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Aus dem Sachfenlande. — Am Sonnabend war der Ausschuß des Lan- desculturrathes in Dresden versammelt. Die Ple narsitzung findet am 31. Mai statt, Es handelt sich um Maßregeln, eine besondere Pflege der Pri vatwaldungen in Sachsen zu erzielen, jedoch nicht durch Zwang. — In Freiberg beabsichtigt man für Frauen und Mädchen eine Bade- und Schwimmanstalt zu errichten, wie solche in Dresden, Leipzig, Chem nitz, Zittau und änderen Städten schon längst be stehen. — In Rosenthal bei Königstein ist ein todtes Kind mit zwei Köpfen zur Welt gekomen. Die Mutter soll sich den Umständen noch wohl befinden. — In Meerane wurden am 24. d. im „Gol denen Löwen" zwei Personen verhaftet, die in Seiferitz in verdächtiger Weise Uhrenhandel betrie ben. Zwar hatten sie Pässe, doch lautete einerder seiben auf „Holzpantoffelarbeiter." Die von der Polizei vorgenommene Visitation der Heiden Per sonen förderte eine große Anzahl von Uhren zu Tage auch an baarer Kaffe fehlte es nicht. Da die angeblichen Händler in Gewahrsam gebracht sind, wird sich herausstellen, ob dieselben Freihänd ler, ohne Gewerbeschein, und ob die Uhren redlich erworben sind. — Im Thearer in Marienberg kamen kürzlich ein junger Offizier und zwei Damen in peinlichste Verlegenheit, als der gastirende Herzog!, sächs. Hof schauspieler Otto Hartmann mitten im zweiten Acte des „Mozart" abhrechend von der Bühne aus er klärte, er spiele nicht weiter, da jene drei Persön lichkeiten sich in viel zu wenig rücksichtsvoller Weise benähmen. Die Direction des Theaters erklärte auf, Mes hin sofort, daß sie das Entree an der Caffe zurttckzahle, und so nahm das Gastspiel ein viel von sich reden machendes plötzliches Ende. — Eine ganz miserable Zigeunerbande, die etwa 40 Köpfe stark ist und 5 Wagen und 6 Pferde besitzt, kam am 22. Mai von Böhmen über Ober wiesenthal nach Sachsen herein, woselbst sie in und bei den Orten Jöhstadt, Königswalde, Geysrsdorf und Mildenau Räubereien ausgeführt hat, trotzdem sie von der Gendarmerie fortwährend nach der Grenze getrieben ward. In Königswalde überfielen Leute dieser Bande Frau und Tochter des Steuer einnehmers Siegel, brachen das Pult auf und raub ten die Kaffe, die zum Glück nicht viel enthielt. In Annaberg endlich gelang es der Gendarmerie, die Bande dingfest zu machen, so daß sie nun hin ter Schloß und Riegel fitzt. Die Zigeuner führen den Namen „Widczik". Die wenigen Gendarmen, gegenüber der verwegenen Bande, die 7 kampffähige Männer besitzt, haben jedenfalls ein Bravourstück ihrer Pflichterfüllung geleistet. Feuilleton. Nach -em Leben. Erzählung von vr. Audokph Wükvener. (Fortsetzung.) Hier that rasche Hilfe noch, und da die Krank heit zu weit vorgeschritten war, daß von einem Brechmittel sichere Hilfe zu erwarten gewesen, so blieb, diese Ueberzeugung drängte sich Walden so fort auf, nichts, als dis Tracheotomie, der Kehl schnitt. Allein dies ist eine schwierige und immerhin ge fährliche Operation, die Walden außerdem noch nie an einem Lebenden, sondern nur an Leichen zu vollziehen Gelegenheit gehabt hatte, und ein Blick auf das bleiche Gesicht der von ihm so heißgelieb ten Frau, welche mit einer so grenzenlosen Zärt lichkeit an diesem Kinde hing, lähmte einiger maßen seine am Krankenbette sich sonst nie verleug nende Entschlossenheit. Doch hier hing Gefahr an jeder Secunde; Walden forderte die Damen, da deren Gegenwart bei einer derartigen Operation für weibliche Nerven zu angreifend gewesen sein würde, auf, das Zimmer zu verlassen. Beide gehorchten, und Frau von Hohenfeld warf ihm in dem Moniente, in welchem sie die Schwelle des Zimmers überschritt, noch einen Blick hoffnungs losester Verzweiflung zu, der den Doctor bis in's innerste Mark erschütterte. Und nun vollzog Walden, seine Hand gewaltsam zur Festigkeit zwingend, die Operation unter dem Beistände Hohenfeld's und eines herbeigerufenen Dieners. Und als er sie vollendet, glücklich voll endet, gab er dem Diener Befehl, Frau von Hohen- Sitzung des Gewerbevereins. *Waldenburg, 26. Mai. In gestriger^Gewerbe- vereinssitzung begrüßte nach Verlesung des Proto kolls über die letzte Sitzung d-r