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Diplomatie der Mächte bei der Collectivaction bleibe, welche auf die Berliner Conferenz gefolgt sei. Die Initiative einzelner Mächte würde nicht zu diesem Resultate beitragen. England. Die MontagAbend begonnene Unterhaussitzung dauerte ununterbrochen bis Mitternacht fort. Der Sprecher wurde durch den Vicesprecher abgelöst. Auf wiederholte Anfragen, ob die Irländer durch ihr Verfahren sich nicht absichtlicher Verschleppung schuldig gemacht, erklärten der Sprecher und der Vicssprecher, das Verfahren streife an Obstruction, sie könnten aber die Irländer noch n icht schuldig finden. Mittwoch rrüh 1'/s Uhr erklärte Bright, die Regierung übernehme die Verantwortung der jetzigen Situation und sei bereit, Maßregeln gegen die Verschleppung zu beantragen. Da die Debatte um 9'/s Uhr früh noch fortdauerte, erklärte der Sprecher, er könne die Fortsetzung der Berathung nicht gestalten. Nach einer sehr heftigen Scene genehmigte die Kammer mit l64 gegen 19 Stimmen die Einbringung des Forsterschen Ge setzentwurfs, welches alsdann die erste Lesung paisirle. Die Homeruler-Partei verließ m gro ßer Anzahl das Haus. Des Nachmittags wurde die Debatte über den Antrag auf Vertagung des Hauses von den Irländern fortgesetzt. Hierauf wuroe der Antrag mit 278 gegen 44 Stimmen verworfen und darauf die Sitzung gemäß der Ge- fchäftsordnung für die Miltwochsitzungen um 6 Uhr vertagt. Ruhland. Ein offizieller Bericht Skobeleffs meldete die De tails über die Eroberung Geoktepes und be zeichnet die Verluste des Feindes als außerordentlich groß, die Gräben waren mit Leichen überfüllt, viele sind auf der Flucht niedergemacht, außerdem 4000 Leichen in der Festung vorg-funden. Die Russen erbeuteten eine Menge Gewehre (Verdanflimen), Geschütze, Munition und mehrere Fähnchen, viele Kibitken mit Mehl und Fourage und nahmen 4000 Familien, darunter 3 Jmamfamilien, gefangen; außer dem 700 Perser. Der russische Verlust seit 1. Januar bis 24. Januar betrug 16 Offiziere und 267 Mann todt, 42 Offiziere und 647 Mann ver wundet, 13 Offiziere und 123 Mann contusionirt. Aegypten. In Kairo meuterten zwei Regimenter wegen einer Aenderung seitens des Kriegministers; der Kriegsminister demissionirte, die Ruhe ist wieder hergestellt. Amerika. Ein großer Theil des Landes ist von Schnee- sturmen und starker Kälte heimgesucht, die Schiff fahrt im New-Aorker Hafen ist durch Eis gehindert, einige Eisenbahnen des Westens sind infolge starken Schneefalles außer Betrieb. In Kalifornien dauern die Regengüsse fort, wenn die Wässer nicht rasch verlaufen, ist die Ernte schwer geschädigt. Bei dem Neujahrsempfang im Weißen Hause zu Washington gab es diesmal als hübsche Neuerung ein weibliches Diplomatencorps. Die Gatlin des Präsidenten der amerikanischen Republik, Frau Hayes, umgab sich beim Empfang am Neujahrstage mit einem Dutzend hübscher junger Damen als As sistentinnen. Die Damen waren in untadelhaften, jungfräulich weißen Satin gekleidet, mit Ausnahme einer Juno von der Pacificküste, welche in einem bauchigen blauen Seidenstoff gekleidet erschien; auch trug die Venus dieser zwölf Schönheiten, Mrs. Eli sabeth Thompson von New-Park, eine Robe von schwarzem, mit weißen Straußfedern besetzten Sam mel und ihr Schmuck bestand aus einer berühmten Camee, welche