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ZchinümM TMlillM und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 30 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Freitag, den 19. März 188». Bekanntmachung. Die Liste derjenigen Feuerwehr-Dienstpflichtigen, welche durch den Feuerwehr- Ausschuß den betreffenden Sectionen der hiesigen Pflichtfeuerwehr zugetheilt sind, liegt auf der Polizei-Expedition hierselbst zur Einsichtnahme der Betheiligten aus. Etwaige Einsprüche sind bei Verlust bis zum 30. dieses Monats schrift lich beim unterzeichneten Stadtrathe einzureichen. Waldenburg, den 17. März 1880. Der Stadtrath. Cunrady. »Waldenburg, 18. März 1880. Die deutsche Rechtschreibung. Der preußische Cultusminister hat ein Reglement erlassen, welches Vorschriften über eine neue deutsche Rechtschreibung enthält, wie sie künftig in den preußischen Schulen gelehrt werden soll. Der Reichstagsabgeordnete Stephani hat sich dadurch veranlaßt gesehen, einen Antrag wegen Verhand lung mit den Bundesstaaten betreffs Schaffung einer einheitlichen Orthographie im deutschen Reiche im Reichstage einzubringen. Der Antrag wird freilich schwerlich Annahme finden. Im großen Ganzen hat sich die deutsche Presse gegen das Puttkamer'sche System einer Regelung der Orthographie erklärt. So sagt die „Schlesische Ztg.": „Wir sind der Ansicht, die Rechtschreibung einer Sprache lasse sich nicht duech eine General- ordonnanz regeln und am allerwenigsten die einer mit zahlreichen fremden Elementen durchsetzten Ur sprache, wie die deutsche. Hier kann nur eine all mähliche Entwickelung Platz greifen, und eine solche geht in der That dauernd vor sich. Die Gelehrten welt mag sich ihre eignen Systeme aufbauen; als Regel aber kann nur das gelten, was allgemeiner Gebrauch wird." Will man auf die einheitliche Orthographie in der französischen Sprache Hinweisen, die durch die „Academie fran^aise" vorgeschrieben wird, so ist darauf hinzuweisen, daß dieselbe nur solche Fest stellungen trifft, welche theilweise bereits zur Volks gewohnheit geworden sind, und sich dabei immer nur auf Einzelheiten beschränkt. Sie werden deshalb stets auch ohne Weiteres acceplirt. Würde bei uns in gleicher Weise vorgegangen, würde die Reform der Rechtschreibung in die Hand einer allgemein aner kannten, in unser Bildungswesen organisch einge gliederten Autorität gelegt und unter Schonung der Volksgewohnheit bescheiden und unmerklich in's Werk gesetzt, so ließe sich nichts dagegen einwenden. Die Schulverwaltung Hai wohl das Recht, in der Schule eine neue Rechtschreibung einzufüyren, sie besitzt aber nicht die Macht, die Einführung dersel ben allgemein durchzusetzen und so wird die Ge waltsamkeit auf diesem Gebiete nur eine großartige Verwirrung zur Folge haben. »Waldenburg, 18. März 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. In einem Artikel über den bevorstehenden Geburts- ^sdes Kaisers wirft die „Prov.-Corresp." einen Rückblick auf das eben sich vollendende Lebensjahr h?bt darin hervor, in der auswärtigen Politik habe der Kaiser das Ansehen Deutschlands unver- mmdert gesehen; es sei ihm gelungen, alte Bande der Geschichte und der Culturgemeinschaft neu zu befestigen, welche der Zukunft erhöhte Sicherheit verliehen. Die Militärgesetzcommission beendete am 17. d. die zweite Lesung der Vorlage, lehnte den in der ersten Lesung angenommenen Antrag, daß in außer ordentlichen Fällen die beiden jüngsten Jahresklaffen der Ersatzreserve erster Klaffe zu höchstens acht wöchentlichen Hebungen durch kaiserliche Verordnung einberufen werden können, ab, genehmigte die Be freiung der Geistlichen von den Hebungen und nahm schließlich das ganze Gesetz mit 13 gegen 8 Stim men an. Die „Kreuzztg." schreibt, daß auch die Conserva- tiven mitgewirkt haben, beim Etat der Post- und Telegraphenverwaltung die bedeutenden Ab striche zu machen, da darüber Einverständniß herrsche, daß in ter bisher auf diesem Gebiete übli chen Weise mit Neichsgeld nicht fortgewirthschaftet werden dürfe. Ungar». Bei der Beralhung des israelitischen Reli gionsfonds im ungarischen Unterhause erörterte der bekannte Abg. Jstcczy, der die Juden alle nach Palästina geschafft haben will, unter allgemeiner Spannung und ernster Aufmerksamkeit „das Ver- hältniß der Judenheit als besonderer gesellschaftlicher Klasse, als besonderer Rasse, richtiger als besonderer Menschengattung, und die Judensrage als nicht confessionelle, sondern ausschließlich als wirlhschaft- liche, sociale und politische, also als Machlfragc." Er erklärte, „die Vermischung