Vorsitzende Herr WirthschaftSoirector vr. Lamprecht 3 Gäste und theilte mit, daß dem Verein wiederum 2 neue Mit glieder beigetreten sind; ferner daß vom Tischler Richard Gumbrecht in Remse, der bei seinem Vater in Remse gelernt hat, ein Gesellenstück, ein Wasch tisch, bei einem Tischlermeister in Kleinchursdorf unter Controle angefertigt worden sei, die Ge werbevereins-Commission habe das Stück besichtigt und dasselbe für „sehr gut" befunden, der Vater des Ausgelernten habe Demselben das Zeugniß ge- gegeben, daß er sich während seiner Lehrzeit gut betragen habe und so sei seitens des Gewerbevereins ein vom hiesigen Stadtrath beglaubigtes Lehrzeug- niß ausgestellt worden. Bei dieser Gelegenheit bat der Herr Vorsitzende, daß diejenigen Lehrlinge, für welche Lehrvertragsformulare des Vereins ausge fertigt worden, doch auch beim Vereine angemeldet werden möchten, seither sie dies nicht allenthalben geschehen. Der Herr Vorsitzende theilte ferner mit, daß auf die seitens des Gewerbevereins beim Reichstag ein gereichte Petition, den Wucher betreffend, vom Reichs tagsbureau eine dahingehende Antwort eingetroffen sei, daß der Reichstag in seiner Sitzung vom 22. April d. I. bei der zweiten Berathung des Wucher gesetzes beschlossen habe, die von dem Gewerbeverein zu Waldenburg unter dem 24. Januar 1880 ein gereichte Petition durch die zu dem vorgedachten Gesetzentwürfe gefaßten Beschlüsse für erledigt zu erklären. Bezüglich der in der letzten Sitzung aufgeworfenen Frage über die Samoavorlage, welche inzwischen abgelehnt worden sei, habe der Ausschuß beschlossen, eine Adresse an den Reichskanzler in Gemeinschaft mit anderen Gewerbevereinen abgehen zu lassen, und sei mit der Ausarbeitung derselben der Herr Vorsitzende und Hr. Schuldirector Hanschmann be traut worden (Wir bringen den Wortlaut der Adresse in heutiger Nr.) und werde dieselbe demnächst ab gesandt werden. Hinsichtlich der Bettelfrage habe der Ausschuß beschlossen, sich direct an den Stadtrath zu wenden, da nur mit Hilfe der Polizei etwas Ersprießliches zu erzielen sei. Endlich theilte der Hr. Vorsitzende mit, daß mit dieser Sitzung die Wintersaison schließe und daß im Sommer nur alle 4 Wochen gesellige Zusammen künfte stattfinden sollen; die Bibliothek werde jedoch auch während dieser Zeit geöffnet bleiben. Sodann erhielt Hr. Schuldirector Hanschmann das Wort zu seinem Vortrage über das Licht. Redner betonte den Einfluß des Lichtes auf das Wachsthum der Pflanzen und Thiere und deren Farbenbildung, daß ohne Licht und der dasselbe be- feld und ihre Schwester in das Zimmer zurückzu rufen. Frau von Hohenfeld betrat dasselbe mit wanken den Schritten. „Gerettet!" rief sie aus in Mem so Hellen und vollen Tone, daß es saft wie Jubel klang. „Sie haben mein Kind gerettet? Mögen Sie dafür ge segnet sein immerdar." Aber der Uebergang von der tiefsten Trost- find Hoffnungslosigkeit zur höchsten Freude war ein zu schroffer, als daß er sie nicht hätte auf das Tiefste erschüttern sollen. Ihre Kniee wankten, und sie würde zusammengesunken sein, wenn nicht Hohen- felv sie in seinen Armen aufgefangen und zu einem Sessel geführt hätte. „Darf ich wirklich hoffen? Ist jede Gefahr be seitigt?" fragte sie, nachdem sie sich einige Augenblicke gesammelt. „Hoffen Sie gnädige Frau!" antwortete Walken mit ernster in Folge seiner eigenen Bewegung leicht vibrirender Stimme. „Ich wiederhole es Ihnen, daß ich glaube, bei gewissenhafter Beobachtung meiner Vorschriften für die Herstellung Ihres Sohnes bürgen zu können. — Aber nun," fuhr er fort, „Muß ich Sie, gnädige Frau, in Ihrem eigenen Interesse, wie in dem Ihres Kindes, bitten, Ihre Aufregung zu mäßigen, Ruhe ist das erste Erfor derniß in einem Krankenzimmer." Fortan herrschte im Zimmer ein beklommenes Schweigen: Hohenfeld hätte seinen alten Platz am Fenster wieder eingenommen, und Frau von Huß- lar beobachtete, halb von der Gardine verborgen und auf diese Weise selbst gegen jede Beobachtung geschützt, jeden Blick, jede Miene des Doctors, der, die Uhr in die Hand, neben dem Bett des kleinen Patienten saß und jeden seiner Pulsschläge zählte. Dann und wann freilich, namentlich wenn sein gleitenden