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an jenem Tage herrschenden großen Kälte nicht frieren zu lasten. Ob nun die Frau den Ofen zu voll gefüllt haben mag oder ob irgend ein anderer Grund vorliegt, ist nicht festgestellt worden, kurzum, nach einiger Zeit zerbarst der Ofen und die drei Kinder fanden durch den sich entwickelnden Kohlen dunst ihren Tod. Die indische Zeitungspresse.*) Von Emil Schlagintweit. Neben dem viel verzweigten Organismus der Publizistik fristet in uralter Einfachheit sein Dasein der HarkLra oder Neuigkeitsmann der in Gerichten und in Bazaren, der Vorhalle der Hindu-Tempel und Moscheen den Stoff sammelt, den er am nächste» Morgen seinen versammelten „Abonnenten" vorlrägt: er ist die unterste Stufe einer Leiter, auf deren Höhe das reich ausgestattete Redactionsbureau einer englisch-indischen Zeitung steht, mit einem großen Leserkreise und Agenten wie Correspondenten nicht allein in Indien, sondern auch in England. Die erste Druckerpresse wurde in Ostindien um die Mitte des 16. Jahrhunderts durch Jesuiten in Goa ausgestellt in Antiqua-Schrift wurden nach einem ausgezeichneten Transcriptionssysteme sogar Lehrbücher über das Kanaresische gedruckt. Ende des 17. Jahrhunderts verfielen Presse und Wissen schaft in Goa unter dem Einfluß der zu den höheren Weihen zugelastenen Eingeborenen; dagegen erhielt sich ein Jahrhundert länger die Presse, welche mit dem Jesuitenseminare in Am- balakada beim heutigen Dorf Angamali in Kotschin verbunden worden war; Tippu Sahibs Raubzug zerstörte die Ansiedelung, als er Kotschin mit Krieg überzog, und die Holzblöcke gingen zu Grunde mit denen dort seit 1679 sogar in Malayalam, der Sprache von Malaoar, gedruckt wurde. Diese Pressen sollten die Eingeborenen mit den Heilswahrheiten des Chrstienthums bekannt machen; dies blieb auch der Zweck der berühmten Presse zu Serampur, nörd lich von Calcutta, bis 1845 dänische Besitzung, welche im Jahre 1800 Baplisten-Missionäre gegrün det hatten. Generalgouverneur Marquis Wellesley (1798 bis 1805), der unter seiner ausgedehnten organisatorischen Thätigkeit — von ihm rührt in Bengalen die Trennung der Justiz von der Ver waltung her — sehr empfindlich gegen Widerspruch geworden war, sah die Einbürgerung des Buch druckers sehr ungern und duldete außerhalb der Hauptstadt die Ausstellung von Druckerpressen nicht; die ersten indischen Pressen, die man für poli tische Bestrebungen benützte, wurden deshalb jene zu Serampur. Am 18. Mai 1818 läßt dort Missionär Marshman die erste Zeitung erscheinen, den „Spiegel von Serampur", Serampur Darpan. In demselben Jahre erhielt Bombay in der Gutscharati-Sprache seine Zeitung, 1819 macht sich sadann Rain Moham Roy, »er Begründer der von den Sonadschis auf genommenen religiösen Neformbewegung, das neue Mittel, Anhänger zu gewinnen, zu Nutzen und be ginnt in Calcutta ein Journal, das 22 Jahrgänge erlebt; im nächsten Jahre tritt dort die ortho doxe Partei mit einem Blatte ihrer Richtung her vor. 1823 wird in Bombay die erste Zeitung in MarLthiti gedruckt, 1833 in Madras, in Tamil und Telugu. Die leitenden Behörden sahen die neuen Schöpf ungen ungere; noch 1822 nennt in einer Denkschrift Sir Thoma? Munro, einer der obersten Rälhe im indischen Verwaltungsrathe, ,elbst die Ausgabe eng lischer Blätter eine Gefahr. Der erste, welcher die Vortheile einer amtlichen politischen Presse erkannte, war Marquis Hastings, der 1823 im Jahre seines Rücktrittes als Generalgouverneur dafür sorgte, daß der Serampur Darpan zum halbamtlichen Organ wurde, und um den vierten Theil der Brieftaxe