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MimlniM LagMllN und und Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr- Waldenburger Anzeiger Sonnabend, de» 13. März 1330 und daß die Producte einer entwickelten Industrie wieder ihren wohlthätigen Einfluß auf das gesammte Leben äußern. Der Luxus ist ein wesentliches Element des modernen Lebens. Kein in der menschlichen Gesellschaft lebender Mensch ist nur für sich da. Er hat Verpflichtungen gegen die Gesellschaft, und von diesem Standpunkte ist die oft gepredigte Sparsamkeitstheorie rein egoi stisch und als ein Fehler gegen die sociale Zweck mäßigkeit zu betrachten, da sie durch das Lahmlegen der Industrie, der Kunst und der Gewerbe die Le bensadern der Gesellschaft unterbindet. Den Sparsamkeitspredigern steht zwar das Sprich wort zur Seite: „Spare in der Zeit, so hast Du in der Noth," allein wer es gern mit Sprichwörtern hält, dem wollen wir in's Gedächtniß rufen: „Leben und leben lassen." "Waldenburg, 12. März 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Bundesrath hat den Handelsvertrag mit Hawaii und den Abschluß eines Vertrags mit Ma dagaskar genehmigt. Der Justizausschuß des Bundesraths hat zum Wuchergesetzentwurf folgende Fassung vorge schlagen: „Hinter ß 302 des Strafgesetzbuchs wer den eingeschalten: tz 302a. Wer unter Ausbeu tung der Nothlage, des Leichtsinns oder der Uner fahrenheit eines Anderen für ein Darlehen oder im Falle der Stundung einer Geldforderung sich oder einem Dritten Vermögensvortheile versprechen oder gewähren läßt, welche den üblichen Zinsfuß derge stalt überschreiten, daß nach den Umständen des Falles die Vermögensvortheile in auffälligem Miß verhältnisse zu der Leistung stehen, wird wegen Wuchers mit Gefängniß bis zu 6 Monaten und zu gleich mit Geldstrafe bis zu 3000 Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, ß 302b. Wer sich oder einem Dritten die wucherlichen Vermögensvortheile ver schleiert oder wechselmäßig oder unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter ähn lichen Versicherungen oder Betheuerungen versprechen läßt, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu 6000 Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. § 302e. (nach der Vorlage un verändert). ß 302ck. Wer den Wucher gewerbs- oder gewohnheitsmäßig betreibt, wird mit Gefäng niß nicht unter drei Monaten und zugleich mit Geldstrafe von 150—15,000 Mark bestraft. Auch ist auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zu er kennen." Der Reichscommissar für die Ausstellung in Melbourne macht bekannt, daß die Ueberführung der deutschen Ausstellungsgüter nach Australien mit telst Dampfschiffes stattfindet und richtet an die Theilnehmer an der Ausstellung die vorläufige Auf forderung, die bezüglichen Frachtstücke bis Ende Mai in einem noch näher zu bezeichnenden Hafen bereit halten zu lassen. Der Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller hat durch den sächsischen Abg. vr. Rentzsch eine Statistik veranstaltet. Obwohl dieselbe noch nicht völlig abgeschlossen ist, sondern nur von 160 Eisen- und Stahlwerken aus allen Theilen Deutschlands vorliegt, so ergiebt sich, daß diese 160 Werke, die im Januar vorigen Jahres 91,606 Arbeiter beschäf tigten und diesen 5,166,982 M. Monatslohn zahl ten, im Januar laufenden Jahres 100,195 Arbei lich 1 Mr. 30 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. "Waldenburg, 12. März 1880. -rtt Sparen