einen Werth von dreihunderttausend Dollars repräsentirt. Sämmtliche Damen halfen der Frau Hayes als Flügel-Adjutantinnen die Hon neurs des Weißen Hauses machen. Australien. Von den Somoa-Jnseln kommt die Nachricht von dem am 8. November v. I. erfolgten Tode des Königs Malietoa mit dem Hinzufügen, daß das Land, mil Ausnahme der vom amerikanischen, deut schen und englischen Konsul verwalteten Gebiets theile, sich in voller Anarchie befinde. Aus dem Muldenthale. *Waldenbnrg, 3. Februar. Das gestern Abend im Saale des Schönburger Hofes stattgefundene I. AbonnementS-Concert des hiesigen Stadtmusikcorps erfreute sich eines recht zahlreichen Besuchs. Das Musikcorps war verstärkt durch mehrere Mitglieder der Glauchauer Stadtkapelle, während den vokalen Theil Frl. Elisabeth Martin, Opernsängerin am Stadttheater zu Leipzig, und die Klavierbegleitung Hr. Oberlehrer Kleemann und Hr. Lehrer Reimann übernommen hatte. Dis sämmtlichen Nummern des Programms wurden sehr beifällig ausge nommen, doch fanden die Arie aus Figaro's Hochzeit, sowie die Arie aus „Stradella" und zum Schluß auch die Lieder „Das Veilchen" und „Ich muß hinaus", sämmtliche Piecen gesungen von Frl. Martin, so erhöhten Beifall, daß Letztere sich noch zu einer kleinen Zugabe, dem „Spielmanns lied" und „Röslein auf der Haide" bewegen ließ. Dem Concerie folgte ein Tänzchen. Glauchau, 1. Februar. Seine Erlaucht Graf Clemens von Schönburg-Glauchau ist heute, aus Rudolstadt kommend, eingelroffen und gedenkt hier längeren Aufenthalt zu nehmen. — Bei der Sparcasse in Glauchau wurden im Monat Januar in 960 Zahlungen 99,541 M. 8 Pf. eingezablt und in 648 Posten 126,063 M. 66 Pf. incl. Zinsen zurückgezahlt. Eröffnet wurden 144 neue Conten, erloschen sind 94 Conten. — Beim Leibhause sind auf 225 Pfandscheine 1730 M. ausgeliehen und 165 Pfandscheine mit 1303 M. eingelöst worden. — Die kgl. Kreishauptmannschaft zu Zwickau Hal dem Sticker Carl Louis Hertel in Hartmanns grün die Befugniß zur gewerbsmäßigen oder nicht gewerbsmäßigen Verbreitung von Druckschriften ent zogen. — Einer soeben veröffentlichten Uebersicht über die Thätigkeit des kgl. Landgerichtes Zwickau in Strafsachen ist zu entnehmen, daß im letzten Viertel jahr 1880 vor demselben 216 Huuptverhandlungen stattgefunden haben, und z..wr 132 in erster, 70 in zweiter Instanz und 14 vor dem königl. Schwur gericht. Zur Aburtheilung in erster Instanz ge langten 199 Personen, von welchen 151 für schul dig befunden wurden. Die Höhe der ausgesproche nen Geldstrafen belief sich zusammen auf 2735 M., die Gesammtdauer der erkannten Freiheitsstrafen betrug 15 Wochen 6 Tage Haft, 52 Jahre 6 Mo nate 6 Tage Gefängniß und 93 Jahre 3 Monate Zuchthaus. Für 71 Angeklagte fungirten Verthei- diger. Im Laufe des ganzen Jahres wurden 687 Hauptverhandlungen abgehallen, und zwar 452 vor der II. Strafkammer, 207 vor der III. Straf kammer und 28 vor dem kgl. Schwurgericht. Außer dem erledigte die III. Strafkammer noch 212 Ein spruchsverhandlungen. Mit Strafen wurden im ganzen Jahre 610 Personen belegt. Aus dem Lachseulaude. — Das gegenwärtig in Leipzig stattfindende Examen für die juristische Praxis scheint einen recht günstigen Verlauf nehmen zu wollen. Obschon diese Prüfung erheblich schwieriger, als diejenige in den benachbarten Bundesstaaten ist, so hat