versendet werden durfte. Sein Nachfolger Lord Amherst (1823—28) ermächtigte zu Mittheilungen in diesem Blatte aus Regierungs-Acten. Die Ein geborenen benützten die Spalten des Darpan gerne, um Wünsche und Beschwerden vor die Regierung zu bringen; diese half Mißständen in der Verwal tung ab, die auf solchem Wege blosgelegt wurden und sonst nicht zu ihrer Kenntniß gekommen wären, z der Nutzen einer Presse war für Negierung wie Unterthanen dargethan. Noch blieb jedoch die Presse einer strengen Bevormundung unterworfen, freie Meinungsäußerung konnte gefährlich werden; Auf stellung einer Druckerpreste wie Einrichtung einer lithographischen Anstalt unterlagen den, Concessions- Mange, Redacteure der Cautions-Pflichr. Es be durfte der Begeisterung eines Lord Thomas Macau- iuy, des nachmaligen berühmten Geschichtsschreibers, *) Abdruck aus dem interessanten Werke: Indien in Wort und Bild von E. Schlagintweit. Mit 4000 Jllustr. In ca. oo Lieferungen L t '/- Mk. um die Bedenken eines ängstlichen Beamtencollegiums zu besiegen. Durch Acte 11 von 1835 erhielt In dien die Preßfreiheit gewährt. Die Errichtung einer Druckerpreste wie die Ausgabe einer Zeitung wird lediglich an die Bedingung der Anzeige geknüpft, eine Caution ist nicht verlangt und der Inhalt der Druckschriften lediglich unter das bürgerliche Straf gesetz gestellt. Das Verfahren paßt sodann ein Gesetz von 1868 völlig den Bestimmungen für das Mutterland an; preßgesetzliche Beschränkungen setzten 1857 während des Aufstandes wie jetzt ein beson deres Gesetz voraus, um rechtswirksam zu sein. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. Deutsche Industrie im Auslände. Eine kleine Anecdots, die von der Melbourne! Weltausstellung mitgetheilt wird, liefert einen sehr bezeichnenden Beleg von der Wich tigkeit, welche es für die deutsche Industrie hat, ihre Muster leistungen dem Auslande vorzuführen, damit nicht fremde Industrien ernten, was deutscher Gewerbefleiß gesäet hat. Bekanntlich steht Deutschland weitaus obenan in der Anfer tigung von Lehrmitteln, besonders für den Anschauungs unterricht nnd befindet sich mit dieser Industrie im Dienste der Pädagogik aller civilifirten Länder. Die Section der Melbourner Preisjury für Unterrichtswesen scheint aber mit diesen Verhältnissen nicht recht bekannt zu sein, denn sie stand im Begriff, der Londoner Unterrichtsbehörde einen Preis für ausgestellte Wandtafeln zum Anschauungsunter richt zu ertheilen. Eine Intervention des deutschen Com- missärs, Herrn Reuleaux, welcher geltend machte, daß diese Wandtafeln Products deutscher Industrie seien, würde einen Erfolg kaum aufzuweisen gehabt haben, wenn derselbe nicht aus der deutschen Abtheilung der Ausstellung selbst den Nachweis hätte erbringen können, daß die Tafeln einen Be- standtheil der bekannten Leutemann'schen Sammlung von Thierbildern bildeten, welche die Leipziger Berlaqshandlung in ihrer Gesammtheit zur Ausstellung gebracht hatte. Wir meinen, daß die Intervention des Reichscommissars andern falls erfolglos gewesen wäre, da die Londoner Unterrichts behörde sich hatte angelegen sein lassen, den Stempel der deutschen Verlagsfirma auf den Tafeln durch eine Etiquette, welche den englischen Titel des Bildes enthielt, zu überkle ben. Der Vorgang ist somit auch um deswillen mittheilens- werth, weil er be oeist, wie die Engländer bei aller eigenen Leistungsfähigkeit sich nicht versagen, die auf dem Welt märkte bisher weniger bekannten industriellen Leistungen Deutschlands sich zu annectiren. Die Beschickung der Welt ausstellung seitens Deutschlands