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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden, eventuell honorirt. Annahme von Inseraten sür die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 30 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Donnerstag, den 10. Februar 1881. Bekanntmachung. Diejenigen Einwohner von Waldenburg, welche Kinder in Erziehung und Pflege nehmen, sind verpflichtet, sofort nach der Annahme derselben Namen und Alter der Kinder, sowie Namen, Stand und Aufenthaltsort der Eltern derselben dem Stadtrathe zu Waldenburg anzuzeigen. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark - und für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Haft bis zu 8 Tagen bestraft. Waldenburg, den 9. Februar 1881. Der Stadtrath. Cunrady. *Waldenburg, 9. Februar 1881. Zur Jnnungsfrage. Von einem Berliner Jnnungsmeister geht der „D. Landesztg." ein Artikel zur Jnnungsfrage zu, den wir bei dem Interesse, welches jeder Gewerb- treibende an dieser Frage hat, hier unverkürzt wieder geben wollen. Er lautet: Der dem Volkswirthschaftsrath vorliegende Gesetz entwurf, betreffend das Jnnungswesen, enthält einige Abänderungen und Einfügungen in die Gewerbe ordnung, die recht gur gemeint sein mögen, die aber absolut keinen Erfolg versprechen. Sie laboriren an einem Grundfehler, an dem Wörtchen „können." Dieses Wort hat in der bestehenden Gewerbeord nung schon seine verhängnitzvolle Rolle gespielt und wenn dasselbe aus der neuen Vorlage nicht ausge- merzt und statt dessen „müssen" gesetzt wird, so ist alle Mühe vergebens und der mit so viel Hoff nung in das Leben gerufene Volkswirthschaftsrath wird sich in Bezug auf das Handwerk als ein Schattenspiel an der Wand erweisen. Unterziehen wir einzelne Paragraphen und Ab änderungen einer kleinen Kritik: tz 97. Diejenigen, welche ein Gewerbe selbst ständig betreiben, können zu einer Innung zu sammentreten. Es weicht diese Fassung im Wort laut wenig, im Sinne gar nicht von dem ein schlägigen Paragraphen der bestehenden Gewerbe ordnung ab. Die betreffenden Gemerbsgenossen „können" zu einer Innung zusammentreten, d. h., wenn sie so gut sein wollen; sie thun es aber nicht und diejenigen, die es dennoch wagen sollten, wür den nur eine Karrikatur hervorbringen ohne jedwede sociale Bedeutung. Wir möchten einmal sehen, wenn das Mililärgesetz lautete: Diejenigen, welche das genügende Alter erreicht haben, könne», wenn sie so gut fein wollen, beim Heere eintreten. Oder das Schulpflichtgesetz lautete: Diejenigen Herren Eltern, welche so freundlich sein wollen ihren Kin dern Unterricht ertheiten zu lassen, können, wenn sie das nöthige Kleingeld mitbringen, ihre Kinder in irgend eine Schule schicken. Was würde dafür eine Armee entstehen und wie geregelt und geordnet würde der Schulbesuch ausfallen?! Warum heißt es in dem betreffenden Paragraphen nicht müssen? Wir haben ja so viele Müssen in unserer staatlichen und bürgerlichen Gesetzgebung. Wir müssen unsere Steuern bezahlen, wir müssen als arbeitsame, ordentliche und friedliche Bürger leben, wir müssen unserer Pflicht als Vaterlands- vertheidiger genügen, ja wir müssen uns sogar, wenn wir unser Recht suchen wollen, einen Advokaten nehmen. Alles dies und noch vieles Andere müssen wir; es ist dies auch gut, recht und billig, mit Ausnahme des Advokaten. Warum schaffen wir also nicht noch ein gutes, rechtes und billiges Müssen? Warum kitten wir den fast schon pul- verisirten Stand der Handwerker nicht mit einem festen und dauernden Bindemittel zusammen und bauen ihn aus zu einem rechten Trutz- und Eck pfeiler des Vaterlandes, anstatt denselben immer mehr in Atome aufzulösen und dem größten Naub- thiere der Gesellschaft, dem Mammon, als Beute preiszugeben? ß 97. 1. lautet: Die Pflege des Gemeingeistes sowie die Aufrechterhaltung und Stärkung der Stanvesehre unter den Jnnungsgenossen. — Sehr schön! Es klingt prächtig! Man wird ordentlich stolz, Handwerker zu sein, wenn man das Wort „Standesehre" liest! Also dasjenige Zehntel der Gewerbegenossen, welches sich vielleicht aus Grund des Gewerbegesetzes zu;ammenfinden und wagen würde, eine Innung zu bilden, soll den Gemeingeist pflegen und die Standesehre wahren. Nun, es muß derjenige blind sein oder nicht sehen wollen, der nicht begreift, daß dies leichtsinnige Häuflein, wenn es mit Consequenz diesen Gedanken durch führen wollte, von den übrigen neun Zehnteln durch ehrlose Coucurrenz zu Boden getreten wer den würde. 