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SchimlmM Tageblatt und Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Waldenburger Anzeiger 125. Mittwoch, den 2. Ami 188». Bekanntmachung. Die Feuerlösch-Ordnung für die Stadt Waldenburg vom LS. März 1880, welche zur Einsichtnahme in hiesiger Polizei-Expedition ausliegt und von welcher Druckexemplare L 20 Pf. daselbst abgegeben werden, tritt mit dem 2. Juni 1880 in Kraft. Die Feuerlöschordnung für die Stadt Waldenburg vom 8. December 1868 wird außer Kraft gesetzt. Waldenburg, den 31. Mai 1880. Der Stadtrath. Cunrady. *Waldenburg, 1. Juni 1880. Ein Vorschlag, gesunden Credit zn schaffen. Mit dem Jnkraftreten des neuen Wuchergesetzes wird allem Anscheine nach eine nicht unerhebliche Aenderung in der bisherigen Creditgewährung ein treten. Die Gelddarleiher werden vorläufig vorsich tig abwarten, wie sich die Criminaljustiz zu den mannichfachen unsauberen Geschäftchen benehmen wird, um sodann neue Wege aufzusuchen, damit das Gesetz umgangen werden könne; ein anderer Theil wird vielleicht so viel Ehrgefühl bewahrt ha ben, um selbst der Möglichkeit einer etwaigen Be strafung aus dem Wege zu gehen und das Geld verleihen einstellen; wieder ein anderer Theil wird den bisher gewährten Credit unterbrechen, um die betroffenen Schichten in die Opposition gegen die neue Wuchergesetzgebung selbst hineinzuziehen. Die in dem Wuchergesetze enthaltenen Begriffsbe stimmungen: Unerfahrenheit, Leichtsinn, Nothstand sind als so dehnbar zu betrachten, daß sich die Be- urtheilung des einzelnen Falles jeder Vorausbe rechnung entzieht und selbst die geriebensten Cra- vattenfabrikanten darüber so im Dunklen tappen, daß sie erst dann wieder mit einiger Sicherheit an die Geschäfte gehen werden, wenn ihnen die Praxis der Gerichtshöfe Kriterien und Anhaltspunkte ge währt. Mancher Geschäftsmann, Handwerker rc., der nicht gegen Baar liefern kann, aber doch allwöchent lich die Wochenlöhne zu bezahlen und sonstige Aus gaben zu bestreiten hat, wird unter dem Umstande, daß in dem Discontiren der kleinen Geschäftswechsel e'n völliger Stillstand eintritt, vor der Hand schwer zu leiden haben. Wenn es nun nicht zu beklagen ist, daß in diesen ungesunden Creditverhältnissen eine zeitweilige Unterbrechung eintritt, so kann doch der Handwerkor und kleinere Gewerbetreibende mit der Unterdrückung des bisherigen Wuchercredits des Credits überhaupt verlustig gehen und an einer Maßregel, welche seine Stellung verbessern sollte, seinen völligen Untergang finden. Aufgabe der Negierung wird es deshalb sein, bei Zeiten an einen heilsamen Ersatz zu denken, wozu sie auch die Mittel in der Hand hat, einmal in einer anderweiten Bemessung der Thätigkeit der Reichsbank, daß dieselbe in der gleichen Ausdehnung wie die französische Bank die kleinen, aber durchaus sicheren Wechsel der kleinen Handwerker und Ge werbetreibenden discontirt, und zum Andern, daß die Darlehnskassen wieder ins Leben gerufen werden, um dadurch denjenigen Theil der Bevölkerung, wel cher heute für seinen Credit eine Art von Zoll an die Banguiers bezahlen muß, in den Stand zu setzen, sein Creditbedürfniß direct und ohne Zischenabgaben bei der Quelle der Neichsbank, aus welcher auch unsere Banguiers schöpfen, befriedigen zu können. Was das Nisico der Reichsbank hierbei betrifft, so ist auf die Erfahrungen der französischen Bank hinzuweisen, die unbedingt dafür sprechen, daß die Wechsel der Handwerker und kleinen Gewerbtreiben- den mindestes ebsenso sicher sind wie die der gro ßen Firmen. Unsere Darlehnskassen haben übrigens zusammengenommen während der ganzen Zeit ihres Bestehens nicht so viel Verluste gehabt, wie z. B. die Filialstelle der Reichsbank in Dortmund in einem Jahre an das Bein binden mußte. *Waldenburg, 1. Juni 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Am Mittwoch findet bei Sr. Majestät dem Kaiser auf Schloß Babelsberg große Tafel statt, wo das Oberhaupt der Königlichen Familie im Kreise derselben, der obersten Hofchargen, der Gefolge und der Minister, die Verlobung seines Enkels, des Prinzen Wilhelm, feierlich proclamiren wird. Die Hohe Braut mit ihrer Schwester werden mehrere Wochen in der Kronprinzlichen Familie verweilen, um sich mit den Verhältnissen vertraut zu machen. Der Bundesrath hat am 29. d. auch die Ham burger Angelegenheit erledigt. Die Ausschüsse für Ho.ndel und Verkehr und für Zoll- und Steuer wesen haben ihre Vorschläge in Bezug auf die Ver legung der Zollgrenze auf die Unterelbe erstattet, und haben dieselben die Zustimmung des Plenums gefunden. Der Anschluß der Stadt Altona an den Zoll verein wird sich, wie wir bereits andeuten konnten, nicht ohne