schiebt einem solchen die deutschen wirthschaftlichen Interessen schädigenden Mißbrauch einen wirksamen Riegel vor. Ueberlistet. Im Dorfe M. bei Cosel O./S. überlistete ein Wilddieb seine Verfolger auf folgende Weise: Er hatte einen feisten Bock heimgebracht; von einem Dorfgenossen in Kenntniß gesetzt, daß bei ihm Haussuchung gehalten werden solle, schickte er sein Weib und Säugekind zu Nachbarsleuten, verwahrte Flinte sammt Bock in der Wiege und erwartete unter den Trällern von Kinderweisen die Forstoffizianten. Von diesen aufgefordert, ihnen mit einem Lichte nach dem Boden vorauszuleuchten, er klärte er sich dazu bereit, wenn inzwischen einer der Forstgehilfen seine Stelle an der Wiege übernähme. Natürlich fiel die Haussuchung fruchtlos aus, da der Gehilfe keine Ahnung davon hatte, daß der ge suchte Rehbock von ihm gewiegt werde. Ein uralter Fuchs ist jüngst bei Luckenwalde geschossen worden, ein wahrer Veteran unter dem Jagdwild. Das „Kl. Journ." giebt von ihm fol gende Schilderung: Der Oberkiefer steht rechts seit wärts, der Unterkiefer dagegen links seitwärts, so daß sich das Gebiß nur im Hinteren Theile des Rachens begegnen kann; ras Beißen muß daher der alte Kreuzschnabel schon längst eingestellt haben, um so mehr, da ihm überdies der größte Theil sei ner Zähne und namentlich die Haken fehlen. Der Corpus Hal eine festliche Lage nach links und die ganze Figur daher das Aussehen, als ob der Buckel vom Rückgrat gerutscht sei; es hat dies darin seinen Grund, weil der linke Vorderlauf und der linke Hinterlauf nur als zwei Stumpfe sich präsentiren — jedenfalls ein trauriges Andenken an das Teller eisen. Die Ruthe, sehr buschig, aber abnorm kurz, endet in einer kugelartigen, harten Verknorpelung. Der gesammte Pelz trug eine fast aschgraue Fär bung — im Uebrigen war Reinicke feist und wohl genährt und muß also, trotz seiner bis ins Lächerliche gehenden Verstümmelung, keine Noth ausgestanden haben. Gegen den übermäßigen Besuch von Geschäfts reisenden hat ein Fabrikoirector in Westfalen folgen des Schutzmittel erfunden. Jeder Fremde, der zum Director will, muß sich zuerst beim Portier melden; von dieiem wird er dann m ein kleines Zimmer geführt und höflichst gebeten Platz zu nehmen. Als dann drückt der Portier auf einen Knopf und mit telst Fahrstuhles, denn ein solcher ist eigentlich das kleine Zimmer, fährt der Fremde mitten in das Comptoir des Directors. Da nun der Fahrstuhl ringsherum mit einem Gitter versehen ist, kann der Besucher in das Comptoir nicht eintreten, muß viel mehr von seinem Platze aus mit dem Director unterhandeln. Stellt sich nun heraus, daß der Fremde ein Geschäftsreisender ist, so zuckt der Direc tor einfach die Schultern, bedauert, keinen Bedarf zu haben, drückt an dem verhängnißvollen Knopf, und noch ehe der Reisende „Empfehle mich!" stam melt, sitzt er schon wieder in der Portierstube. — krodatuin ost! In einer gemüthlichen Abendgesellschaft wurde das sogen. Dichtspiel exekutirt. Dabei fiel einem jungen Manne die Aufgabe zu, aus den Reimworten: Speise — stellenweise; Still und leise — aus dem Gleise; Rosenroth — Mausetodt — ein Gedicht zu bilden. Er entledigte sich dieser Aufgabe in folgen der zeitgemäßer Strophe: „Die Zwiebel ist der Juden Speise; „Man findet letztere stellenweise. „Sie herrschen bei uns still und leise; „Und bringen uns noch aus dem Gleise. „Wir sehen viel zu rosenroth; „Ich wollt' sie wären mausetodt! Allerlei. Berlin hat nach der ersten correcten Zählung 1,122,385 Einwohner, und zwar 543,261 männliche und 579,124 weibliche; die letztere Zahl ist um 35,863 