immer rathsam? ozn einer Zeit, in welcher geschäftliche Erschiitte- rungen eintreten, tritt bei jedem Einzelnen das Be streben nach Einschränkung zu Tage, ^n der all gemeinen Furcht, das Einkommen geschmälert zu sehen, wird aber zuweilen des Guten ö» ^l gethan gar manche besser Situirten schranken ^gleichfalls auf das Allernothwendigste em, '"'d ^s trag ganz unnöthiger Weise zur Vergrößerung des Nothstandes bei. Besonders leiden hierunter die Luxusgeschafte. Von Luxus aber lebt ein großer Theil der Aroetter, Kaufleute und Angestellten Wie viel hat diese ängstliche Zurückhaltung, dieses Verschließen der Kassei. dazu beigetragen, daß der Aufschwung, den unsere Industrie seit zehn Jahren in Bezug auf Technik und Geschmack genommen hat, mit Schwierigkeiten jeder Art kämpfen mußte. Viel leicht nie wären günstige Verhältnisse mehr zu wün schen gewesen, als in jenem Zeiträume. Unsere Kunstindustrie hat sich in ihm von den Ueberliefe- rungen der vergangenen Jahrzehnte losgesagt und neue Bahnen mit Erfolg betreten; unser ganzes Ge werbe hat Fortschritte in Darstellung und besonders in Anwendung der Maschinen und Erfindungen gemacht. Der Erfolg wäre noch größer gewesen, wenn ein regeres Leben nicht durch das ängstliche Zurückhalten'Derjenigen, welche trotz der schlechten Zeiten einen vernünftigen Luxus hätten treiben kön nen, gehemmt worden wäre. Für die letzten Jahre ist es besonders charakteri stisch gewesen, daß man allgemein nach dem „Wohl feilen" strebte, ja man fühlte sich beschämt, einen gekauften Gegenstand an anderer Stelle billiger an geboten zu finden, ohne die Frage aufzuwerfen, ob die billigere Waare nicht schlechter fabricirt und demnach trotzdem zu lheuer bezahlt ist? Ist nicht die erste Frage eines Bestellenden (zum großen Theile wenigstens) beim Handwerker, was wird die Waare kosten? Wird nicht in vielen Fällen an mehreren Stellen Nachfrage gehalten und dann die Waare vom Billigsten bezogen? Warum ist denn nicht die erste Frage nach der Vorzüglichkeit der Waare ge richtet? Mit gedrückten Preisen ist eine Blüthe der In dustrie nicht herbeizuführen, im Gegentheil haben die Schleuderpreise in verderblichster Art auf Güte und Concurrenzfähigkeit der Producte eingewirkt. Ein vernünftiger Luxus, den sich Viele erlauben können, würde einen mächtigen Impuls zum allge meinen Aufschwung geben. Aber auch nach anderer Seite hin hat das Billigkeitsstreben einen verderb lichen Einfluß. Gar mancher läßt seine Waare bil liger, um nur überhaupt Geschäfte zu machen, aber ohne zu bedenken, ob er dabei die Verbindlichkeiten seinen Gläubigern gegenüber noch erfüllen kann. Und so sehen wir denn ein billiges Geschäft eine Zeit lang floriren und dann zusammenbrechen. Man sehe nach Frankreich. Wie viel hat dort das Streben nach Eleganz und gutem Geschmack zur der Gewerbe und Geschäfte beigetragen, e» s? im kleinen Hemdenknöpfchen wird Eleganz, b-mm/"^bschmack aufgewandt, er wird aber auch Kacken Deutschland bewundern solche Mit Beschämung, daß die d is' mi' ffferes leiste ohne zu erkennen, daß wu zum großen Theile doch selbst die Schuld daran tragen Man gönnt sich in Frankreich einen vernünftigen Luxus, w mau hält ihn für nothwen- dlg zu einem elmgermaßen angenehmen Leben. Unsere besitzenden Klassen sollten nicht vergessen daß in diesem Streben eine Wechselwirkung liegt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die naaMr- scheinende Nummer bis Mittags h des