erheblichen Kostenaufwand durchführen lassen. Einstweilen sind die Kosten auf ca. 3 Mill. Mark veranschlagt. Es entsteht nun die Frage, wer diese Kosten zu decken hat, ob Preußen oder das Reich, zu dessen Gunsten doch der Erfolg des Ge setzes verwendet werden wird. Zu dem jetzigen kirchenpolitischen Streit, der durch den Gesetzentwurf, betreffend die Disciplinar- gewalt des Staates, im preußischen Abgeordneten hause hervorgerufen worden ist, wird von Nom aus eine wichtige Depesche veröffentlicht, welche lautet: Nach Bekanntwerden des Wortlauts des neuen Maigesetzes ist die Stimmung des Vatikans günstiger. Die Concessionen Bismarcks übersteigen die Er wartungen. Nichtsdestoweniger läßt der Vatikan der Centrumspartei vollständig freie Hand. Der Vatikan betrachtet Bismarcks Gesetzentwurf ähnlich wie das italienische Garantiegesetz als ein solches, welches den Papst nichts angeht. Die Herausgabe der Bismarck'schen diplomatischen Cor- respondenz wirkte auf den Vatikan verblüffend. Die Commission für die Kirchenvorlage hat sich am 31. Mai constituirt, ihren Berathungen wird der Cultusminister mit dem Geh. Rath Hübler beiwohnen. In neuester Zeit gelangen bei den Berliner Postanstalten Freimarken zum Verkauf, die sich von den bisherigen dadurch unterscheiden, daß sie die Werthbezeichnung statt in „Pfennige" in „Pfennig" aufführen. Außer diesem sichtbarenUnterschied weisen die neuen Marken jedoch noch einen anderen auf, der als eigentliche Veranlassung zur Herstellung der neuen Marken anzusehen ist. Sie sind mit einem nur leicht am Papier haftenden Farbendruck ver sehen, um die bei den früheren Marken mit fester haftendem Druck leichter mögliche Entfernung des Stempels und somit die betrügerische Wiederver wendung bereits entmertheter Freimarken zum Scha den der Post zu verhindern. Frankreich. Der König von Griechenland weilt gegen wärtig in Paris. Derselbe empfing am 29. Mai den Besuch Gambetta's, welchen er sofort im Palais Bourbon erwiderte. Beide Unterredungen währten länger als gewöhnliche Höflichkeitsvisiten. Auch wohnte ihnen der griechische Gesandte bei. Möglich, daß die griechische Grenzregulirung ihr Verhand lungsthema war. Anläßlich der landwirthschastlichen Aus stellung in Nevers hielt der Minister Cochery eine Rede, in welcher er die seitens der Negie rung zu Gunsten der Landwirthschaft gethanen Schritte hervorhob und betonte, daß die günstige finanzielle Lage des Landes fortgesetzt Entlastungen gestatte. Der Minister schloß mit der Erklärung, daß Frankreich seinen friedlichen Weg forisetzen und dabei Achtung und Sympathien nach Außen hin finden werde, während es im Innern die nothwen digen Formen vorbereite, ohne einem legitimen Rechte zu nahe zu treten und ohne sich durch irgend welche Ungeduld fortreißen zu lassen. Italien. Der Vatikan schmollt mit Frankreich. Seit einigen Tagen ist infolge der letzten Mittheilungen der französischen Negierung bezüglich der März decrete der amtliche Verkehr zwischen dem französischen Botschafter beim Vatikan und dem Cardinalstaats sekretär aufgehoben. In der Kammer brachte Depretis das Wahlge setz ein und verlangte die dringliche Behandlung. Nach der Debatte, wann das Gesetz berathen werden solle, genehmigte die Kammer mit 210 gegen 130 Stimmen den Antrag Cavalotti's, über das Gesetz noch vor den Ferien zu verhandeln. Türkei. Der ausgewiesene Vizekönig von Aegypten, Is mail, hatte vom Sultan die Erlaubniß erhalten, nach Aegypten zurückkehren zu dürfen. Sein Nach folger Tewsik wies ihn aber zurück. Als Ismail darauf erklärte, nach Constantinopel kommen zu wollen, um den Schutz des Sultans anzucufm, ließ Said ihm wissen, daß er in diesem Falle die sofortige Wiederentfernung zu gewärtigen habe. Bulgarien. Die Völkerschaften der Balkanhalbinsel fühlen sich bereits als Schoßkinder der neuen englischen Regierung. Die bulgarische National-Versamm- lung hat, wie aus Sofia geschrieben wnd, jüngst folgende Adresse an Herrn Gladstone gerichtet: „Die Nationalversammlung des Fürstenthums Bulgarien, eingedenk unermeßlicher Dienste, welche Sie der bulgarischen Nation geleistet haben, hält es für ihre Pflicht, Sie zu dem Triumph, den ihre liberalen und Emancipations-Jdeen bei den letzten Parlaments wahlen errungen haben, aufs Wärmste zu beglück wünschen. Die Nationalversammlung ist glücklich, Ihnen gleichzeitig von den warmen Gefühlen gegen die englische Nation, die bei jever Gelegenheit ihre großen Sympathien für die unglücklichen Christen des Orients bewiesen hat, Kunde geben zu können." Albanien. Die Zahl der an der montenegrinischen Grenze unter Waffen stehenden Albanesen ist auf kaum 9000 Mann zusammengeschmolzen. Die Zahl der