Personen größer. — In einem Theile von Jova (Vereinigte Staaten) ist der Man gel an Kohlen und Holz gegenwärtig so groß, daß die Farmer mit Mais Heizen. Mais ist für Gegen den, wo er blos zum Preise von 15 Cents per Bushel verkauft werden kann, ein ganz guter Heiz stoff. Wie die „St. Paul Pioneer Preß" meldet, soll sogar auf ein'gen der Locomoliven des C. M. und St. Paul Eisenbahn Mais als Heizungsmaterial, und zwar mit ganz gutem Erfolge verwendet worden sein. — Professor von Treitschke hat das Unglück gehabt, seinen Sohn Otto Heinrich durch den Tod zu verlieren. Derselbe erlag in der Nacht zum 14. d. M. der Diphiheritis. — Ein etwa 10jähriges, dem Eissport eben so graziös als energisch huldigen des Backfischlein wurde kürzlich von einem jungen Manne gefragt, weshalb ihre (etwa 16jährige) Schwester in diesem Winter nicht mehr auf der Schlittschuhbahn erscheine; und das liebe Herzchen gab prompt zur Antwort: „Die Hal es nicht mehr nöthig; sie hat sich vor 8 Tagen verlobt!" — Wie die „Pekinger Zeitung" meldet, besitzt jetzt der zehnjährige chinesische Kaiser Quang-su 329 Ge stüte mil 97,956 Pferden und Füllen, dann 6732 Kameele, 12,139 Stück Mastvieh und 248,815 Stück Schafe. — In Ladowitz (Böhmen) fand verflossenen Sonntag ein Ballfest statt. Als die Unterhaltung ihren Höhepunkt erreicht hatte, ereig nete sicy ein Zwischenfall, der in solchen Räumen wohl zu den seltensten gehört. Eine dralle Dorf schöne brachte nämlich einen kleinen Weltbürger während des Tanzes zur Welt. — In Wien wer den an den Aermeln der Herren-Ueberzieher kleine Taschen angebracht, in welche die Damen, wenn ihnen der Arm gereicht wird, ihre zarten Händchen stecken, um sie vor Kälte zu schützen. — , In einem Wechselprozesse in Frankfurt a. M. pro- duzirte ein Anwalt zum Beweise, wie sehr sein Klient bewuchert worden sei, eine ganze Serie Prolongations-Wechsel. Wie sehr war er ver dutzt, als der Vorsitzende bemerkte: „Hätten Sie mir lieber die Wechsel nicht gezeigt; jetzt muß ich sie an mich nehmen; sie sind nicht gestempelt." Sofort verschwanden sie in den Acten. Die Strafe dürfte bei 600 Mk. betragen. — Eine neue Erfin dung auf dem Gebiete der Industrie macht viel von sich reden, indem der „Nouiteui' äos ü1s et äas tissus" eine neu erfundene Spitzenklöppel maschine bespricht. Es sollen bereits wegen Ueber- lassung des Patents für Amerika Unterhandlungen statlgefunden haben und 5 Mill. Francs geboten worden sein. Auch für England schweben ähnliche Unterhandlungen. — Der in Wien einen praktischen Kursus im Operiren durchwachende Herzog vr. moä. Karl Theodor in Bayern operirte neulich eine 60jährige Kinderwärlerin am Epithclialkreps am linken unteren Augenlid und ersetzte den Defect durch Transplantation eines Haustappens aus der Schläfegegend. Die Patientin küßte dankbar für diese gelungene Operation dem herzoglichen Arzte die Hand und dankte; der Herzog unterbrach sie mit den herzlichen Worten: „Großmutters, schon gut; mich freut es gerade so wie Sie, daß Ihre Heilung so schnell und so gut gelang." Der Herzog soll Ehren-Doctor der Wiener medicinischen Fakultät werden. — Ungarns ältester Hagestolz ist dieser Tage in Szatmar-Nemeti gestorben. Es war dies der 107 Jahre alt gewordene Samuel Aitay. Der selbe war 1774 geboren und hatte schon im Jayre 1803 als Stuhlrichter im Szatmarer Comital ge wirkt. Er war ein gebildeter Man». — In Hol land hat der ganze Eisenbahndienst eingestellt werven müssen, da heftige Schneeverwehungen eingelre- ten sind. — In England herrschte ein heftiges Unwetter, Sturm und Schneefall, während des