vorhergehenden Tages. Amtsblatt für de» Stadtrath zu Waldenburg ter mit einer Gesammtlöhnung von 6,077,949 M. beschäftigten. Die Arbeiterzahl stieg um 9,3 Proc., der Arbeiterlohn um 17,6 Proc. Der Arbeiterver dienst im Vorjahr 56,40, dieses Jahr 60,66 Mark. Jene 160 Werke, die doch nur einen Theil der deutschen Eisenindustrie darstellen, sind infolge der Schutzzölle in der erfreulichen Lage, pro Monat 900,000 M. Arbeitslohn mehr zahlen zu können, was im Jahre 11 Mill. M. Mehr verdienst für die Arbeiter ausmacht. Italien. Die Gedächtnißfeier anläßlich des Todestages Mazzinis in Genua ist am 10. d. sehr ruhig vor sich gegangen. Man fürchtete Ruhestörungen seitens der Jrridenta. England. Wie wir in Nr. 57 d. Bl. meldeten, ist im eng lischen Unterhause durch Schatzkanzler Northcote die Auflösung des Parlaments für Ostern ange kündigt worden. Diese Nachricht wirkte wie ein Blitz aus heiterm Himmel. Die Regierung wahrte das Geheimniß vollkommen und es glückte ihr die Opposition vollstängig zu überrumpeln. Das Unter haus war mäßig besucht, ungefähr 200 Mittglieder befanden sich im Sitzungssaal, hundert außerhalb desselben in den Gängen und andern Räumen. Die, welche zuerst die Ankündigung des Schatzkanz lers vernommen, eilten sofort nach dem Telegraphen bureau, um die Neuigkeit ihren Freunden in der Provinz zu verkünden, bald drängte sich aber in dem kleinen Raum eine leidenschaftlich erregte Menge, Minister und Exminister und andere hervorragende Ehrenwerthe, alle ängstlich besorgt, den Draht für sich mit Beschlag belegen zu können. Be: solchen Gelegenheiten gehört die Geduld nicht zu den be- sonderen Tugenden des Engländers und in diesem Falle fehlte es nicht an sehr lebhaften Szenen, welche die Ungeduld einiger der leitenden Persönlichkeiten hervorgerufen. Die Depeschenformulare flogen über die Köpfe der Menge fort, Jeder griff darnach, um stehend auf dem Rücken eines Freundes oder auf seinem Hut mit zitternder Hand die überraschende Botschaft seiner Wählerschaft zu verkünden. Diese Szenen währten wohl eine Stunde uud zwischen fünf und sechs Uhr wurden 400 Telegramme, bis neun Uhr 650, davon 500 per Draht und 150 der Rohrpost aufgegeben. Ein Deputirter schickte 40 Depeschen auf seine eigene Rechnung ab, doch begnügte sich die Mehrzahl mit der Beförderung eines Telegramms. Em solches Gedränge hat am Telegraphenschalter des Unterhauses nicht mehr statt gefunden seit der Nacht als die beiden Lords Derby und Carnarvon ihren Austritt aus dem Kabinet mittheilten. Der Schatzkanzler Northcote hat an die Wähler des Wahlbezirks Nord-Devonshire ein Schreiben gerichtet, in welchem er erklärt, daß die auswär tige und die innere, sowie die Colonialpolitik der Negierung stets von dem Gesichtspunkte aus geleitet worden sei, die Größe, die Integrität und die Con stitution des britischen Reiches aufrecht zu erhalten. Sodann weist der Schatzkanzler auf die Schwierig keiten hm, mit welchen die Regierung in der aus wärtigen Politik zu kämpfen hatte, und unterzieht die während der letzten sechs Jahre erlassenen Ge setze über innere Angelegenheiten einer eingehenden Betrachtung. Northcothe rechtfertigt hierauf die Finanzpolitik der Regierung und spricht zum Schluffe die Hoffnung aus, daß die Zeit der Un ruhe für England nun ihrem Ende entgegengehen werde und daß das nächste Parlament seine ganze Energie auf das Werk der Besserung der socialen inneren Verhältnisse werde richten können.