2. Dis Förderung des gedeihlichen Verhältnisses zwrschen Meister und Geselle, sowie die Fürsorge für das Herbergswesen der Gesellen und für die Nachweisung von Gesellenarbeit. — Auch sehr viel, was da von diesem. Zehntel verlangt wird. Es soll also im Interesse der übrigen neun Zehntel dafür sorgen, daß für diese stets fleißige, ordentliche, tüchtige und pünktliche Gesellen vorhanden sind und daß selbige diesen modernen Bönhasen, die irgend wo aus Meseritz oderPusemuckel eingewandertfind, den nöthigen Nespect zollen — Alles aus reiner brüderlicher Liebe für die neun Zehntel, damit sich diese nur keinen Finger nässen und keinen Pfennig zu opfern brauchen von ihrem vielleicht auf dem Mühlendamm mit saurem Schweiße erworbenen Gelde. Dafür, daß die Jnnungsmeister Zeit, Mühe und Geld opfern, werden sie ja durch die Manchester presse entschädigt, die sie als „Zünftler und Reac- tionär" in Acht und Bann lhut und mit allen mög lichen Schmeicheleien belegt. tz 97u. 1. Insbesondere steht ihnen zu, Fach schulen sür Lehrlinge zu errichten. — Auch sehr nett! Die Innung, welcher ich angehöre, besteht aus 120 Mitgliedern und ist trotz aller Anstrengung und aller Erleichterungen, welche den Aufnahme- suchcnden gewährt wurden, seit dem Jnslebentreten der neuen Gewerbeordnung stetig zurückgegangen, obgleich die Zahl der selbständigen Gewerbegenossen bedeutend zugenommen hat und sich über 2000 be ziffert. Trotzdem hatte und hat diese verschwindende Zahl von Jnnungsgenossen eine Fachschule, wo die Lehrlinge in ihrem erwählten Berufe eine sorgfältige theoretische wie praktische Ausbildung empfangen, deren Lehrplan und Lehrmittel seit einem Jahre mit bedeutenden Kosten und Opfern Seitens der Jnnungsgenossen erweitert sind. Wir haben dies im Interesse der Lehrlinge gethan, ohne es mit Posaunenstößen der Welt zu verkünden, wie es ge schehen sein würde, wenn irgend einige liberale Doctoren, die weiter keine Beschäftigung haben, etwas Aehnliches nur geplant hätten. Wir haben es im Interesse der guten Sache gethan ohne den mißgünstigen Nebengedanken, datz die Bönhasen, das heißt die große Mehrzahl der Nichtgenoffen, ohne Mühe und Arbeit und ohne jedes Geldopfer den Nutzen davon ziehen. Diese Thatsache wird wohl genügen, die Aussichts losigkeit einer jeden Jnnungsbildung auf der Basis „Können" zu beweisen. Müssen, meine Herren, müssen rufen wir Ihnen zu, wenn nicht Ihre ganze Arbeit in Betreff des Handwerks ein Hieb in die Luft werden soll. ß 97. 4. 3. Gesellen- und Meisterprüfungen zu veranstalten und über die Prüfungen Zeugnisse aus zustellen. — Also, sie können sie veranstalten, wie man einen Ball oder eine Landpartie veranstaltet. Wenn sie nicht wollen, lassen sie es und wer sich nicht prüfen läßt, lebt auch vergnügt weiter. Neber die Prüfung Zeugnisse auszustellen — gleichviel, ob die Prüfung bestanden ist oder nicht, das Zeug- niß wird ausgestellt und das Resultat ist gleich Null. Nur die Lithographie hat durch Herstellung von mit bunten Ornamenten bedruckten Gesellen- und Meisterbriefen den Vortheil davon und der Petschaftstecher durch Anfertigung der nothwendigen Jnsiegel. Kein Spielzeug, meine Herren, kein Spielzeug! Ziehen wir doch die modernen wirth- schafilichen Kinderschuhe mit einem kräftigen Ruck aus, trotzdem sie uns von den Manchester-Weisen mit Pech und Vogelleim gefüllt sind. Dec Lehrling muß eine entsprechende Zeit lernen und nicht wie jetzt dem Meister ein halbes Jahr durch das Haus laufen, um dann spurlos zu ver schwinden und sich an einem anderen Platze ent weder als Geselle oder sogar a^s Meister zu ent puppe». Auch muß er sich einer auf billigen An sprüche» beruhenden Gesellenprüfung unterwerfen und diese bestehen. Die Gesellen müssen ein Meisterstück machen und bestanden haben, wenn sie ihr Gewerbe selbstständig betreiben wollen. Die Meister müssen der Innung angehören, ihre Verpflichtungen erfüllen, wenn sie ihre Rechte genießen und selbstständig ihr Handwerk betreiben wolle». Also noch einmal — nur müssen, wenn die Reform Segen bringen soll. *Waldenburg, 9. Februar 1881, Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Reichstag wird durch kaiserliche Verordnung auf den 15. d. nach Berlin einberufen. Der permanente Ausschuß des Volkswirthschafts- raths hat bezüglich der Unfallsversicherungs- Prämien beschlossen: daß bei Einkommen von 750—1250 Mark der Arbeitgeber -/» und der Ar beiter i/s, bei Einkommen von 1250—2000 Mark der Arbeitgeber '/s und der Arbeiter der Prämien bezahlen soll. Der für den nächsten Reichsetat ausgeworfene Matricularbeitrag wird wahrscheinlich entspre chend ermäßigt werden, nachdem sich in den letzten Monaten bedeutende Mehreinnahmen an Zöllen und Steuern ergeben kann. Zwischen den Abg. v. Ludwig und v. Bennig sen wäre beinahe ein Duell entstanden. Dem Abg. v. Ludwig war neulich das Wort abgeschnitten worden, als er gegen den Abg. v. Bennigsen wegen seiner Betheiligung an der Gründung der Hannover- Altenbecker Eisenbahn sprechen wollte. Er hatte dann die ungehaltene Rede in der „Landeszeitung" veröffentlicht. Diese Rede wurde hierauf in den