doch die Prü fungscommission zu Leipzig die bei Weitem größte Zahl der bis jetzt examinirlen Rechtskandidaten ap- probirt. — Der „Freib. Anzeiger" theilt einen schönen Zug von Wohlthätigkeit unserer Königin mit, welcher eine schwer bedrängte Familie in Freiberg betrifft. Anfangs Juni des letzten Jahres wurde die Ehe frau des bereits seit 6 Jahren gelähmten, Hüt tenschmieds Jentzsch daselbst, welche schon 3 Jahre lang von einer schweren Krankheit heimgesucht und wiederholt von dortigen Aerzten operirt worden war, auf Vermittlung des Albert-Zweigvereins zur besseren Verpflegung in dem Dresdner Karolahause unter- gebrachl. Durch die Gnade Ihrer Majestät der Königin wurde ihr dort eine Freistelle gegeben und durch nahezu 7 Monate bis zu ihrem Tode belassen. In der rührendsten Weise erzählte diese Kranke nicht blos von der ausgezeichneten Pflege und Abwarlung, welche sie im Karolahause gefunden, sondern beson ders auch von der Leutseligkeit und Theilnahme der geliebten Landesmutter. Alle 14 Tage war die Königin bei ihrem Rundgange durch dis Kranken zimmer auch an ihrem Bette erschienen, hatte nament lich mit ihr über ihre Krankheit und ihre Familien- verhältnisse eingehend sich unterhalten und durch verschiedene Erfrischungen und andere Geschenke sie wie die übrigen Kranken erfreut. Zu den Licht punkten im Dunkel ihrer Leiden zählte die Kranke den Tag, an welchem die hohe Frau ihr wie allen Kranken des Karolahauses vor ihrer Abreise in die Schweiz persönlich die „letzten Rosen" aus ihrem Garten brachte. Zur Weihnachtszeit hatte aber nicht blos sie selbst mit ihren Leidensgenoffen die königliche Huld unter dem leuchtenden Christbaum in reichen Geschenken erfahren dürfen, dieselbe frei gebige Hand hat auch ihren Kindern daheim reich lich gespendet. — Vor einigen Tagen fand in Chemnitz im Saale der „Linde" eine Versammlung der Liberalen statt, in welcher der Protestantenvereinler Or. Graue einen Vortrag über die „Judenfrage" hielt. Er empfahl den Juden, den Wucher und die Gewinn sucht auf betrügerischem Wege zu meiden, sich nicht mehr überwiegend dem Handel und den Geldgeschäf ten zu widmen, sondern dem Ackerbau, der Industrie, namentlichauch demHandwerk sich zuzuwenden. (Das thun sie eben nicht!) Ferner sollten sie den drei sten, anmaßenden und hochfahrenden Ton unterlas sen und etwas von dem christlichen Geiste, der unsere ganze Gesittung und Bildung durchdringt, in sich ausnehmen. (Eben weil das nicht geschieht, haben wir die Judenfrage!) Die Christen aber sollten be denken, daß Christus ein geborener Jude ,ei, daß das Edelste und Beste von den Juden gekommen, daß wir die kostbarsten Schätze unserer Geistesbildung von den Juden empfangen hätten. (So.) Deshalb sollten wir diese achten und schützen. Schließlich protestirte er in einer Resolution, dis auch von der Versammlung angenommen wurde, dagegen, daß man an der verfassungsmäßigen Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetze zu rütteln versucht und daß man die Ausübung bürgerlicher Rechte vom confessionellen Bekenntnisse abhängig machen will. (Als wenn die Judenfrage eine religiöse Frage wäre!) Auch der So cialdemokrat Wiemer „hat gesprochen," die Social- demckraten würden antisemitische Versammlungen in Chemnitz nicht dulden, „sie wollten solch' hirn verbranntes Zeug hier