfolg, ja, da Hegemann freigesprochen wurde, und wiederum nein, da er es nur mir zu danken hatte, und ich durch diesen scheinbaren Mißerfolg mehr Ansehen erlangte, der Ermordung des Militärcommandanten von Kiew verbreitet werden sollte, ein Plan, den die Entdeckung dieses Complots vereitelt hat. Die „Nom. Wremja" meldet, daß 17 Werst von Astrachan 9 Kirgisen den Hungertod starben. Ueberull siedeln die Kirgisen aus den Steppen an die Flüsse über und nähren sich hier von Fischab fällen, die sie roh verzehren. Es herrscht ein fürch terliches Elend, wie die Aerzte constatiren, unter den Leuten, die sich vollständig übrigens in ihr Schicksal ergeben haben und von Niemand Hilfe erwarten. Griechenland. In der Kammer theilte der Kriegsminister ein Decret des Königs mit, nach welchen die 31 bis 40 Jahre alten Nationalgarden einberufen werden sollen. Hierdurch wird die bewaffnete Macht auf 113,993 Mann erhöht. Afrika. Die „Times" melden aus Durban, die Boeren„ schnitten die Posioerbindung zwischen dem englischen Lager vor Laingsnek und Newcastle ab und dürften voraussichtlich auch die dortige Telegraphenverbin dung zerstören. 1000 Boeren trafen im Rücken des linken enlischen Flügels ein und dürften den Oranjefreistaat passirt haben. Man scheine das Fort Azel angreifen zu wollen. Amerika. Die amerikanische Regierung stimmte dem franzö sischen Vorschläge wegen einer internationalen Münzconferenz zu und ermächtigte den Konsul der Union, Walter, zu den erforderlichen Vorver handlungen. Aus dem MuLdenthale. ^Waldenburg, 9. Februar. In der gestern Abend stattgefundenen ordentlichen Hauptversammlung des hiesigen Gewerbevereines, welche durch den Vice- Vorsitzenden Herrn Hobusch eröffnet wurde, erfolgte zunächst die Aufstellung der Präsenzliste, doch wurde von der Versammlung beschlossen, daß statutenge mäß festgesetzte Strafgeld von 25 Pf. von den Nichterschienenen nicht zu erheben. Dem darauf zur Verlesung gelangenden Jahresbericht entnehmen wir, daß das Jahr 1879 mit 239 Mitgliedern schloß, im Jahre 1880 sind beigetreten 29, aus getreten 4, gestorben 4, fortgezogen 15, zusammen 23, mithin verbleibt ein Bestand von 245 Mitglie dern. Abgehalten wurden im verflossenen Jahre 13 Vereins- und 9 Ausschußsitzungen. Der Kassen bericht schloß mit einem Bestand von 126 Mk. 32 Pf. Die Bibliothek ist bis auf 281 Bände ange wachsen. Bei der schließlich vorgenommenen Wahl des Directoriums wurden wieder- resp. neugewählt: zum Vorsitzenden Hr. Wirthschaftsdirector Or. Lam precht, zum Vicevorsitzenden Hr. Buchbindermeister Hobusch, zum Schriftführer Hr. Redacteur Kästner, zum Cassirer Hr. Nebel, zum Archivar Hr. Grai- als vielleicht durch jahrelange Berufsthätigkeit." „Sie werden begreifen, daß ich nicht verstehe." „Freilich, und da wir denselben Weg gehen, und Sie sich für diesen Menschen inüressiren, glaube ich Sie nicht zu langweilen, wenn ich Ihnen diesen merk würdigen Nechtsfall erzähle." „Sie spannen meineAufmerksamkeit aus'sAeußerste, Herr Staatsanwalt." „Hegemann war schon einige Male wegen Wild dieberei und Schmuggelns zu leichten Gefängniß- strafen verurtheilt worden, als gegen ihn die An klage eines an einem Grenzaufseher verübten Mor des erhoben wurde. Ich war grade in's Amt ge treten und, wie gesagt, es war meine erste Affaire vor'm Schwurgericht. Sie wissen, wie eifrig junge Leute im Berufe sind; — ich prüfte augenblicklich die Akten, und — ich entsinne mich noch dessen ganz gut, fühlte einen nicht geringen Aerger, daß Alles so klar und so einfach da lag. Ich hatte mir einen recht complicirten Prozeß für mein Debüt ge wünscht, in welchem ich durch Scharfsinn und Men- schenkenntniß hätte glänzen können; — aber hier lag die Schuld offenbar da, daß meines Erachtens nach gar nicht hätte verhandelt zu werden brauchen, und daß das Läugnen des Angeschuldigten nur ein mit leidsvolles Lächeln hervorzurufen im Stande war. Die Verhandlung fand statt, und mit einer so fel senfesten Ueberzeugung wie nie verlangte ich ein Schul dig. DerAdvokat desAngeschuldigten antwortete mir in einer langen und confusen Rede. Während dieser Rede ereignete sich in meinem Innern etwas, wofür ich meinem Schöpfer mein Lebelang danken werde. — Die Vertheidigung war nämlich dermaßen talentlos und von juristischem Standpunkte verwirrt, daß wahr lich, — wenn noch ein Funken Zweifel im Geiste der Geschworenen vorhanden gewesen wäre, diese Verlheidigungsrede ein Schuldig ihnen abgerungen hätte. (Fortsetzung folgt.)