der Juden mit den Magyaren von der Panacee der Civilehe erwarten, heiße so viel, als den Krebsschaden in den Körper unserer Gesellschaft sich so lange einfreffen lassen, bis wir Nichtjuden von den Juden aus allen Posi tionen verdrängt, allen Vermögens beraubt sind, zu Sklaven der Judenheit herabsinken und der vom Talmud verkündeten Ausrottungspolitik zum Opfer fallen." Den Glauben, daß die Juden durch An eignung der magyarischen Sprache mit dem Körper der Nation verschmelzen würden, theilt Jstoczy nicht, „denn was nützt es den armen Polen, daß ihre Juden polnisch reden, und warum hat sich die große deutsche Nation gegen ihre eigenen Juden erhoben, die doch nicht nur in Deutschland au.schließlich die deutsche Sprache gebrauchen, sondern auch anderswo, namentlich bei uns die eifrigsten Verbreiter dieser Sprache sind. Das Judenthum simulirt nur inso- lange Anhänglichkeit an die ungarische Staatsidee und die magyarische Nation, als in diesem Lande die Suprematie dem magyarischen Elemente gehört." Die Majorität entschied sich jedoch für das Princip, die Juden in Ungarn zu magyarisiren. Frankreich. Der russische Botschafter in Paris ist von seinem Posten zurückberufen worden. Er hat von Gortschakoff folgende Depesche erhalten: „Ich habe die von Bakmetjeff überbrachte Sendung erhalten. Der Kaiser befiehlt Ihnen, zurückzukommen." Der Jesuitengeneral Pater Beckx, der sonst nur selten seinen Sitz bei Florenz verläßt, hat trotz seines hohen Alters die weite Reise unternommen und ist in Paris angekommen, um den Häuptern der cleri- calen Partei mit Rath und That beizustehen. Wenn der greise Jesuitenpater trotz seiner 85 Jahre noch die Reise nach Paris unternimmt, muß die Lage von ihm für äußerst kritisch angesehen werden. Der Dominikanerpater Olivier bot neulich von der Kanzel der Dreifaltigkeitskirche (Trinita) in Paris herab eine Wette von 50,000 Francs, daß die gegenwärtige Regierungsform sich keine zehn Jahre behaupten werde. Da die Gemeinde, auf ein solches Spielchen an dem heiligen Orte nicht gefaßt, natürlich schwieg, rief der ?. Olivier triumphirend: „Ihr seht, Niemand wagt die Wette!" und fuhr in seiner Philippika gegen die Republik fort. Im „XIX. Siocle" lädt nun aber Franzisque Sarcey die Republikaner ein, die Summe von 50,000 Francs im Subscriplionswege einzuschießen und den wettlustigen Dominikaner, welcher sie von der Kanzel herab kurzweg „Kanaillen" genannt hätte, beim Wort zu nehmen. Es wäre, meint er, aus alle Fälle ein gutes Werk, den Dominikanern 50,000 Francs für irgend einen gemeinnützigen Zweck abzunehmen. Rußland. Die Meldung des „Neuen Wiener Tagblatts" über die angeblich erfolgte plötzliche Erkrankung des Kaisers ist vollständig erfunden. Der Kaiser befindet sich wohl und empfing am 17. sowohl wie am 17. d. mehrere Personen. Amerika. Der Führer der den Chinesen feindlichen Arbei terpartei, Kearney, ist wegen drohender, auf eine Störung der öffentlichen Ruhe abfielender Reden zu Kmonatlichem Gefängniß und 1000 Dollar Geld buße verurtheilt worden. Aus dem Mttldenthale. »Waldenburg, 18. März. Se. Durchlaucht der Prinz Otto von Schönburg ist am Montag Abend aus Brandenburg hier eingetroffen und gestern am 17. März nach Schloß Schlitz in Hessen wieder abgereist. — In Zwickau wurde die ledige Johanne Marie Schöpf aus Hof zu sechs Wochen Gefängniß verur theilt, weil sie sich als die Ehefrau des bei der Brückenberg-Katastrophe mit verunglückten Arbeiters Matther Sebastiani aus Südtyrol ausgegeben und Unterstützungen angenommen hatte. Die Schöpf hatte mit Sebastiani in gemeinschaftlichem Haushalt geleb', weshalb man ihr anfangs Glauben schenkte. Aus dem Sachsenlande. — In einer der letzten Sitzungen der Zweiten Kammer fanden sämmtliche Abgeordnete auf ihren Plätzen in verschlossenem Couvert und mit genauen Adressen versehen Nummern des in Zürich erschei nenden „Socialdemokrat" vor, in welchen ein Ar tikel blau angestrichen war, der die jüngst in Sachen der Ruppert'schen Wahl geschehene Abstimmung ei ner geradezu empörenden Kritik unterzieht und theil- weise eine Sprache führt, die wohl das Stärkste bietet, was seither über eine parlamentarische Kör perschaft gesagt worden ist. Das erwähnte Blatt, welches fast in jeder Zeile den glühendsten Haß gegen die bestehende Gesellschaftsordnung predigt, ist zur Erleichterung der Einschmuggelung auf ganz dünnes Papier gedruckt und bringt gleich an seiner Spitze eine eindringliche Mahnung an die Partei genossen, bezüglich der Verbreitung, sowie Correspon- denz die größte Vorsicht obwalten zu lassen.