nicht zu Tage fördern lassen." Damit war die Judenfrage gelöst. Die liberalen und socialistischen Redner zeigten überhaupt eine rührende Eintracht. — Der seit Wochen vermißte Kaufmann Julius Kießling in Werdau, der zu verschiedenen Malen gefunden sein sollte, ist endlich am 2. d. Nachmit tag in der Pleiße in der Nähe des „Bairischen Hofes" daselbst aufgefunden worden. — In Meerane hat sich eine Arbeiterfrau, deren Ehemann sich vor ca. einem Jahre durch Erhängen das Leben nahm, auf gleiche Weise getödtet. Zwei unerzogene Kinder sind d'er Nachlaß. — Nach der soeben herausgegebenen Zusammen stellung der vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung vom 1. December vor. Js. zählt das Herzogthum Sachsen-Altenburg gegenwärtig 155,062 Einwohner, gegenüber 145,844 am 1. December 1875, es er- giebt sich somit nach der letzten Zählung ein Mehr von 9218 Personen. Von Einwohnern wurden 75,808 männlich und 79,254 weiblichen Geschlechtes gezählt, so daß letzteres das männliche um 3446 Personen überragt. Ueber das Verhältnis des modernen Jndenthums zur deutschen Kunst. Herr Oberlehrer Or. Beruh. Förster hielt in Ber lin auf Veranlassung des Berliner Wagner-Vereins am 29. d. Abends vor zahlreichen, ausschließlich christlichen Damen und Herren über obiges Thema einen Vortrag, welchen wir bei der Bedeutung, welche jetzt die Judenfrage erhalten hat, unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Er giebt ein be- achtenswerlhes Kriterium germanischer und jüdischer Kunstleistung und künstlerischer Fähigkeit. „Wenn wir," so begann der Redner, „unter den großartigen Ereignissen deutscher Kunst besonders die ins Auge fassen, in denen der Schöpfer nicht nur zeigen wollte, was er konnte, sondern auch das, was er empfand, in denen er ein Selbstbekenntniß abzulegen versucht hat, so müssen wir als großartige Schöpfungen Bachs „Matthäus-Passion," Goethes „Faust," Beethovens 5. und 9. Sympyonie, Scho penhauers „Welt als Wille und Vorstellung," Wag ners „Ring der Nibelungen," vor Allem aber jenes Werk nennen, in welchem Albrecht Dürer sein Selbstbekenntniß abzulegen sich bemühte, sein „Ritter, Tod und Teufel." Wie hier der Ritter, so ist auch die deutsche Nation eine kämpfende und wie er Zweifel Heren konnte, ob er die Burg seines Ideals erreichen wird, so dürfen wir auch wohl uns die Frage vorlegen, wo stehen wir, woher kommen wir, was ist unser Ziel, wird es uns gelingen, die, die uns vernichten wollen, zu besiegen, oder werden wir ihnen unterliegen. Daß diese Frage gerade in un serer tief reformatorischen Bewegung am Platze ist, die unsere Nation durchzittert, bezweifelt wohl Kei ner, und daß auch der Ort hier zu einer Frage geeignet ist, dürfte nicht erst zu beweifen sein; war doch Richard Wagner der erste, der der Richtung die offene Fehde erklärte, die er als gefährlich er kannt hatte. Vor zwanzig Jahren erschien sein Werk „Das Judenthum in der Musik," das ihn ebenso berühmt gemacht hat, wie seine musikalischen Werke. Daß man in Berlin, auf dem dürren Bo den der Mark, sich gegen den Genius Wagners versündigt hat, daß man über ihn Lügen verbreitet, versteht sich eigentlich von selbst; aber daß ein jü disches Blatt es gewagt hat, ihn zu loben, das ist die größte Schmach, die dem Meister in Berlin angethan ist. Das Thema ist Ihnen bekannt, su-