Wärme das Pflanzen- und Thierleben nicht existiren könne und ging auf das Wesen des Lichtes, einer der schwierigsten Lösungen in der Physik, näherein. Unsere hauptsächlichste Lichtquelle sei die Sonne, von deren Strahlen die Planeten und Monde beschienen würcen. Das Licht bestehe in außerordentlich schnellen Aetherschwingungen, welche die Netzhaut unseres Auges treffen. Eine Licht quelle sei ferner die Electricität, sodann die Wärme, der Verbrennungsprozeß und die sogenannte Phos- phorescenz. Redner sprach weiter über die Wirkungen des Lichtes (z. B. Photographie), über Beugung, Interferenz und Brechung der Lichtstrahlen, z. B. durch ein Prisma (Spectrum). In Ergänzung des Vortrages folgten demselben noch eine Reihe von Lichtbildern, welche Herr Photograph Leunis hier mittels seines Sciopticons vorführte. Im Fragekasten '«fanden sich drei Einlagen: 1. Ob der Gewerbeverein nicht die Gründung eines Schutzvereins für Handel- und Gewerbetreibende in die Hand nehmen wolle, wie solche bereits in anderen Städten existirten. Der Herr Vorsitzende stellte in Aussicht, dieser Angelegenheit im Ausschuß näher zu treten. 2. Woher mag es kommen, daß die hiesigen besseren Klassen das hiesige Gewerbe so wenig unter stützen, liefert das hiesige Gewerbe theurer oder schlechter als in größeren Städten? (Diese Frage wurde mehr als Bitte betrachtet und blieb ohne Er örterung.) 3. Könnte nicht vom Stadtrath angeordnet werden, daß den Gemüsehändlern verboten wird, in den Morgenstunden auf dem Markt einzukaufen, sondern erst nachmittags? Sicher würde ein solche Anord nung den Beifall der Hausfrauen finden. (In der Debatte wurde auf die Erfolglosigkeit einer solchen Maßregel hingewiesen.) Darauf folgte Schluß der Sitzung. Die sächsische Perlfischerei. Ueber die auf der Berliner Fischereiausstellung sich präsentirenden sächsischen Perlen enthält die „Nat.-Ztg." eine anmulhige Plauderei. Zunächst werden die kostbaren märchenhaften Perlengeschmeide, welche Pariser und Berliner Juweliere ausgestellt haben, geschildert. Dann heißt es: Wer dächte wohl angesichts dieser anspruchsvollen Herrlichkeiten aus dem persischen Golfe, von Ceylon's Gestaden oder von den Westküsten Nordamerika's, an unser bescheidenes Deutschland? Wem käm's wohl in den Sinn, daß es auch hier und gar nicht allzuweit von dem Ausstellungsplatze — nämlich in unserer königlich sächsischen Nachbarschaft — rechte echte Perlen zu fischen gäbe? Mit dem Worte „König reich Sachsen" verbinden wir in unserer Vorstellung die Begriffe von in Betrieb befindlichen Spitzen klöppeleien, Wollspinnereien, von Brühl'scher Terrasse, Blick auf das bleiche Gesicht der Frau von Hohen feld fiel, die, ihm gegenüber, am Fußende des Bettes saß und aufjeden Athemzug ihres Kindes lauschte, verirrten sich Waldens Gedanken weit weg vom Krankenzimmer; sie weilten dann fern im schönen Neckarthale; glänzender, frischer als je, traten die Bilder der Vergangenheit in diesem Augenblicke vor sein inneres Auge. So sehr Frau von Hohenfeld's Aufmerksamkeit auch von ihrem Kinde in Anspruch genommen war, so könnte sie es doch nicht hindern, daß ihr Blick dann und wann das ernste Gesicht des Doctors streifte- Da aber das Herz eines Weibes ein Ab grund ist, in welchem selbst der geschickteste Taucher noch niemals Grund gefunden hat, so versuchen wir nicht, die Empfindungen zu analysiren, die der An blick des Mannes, der ihr einst im Leben so nähe gestanden und der ihr, nachdem sie ihn Jahre lang nicht gesehen, heute fast wie ein Rettungsengel er scheinen mußte, in ihr erweckte. Endlich verabschiedete sich Walden, nachdem er zuvor noch einige Anordnungen getroffen und die pünktlichste Befolgung seiner Vorschriften wiederholt eingeschärft. Außer dem Baron begleiteten ihn, trotz seines Sträubens, Frau von Hohenfeld und ihre Schwester, nicht achtend des nächtlichen Sturmes, der in diesem Augenblicke die ersten Schneeflocken wild durch einander peitschte. * * Die Operation, welche Walden an Hohenfeld's Sohne vorgenommen, hat häufig Lungenhypäremie oder Lungenödem zur Folge, und fordert mithin Seiten des Arztes die aufmerksamste Behandlung des Kranken. (Fortsetzung folgt.)