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gouvernements von Kiew und Odessa mit größerer Strenge gegen die fremden Juden vorge gangen wegen der hervorragenden Betheiligung des jüdischen Elements an dem nihilistischen Complotten. Und zwar nehmen die Juden nicht nur der Zahl nach (etwa 7 pCt. der Verhafteten), sondern mehr noch durch ihre ebenso fanatische wie verschlagene Mitwirkung eine hervorragende Stelle unter den Nihilisten ein. Eine Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung und eine Erklärung der Grausamkeit und der Todesverachtung, welche man bei den jungen jüdischen Nihilisten beobachtet hat, liegt da rin, daß dieselben, wenn sie den strenggläubigen Familien, welche in Volhynien und Potolien zahl reich sind, angehörten, sich von diesen vollständig lossagen mußten, sobald sie sich den Studien auf russichen Universitäten widmeten; mit dem Fluche der Ihrigen beladen und kein Fortkommen im staat lichen oder bürgerlichen Leben findend, gerathen diese jungen Leute in einen Zustand von Wuth und Verzweiflung, welcher Verbrecher erzeugt. Die strengere Ueberwachung der Juden im Südwesten und im Süden hat herausgestellt, daß eine große Zahl derselben ausländische Pässe hat; namen- lich haben sich viele für türkische Unterthanen aus gegeben, um sich der Militärpflicht zu entziehen; eine bedeutende Menge von Ausweisungen hat in Folge dessen stattgefunden. Türkei. Im Jildizkiosk, dem „Hause der Glückseligkeit", war am 5. d. große Unruhe. Alle Brüder des Sultans verlangten auf einmal eine Audienz beim Sultan, um sich zu beschweren: 1) über die strenge Gefangenhaltung; sie dürfen außerhalb ihrer feuch ten Palaisräume nicht einmal spazieren gehen; 2) wegen der Nichtauszahlung ihrer Apannagen und 3) wegen ungenügender und mangelhafter Nahrung. Der Sultan verweigerte die Audienz und ließ sei nen Brüdern miitheilen, daß sie kein Geld nöthig hätten und daß sie in Bezug auf die gewährte Nah rung nicht schlechter daran seien, als die Bewohner des „Hauses der Glückseligkeit". Griechenland. Die griechische Regierung hat anläßlich der albane- sischen Bewegung Truppenzusammenziehungen an der türkisch-griechischen Grenze und in Korfu an ordnet. Afrika. Die Kaiserin Eugenie langte am 23. April Abends in Durban an, wo sie von General Sir Gernet Wolseley empfangen wurde. Am Sonntag, den 25., wohnte sie der Messe in der katholischen Kirche bei und stattete später dem Kloster einen Be such ab. Tags darauf reiste die Kaiserin nach Maritzburg ab, wo sie Abends eintraf. Die Kaise rin sucht auf ihren Wanderungen genau den Be wegungen ihres betrauerten Sohnes zu folgen. In Durban hat sie sich dasselbe Zimmer zur Wohnung Feuilleton. Nach dem Leben. Erzählung von vr. Rudolph Müldener. (Fortsetzung.) Als er jedoch die Sache mit kälterem Blute über legte da begriff er die Verirrung dieser stolzen, be gabten und energischen, aber durch die gemeinschaft liche Einwirkung einer jeder Harmonie entbehrenden Ehe im kältesten Egoismus verknöcherten Natur, und „Alles begreifen," sagt Wilhelm von Humboldt, eben so wahr als schön, heißt: „Alles verzeihen". Außerdem flößte ihm der Muth, mit welchen sie ihr Unrecht durch ein offenes Bekenntniß zu sühnen versucht, Achtung ein. Zuletzt mußte er anerkennen, daß er für ihre Mittheilung zum Danke verpflichtet sei. Der Glaube an eine reine und edle Weiblich keit ist jedem Manne ein Bedürfniß und nicht ohne einen bitteren Schmerz sieht ec diesen Glauben zer stört und das Götterbild, dem er in seinem Herzen einen Altar errichtet, zertrümmert und in den Staub getreten. Frau von Hußlar hatte Walden durch ihr Geständniß den Glauben an Mathilde, die ihm früher säst als Ideal aller Weiblichkeit erschienen, zurückgegeben und ihm dadurch einen großen Dienst geleistet. Früher hatte er jede Erinnerung an seine Jugend geliebte geflohen, und jetzt fand er ein wehmüthiges Vergnügen darin, sich ihr Bild immer und immer wieder in das Gedächtniß zurückzurufen, sich jeden Moment ihres früheren so beglückenden Beisammen seins zu vergegenwärtigen. Auch ihre Briefe, die früher sein größter Schatz, seit Jahren im untersten Winkel eines alten von ihm längst nicht mehr be nutzten Reisekoffers moderten, holte er hervor und las sie immer und immer wieder, und Frau Miede! anweisen lasten, in welchem ihr Sohn gewohnt hat, sie hat sich zu Ausfahrten desselben Wagens bedient, sie hat an demselben Tische gespeist. Der Fleck, auf welchem die beiden Cavalleristen, welche zugleich mit dem Prinzen fielen, begraben liegen, ist mit einer Mauer eingehegt und mit einem Graben um geben worden. Der auf diese Weise gebildete Be- gräbnißplatz ist mit Bäumen und Veilchen, der na poleonischen Blume, bepflanzt worden. Der Führer der Zulus, welche den Prinzen und seine Gefährten überfielen, hat an Ort und Stelle hoch und heilig versichert, daß die Trauerstälte niemals entehrt wer den soll. Da die Zulus alle Todten mit abergläu bischer Verehrung betrachten, so wird das Verspre chen muthmaßlich gewissenhaft gehalten werden. Aus dem Muldenthale. — In Zwickau ist in der Nacht zum 20. d. der Hotelier Robert Junghändel in seiner Schlafstube, die er nach Beendigung eines in seinem Etablisse ment abgehaltenen Vergnügens erst gegen Morgen betrat, während 'des ersten Schlafes räuberisch über fallen worden, wobei demselben mittelst einer dort befindlichen Radehaue sehr erhebliche Verwundungen am Kopfe beigebracht wurden. Soweit bis jetzt verlautet, hat Herr Junghändel, als er, vermuthlich nach dem ersten Angriff, sich etwas erholte, vor seinem Bette einen mit gedachter Radehaue bewaff neten Mann stehen sehen und nun, wie es scheint, nach einigem Kampfe die inwendig verschlossen ge wesene Thür zu gewinnen versucht. Dies ist ihm auch gelungen und hat er dann auf der Hausflur nach Hülfe gerufen, ist aber schließlich bewußtlos geworden. Alsbald herzueilende Hausbewohner fanden den Schwerverwundeten liegen, sahen aber auch, daß der Thäler durch ein Fenster des par terre gelegenen Locales entkommen war, wobei er keine Zeit behielt, den wohl zweifellos beabsichtigten Raub auszuführen. Der Zustand Herrn Junghän- dels ist allerdings besorgnißerregend, doch sind im Laufe des Nachmittags lichte Augenblicke eingetreten; die eifrigst geförderten Nachforschungen werden fort gesetzt. — Der vom Anstalts-Commando in Zwickau auf Posten vor dem Jsolirhause befindliche Soldat Holler hat sich kurz vor Mitternacht am 19. d. durch einen Schuß aus seinem Dienstgewehr in den Mund getödtet. Motive unbekannt. Aus dem Sachfenlande. — Das Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts hat eine Verordnung erlassen, nach wel cher Geldsammlungen in den Schulen fortan nur nach vorgän"iger Genehmigung veranstaltet werden dürfen. Mit der Entschließung wegen der Geneh migung, welche nur aus besonderen Gründen statl- bemerkte zu ihrem Erstaunen, daß der Herr Doctor feit einiger Zeit am kleinen Finger der linken Hand einen Ring trug, den er einst Mathilde geschenkt, den diese Jahre lang getragen und eben dadurch für ihn geheiligt hatte. Seit Walden denselben durch Frau von Hußlar zurückerhalten, hatte er ihn nicht mehr angesehen, jetzt aber konnte er es sich nicht versagen, denselben an den Finger zu stecken. In diese wehmüthigen Rückerinnerungen, denen Walden sich jetzt ohne Rückhalt überließ, mischte sich oft eine Wallung der Bitterkeit, wenn er daran dachte, wie glücklich er in Mathildens Besitz hätte sein können und durch welchen niedrigen Verrath — und hätten wir unter den Folgen desselben auch noch so bitter gelitten — leichter zu ertragen, als das nagende Bewußtsein, da getäuscht zu sein, wo wir mit ganzer Seele geglaubt und vertraut. * * * „Als Frau von Hußlar Waldens oben mitge- theiltes Schreiben empfing, malte sich eine lebhafte Aufregung, welche die weltgewandte Frau vergeb lich zu beherrschen sich bemühte, in ihren Zügen. Aber, als sie geendet, da zeigte sich der Ausdruck einer schmerzlichen Enttäuschung auf ihrem Gesicht; sie ließ sich in einen Fauteuil fallen, stützte da« Haupt in nachdenklichem Schweigen auf die Hand und seufzte tief und schmerzhaft auf: „Er hat mich nicht verstanden!" „Ja Walden hatte sie nicht verstanden! Er hatte nicht begriffen, daß nur die Liebe ein Weib veranlassen kann, einem Manne ein solches Ge ständniß zu machen, wie sie es Walden gegenüber gethan. Von Genuß übersättigt, unbefriedigt, angewidert von dem gehaltlosen Treiben der Kreise, in denen Haft ist, werden für Volksschulen die Schulvorstände (Schulausschüsse), für höhere Schulen (Gymstasien, Realschulen und Seminare), welche nicht StaatS- anstalten sind, die nächsten Aufsichtsbehörden beauf tragt. Für höhere Schulen, welche Staatsanstalten sind, desgleichen für das Seminar zu Waldenburg, ist die Genehmigung unmittelbar bei der obersten Schulbehörde durch den Director der Anstalt nach zusuchen. — Vor einer großen Anzahl von Zuschauern stieg am Sonntag Abend halb 7 Uhr die Luftschifferin Frau Securius mit dem Luftballon „Neptun" von dem Garten zu „Drei Mohren" in Anger bei Leipzig in die Höhe und ging Abends halb 8 Uhr zwischen den Dörfern Espenheim und Mölbis bei Rötha auf einem Kartoffelfelde ohne Unfall nieder. Abends halb 11 Uhr kam die Luftschifferin mit ihrem Ballon auf einem Bauerwagen wohlbehalten im Gasthaus zu „Drei Mohren" wieder an. — Wie das „Freiberger Tageblatt" meldet, ist der Kunststeiger, welcher die Fahrkunst-Gesträngleitung vor und nach dem Grubenunglück auf dem Abra hamschachte zu beaufsichtigen hatte, am Pfingstsonn abend seiner Stellung entsetzt worden. — Am zweiten Pfingstfeiertage Nachts '/-2 Uhr entwickelte sich im Tanzsaale des Gasthofes zum Hirsch in Oberlungwitz zwischen zwei mitanwesenden jungen Leuten ein Streit, bei welchem es zu Thät- lichkeiten kam und wobei der eine der Excedenten den andern mit seinem Taschenmesser in die Schläfe stach. Der schnell herzugerufenen Gensdarmerie zeigte der Verwundete noch den Verbrecher, worauf er zusammenbrach und während des Transportes nach der Wohnung seinen Geist aufgab. Der Mör der, welcher Widerstand leistete, wurde gefesselt an das Amtsgericht Hohenstein abgeliefert. Der Ge- tödtete soll in Oberlungwitz, hingegen der Verbrecher in Gersdorf wohnhaft sein. — In der Nacht zum Mittwoch sind in Rade berg die dortige Papierfabrik, sowie das dazu ge hörige Wohnhaus total niedergebrannt. Daß das Hintergebäude der Fabrik verschont blieb, ist nur den Bemühungen der von den verschiedensten Seiten herbeieilenden Spritzen zu verdanken. Die Fabrik war s. Z. ein Actienunternehmen, befand sich aber zuletzt in Privathänden. — Im Erzgebirge hat es am 18. d. so stark geschneit, daß man z. B. von der Terrasse des Wald schlößchens in Dresden aus nicht blos den Gebirgs kamm vom Schneeberge bis zum Kahlenberge als vollständige Winterlandschaft erblickte, sondern auch das zwischen dem Elbthale und dem Quellengebiete der rothen Weißeritz lagernde sogenannte Ouerge- birge von Wilisch bis zu den Possendorser Höhen ganz weiß von Schnee sich präsentirte. — Wie an vielen anderen Orten hat in Folge epidemischen Auftretens der Masernkrankheit unter den Schulkindern jetzt auch in Daubnitz bei Lom- sie sich bisher bewegt, war Frau von Hußlar unter Waldens bescheidenes Dach getreten und hatte hier zum ersten Male ein Bild jener inneren Zufrieden heit geschaut, die jedes auf ein ernstes, würdiges Ziel gerichtetes Streben demjenigen gewährt, der sich ihm hingiebt, ohne in demselben die Befriedigung einer kleinlichen Eitelkeit zu suchen. Walden besaß wenig oder nichts von der hin reißenden fesselnden Gewalt des Genies, er gehörte zu jenen Männern nicht, die ein weibliches Herz im Sturme erobern. Sein etwas unbewegliches Gesicht war wenig geschickt, das innere Arbeiten der Gedanken wiederzuspiegeln, außerdem war er meist wortkarg und nur bei ihn besonders interes- sirenden Gegenständen erhob sich seine Sprache zur natürlichen Beredsamkeit. Allein die Gewohnheit eines ernsten angestrengten Denkens hatte seinem ganzen Auftreten Festigkeit und Sicherheit gegeben; er besaß Aplomb, war mit einem Worte eine tüch tige Natur, die schon durch ihre bloße Nähe das Gefühl des Geborgenseins wach rief und also ganz geeignet, das Vertrauen und das Herz einer Frau zu gewinnen, die bei ihrer Wanderung durch das Leben bereits die ersten Jugendillusionen hinter sich gelassen. So übte Waldens ruhige, milde, durch Leiden geklärte, aber auch feste, in sich abgeschlossene Per sönlichkeit auf Frau von Hußlar, die im Lebenaus so viel Halbheit und Zerfahrenheit gestoßen und dabei, trotz des Reichthums ihrer persönlichen Be gabung, das innere Gleichgewicht, die innere Ver söhnung noch nicht gefunden, eine fast magische Anziehungskraft aus. (Fortsetzung folgt.)